L 3 SB 4136/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 888/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 4136/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger schwerbehindert ist.

Mit Bescheid vom 09.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2005 hatte der Beklagte beim 1944 geborenen Kläger nach Auswertung der medizinischen Unterlagen, u.a. der Entlassungsberichte der Rheuma-Klinik B. über Anschlussheilbehandlungen vom August 2004, März und Mai 2005, einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 aufgrund folgender Funktionsbeeinträchtigungen festgestellt: Chronisches Schmerzsyndrom, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, operierter Bandscheibenschaden.

Den am 26.04.2006 gestellten Neufeststellungsantrag wies der Beklagte nach Auswertung ärztlicher Bescheinigungen des Neurologen Dr. H., des Arztes für Innere Medizin Dr. T. und des Allgemeinarztes Dr. S. mit Bescheid vom 02.06.2006 zurück. Den hiergegen vom Kläger mit der Begründung eingelegten Widerspruch, er leide darüber hinaus an ständigem Bluthochdruck, einem erhöhten Cholesterinspiegel und Depressionen, wies der Beklagte nach Beiziehung medizinischer Unterlagen von Dr. H., auf die Bezug genommen wird, mit Widerspruchsbescheid vom 19.03.2007 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 28.03.2007 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Der vom SG als sachverständiger Zeuge gehörte Dr. H. hat in der schriftlichen Zeugenaussage vom 14.09.2007 mitgeteilt, der Kläger habe zuletzt am 08.03.2007 in seiner Behandlung gestanden. Dieser sei nach wie vor schmerzgeplagt und stark bewegungseingeschränkt, es sei ein Dauerschmerz eingetreten. Aus neurochirurgischer Sicht sei eine weitere Behandlung nicht notwendig. Er beurteile den GdB mit 70.

Das SG hat den Orthopäden Dr. H. mit der Erstattung eines orthopädischen Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 08.03.2008 hat dieser ausgeführt, beim Kläger seien drei Bandscheibenoperationen im Bereich der Lendenwirbelsäule, und zwar am 26.07.2004, am 07.02.2005 sowie am 28.04.2005 durchgeführt worden. Bei der letzten Operation sei das zuvor eingebaute interspinöse Implantat ebenso wie die gesamte Bandscheibe L4/L5 entfernt und durch eine Prothese ersetzt worden. Diese dritte Operation habe - im Gegensatz zu den früheren Operationen - offenbar zu einer spürbaren Schmerzlinderung geführt. Die Schmerzen, Missempfindungen und Muskelschwächen im Bereich des linken Beines seien seither offensichtlich verschwunden, auch habe sich der Rückenschmerz deutlich gebessert. Unter Belastung verspüre der Kläger aber immer noch einen lokal begrenzten Schmerz in der unteren Lendenwirbelsäule. Darüber hinaus komme es gelegentlich zu blitzartig einschießenden Schmerzen, beispielsweise bei unkontrollierten Bewegungen. Diese ließen sich in der Regel durch Einnahme entzündungshemmender Schmerzmedikamente rasch wieder lindern. Bei der Begutachtung hätten sich keine Zeichen für eine Dauerschädigung einer Nervenwurzel gefunden. Auch die lokale Schmerzsymptomatik im Bereich der Lendenwirbelsäule sei deutlich gebessert. Die schmerzhafte Funktionsstörung im Bereich der Lendenwirbelsäule bewerte er unter Berücksichtigung der vorliegenden Befunde und des aktuellen körperlichen Untersu¬chungsbefundes sowie der umfangreichen anamnestischen Angaben ab April 2006 mit einem GdB von 30. Die weiter vorliegende Hauterkrankung, vor allen Dingen im Bereich der linken Fußsohle mit überschießender Verhornung und Rissbildungen, rechtfertige bei wohlwollender Betrachtung einen GdB von 10, ohne dass sich dadurch der Gesamt-GdB erhöhe.

Mit Gerichtsbescheid vom 14.07.2008, auf den Bezug genommen wird, hat das SG die Klage abgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 29.07.2008 Berufung eingelegt mit der Begründung, allein die Wirbelsäulenbeschwerden rechtfertigten eine Erhöhung des GdB auf wenigstens 50. Hinzu kämen die zusätzlichen durch den Bluthochdruck, den überhöhten Cholesterinspiegel sowie das psychovegetative Erschöpfungssyndrom und die depressive Verstimmung bedingten Einschränkungen. Allein die Einnahme von sieben verschiedenen Medikamenten lasse erkennen, dass er durch seine gesundheitlichen Einschränkungen erheblich behindert sei. Dies zeige sich auch daran, dass er nachts fast stündlich aufstehen müsse, um zur Toilette zu gehen. Zudem hätten die Bandscheibenoperationen überhaupt keinen Erfolg gebracht. Bei der Beurteilung des GdB durch den Sachverständigen Dr. H. seien auch seine ganz massiv vorliegenden subjektiv empfundenen Beschwerden und dessen subjektiv empfundenen Ängste bezüglich der Wirbelsäulenschmerzsymptomatik nicht bewertet worden.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 14. Juli 2008 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 02. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2007 zu verurteilen, den gesamten Behinderungsgrad mit wenigstens 50 ab dem 26. April 2006 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschlie¬ßungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 30.

Wegen der rechtlichen Voraussetzungen der zu treffenden Entscheidung, der bei der Feststellung des GdB anzuwendenden Maßstäbe sowie den danach durch die beim Kläger auf orthopädi¬schem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen bedingten Funktionsbeeinträchtigungen anzusetzenden GdB verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Gerichtsbescheid (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist Folgendes auszuführen:

Die dritte Lendenwirbeloperation des Klägers im April 2005, bei der das zuvor eingebaute interspinöse Implantat entfernt und die gesamte Bandscheibe L4/L5 entfernt und durch eine Prothese ersetzt worden ist, hat zu einer spürbaren Schmerzlinderung geführt. Die Schmerzen, Missempfindungen und Muskelschwächen im Bereich des linken Beines sind seither vollständig abgeklungen; auch hat sich der Rückenschmerz deutlich gebessert. Lediglich bei mechanischen Belastungen und bei Witterungsumschwüngen treten lokale Schmerzen in der Lendenregion auf, die sich jedoch durch die Einnahme entzündungshemmender Schmerzmedikamente gut beeinflussen lassen. Der Senat stützt sich hierbei auf die Feststellungen des Sachverständigen Dr. H. im Gutachten vom 08.03.2008. Beim Kläger liegt danach eine chronische, schmerzhafte Funktionsstörung der Lendenwirbelsäule vor. Nach den Anhaltspunkten für die gutachterliche Tätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008 (AHP) bedingen Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) einen GdB von 20, Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufige rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufige rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) einen GdB von 30. Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes ist der von Dr. H. angegebene GdB von 30 als wohlwollend zu bezeichnen. Die daneben vorliegende Hauterkrankung im Bereich der linken Fußsohle mit überschießender Verhornung und Rissbildungen führt nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB.

Entgegen der Auffassung des Klägervertreters lassen sich aus der Einnahme von 7 verschiedenen Medikamenten keine Rückschlüsse auf die Höhe des GdB ziehen. Maßgebend sind vielmehr die nach den Bandscheibenoperationen verbliebenen Funktionseinschränkungen. Auch besteht keine Verpflichtung des Sachverständigen, den Kläger auf vermeintliche Widersprüche in seinen anamnestischen Angaben hinzuweisen. Aufgabe des Sachverständigen ist vielmehr, diese Angaben im Hinblick auf die Beweisfragen auszuwerten.

Darüber hinaus liegen auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Depression vor. Entgegen der Berufungsbegründung kann auch die Gestaltung des täglichen Lebens im familiären Umfeld nicht einer depressiven Verstimmung mit Rückzugstendenzen gleichgesetzt werden. Der Schilderung des Tagesablaufs, wie sie im von Dr. H. erstatteten Gutachten dargestellt ist, lässt sich vielmehr entnehmen, dass der Kläger noch vielfältige Aktivitäten im familiären Bereich übernimmt (Fahrt zur und von der Arbeitsstelle der Ehefrau und des Sohnes, Durchführen der Einkäufe), um seine berufstätige Ehefrau und den berufstätigen jüngsten Sohn zu entlasten. So hat er gegenüber dem Sachverständigen Dr. H. angegeben, er übernehme z.B. Arbeiten wie Staubsagen, Wäsche waschen oder auch Kochen. Den anamnestischen Angaben lässt sich auch entnehmen, dass der Kläger noch Busfahrten über 1,5 Tage mit einer Fahrstrecke von 1800 km zurücklegen kann und selbst Autofahrten durchführt, bei denen er nach einer Fahrtzeit von 2,5 Stunden eine Pause einlegen muss. Zudem wurde eine nervenärztliche Behandlung wegen Depression nie durchgeführt.

Schließlich sind auch die in der Klagebegründung genannten gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch ständigen Bluthochdruck und einen erhöhten Cholesterinspiegel nicht geeignet, den bereits berücksichtigten GdB zu erhöhen. Dies folgt schon daraus, dass der Kläger deswegen keine ärztliche Behandlung in Anspruch nimmt. Auch bedingt ein Bluthochdruck in leichter Form mit keiner oder geringer Leistungsbeeinträchtigung und höchstens leichten Augenhintergrundveränderungen nach Ziff. 26.9 AHP einen GdB von lediglich 0 bis 10.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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