S 30 EG 48/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
30
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 EG 48/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 15.01.2008 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 31.03.2008 wird abgewesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Elterngeldes. Die 1971 geborene Klägerin beantragte am 06.12.2007 beim Beklagten die Zahlung von Elterngeld wegen Erziehung ihres 2007 geborenen Sohnes M ... Sie hatte vor der Geburt des Kindes ausschließlich Einkünfte aus einer freiberuflichen Tätigkeit als Ärztin bezogen. Eine anforderungsgemäß für das Jahr 2007 vorgelegte Gewinnermittlung wies einen steuerlichen Gewinn nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) von EUR 23.457,03 aus. Ein nachgereichter Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes München IV für das Jahr 2006 wies für die Klägerin Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit in Höhe von EUR 16.809,00 aus. Daraufhin erließ der Beklagte am 15.01.2008 einen Bescheid, mit dem der Klägerin für den Zeitraum vom 29.10.2007 bis 28.10.2008 abgesehen von der Phase des Bezuges eines anrechnungspflichtigen Mutterschaftsgeldes ein Elterngeld von monatlich EUR 608,00 zugesprochen wurde. Auf die im Einkommensteuerbescheid nachgewiese-nen Einkünfte wurde Bezug genommen. Die Klägerin erhob hiergegen Widerspruch. Sie begehrte bei der Ermittlung der für die Be-rechnung des Elterngeldes maßgeblichen Einkünfte die Zugrundelegung der Einnahmen in den letzten zwölf Monaten vor der Geburt ihres Sohnes anstatt aus dem Jahre 2006. Die Einkünfte jenes Jahres seien durch notwendige Investitionen vermindert gewesen, die dann 2007 zu ersten Früchten in Gestalt höherer Erträge geführt hätten. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 31.03.2008 zurück. Zur Begrün-dung zitierte er § 2 Abs. 5 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG), der nach kontinuierlich ausgeübter selbstständiger Tätigkeit anstelle der regelmäßig (insbe-sondere bei Elternteilen in abhängiger Beschäftigung) heranzuziehenden Einkünfte in den letzten zwölf Monaten vor der Geburt des Kindes die Zugrundelegung der Einkünfte aus dem letzten Veranlagungszeitraum gebiete, für den ein Einkommensteuerbescheid erlas-sen wurde. Die Klage hält an dem Begehren fest, das Elterngeld anhand des Einkommens der Kläge-rin in den letzten zwölf Monaten vor der Geburt ihres Sohnes oder auch aus ihrem Ein-kommen im gesamten Jahr 2007 zu berechnen.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 15.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2008 zu verurteilen, Elterngeld in gesetzlicher Höhe, berechnet unter Zugrundelegung des Einkommens in den letzten 12 Monaten vor der Geburt des Kindes, zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat die Akten des Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte sowie auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage wurde nach Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Widerspruchsver-fahrens form- und fristgerecht beim zuständigen Gericht erhoben und ist somit zulässig. Sie erweist sich jedoch in der Sache als unbegründet. Die angegriffenen Bescheide ent-sprechen der gesetzlichen Vorschrift des § 2 BEEG. Zutreffend hat der Beklagte Abs. 9 S. 1 der Vorschrift angewendet, wonach wegen kontinuierlicher Ausübung der freiberufli-chen Tätigkeit sowohl in den zwölf Monaten vor der Geburt des Kindes als auch im letzten steuerlich abgeschlossenen Veranlagungszeitraum anstelle des regulären Bemessungs-zeitraums der zwölf Kalendermonate vor der Geburt des Kindes das Einkommen ange-setzt wird, das im Steuerbescheid für diesen letzten abgeschlossenen steuerlichen Veran-lagungszeitraum vor der Geburt des Kindes ausgewiesen ist. Dies ist vorliegend das Jahr 2006. Die Bezugnahme auf § 2 Abs. 5 BEEG im Widerspruchsbescheid dürfte lediglich ein Schreibfehler sein. Wie bei vielen anderen dem erkennenden Gericht vorgelegten Streitfragen zur Berech-nung des Elterngeldes besteht auch bei der Bezugnahme auf den Zeitraum, in dem das relevante Einkommen eines selbstständig oder freiberuflich tätigen Elternteils erzielt wor-den ist, kein Wahlrecht im Sinne einer Optimierung des Elterngeldes. Die vom Gesetz getroffene Differenzierung zwischen abhängig Beschäftigten und selbstständig tätigen Per-sonen ist von Verwaltung und Gerichtsbarkeit nicht nur zwingend anwendbar, sondern auch unschwer als völlig sachgerecht zu erkennen. Abhängig beschäftigte Personen kön-nen jeweils wenige Tage nach Abschluss eines Arbeitsmonats eine Entgeltbescheinigung vorliegen, aus der die Einkünfte und die darauf erhobenen Steuern und Sozialabgaben bereits im Wesentlichen abschließend dokumentiert sind. Typisch ist auch, dass die Schwangerschaft wegen der vertraglich garantierten Kontinuität des Einkommens und wegen des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Ergebnis keine nennenswerten Einbußen am Entgelt bewirkt. Ganz anders ist die Lage bei Selbstständigen und Freiberuflern. Bei ihnen ist die Dokumentation von Einnahmen und Betriebsausgaben deutlich schwieriger. Sie ist immer erst etwas zeitversetzt nach den tatsächlichen Geldbewegungen möglich, und sie unterliegt mehr zufälligen Schwankungen. Auch wird die werdende Mutter in den letzten Monaten der Schwangerschaft ganz typischerweise etwas weniger Geschäftserlöse, Honorare usw. erzielen können als beim regelmäßigen Verlauf ihrer Berufstätigkeit. Die Steuerbelastung des Einkommens hängt außerdem noch von verschiedenen steuer-rechtlichen Faktoren ab, insbesondere vom Ergebnis der bei Elternpaaren typischen Zu-sammenveranlagung von Eheleuten. Von daher hat der Gesetzgeber gut daran getan, bei fortlaufender Ausübung der Selbstständigkeit die Bezugnahme auf den letzten bereits steuerrechtlich gewürdigten und etwas weiter in der Vergangenheit liegenden abge-schlossenen Veranlagungszeitraum vorzuschreiben. Dass dies im Einzelfall wie bei der Klägerin auch zu Nachteilen führen kann, liegt wie bei jeder pauschalen Bewertung von Sachverhalten auf der Hand. Generell ist insoweit der Hinweis erlaubt, dass das Elterngeld eine möglichst schnell auszuzahlende für eine über-schaubare Zeitdauer bestimmte Sozialleistung ist, vor deren Berechnung anders als etwa bei der für Jahrzehnte bestimmten Altersrente keine allzu vielstufige Ermittlungsarbeit ver-langt und keine breite Diskussionsmöglichkeit über die tatsächlichen Grundlagen einge-räumt werden kann. Genauso entschieden wie die Klägerin eine Bezugnahme auf ein kürzer vor der Geburt ihres Kindes erzieltes Einkommen verlangt, wünschen andere Müt-ter mit genauso guten Gründen der Ansatz eines Bemessungszeitraums viel weiter in der Vergangenheit als vom Gesetz vorgesehen. Das BEEG enthält jedoch kein individuelles Optimierungsmodell. Gerade bei der Bezugnahme auf steuerrechtliche Sachverhalte muss wegen der Kompli-ziertheit dieser Materie im Übrigen vermieden werden, dass die für das Elterngeld zustän-digen Behörden mit Arbeitsgängen belastet werden, für die sie Personal, Fachkenntnisse und Software eines "Neben-Finanzamtes" benötigen würden. Jedes Sozialgesetz muss den Konflikt zwischen Einzelfallgerechtigkeit und der Wahrung der Funktionsfähigkeit des Gesamtsystems meistern. Die Klägerin hat beim Gericht keinen Zweifel daran geweckt, dass der Gesetzgeber diesen Konflikt mit den Vorschriften über die Berechnung des El-terngeldes in verfassungskonformer Weise gelöst hat, und dass der beklagte Freistaat diese Vorschriften zutreffend angewendet hat. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). ()
Rechtskraft
Aus
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