Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 3320/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 3035/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 31.05.2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger erstrebt die Weitergewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 30.07.2005 hinaus.
Der im Jahre 1952 geborene Kläger leidet im Wesentlichen an Lumbalbeschwerden nach mehreren Bandscheibenvorfällen und entsprechenden Operationen sowie einer Versteifungsoperation nach Bandscheibeninfektion L3/4, an Cervikal- und Schulterbeschwerden, einer unfallbedingten arthrotischen Funktionsbeeinträchtigung des linken oberen Sprunggelenks, Bluthochdruck sowie einer Anpassungsstörung mit Somatisierungsneigung. Für die Zeit ab Oktober 2004 ist beim Kläger durch das Versorgungsamt einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 (Speiseröhrentumorerkrankung [in Heilungsbewährung] Teil-GdB 80, psychovegetatives Erschöpfungssyndrom, seelische Störung Teil-GdB 40, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, operierter Bandscheibenschaden, chronisches Schmerzsyndrom, Versteifung von Wirbelsäulenabschnitten Teil-GdB 30, Bluthochdruck Teil-GdB 10, Hauterkrankung Teil-GdB 10, Funktionsbehinderung des linken Sprunggelenks, Arthrose Teil-GdB 10) anerkannt.
Nachdem die Beklagte den vom Kläger im Jahre 1999 gestellten Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit zunächst abgelehnt und das Sozialgericht Reutlingen - S 2 RJ 2110/00 - die daraufhin erhobene Klage abgewiesen hatte, erkannte sie im Berufungsverfahren vor dem 11. Senat des erkennenden Gerichts - L 11 RJ 1807/02 - das Vorliegen voller Erwerbsminderung seit dem 19.06.2002 (Zeitpunkt der Bandscheibenoperation mit nachfolgender Bandscheibeninfektion) an. Unter Hinweis auf eine nicht unwahrscheinliche Beschwerdebesserung gewährte sie dem Kläger befristet für die Zeit von 01.01.2003 bis zum 30.06.2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Im Rahmen des Weitergewährungsverfahrens holte die Beklagte ein Gutachten des Orthopäden Dr. Kn. ein (Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr je Arbeitstag für leichte Arbeiten im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen ohne häufige Zwangshaltungen, häufiges Bücken, Klettern, Steigen, Knien oder Hocken sowie ohne Zeitdruck). Mit Bescheid vom 01.06.2005 und Widerspruchsbescheid vom 14.09.2005 lehnte sie den Antrag ab.
Am 04.10.2005 hat der Kläger beim Sozialgericht Reutlingen Klage erhoben und die unbefristete Weitergewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung begehrt. Zur Begründung hat er einen Arztbericht des ärztlichen Direktors und Chefarztes der S. -Klinik Prof. Dr. G.-Z. vom 14.06.2005 (unveränderte Beschwerdesymptomatik, derzeit keine Arbeitsfähigkeit) vorgelegt.
Das Sozialgericht hat schriftliche sachverständige Zeugenaussagen des Internisten Dr. B. (seit 2005 Stabilisierung des Allgemeinzustandes, nur mäßige Besserung der Wirbelsäulen- und Kniegelenksbeschwerden, Anfang März 2006 erneuter Diskusprolaps im LWS-Bereich, bereits bei leichten Belastungen nach ca. 30 Minuten wirbelsäulenbedingte Beschwerden, die zu einer Arbeitspause zwingen) und von Prof. Dr. G.-Z. (seit 2005 keine wesentliche Besserung der Lendenwirbelsäulenbeschwerden, jedoch deutliche Linderung der Halswirbelsäulenbeschwerden, unter halbschichtiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten im Wechsel mit verschiedenen qualitativen Einschränkungen) eingeholt. Darüber hinaus hat der Orthopäde Dr. H. auf Anforderung des Sozialgerichts das schriftliche Sachverständigengutachten vom 09.09.2006 erstattet (vollschichtiges Leistungsvermögen für Tätigkeiten mit gelegentlichem Heben und Tragen von Lasten bis 15 kg bei stabilisierter aufrechter Rumpfhaltung bzw. bis 5 kg in Rumpfvor- oder -seitneigung im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen mit im Wesentlichen den bereits von Dr. Kn. beschriebenen qualitativen Einschränkungen).
Mit Gerichtsbescheid vom 31.05.2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger könne nach der schlüssigen und nachvollziehbaren Einschätzung von Dr. H. leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden an fünf Tagen je Woche verrichteten. Diese Einschätzung stehe auch im Einklang mit der Beurteilung durch Dr. Kn. im Verwaltungsverfahren. Die abweichende Auffassung von Prof. Dr. G.-Z. überzeuge mangels Begründung nicht. Auch werde das Ergebnis des Gutachtens von Dr. H. durch die von Dr. B. fachfremd geäußerte Einschätzung nicht in Frage gestellt. Schließlich bestehe angesichts der unterschiedlichen gesetzlichen Voraussetzungen auch keine Wechselwirkung zwischen dem beim Kläger anerkannten GdB von 100 und der Erwerbsminderung. Diese Entscheidung ist der Kläger am 13.06.2007 zugestellt worden.
Am 16.06.2007 hat der Kläger Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er ein Privatgutachten des Chirurgen Dr. M. vom 11.07.2007 (Leistungsvermögen von unter drei Stunden je Arbeitstag für leichte Arbeiten mit wechselnder Körperhaltung) sowie einen Arztbericht von Prof. Dr. G.-Z. vom 24.11.2008 (neu aufgetretener Diskusprolaps L2/3 links mit breitbasiger dorsaler Protrusion, der eine Irritation der linken Wurzel von L3 erklärt) vorgelegt.
Der Senat hat das schriftliche Sachverständigengutachten des Orthopäden Dr. Hu. vom 06.03.2008 eingeholt (Leistungsvermögen von sechs Stunden mehr je Arbeitstag für leichte Tätigkeiten mit im Wesentlichen den bereits von Dr. Kn. beschriebenen qualitativen Einschränkungen).
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 31.05.2007 sowie den Bescheid vom 01.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.09.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer über den 30.06.2005 hinaus zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats des Sozialgerichts Reutlingen, die beigezogenen Rentenakten der Beklagten, die gleichfalls beigezogenen Akten des Sozialgericht Reutlingen - S 2 RJ 2110/00 - und des 11. Senats des erkennenden Gerichts - L 11 RJ 1807/02 - aus dem vorangegangenen Rentenverfahren sowie die ebenfalls beigezogenen Akten des 8. Senats des erkennenden Gerichts aus dem Schwerbehindertenverfahren des Klägers verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet im erklärten Einverständnis der Beteiligten sowie in Anwendung des ihm danach gesetzlich eingeräumten Ermessens ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) durch den Berichterstatter allein (§ 155 Abs. 3 und 4 SGG).
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 01.06.2005 und deren Widerspruchsbescheid vom 14.09.2005 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Denn er hat keinen Anspruch auf die von ihm allein begehrte Weitergewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 30.06.2005 hinaus.
Rechtsgrundlage für die vom Kläger erstrebte Reckleistung ist § 43 Abs. 2 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Allerdings ist gem. § 43 Abs. 3 SGB VI nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Die danach für eine Rentengewährung erforderlichen Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
Dass und weshalb der Kläger noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr je Arbeitstag auszuüben, hat das Sozialgericht unter Bezugnahme auf die Ausführungen von Dr. H. und Dr. Kn. ausführlich und zutreffend dargelegt; hierauf wird verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG). Diese Einschätzung wird auch durch das vom Senat eingeholte Gutachten von Dr. Hu. bestätigt. Der abweichenden Auffassung von Dr. M. vermag das Gericht in Ermangelung einer wie auch immer gearteten Begründung für die - trotz der mit dem Gutachten von Dr. H. vergleichbaren Befunde - Annahme eines unter dreistündigen Leistungsvermögens nicht zu folgen. Nichts anderes gilt schließlich für den von Dr. G.-Z. unter dem 24.11.2008 mitgeteilten Diskusprolaps L2/3 links mit breitbasiger dorsaler Protrusion. Denn die dadurch nach dem genannten Arztbrief allenfalls hervorgerufene Wurzelirritation L3 links vermag eine zeitliche Einschränkung der Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht zu rechtfertigen. Auch bedarf es angesichts der mit Rücksicht auf seine Wirbelsäulen- und Sprunggelenksbeschwerden bereits bestehenden Beschränkung auf leichte Tätigkeiten im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen ohne häufige Zwangshaltungen, häufiges Bücken, Klettern, Steigen, Knien oder Hocken sowie ohne Zeitdruck (vgl. hierzu das Gutachten von Dr. Kn. ), überwiegend in geschützten Räumen, ohne häufiges oder anhaltendes Stehen und Gehen auf unebenen Gelände (vgl. hierzu das Gutachten von Dr. H. ) und ohne Überkopfarbeiten (vgl. hierzu das Gutachten von Dr. Hu. ) keiner weiteren qualitativen Einschränkungen.
Vermag der Kläger danach zumindest noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der angeführten qualitativen Einschränkungen sechs Stunden täglich ausüben, so bedarf es die regelmäßig (vgl. BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50, auch zum Nachfolgenden) nicht der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit. Denn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten wie den Kläger mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG, a.a.O.; Urteil vom 27.04.1982, 1 RJ 132/80 in SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeiten, Lasten zu bewältigen und die geringe Belastbarkeit der Wirbelsäule (BSG, SozR 3, a.a.O.) mit den hierauf beruhenden Einschränkungen. Nicht anders liegt der Fall des Klägers. Auch bei Ihm wird den qualitativen Einschränkungen im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihm nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden.
Was schließlich die beim Kläger anerkannte Schwerbehinderteneigenschaft betrifft, verweist das Gericht wiederum auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts im angegriffenen Gerichtsbescheid (§ 153 Abs. 2 SGG). Im Übrigen fällt auf, dass der dem Kläger zuerkannte GdB von 100 im Wesentlichen auf der in Heilungsbewährung befindlichen (nach Laserbehandlung offenbar abgeheilten [vgl. hierzu das Gutachten Dr. H. ]) und die Erwerbsfähigkeit nicht beeinträchtigenden Speiseröhrentumorerkrankung mit einem Teil-GdB von 80 beruht, während die im Vordergrund der Beschwerdeschilderung des Klägers im vorliegenden Verfahren stehenden Wirbelsäulenbeschwerden lediglich mit einem Teil-GdB von 30 berücksichtigt sind. Dem entspricht es, dass Dr. Hu. im Rahmen der Bewegungsprüfung gegenüber gleichartigen Bewegungen beim Aus- und Wiederankleiden auffallende Verdeutlichungstendenzen festgestellt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger erstrebt die Weitergewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 30.07.2005 hinaus.
Der im Jahre 1952 geborene Kläger leidet im Wesentlichen an Lumbalbeschwerden nach mehreren Bandscheibenvorfällen und entsprechenden Operationen sowie einer Versteifungsoperation nach Bandscheibeninfektion L3/4, an Cervikal- und Schulterbeschwerden, einer unfallbedingten arthrotischen Funktionsbeeinträchtigung des linken oberen Sprunggelenks, Bluthochdruck sowie einer Anpassungsstörung mit Somatisierungsneigung. Für die Zeit ab Oktober 2004 ist beim Kläger durch das Versorgungsamt einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 (Speiseröhrentumorerkrankung [in Heilungsbewährung] Teil-GdB 80, psychovegetatives Erschöpfungssyndrom, seelische Störung Teil-GdB 40, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, operierter Bandscheibenschaden, chronisches Schmerzsyndrom, Versteifung von Wirbelsäulenabschnitten Teil-GdB 30, Bluthochdruck Teil-GdB 10, Hauterkrankung Teil-GdB 10, Funktionsbehinderung des linken Sprunggelenks, Arthrose Teil-GdB 10) anerkannt.
Nachdem die Beklagte den vom Kläger im Jahre 1999 gestellten Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit zunächst abgelehnt und das Sozialgericht Reutlingen - S 2 RJ 2110/00 - die daraufhin erhobene Klage abgewiesen hatte, erkannte sie im Berufungsverfahren vor dem 11. Senat des erkennenden Gerichts - L 11 RJ 1807/02 - das Vorliegen voller Erwerbsminderung seit dem 19.06.2002 (Zeitpunkt der Bandscheibenoperation mit nachfolgender Bandscheibeninfektion) an. Unter Hinweis auf eine nicht unwahrscheinliche Beschwerdebesserung gewährte sie dem Kläger befristet für die Zeit von 01.01.2003 bis zum 30.06.2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Im Rahmen des Weitergewährungsverfahrens holte die Beklagte ein Gutachten des Orthopäden Dr. Kn. ein (Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr je Arbeitstag für leichte Arbeiten im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen ohne häufige Zwangshaltungen, häufiges Bücken, Klettern, Steigen, Knien oder Hocken sowie ohne Zeitdruck). Mit Bescheid vom 01.06.2005 und Widerspruchsbescheid vom 14.09.2005 lehnte sie den Antrag ab.
Am 04.10.2005 hat der Kläger beim Sozialgericht Reutlingen Klage erhoben und die unbefristete Weitergewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung begehrt. Zur Begründung hat er einen Arztbericht des ärztlichen Direktors und Chefarztes der S. -Klinik Prof. Dr. G.-Z. vom 14.06.2005 (unveränderte Beschwerdesymptomatik, derzeit keine Arbeitsfähigkeit) vorgelegt.
Das Sozialgericht hat schriftliche sachverständige Zeugenaussagen des Internisten Dr. B. (seit 2005 Stabilisierung des Allgemeinzustandes, nur mäßige Besserung der Wirbelsäulen- und Kniegelenksbeschwerden, Anfang März 2006 erneuter Diskusprolaps im LWS-Bereich, bereits bei leichten Belastungen nach ca. 30 Minuten wirbelsäulenbedingte Beschwerden, die zu einer Arbeitspause zwingen) und von Prof. Dr. G.-Z. (seit 2005 keine wesentliche Besserung der Lendenwirbelsäulenbeschwerden, jedoch deutliche Linderung der Halswirbelsäulenbeschwerden, unter halbschichtiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten im Wechsel mit verschiedenen qualitativen Einschränkungen) eingeholt. Darüber hinaus hat der Orthopäde Dr. H. auf Anforderung des Sozialgerichts das schriftliche Sachverständigengutachten vom 09.09.2006 erstattet (vollschichtiges Leistungsvermögen für Tätigkeiten mit gelegentlichem Heben und Tragen von Lasten bis 15 kg bei stabilisierter aufrechter Rumpfhaltung bzw. bis 5 kg in Rumpfvor- oder -seitneigung im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen mit im Wesentlichen den bereits von Dr. Kn. beschriebenen qualitativen Einschränkungen).
Mit Gerichtsbescheid vom 31.05.2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger könne nach der schlüssigen und nachvollziehbaren Einschätzung von Dr. H. leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden an fünf Tagen je Woche verrichteten. Diese Einschätzung stehe auch im Einklang mit der Beurteilung durch Dr. Kn. im Verwaltungsverfahren. Die abweichende Auffassung von Prof. Dr. G.-Z. überzeuge mangels Begründung nicht. Auch werde das Ergebnis des Gutachtens von Dr. H. durch die von Dr. B. fachfremd geäußerte Einschätzung nicht in Frage gestellt. Schließlich bestehe angesichts der unterschiedlichen gesetzlichen Voraussetzungen auch keine Wechselwirkung zwischen dem beim Kläger anerkannten GdB von 100 und der Erwerbsminderung. Diese Entscheidung ist der Kläger am 13.06.2007 zugestellt worden.
Am 16.06.2007 hat der Kläger Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er ein Privatgutachten des Chirurgen Dr. M. vom 11.07.2007 (Leistungsvermögen von unter drei Stunden je Arbeitstag für leichte Arbeiten mit wechselnder Körperhaltung) sowie einen Arztbericht von Prof. Dr. G.-Z. vom 24.11.2008 (neu aufgetretener Diskusprolaps L2/3 links mit breitbasiger dorsaler Protrusion, der eine Irritation der linken Wurzel von L3 erklärt) vorgelegt.
Der Senat hat das schriftliche Sachverständigengutachten des Orthopäden Dr. Hu. vom 06.03.2008 eingeholt (Leistungsvermögen von sechs Stunden mehr je Arbeitstag für leichte Tätigkeiten mit im Wesentlichen den bereits von Dr. Kn. beschriebenen qualitativen Einschränkungen).
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 31.05.2007 sowie den Bescheid vom 01.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.09.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer über den 30.06.2005 hinaus zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats des Sozialgerichts Reutlingen, die beigezogenen Rentenakten der Beklagten, die gleichfalls beigezogenen Akten des Sozialgericht Reutlingen - S 2 RJ 2110/00 - und des 11. Senats des erkennenden Gerichts - L 11 RJ 1807/02 - aus dem vorangegangenen Rentenverfahren sowie die ebenfalls beigezogenen Akten des 8. Senats des erkennenden Gerichts aus dem Schwerbehindertenverfahren des Klägers verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet im erklärten Einverständnis der Beteiligten sowie in Anwendung des ihm danach gesetzlich eingeräumten Ermessens ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) durch den Berichterstatter allein (§ 155 Abs. 3 und 4 SGG).
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 01.06.2005 und deren Widerspruchsbescheid vom 14.09.2005 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Denn er hat keinen Anspruch auf die von ihm allein begehrte Weitergewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 30.06.2005 hinaus.
Rechtsgrundlage für die vom Kläger erstrebte Reckleistung ist § 43 Abs. 2 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Allerdings ist gem. § 43 Abs. 3 SGB VI nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Die danach für eine Rentengewährung erforderlichen Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
Dass und weshalb der Kläger noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr je Arbeitstag auszuüben, hat das Sozialgericht unter Bezugnahme auf die Ausführungen von Dr. H. und Dr. Kn. ausführlich und zutreffend dargelegt; hierauf wird verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG). Diese Einschätzung wird auch durch das vom Senat eingeholte Gutachten von Dr. Hu. bestätigt. Der abweichenden Auffassung von Dr. M. vermag das Gericht in Ermangelung einer wie auch immer gearteten Begründung für die - trotz der mit dem Gutachten von Dr. H. vergleichbaren Befunde - Annahme eines unter dreistündigen Leistungsvermögens nicht zu folgen. Nichts anderes gilt schließlich für den von Dr. G.-Z. unter dem 24.11.2008 mitgeteilten Diskusprolaps L2/3 links mit breitbasiger dorsaler Protrusion. Denn die dadurch nach dem genannten Arztbrief allenfalls hervorgerufene Wurzelirritation L3 links vermag eine zeitliche Einschränkung der Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht zu rechtfertigen. Auch bedarf es angesichts der mit Rücksicht auf seine Wirbelsäulen- und Sprunggelenksbeschwerden bereits bestehenden Beschränkung auf leichte Tätigkeiten im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen ohne häufige Zwangshaltungen, häufiges Bücken, Klettern, Steigen, Knien oder Hocken sowie ohne Zeitdruck (vgl. hierzu das Gutachten von Dr. Kn. ), überwiegend in geschützten Räumen, ohne häufiges oder anhaltendes Stehen und Gehen auf unebenen Gelände (vgl. hierzu das Gutachten von Dr. H. ) und ohne Überkopfarbeiten (vgl. hierzu das Gutachten von Dr. Hu. ) keiner weiteren qualitativen Einschränkungen.
Vermag der Kläger danach zumindest noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der angeführten qualitativen Einschränkungen sechs Stunden täglich ausüben, so bedarf es die regelmäßig (vgl. BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50, auch zum Nachfolgenden) nicht der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit. Denn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten wie den Kläger mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG, a.a.O.; Urteil vom 27.04.1982, 1 RJ 132/80 in SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeiten, Lasten zu bewältigen und die geringe Belastbarkeit der Wirbelsäule (BSG, SozR 3, a.a.O.) mit den hierauf beruhenden Einschränkungen. Nicht anders liegt der Fall des Klägers. Auch bei Ihm wird den qualitativen Einschränkungen im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihm nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden.
Was schließlich die beim Kläger anerkannte Schwerbehinderteneigenschaft betrifft, verweist das Gericht wiederum auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts im angegriffenen Gerichtsbescheid (§ 153 Abs. 2 SGG). Im Übrigen fällt auf, dass der dem Kläger zuerkannte GdB von 100 im Wesentlichen auf der in Heilungsbewährung befindlichen (nach Laserbehandlung offenbar abgeheilten [vgl. hierzu das Gutachten Dr. H. ]) und die Erwerbsfähigkeit nicht beeinträchtigenden Speiseröhrentumorerkrankung mit einem Teil-GdB von 80 beruht, während die im Vordergrund der Beschwerdeschilderung des Klägers im vorliegenden Verfahren stehenden Wirbelsäulenbeschwerden lediglich mit einem Teil-GdB von 30 berücksichtigt sind. Dem entspricht es, dass Dr. Hu. im Rahmen der Bewegungsprüfung gegenüber gleichartigen Bewegungen beim Aus- und Wiederankleiden auffallende Verdeutlichungstendenzen festgestellt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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