Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 1061/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 1058/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 06.11.2007 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 24.07.2000.
Der am 1950 geborene Kläger wurde am 24.07.2000 während seiner Arbeit von einer umkippenden Maschine eingeklemmt und erlitt ein stumpfes Thoraxtrauma mit Fraktur der 8. bis 10. Rippe links sowie eine Lungenkontusion (Bericht von Dr. Ki. , Chefarzt der Chirurgischen Klinik an den E.-Kliniken in M. vom 14.09.2000, dort stationärer Aufenthalt vom 24.07. bis 29.07.2000). Weitere Untersuchungen wegen persistierender Rückenschmerzen im Bereich des thorako-lumbalen Übergangs dorsal links ergaben neben degenerativen Veränderungen im Brust- und Lendenwirbelbereich eine Pseudarthrose der 10. Rippe, die am 24.10.2001 in der Klinik für Thoraxchirurgie der Uniklinik T. subtotal entfernt wurde (Bericht Prof. Dr. Z. vom 08.11.2001). Anschließend war der Kläger bis zum 23.12.2001 arbeitsunfähig. Die Schmerzzustände nahmen nach Angaben des Klägers noch zu, der behandelnde Chirurg Dr. R. ging von einer postoperativen Irritation des 10. Intercostalnerven links aus (Bericht vom 15.11.2001).
Im Juni 2002 erstattete Prof. Dr. He. , Ärztlicher Direktor der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie am Klinikum L. , im Auftrag der Beklagten ein Gutachten. Er sah die Klagen und den Befund nicht in Übereinstimmung und schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf unter 10 v. H. Demgegenüber bejahte Prof. Dr. Scha. , Ärztlicher Direktor der Neurologischen Klinik am Klinikum L. , in seinem Gutachten für die Beklagte eine unfallbedingte posttraumatische Pseudarthrose der 10. Rippe links mit chronischem Schmerzsyndrom im Bereich der unteren Thoraxapertur links mit diffuser Ausstrahlung nach gluteal und in die linke Schulter sowie im Narbengebiet eine Dys- bzw. Hyperästhesie. Die MdE betrage 20 v. H.
Am 20.05.2005 erstattete Dr. H. , Arzt für Neurologie und Psychiatrie, im Auftrag der Beklagten ein Gutachten. Er teilte mit, bei der Untersuchung habe der Kläger eine Sensibilitätsstörung angegeben, die weit über das Gebiet der betroffenen Nervenwurzeln Th 10 links aber auch aller Nervenwurzeln Th 8 bis Th 10 hinausgehe. Diese Gefühlsstörung, bestehend aus einer Hyperalgesie sei aber durch Ablenkung zum Verschwinden zu bringen. Es sei denkbar, dass bei dem Kläger eine Irritation des 10. Intercostalnerven bestehe, die sich aber unter dem gewaltigen, nicht organischen Überbau nicht herausarbeiten lasse. Warum der Kläger auf eine relativ leichte Schädigung so stark reagiere, sei unklar. Er gehe von einer erheblichen Aggravation aus. Die MdE liege unter 10 v. H.
Mit Bescheid vom 12.07.2005 / Widerspruchsbescheid vom 22.02.2006 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen des Arbeitsunfalls vom 24.07.2000 ab.
Dagegen hat der Kläger am 17.03.2006 Klage zum Sozialgericht Heilbronn erhoben.
Das Sozialgericht hat das Gutachten von Prof. Dr. R. , Leitender Oberarzt der Neurologischen Klinik und Poliklinik am Universitätsklinikum W. , mit ergänzender Stellungnahme eingeholt. Er hat ausgeführt, sowohl der beim Kläger vorliegende dumpfe Ruheschmerz, ausgehend vom Areal der linksseitigen 10. Rippe diffus in die gesamte linke Thoraxhälfte, der teils auch in die obere bzw. die untere Extremität ausstrahle, als auch die sensiblen Missempfindungen im Bereich des OP-Gebietes sowie vor allem der bei Rumpfbewegungen oder Drehbewegungen einschießende elektrisierende Schmerz sei als Unfallfolge anzusehen. Der vorwiegend dumpfe Schmerz sei bereits direkt nach dem Unfallereignis aufgetreten und die elektrisierend einschießenden Schmerzen nach der wegen der Pseudarthrosebildung notwendig gewordenen Rippenteilresektion. Auch die Ausbreitung insbesondere der Missempfindungen in benachbarte Segmente lasse sich im Rahmen der Chronifizierung erklären. Bedingt würden diese Schmerzen durch eine Irritation insbesondere des 10. Intercostalnervs. Die diskrete linksseitige Hemihypästhesie mit linksbetonten Auffälligkeiten in den Tibialis-SEPs sei unabhängig von dem Unfallereignis, ebenso eine überlappende Hypästhesie thorakal links. Weiter seien auch die Schmerzen im Bereich der Leiste und des linken Beines nicht unfallbedingt sondern einer beim Kläger vorliegenden Coxarthrose beidseits zuzurechnen. Auf Grund des chronischen Schmerzsyndroms mit vorübergehenden Schmerzexazerbationen ergebe sich außerdem eine deutliche Schlafstörung sowie eine insgesamt reduzierte körperliche Leistungsfähigkeit mit vermehrter Müdigkeit, Antriebslosigkeit und Gereiztheit, welche als sekundäre Folge des Unfalls anzusehen seien. Auf Grund der Symptomatik bestehe eine erhebliche Relevanz hinsichtlich der Einschränkung im Alltagsleben und im Rahmen der beruflichen Tätigkeit. Seit der Rippenteilresektion vom 24.10.2001 betrage die MdE 20 v. H., im Zeitraum vor der Operation auf Grund der damals noch fehlenden starken neuralgieformen Schmerzkomponente etwa 15 v. H. Anlässlich der Untersuchung habe sich kein Hinweis für eine relevante Aggravation oder psychogene Überlagerung der aktuellen Beschwerdeschilderung ergeben.
Die Beklagte hat hierzu Stellungnahmen des Neurologen und Psychiaters Prof. Dr. St. vorgelegt. Er hat der Kausalitätsbeurteilung des Sachverständigen zugestimmt, die MdE aber nur mit 10 v. H. bewertet. Ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom am Brustkorb liege nicht vor.
Mit Urteil vom 06.11.2007 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 24.07.2000 eine Rente nach einer MdE von 20 v. H. ab 24.12.2001 zu gewähren und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, beim Kläger liege unfallbedingt ein Zustand nach einer knöchern konsolidierten Rippenserienfraktur sowie nach Rippenteilresektion am 24.10.2001 vor, außerdem wegen der Irritation des 10. Intercostalnerven und der nachfolgend wegen Pseudarthrosebildung nötigen Rippenteilresektion auch ein chronisches Schmerzsyndrom mit dumpfem, brennendem Ruheschmerz und elektrisierend einschießenden neuralgieformen Schmerzen, insbesondere bei Bewegung und gewissen Körperhaltungen. Diese Unfallfolgen bedingten ab 24.12.2001 (Ende der Arbeitsunfähigkeit nach der Teilresektion) eine MdE von 20 v. H. Dies ergebe sich aus den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. R ... Dieser komme zu dem Ergebnis, dass eine Konstanz und Nachvollziehbarkeit in der Beschwerdeschilderung des Klägers vorliege, die auch mit den als klar, plausibel und ohne erkennbare Aggravation empfundenen Angaben des Klägers in der ambulanten Untersuchung in Einklang stehe. Die Schmerzen seien mit einem dumpfbrennenden Charakter ständig vorhanden und es komme zusätzlich zu rezidivierenden, teils unvorhersehbar einschießenden Schmerzen. Dies führe beim Kläger zu Gereiztheit und Aggressivität sowie zu Schlafstörungen, die ihrerseits eine reduzierte körperliche Leistungsfähigkeit zur Folge hätten. Prof. Dr. R. gehe nachvollziehbar von einer MdE von 20 v. H. aus. Im Übrigen komme auch Prof. Dr. Scha. in seinem Gutachten auf eine MdE von 20 v. H. Prof. Dr. St. könne nicht gefolgt werden, da ihm schon entscheidende Aspekte fehlten um überhaupt eine solche notwendige Zusammenschau vornehmen zu können, namentlich eine eigens durchgeführte Exploration, eigens erhobene Untersuchungsbefunde und eine eigene Verhaltensbeobachtung. Auch die Ausführungen von Dr. H. überzeugten nicht. Die Aussage, dass eine Irritation des 10. Intercostalnervs nur als möglich festgestellt werden könne, weil ein gewaltiger, nicht organischer Überbau vorliege, sei durch die Ausführungen von Prof. Dr. R. widerlegt. Auch erfolge durch Dr. H. keine differenzierte Beurteilung der Schmerzsymptomatik.
Gegen das der Beklagten am 07.02.2008 zugestellte Urteil hat diese am 03.03.2008 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgebracht, unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich eingeholten Gutachten und Stellungnahmen sei dem Urteil insoweit zuzustimmen, dass beim Kläger eine unfallbedingte Schädigung des 10. Intercostalnervs links mit Ruheschmerzen und bewegungsabhängig ausgelösten neuralgieformen Schmerzen im Versorgungsgebiet dieses Nervs vorliege. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei diese Schädigung in Form einer außergewöhnlichen Schmerzsymptomatik jedoch nicht mit einer MdE von 20 v. H. zu bewerten, weil beim Kläger eine Aggravation nicht auszuschließen sei. Von Prof. Dr. R. seien keine speziellen Testverfahren zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit der Beschwerdeschilderung des Klägers herangezogen worden. Die Beschwerdeschilderung des Klägers könne somit nicht ohne Vorbehalte zur Einschätzung des Ausmaßes der Schmerzintensität herangezogen werden. Im Übrigen zeigten chronische Schmerzsyndrome erheblichen Ausmaßes darüber hinaus auf Grund der Schonung der betroffenen Regionen im Regelfall vegetative Veränderungen, wie Störungen der Hautdurchblutung oder regionale Veränderungen der Schweißabsonderung. Derartige Befunde fänden sich beim Kläger jedoch nicht. Im Übrigen werde auf die beratungsärztlichen Stellungnahmen von Prof. Dr. St. verwiesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 06.11.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. R. eingeholt. Er hat darauf hingewiesen, dass er im Rahmen der überdurchschnittlich ausführlichen, siebenstündigen gutachterlichen Untersuchung des Klägers Gelegenheit gehabt habe, diesen auch außerhalb der reinen Befunderhebung zu beobachten. Dabei habe sich ein konsistentes und einer organisch bedingten Einschränkung entsprechendes Vermeidungsverhalten hinsichtlich höhergradiger Dreh- und Beugebewegungen des Oberkörpers wegen plausibel einschießender Schmerzen gezeigt. Auch seien die Schilderungen des Klägers präzise, nachvollziehbar und durchweg in Einklang mit früheren Berichten gewesen. Es habe daher keine Veranlassung bestanden, an der Schmerzschilderung des Klägers zu zweifeln. Die von Prof. Dr. St. erwähnten Testverfahren seien bis dato nicht geeignet, eine durchaus wünschenswerte Objektivierbarkeit von Schmerzen herbeizuführen. Auch müssten die konkret beim Kläger vorliegenden Beschwerden als das normale Maß übersteigend, also als "außergewöhnliche Schmerzen" angesehen werden, was zu einer MdE von 20 v. H. führe.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist nicht begründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht entschieden, dass der Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 24.07.2000 Anspruch auf Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. ab dem 24.12.2001 hat. Soweit das Sozialgericht die darüber hinausgehende Klage abgewiesen hat, ist das Urteil rechtskräftig. Insoweit erübrigen sich deshalb Ausführungen.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
In Übereinstimmung mit den Beteiligten und dem Sozialgericht gelangt auch der Senat zu dem Ergebnis, dass beim Kläger auf Grund des Arbeitsunfalls vom 24.07.2000 ein Zustand nach einer knöchern konsolidierten Rippenserienfraktur im Bereich der 8. bis 10. Rippe sowie eine Irritation des 10. Intercostalnervs in Folge der wegen Pseudarthrosebildung nötigen Rippenteilresektion sowie ein hieraus resultierendes chronisches Schmerzsyndrom mit dumpfem, teils brennenden Ruheschmerz und elektrisierend einschießenden, neuralgeiformen Schmerzen vorliegt. Die MdE ist wegen des erheblichen Ausmaßes des Schmerzsyndroms mit 20 v. H. zu bemessen.
Das Sozialgericht hat all dies in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils umfassend und zutreffend dargelegt und sich hierbei insbesondere auf die überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. R. gestützt. Der Senat sieht deshalb gem. § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Im Hinblick auf die Ermittlungen des Senats und das Vorbringen der Beteiligten im Berufungsverfahren ist ergänzend auszuführen: Die Beklagte räumt im Berufungsverfahren inzwischen ein, dass beim Kläger eine unfallbedingte Schädigung des 10. Intercostalnervs links mit Ruheschmerzen und bewegungsabhängig ausgelösten neuralgiformen Schmerzen im Versorgungsgebiet dieses Nervs vorliegt. Streitig ist lediglich noch, ob diese Unfallfolgen eine MdE von 20 v. H. oder lediglich von 10 v. H. - so die Beklagte - bedingen. Hierzu hat Prof. Dr. R. in der vom Senat eingeholten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme überzeugend darauf hingewiesen, dass beim Kläger ein chronisches neuralgieformes Schmerzsyndrom erheblichen Ausmaßes und komplexer Ausprägung mit Dauerschmerz, belastungsabhängiger Verstärkung und zusätzlich einschießenden Schmerzen vorliegt und nicht mehr von "üblichen Schmerzen" gesprochen werden kann. Ausgehend davon, dass nach Widder und Gaidzik (Begutachtung in der Neurologie, 2007) - so Prof. Dr. R. - außergewöhnliche Schmerzen eine Erhöhung der MdE um 10 bis 50 v. H., im Einzelfall bis 100 v. H. erforderlich machen können, erscheint die Einschätzung der MdE auf 20 v. H. durch Prof. Dr. R. nicht überhöht.
Die Beurteilung von Prof. Dr. R. beruht nicht lediglich auf den Angaben des Klägers sondern auch auf der von ihm durchgeführten Konsistenzprüfung. So hat Prof. Dr. R. während der überdurchschnittlich ausführlichen, siebenstündigen gutachterlichen Untersuchung Gelegenheit gehabt, den Kläger auch außerhalb der reinen Befunderhebung zu beobachten. Dabei hat sich ein konsistentes und einer organisch bedingten Einschränkung entsprechendes Vermeidungsverhalten hinsichtlich höhergradiger Dreh- und Beugebewegungen des Oberkörpers wegen plausibel einschießender Schmerzen, welche u. a. beim Schuhe zubinden bzw. beim Vorbeugen des Oberkörpers oder bei seitlichen Neige- und Drehbewegungen aufgetreten sind, gezeigt. Im Übrigen haben in der klinischen Untersuchung auch Prüfungen, welche nicht primär die Brustkorbregion betrafen, konsistente Schmerzangaben provoziert, wie z. B. bei der Prüfung des einbeinigen Hüpfens, welches auf Grund einschießender Schmerzen hat abgebrochen werden müssen, sowie bei der Prüfung des Finger-Boden-Abstandes. Insgesamt haben sich hierbei keine Inkonsistenzen gezeigt. Der Kläger führte auch angemessene Therapiemaßnahmen und Eigenaktivitäten zur Schmerzlinderung durch. Prof. Dr. R. hat während seiner Untersuchung des Klägers mit einer Plausibilitätskontrolle auf Grund seiner Kenntnis der Akten keinen Anlass gefunden, an der Schmerzschilderung des Klägers zu zweifeln. Die von Prof. Dr. St. vertretene Auffassung, dass ohne den Einsatz von speziellen Testverfahren zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit die Fähigkeit, auch hoch qualifizierter Gutachter, Beschwerdeübertreibungen von authentischem Beschwerdevortrag zu trennen, nahe an der Ratewahrscheinlichkeit sei, kann nicht gefolgt werden. Der gerichtliche Sachverständige hat hierzu unter wörtlicher Zitierung der von Prof. Dr. St. angeführten Veröffentlichung dargelegt, dass auch die dort vorgestellten Testverfahren gerade keine sichere Aussage erlauben. Unter Bezugnahme auf Leitlinien zur Begutachtung von Schmerzen der Arbeitsgemeinschaft Neurologische Begutachtung hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass wegen der Wiedergabe subjektiver Einschätzungen psychologischen Testverfahren in der gutachterlichen Situation keine Bedeutung als objektives Kriterium zukommt, sondern vielmehr für die Beurteilung der tatsächlichen Funktionsbeeinträchtigungen der erhobene Befund während der Exploration und Untersuchung sowie die Verhaltensbeobachtung wesentlich sind. Genau so sieht dies auch der Senat.
Das Argument der Beklagten, die Tatsache, dass der Kläger außer Schmerzpflastern keinerlei Schmerzmittel einnehme, spreche gegen das von Prof. Dr. R. angenommene Ausmaß der unfallbedingten Schmerzen, kann nicht gefolgt werden. So können Schmerzpflaster durchaus zur Therapie auch starker Schmerzen Anwendung finden. Weiter kann der Senat dem Argument der Beklagten, chronische Schmerzsyndrome erheblichen Ausmaßes zeigten im Regelfall auf Grund der Schonung der betroffenen Regionen vegetative Veränderungen wie Störungen der Hautdurchblutung oder regionale Veränderungen der Schweißabsonderung, die beim Kläger nicht vorlägen, nicht folgen. Die Beklagte selbst weist darauf hin, dass dies der Regelfall ist, also Ausnahmen durchaus vorliegen können.
Bei dieser Sach- und Rechtslage ist die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 24.07.2000.
Der am 1950 geborene Kläger wurde am 24.07.2000 während seiner Arbeit von einer umkippenden Maschine eingeklemmt und erlitt ein stumpfes Thoraxtrauma mit Fraktur der 8. bis 10. Rippe links sowie eine Lungenkontusion (Bericht von Dr. Ki. , Chefarzt der Chirurgischen Klinik an den E.-Kliniken in M. vom 14.09.2000, dort stationärer Aufenthalt vom 24.07. bis 29.07.2000). Weitere Untersuchungen wegen persistierender Rückenschmerzen im Bereich des thorako-lumbalen Übergangs dorsal links ergaben neben degenerativen Veränderungen im Brust- und Lendenwirbelbereich eine Pseudarthrose der 10. Rippe, die am 24.10.2001 in der Klinik für Thoraxchirurgie der Uniklinik T. subtotal entfernt wurde (Bericht Prof. Dr. Z. vom 08.11.2001). Anschließend war der Kläger bis zum 23.12.2001 arbeitsunfähig. Die Schmerzzustände nahmen nach Angaben des Klägers noch zu, der behandelnde Chirurg Dr. R. ging von einer postoperativen Irritation des 10. Intercostalnerven links aus (Bericht vom 15.11.2001).
Im Juni 2002 erstattete Prof. Dr. He. , Ärztlicher Direktor der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie am Klinikum L. , im Auftrag der Beklagten ein Gutachten. Er sah die Klagen und den Befund nicht in Übereinstimmung und schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf unter 10 v. H. Demgegenüber bejahte Prof. Dr. Scha. , Ärztlicher Direktor der Neurologischen Klinik am Klinikum L. , in seinem Gutachten für die Beklagte eine unfallbedingte posttraumatische Pseudarthrose der 10. Rippe links mit chronischem Schmerzsyndrom im Bereich der unteren Thoraxapertur links mit diffuser Ausstrahlung nach gluteal und in die linke Schulter sowie im Narbengebiet eine Dys- bzw. Hyperästhesie. Die MdE betrage 20 v. H.
Am 20.05.2005 erstattete Dr. H. , Arzt für Neurologie und Psychiatrie, im Auftrag der Beklagten ein Gutachten. Er teilte mit, bei der Untersuchung habe der Kläger eine Sensibilitätsstörung angegeben, die weit über das Gebiet der betroffenen Nervenwurzeln Th 10 links aber auch aller Nervenwurzeln Th 8 bis Th 10 hinausgehe. Diese Gefühlsstörung, bestehend aus einer Hyperalgesie sei aber durch Ablenkung zum Verschwinden zu bringen. Es sei denkbar, dass bei dem Kläger eine Irritation des 10. Intercostalnerven bestehe, die sich aber unter dem gewaltigen, nicht organischen Überbau nicht herausarbeiten lasse. Warum der Kläger auf eine relativ leichte Schädigung so stark reagiere, sei unklar. Er gehe von einer erheblichen Aggravation aus. Die MdE liege unter 10 v. H.
Mit Bescheid vom 12.07.2005 / Widerspruchsbescheid vom 22.02.2006 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen des Arbeitsunfalls vom 24.07.2000 ab.
Dagegen hat der Kläger am 17.03.2006 Klage zum Sozialgericht Heilbronn erhoben.
Das Sozialgericht hat das Gutachten von Prof. Dr. R. , Leitender Oberarzt der Neurologischen Klinik und Poliklinik am Universitätsklinikum W. , mit ergänzender Stellungnahme eingeholt. Er hat ausgeführt, sowohl der beim Kläger vorliegende dumpfe Ruheschmerz, ausgehend vom Areal der linksseitigen 10. Rippe diffus in die gesamte linke Thoraxhälfte, der teils auch in die obere bzw. die untere Extremität ausstrahle, als auch die sensiblen Missempfindungen im Bereich des OP-Gebietes sowie vor allem der bei Rumpfbewegungen oder Drehbewegungen einschießende elektrisierende Schmerz sei als Unfallfolge anzusehen. Der vorwiegend dumpfe Schmerz sei bereits direkt nach dem Unfallereignis aufgetreten und die elektrisierend einschießenden Schmerzen nach der wegen der Pseudarthrosebildung notwendig gewordenen Rippenteilresektion. Auch die Ausbreitung insbesondere der Missempfindungen in benachbarte Segmente lasse sich im Rahmen der Chronifizierung erklären. Bedingt würden diese Schmerzen durch eine Irritation insbesondere des 10. Intercostalnervs. Die diskrete linksseitige Hemihypästhesie mit linksbetonten Auffälligkeiten in den Tibialis-SEPs sei unabhängig von dem Unfallereignis, ebenso eine überlappende Hypästhesie thorakal links. Weiter seien auch die Schmerzen im Bereich der Leiste und des linken Beines nicht unfallbedingt sondern einer beim Kläger vorliegenden Coxarthrose beidseits zuzurechnen. Auf Grund des chronischen Schmerzsyndroms mit vorübergehenden Schmerzexazerbationen ergebe sich außerdem eine deutliche Schlafstörung sowie eine insgesamt reduzierte körperliche Leistungsfähigkeit mit vermehrter Müdigkeit, Antriebslosigkeit und Gereiztheit, welche als sekundäre Folge des Unfalls anzusehen seien. Auf Grund der Symptomatik bestehe eine erhebliche Relevanz hinsichtlich der Einschränkung im Alltagsleben und im Rahmen der beruflichen Tätigkeit. Seit der Rippenteilresektion vom 24.10.2001 betrage die MdE 20 v. H., im Zeitraum vor der Operation auf Grund der damals noch fehlenden starken neuralgieformen Schmerzkomponente etwa 15 v. H. Anlässlich der Untersuchung habe sich kein Hinweis für eine relevante Aggravation oder psychogene Überlagerung der aktuellen Beschwerdeschilderung ergeben.
Die Beklagte hat hierzu Stellungnahmen des Neurologen und Psychiaters Prof. Dr. St. vorgelegt. Er hat der Kausalitätsbeurteilung des Sachverständigen zugestimmt, die MdE aber nur mit 10 v. H. bewertet. Ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom am Brustkorb liege nicht vor.
Mit Urteil vom 06.11.2007 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 24.07.2000 eine Rente nach einer MdE von 20 v. H. ab 24.12.2001 zu gewähren und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, beim Kläger liege unfallbedingt ein Zustand nach einer knöchern konsolidierten Rippenserienfraktur sowie nach Rippenteilresektion am 24.10.2001 vor, außerdem wegen der Irritation des 10. Intercostalnerven und der nachfolgend wegen Pseudarthrosebildung nötigen Rippenteilresektion auch ein chronisches Schmerzsyndrom mit dumpfem, brennendem Ruheschmerz und elektrisierend einschießenden neuralgieformen Schmerzen, insbesondere bei Bewegung und gewissen Körperhaltungen. Diese Unfallfolgen bedingten ab 24.12.2001 (Ende der Arbeitsunfähigkeit nach der Teilresektion) eine MdE von 20 v. H. Dies ergebe sich aus den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. R ... Dieser komme zu dem Ergebnis, dass eine Konstanz und Nachvollziehbarkeit in der Beschwerdeschilderung des Klägers vorliege, die auch mit den als klar, plausibel und ohne erkennbare Aggravation empfundenen Angaben des Klägers in der ambulanten Untersuchung in Einklang stehe. Die Schmerzen seien mit einem dumpfbrennenden Charakter ständig vorhanden und es komme zusätzlich zu rezidivierenden, teils unvorhersehbar einschießenden Schmerzen. Dies führe beim Kläger zu Gereiztheit und Aggressivität sowie zu Schlafstörungen, die ihrerseits eine reduzierte körperliche Leistungsfähigkeit zur Folge hätten. Prof. Dr. R. gehe nachvollziehbar von einer MdE von 20 v. H. aus. Im Übrigen komme auch Prof. Dr. Scha. in seinem Gutachten auf eine MdE von 20 v. H. Prof. Dr. St. könne nicht gefolgt werden, da ihm schon entscheidende Aspekte fehlten um überhaupt eine solche notwendige Zusammenschau vornehmen zu können, namentlich eine eigens durchgeführte Exploration, eigens erhobene Untersuchungsbefunde und eine eigene Verhaltensbeobachtung. Auch die Ausführungen von Dr. H. überzeugten nicht. Die Aussage, dass eine Irritation des 10. Intercostalnervs nur als möglich festgestellt werden könne, weil ein gewaltiger, nicht organischer Überbau vorliege, sei durch die Ausführungen von Prof. Dr. R. widerlegt. Auch erfolge durch Dr. H. keine differenzierte Beurteilung der Schmerzsymptomatik.
Gegen das der Beklagten am 07.02.2008 zugestellte Urteil hat diese am 03.03.2008 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgebracht, unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich eingeholten Gutachten und Stellungnahmen sei dem Urteil insoweit zuzustimmen, dass beim Kläger eine unfallbedingte Schädigung des 10. Intercostalnervs links mit Ruheschmerzen und bewegungsabhängig ausgelösten neuralgieformen Schmerzen im Versorgungsgebiet dieses Nervs vorliege. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei diese Schädigung in Form einer außergewöhnlichen Schmerzsymptomatik jedoch nicht mit einer MdE von 20 v. H. zu bewerten, weil beim Kläger eine Aggravation nicht auszuschließen sei. Von Prof. Dr. R. seien keine speziellen Testverfahren zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit der Beschwerdeschilderung des Klägers herangezogen worden. Die Beschwerdeschilderung des Klägers könne somit nicht ohne Vorbehalte zur Einschätzung des Ausmaßes der Schmerzintensität herangezogen werden. Im Übrigen zeigten chronische Schmerzsyndrome erheblichen Ausmaßes darüber hinaus auf Grund der Schonung der betroffenen Regionen im Regelfall vegetative Veränderungen, wie Störungen der Hautdurchblutung oder regionale Veränderungen der Schweißabsonderung. Derartige Befunde fänden sich beim Kläger jedoch nicht. Im Übrigen werde auf die beratungsärztlichen Stellungnahmen von Prof. Dr. St. verwiesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 06.11.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. R. eingeholt. Er hat darauf hingewiesen, dass er im Rahmen der überdurchschnittlich ausführlichen, siebenstündigen gutachterlichen Untersuchung des Klägers Gelegenheit gehabt habe, diesen auch außerhalb der reinen Befunderhebung zu beobachten. Dabei habe sich ein konsistentes und einer organisch bedingten Einschränkung entsprechendes Vermeidungsverhalten hinsichtlich höhergradiger Dreh- und Beugebewegungen des Oberkörpers wegen plausibel einschießender Schmerzen gezeigt. Auch seien die Schilderungen des Klägers präzise, nachvollziehbar und durchweg in Einklang mit früheren Berichten gewesen. Es habe daher keine Veranlassung bestanden, an der Schmerzschilderung des Klägers zu zweifeln. Die von Prof. Dr. St. erwähnten Testverfahren seien bis dato nicht geeignet, eine durchaus wünschenswerte Objektivierbarkeit von Schmerzen herbeizuführen. Auch müssten die konkret beim Kläger vorliegenden Beschwerden als das normale Maß übersteigend, also als "außergewöhnliche Schmerzen" angesehen werden, was zu einer MdE von 20 v. H. führe.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist nicht begründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht entschieden, dass der Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 24.07.2000 Anspruch auf Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. ab dem 24.12.2001 hat. Soweit das Sozialgericht die darüber hinausgehende Klage abgewiesen hat, ist das Urteil rechtskräftig. Insoweit erübrigen sich deshalb Ausführungen.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
In Übereinstimmung mit den Beteiligten und dem Sozialgericht gelangt auch der Senat zu dem Ergebnis, dass beim Kläger auf Grund des Arbeitsunfalls vom 24.07.2000 ein Zustand nach einer knöchern konsolidierten Rippenserienfraktur im Bereich der 8. bis 10. Rippe sowie eine Irritation des 10. Intercostalnervs in Folge der wegen Pseudarthrosebildung nötigen Rippenteilresektion sowie ein hieraus resultierendes chronisches Schmerzsyndrom mit dumpfem, teils brennenden Ruheschmerz und elektrisierend einschießenden, neuralgeiformen Schmerzen vorliegt. Die MdE ist wegen des erheblichen Ausmaßes des Schmerzsyndroms mit 20 v. H. zu bemessen.
Das Sozialgericht hat all dies in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils umfassend und zutreffend dargelegt und sich hierbei insbesondere auf die überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. R. gestützt. Der Senat sieht deshalb gem. § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Im Hinblick auf die Ermittlungen des Senats und das Vorbringen der Beteiligten im Berufungsverfahren ist ergänzend auszuführen: Die Beklagte räumt im Berufungsverfahren inzwischen ein, dass beim Kläger eine unfallbedingte Schädigung des 10. Intercostalnervs links mit Ruheschmerzen und bewegungsabhängig ausgelösten neuralgiformen Schmerzen im Versorgungsgebiet dieses Nervs vorliegt. Streitig ist lediglich noch, ob diese Unfallfolgen eine MdE von 20 v. H. oder lediglich von 10 v. H. - so die Beklagte - bedingen. Hierzu hat Prof. Dr. R. in der vom Senat eingeholten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme überzeugend darauf hingewiesen, dass beim Kläger ein chronisches neuralgieformes Schmerzsyndrom erheblichen Ausmaßes und komplexer Ausprägung mit Dauerschmerz, belastungsabhängiger Verstärkung und zusätzlich einschießenden Schmerzen vorliegt und nicht mehr von "üblichen Schmerzen" gesprochen werden kann. Ausgehend davon, dass nach Widder und Gaidzik (Begutachtung in der Neurologie, 2007) - so Prof. Dr. R. - außergewöhnliche Schmerzen eine Erhöhung der MdE um 10 bis 50 v. H., im Einzelfall bis 100 v. H. erforderlich machen können, erscheint die Einschätzung der MdE auf 20 v. H. durch Prof. Dr. R. nicht überhöht.
Die Beurteilung von Prof. Dr. R. beruht nicht lediglich auf den Angaben des Klägers sondern auch auf der von ihm durchgeführten Konsistenzprüfung. So hat Prof. Dr. R. während der überdurchschnittlich ausführlichen, siebenstündigen gutachterlichen Untersuchung Gelegenheit gehabt, den Kläger auch außerhalb der reinen Befunderhebung zu beobachten. Dabei hat sich ein konsistentes und einer organisch bedingten Einschränkung entsprechendes Vermeidungsverhalten hinsichtlich höhergradiger Dreh- und Beugebewegungen des Oberkörpers wegen plausibel einschießender Schmerzen, welche u. a. beim Schuhe zubinden bzw. beim Vorbeugen des Oberkörpers oder bei seitlichen Neige- und Drehbewegungen aufgetreten sind, gezeigt. Im Übrigen haben in der klinischen Untersuchung auch Prüfungen, welche nicht primär die Brustkorbregion betrafen, konsistente Schmerzangaben provoziert, wie z. B. bei der Prüfung des einbeinigen Hüpfens, welches auf Grund einschießender Schmerzen hat abgebrochen werden müssen, sowie bei der Prüfung des Finger-Boden-Abstandes. Insgesamt haben sich hierbei keine Inkonsistenzen gezeigt. Der Kläger führte auch angemessene Therapiemaßnahmen und Eigenaktivitäten zur Schmerzlinderung durch. Prof. Dr. R. hat während seiner Untersuchung des Klägers mit einer Plausibilitätskontrolle auf Grund seiner Kenntnis der Akten keinen Anlass gefunden, an der Schmerzschilderung des Klägers zu zweifeln. Die von Prof. Dr. St. vertretene Auffassung, dass ohne den Einsatz von speziellen Testverfahren zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit die Fähigkeit, auch hoch qualifizierter Gutachter, Beschwerdeübertreibungen von authentischem Beschwerdevortrag zu trennen, nahe an der Ratewahrscheinlichkeit sei, kann nicht gefolgt werden. Der gerichtliche Sachverständige hat hierzu unter wörtlicher Zitierung der von Prof. Dr. St. angeführten Veröffentlichung dargelegt, dass auch die dort vorgestellten Testverfahren gerade keine sichere Aussage erlauben. Unter Bezugnahme auf Leitlinien zur Begutachtung von Schmerzen der Arbeitsgemeinschaft Neurologische Begutachtung hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass wegen der Wiedergabe subjektiver Einschätzungen psychologischen Testverfahren in der gutachterlichen Situation keine Bedeutung als objektives Kriterium zukommt, sondern vielmehr für die Beurteilung der tatsächlichen Funktionsbeeinträchtigungen der erhobene Befund während der Exploration und Untersuchung sowie die Verhaltensbeobachtung wesentlich sind. Genau so sieht dies auch der Senat.
Das Argument der Beklagten, die Tatsache, dass der Kläger außer Schmerzpflastern keinerlei Schmerzmittel einnehme, spreche gegen das von Prof. Dr. R. angenommene Ausmaß der unfallbedingten Schmerzen, kann nicht gefolgt werden. So können Schmerzpflaster durchaus zur Therapie auch starker Schmerzen Anwendung finden. Weiter kann der Senat dem Argument der Beklagten, chronische Schmerzsyndrome erheblichen Ausmaßes zeigten im Regelfall auf Grund der Schonung der betroffenen Regionen vegetative Veränderungen wie Störungen der Hautdurchblutung oder regionale Veränderungen der Schweißabsonderung, die beim Kläger nicht vorlägen, nicht folgen. Die Beklagte selbst weist darauf hin, dass dies der Regelfall ist, also Ausnahmen durchaus vorliegen können.
Bei dieser Sach- und Rechtslage ist die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
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