L 1 R 80/07 KN

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 35 RJ 224/01
Datum
-
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 R 80/07 KN
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird entsprechend ihrem Teilanerkenntnis vom 10. Dezember 2008 verurteilt, dem Kläger den Arbeitnehmeranteil der Rentenversicherungsbeiträge für den Zeitraum vom 22. Januar bis 31. Mai 1971 zu erstatten. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte hat 1/8 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Erstattung von Rentenversicherungsbeiträgen für die Zeit seiner Beschäftigung auf deutschen Seeschiffen in den Jahren 1968 bis 1972.

Der am X.XXXXXX 1937 geborene Kläger lebt in Ghana und ist ghanaischer Staatsangehöriger. In den Jahren 1968 bis 1972 war er auf deutschen Seeschiffen beschäftigt. In dem eingereichten Seefahrtbuch, ausgefertigt in Hamburg am 11. Dezember 1968, ist eine Beschäftigung als Decksmann für den Zeitraum 4. Februar 1968 bis 15. Februar 1969 auf der MS S., Partenreederei M/S S., und als Messesteward für den Zeitraum 22. Januar 1971 bis 22. Juni 1972 auf der MS N., Dampfschifffahrts-Gesellschaft N1, bescheinigt. Am 2. März 1999 stellte er bei der Beklagten einen generellen Antrag auf Leistungen. Diese übersandte ihm Unterlagen zur Beitragserstattung und er stellte einen entsprechenden Antrag. Mit Bescheid vom 3. Februar 2000 lehnte die Beklagte den Antrag ab mit der Begründung, es seien keine Beiträge vorhanden, die von dem Kläger selbst getragen worden seien. Hiergegen legte dieser am 11. April 2000 Widerspruch ein. Die Versicherungsbeiträge seien von den Unternehmen gezahlt worden. Er legte eine Bescheinigung der Firma Dampfschifffahrts-Gesellschaft N1 vom 2. Juli 1971 vor. In dieser ist für den Zeitraum 22. Januar 1971 bis 31. Mai 1971 der Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen von der Heuer in einer Gesamthöhe von 310,77 DM bestätigt. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2000 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Auf Antrag des Reeders habe für die Tätigkeiten des Klägers Versicherungsfreiheit zur Rentenversicherung nach § 1231 Abs. 2 Reichsversicherungsverordnung (RVO) in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung bestanden. Beiträge zur Rentenversicherung seien von der Heuer deshalb nicht abgezogen worden. Nach der Seemannskartei seien für die jeweiligen Tätigkeiten nur Beiträge zur gesetzlichen Unfall-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung gezahlt worden.

Hiergegen hat der Kläger am 23. Februar 2001 Klage erhoben. Trotz Widerspruchs gegen den Bescheid der Beklagten habe er seine Beitragserstattung bis heute nicht erhalten.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat ausgeführt, Beitragszeiten könnten nur berücksichtigt werden, wenn Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet worden seien. Für Beschäftigungen in der deutschen Seefahrt könne ein solcher Nachweis allein durch die Seemannskartei der See-Berufsgenossenschaft erbracht werden. Die seinerzeit von den Reedern gemeldeten Daten seien im Versicherungszweig mit der Schlüsselzahl 28 gekennzeichnet worden seien. Aus dieser Schlüsselzahl ergebe sich die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht. Damit läge die Vermutung nahe, dass auf Antrag eine Befreiung der Versicherungspflicht erfolgt sei. Nach über 30 Jahren seien die Aufbewahrungsfristen für die Befreiungsanträge verstrichen und Unterlagen lägen nicht mehr vor.

Auf Anfrage des Sozialgerichts haben die S1 N1 Schifffahrts-Aktiengesellschaft und die K. & B. GmbH & Co. mitgeteilt, dass nicht mehr festgestellt werden könne, ob für die Tätigkeit des Klägers auf der MS S. bzw. der MS N. eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 1231 RVO beantragt worden sei. Die entsprechenden Unterlagen seien bereits vernichtet.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 16. November 2006 abgewiesen. Es habe nicht festgestellt werden können, dass vom Kläger Pflichtbeiträge zur deutschen Rentenversicherung entrichtet worden seien. Anfragen bei den ehemaligen Arbeitgebern seien erfolglos gewesen. Ein Nachweis zur Entrichtung der Beiträge könne in der deutschen Seefahrt nur durch die Seemannskartei der See-Berufsgenossenschaft erbracht werden. Ausweislich der Eintragungen in der Seemannskartei seien seinerzeit die Daten für die Zeiträume vom 2. April 1968 bis zum 15. Februar 1969 sowie vom 22. Januar 1971 bis zum 21. Juni 1972 im Versicherungszweig mit der Schlüsselkennzahl 28 gekennzeichnet worden. Im streitgegenständlichen Zeitraum seien daher nur Beiträge zur Unfall-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung, jedoch keine Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt worden. Vielmehr liege die Vermutung nahe, dass auf Antrag des Reeders nach § 1231 Abs. 2 RVO eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht erfolgt sei.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 27. April 2007 Berufung eingelegt. Er sei mit dem Urteil nicht einverstanden.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht am 10. Dezember 2008 hat die Beklagte sich bereit erklärt, dem Kläger den Arbeitnehmeranteil der Rentenversicherungsbeiträge für den Zeitraum 22. Januar bis 31. Mai 1971 zu erstatten.

Der Kläger beantragt nach seinem Vorbringen sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 16. November 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. Februar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rentenversicherungsbeiträge für die Zeit seiner Beschäftigung auf deutschen Seeschiffen im Zeitraum 1968 bis 1972 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrags nimmt sie Bezug auf das Urteil der ersten Instanz.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft, formgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz, SGG). Insbesondere ist die Berufung fristgerecht eingelegt. Da ein Zustellnachweis des erstinstanzlichen Urteils an den Kläger nicht vorliegt, ist von einer rechtzeitigen Berufungseinlegung auszugehen.

Die Berufung ist teilweise begründet. Streitgegenstand ist allein die Frage der Erstattung von Rentenversicherungsbeiträgen durch die Beklagte. Indem sich der Beklagte im Termin vom 10. Dezember 2008 bereit erklärte, dem Kläger die Arbeitnehmeranteile der Rentenversicherungsbeiträge für den Zeitraum 22. Januar bis 31. Mai 1971 zu erstatten, hat sie das Klagebegehren teilweise anerkannt. Da der Kläger, der im Termin nicht anwesend war, dieses Teilanerkenntnis nicht angenommen hat, war sie nach § 202 SGG i.V.m. § 307 Satz 1 Zivilprozessordnung ihrem (Teil-)Anerkenntnis gemäß zu verurteilen (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteile vom 22. September 1977 – 5 RKn 18/76SozR 1750 § 307 Nr. 1 und vom 12. Juli 1988 – 4/11a RA 16/87SozR 6580 Art. 5 Nr. 4 - Bl. 10 f.). Ob der Klageanspruch insoweit berechtigt war, brauchte deshalb nicht mehr geprüft zu werden. Unerheblich ist dabei, dass der Kläger den Erlass eines Anerkenntnisurteils nicht ausdrücklich beantragt hat. Denn sein Berufungsantrag ist so zu verstehen, dass durch (Teil-)Anerkenntnisurteil entschieden werden soll, wenn die Beklagte den geltend gemachten Anspruch (teilweise) anerkennt (vgl. BSG, Urteil vom 22. September 1977, a.a.O.).

Im Übrigen hat die Berufung des Klägers keinen Erfolg. Er hat keinen Anspruch auf Erstattung von Rentenversicherungsbeiträgen für die übrige Zeit seiner Tätigkeit auf deutschen Seeschiffen.

Nach § 210 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) werden Beiträge auf Antrag bei Versicherten erstattet, die das 65. Lebensjahr vollendet haben und die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt haben. Gemäß § 210 Abs. 3 S. 1 SGB VI werden Beiträge in der Höhe erstattet, in der die Versicherten sie getragen haben. War mit den Versicherten ein Nettoarbeitsentgelt vereinbart, wird der von den Arbeitgebern getragene Beitragsanteil der Arbeitnehmer erstattet. Erstattungsfähig sind auch Beiträge, deren Zahlung glaubhaft gemacht (vgl. Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, 3. Aufl., § 210 SGB VI Rn. 13) oder von Gesetzes wegen vermutet wird (Gürtner in: Kasseler Kommentar zur Sozialversicherung, § 210 SGB VI Rn. 16). Das Gericht konnte nicht feststellen, dass vom Kläger Pflichtbeiträge zur deutschen Rentenversicherung während seiner Beschäftigung auf deutschen Seefahrtsschiffen in den Zeiträumen 4. Februar 1968 bis 15. Februar 1969 und ab 1. Juni 1971 bis 22. Juni 1972 entrichtet worden sind. Dieser hat eine solche Zahlung auch nicht glaubhaft gemacht. Eine Tatsache ist dann glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist (§ 23 Abs. 1 S. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz). Anders als beim sogenannten Vollbeweis (Nachweis) ist es insoweit ausreichend, wenn die gute Möglichkeit besteht, dass der Lebenssachverhalt (hier: die tatsächliche Beitragszahlung) sich so, wie behauptet wird, zugetragen hat, und wenn für die behaupteten Tatsachen letztlich mehr spricht als dagegen (vgl. Finke in: Hauck/Haines, SGB VI, § 203 Rn. 9).

Nach den Eintragungen in der Seemannskartei sind seinerzeit von den Reedern im Reedermeldeverfahren Daten für die Zeiträume vom 2. April 1968 bis 15. Februar 1969 sowie vom 1. Juni 1971 bis 22. Juni 1972 im Versicherungszweig der gesetzlichen Rentenversicherung mit der Schlüsselzahl 28 gekennzeichnet worden. Diese Verschlüsselungskennzahl steht für die erfolgte Befreiung von der Rentenversicherungspflicht. Nach diesen Eintragungen sind Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht gezahlt worden, sondern lediglich Beiträge zur Unfall-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung. Weitere Unterlagen liegen der Beklagten nicht mehr vor. Die Anfragen bei den ehemaligen Arbeitgebern des Klägers verliefen erfolglos.

Der Kläger konnte für die geltend gemachten Zeiten vom 4. Februar 1968 bis 15. Februar 1969 sowie ab Juni 1971 – anders als für die Zeit vom 22. Januar bis 31. Mai 1971 – lediglich sein Seefahrtbuch vorlegen. Aus den Eintragungen im Seefahrtbuch lassen sich keine Rückschlüsse auf eine mögliche Beitragszahlung ziehen. Im Hinblick auf die Eintragungen in der Seemannskartei liegt die Vermutung nahe, dass auf Antrag des Reeders nach § 1231 Abs. 2 RVO a.F. eine Befreiung von der Versicherungspflicht erfolgt ist. Nach dieser Regelung sind auf Antrag des Arbeitgebers ausländische und staatenlose Besatzungsmitglieder deutscher Seefahrzeuge, die keinen Wohnsitz im Inland haben, von der Versicherungspflicht zu befreien, soweit nicht zwischenstaatliche Sozialversicherungsabkommen oder internationale Übereinkommen auf dem Gebiet der Sozialversicherung entgegenstehen. Im Ergebnis spricht damit mehr für eine nicht erfolgte Beitragszahlung. Die geltend gemachten Beitragszeiten im Zeitraum 4. Februar 1968 bis 15. Februar 1969 sowie ab Juni 1971 können daher nicht als nachgewiesen oder glaubhaft gemacht anerkannt werden, so dass eine Beitragserstattung nicht in Betracht kommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr.1 oder 2 SGG nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür fehlen.
Rechtskraft
Aus
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