Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 15 AS 1121/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 B 2022/07 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 5. Oktober 2007 aufgehoben und angeordnet, dass die Beklagte der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten erster Instanz zu erstatten hat. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 5. Oktober 2007 ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig und begründet.
Der Statthaftigkeit der Beschwerde steht die durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444) mit Wirkung ab 1. April 2008 angefügte Regelung in Absatz 3 Nr. 3 des § 172 SGG nicht entgegen, wonach die Beschwerde gegen Kostengrundentscheidungen nach § 193 SGG ausgeschlossen ist. Denn die Neuregelung trat erst in Kraft, nachdem die vorliegende Beschwerde am 13. November 2007 eingelegt worden war. Zwar wurde § 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG ohne Übergangsregelung eingeführt, mit der Folge, dass seit 1. April 2008 die Beschwerde gegen Kostengrundentscheidungen nach § 193 SGG generell ausgeschlossen ist. Der allgemeine Grundsatz des intertemporalen Prozessrechts, wonach eine Änderung des Verfahrensrechts grundsätzlich auch anhängige Rechtsstreitigkeiten erfasst, erfährt jedoch aus den in Rechtssicherheit und Vertrauensschutz liegenden Gründen des in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) verankerten Rechtsstaatsprinzips in Fällen ohne ausdrückliche gegenteilige Regelung eine Ausnahme dahingehend, dass bereits rechtshängige Rechtsmittel statthaft bleiben, auch wenn das Rechtsmittel nachträglich beschränkt wird (Bundesverfassungsgericht – BVerfG -, Beschluss vom 7. Juli 1992 - 2 BvR 1631/90 und 2 BvR 1728/90 -, zitiert nach juris Rn. 42 ff.; vgl. auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. Juni 2008 - L 32 B 758/08 AS -, zitiert nach juris Rn. 2).
Die Beschwerde ist begründet. Nachdem die Klägerin den Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 6. August 2007 für erledigt erklärt und die Beklagte sich der klägerischen Erledigungserklärung der Sache nach in ihrem Kostenantrag vom 29. August 2007 angeschlossen hatte, war nach § 193 Abs. 1 S. 3 SGG über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden.
Dies zugrunde gelegt erscheint es billig, für die erste Instanz eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Klägerin anzuordnen, weil die Klage voraussichtlich Erfolg gehabt hätte.
Da gegen die im Schreiben der Beklagten vom 15. Juni 2007 enthaltene Ablehnung der Erstattung der Vorverfahrenskosten zunächst aus den insofern zunächst zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses gemäß § 78 SGG das Widerspruchsverfahren durchzuführen war und nicht sogleich Klage erhoben werden durfte, hätte der Klägerin allerdings die Möglichkeit gegeben werden müssen, das Vorverfahren nachzuholen, und wäre das erstinstanzliche Verfahren entsprechend § 114 Abs. 2 SGG auszusetzen oder zu vertagen gewesen. Denn in der Klage war (hilfsweise) die Erhebung des Widerspruchs enthalten. Dies ist nämlich – wie hier - immer grundsätzlich dann der Fall, wenn es ernstlich zweifelhaft ist, ob vor Erhebung der Klage ein Vorverfahren durchzuführen ist (Bundessozialgericht – BSG, Urteil vom 22. Juni 1966 – 3 RK 64/62 -, zitiert nach juris; Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG – Kommentar, 9. Auflage 2008, § 78 Rn. 3a).
Nach der gegebenenfalls erfolglos nachgeholten Durchführung des Vorverfahrens hätte die Klage nach dem bisherigen Sach- und Streitstand Erfolg gehabt. Die Klägerin hatte in der Sache selbst einen Anspruch auf Erstattung ihrer im Vorverfahren entstandenen Rechtsanwaltskosten aus § 63 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X). Nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, dem Widerspruchsführer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich war. Nach § 63 Abs. 2 SGB X sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war.
Zunächst war der Widerspruch, mit welchem sich die Klägerin gegen die nachträgliche Teilaufhebung des ihr gewährten Arbeitslosengelds II unter Aberkennung eines Alleinerziehungszuschlags im Sinne von § 21 Abs. 3 des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB II) wehrte, erfolgreich im vorstehenden Sinne. Denn der Beklagte half dem Widerspruch mit Bescheid vom 15. Juni 2007 ohne erkennbare Änderung der Sach- und Rechtslage ab. Es fehlt auch nicht an der erforderlichen Ursächlichkeit des Widerspruchs für die Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts. Der Widerspruch ist nur dann nicht erfolgreich im vorstehenden Sinne, wenn die abhelfende Entscheidung des Rechtsträgers nicht dem Widerspruch, sondern einem anderen Umstand zuzurechnen ist (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001 – B 12 KR 42/00 R -, zitiert nach juris Rn. 13). Dies ist hier gerade nicht der Fall. Zwar hatte die Beklagte zunächst eine von der Klägerin gegenüber dem Jugendamt abgegebene Erklärung, wonach "beide Eltern die gemeinsame Sorge zu gleichen teilen nutzen möchten", zum Anlass genommen, der Klägerin den Alleinerziehungszuschlag abzuerkennen, um dann nach der später im Sozialstreitverfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) S 15 AS 989/08 ER abgegebenen eidesstattlichen Versicherung der Klägerin, wonach sie vom Kindesvater getrennt lebe und sich allein um ihren Sohn kümmere, den Alleinerziehungszuschlag wieder zuzuerkennen und dem Widerspruch abzuhelfen. Jedoch war insofern nicht allein schon die eidesstattliche Versicherung für die abhelfende Entscheidung des Rechtsträgers maßgeblich, sondern vielmehr, dass die eidesstattliche Versicherung der Klägerin die Beklagte dazu bewegte, die Sachlage im Rahmen des bereits laufenden Verwaltungsverfahrens erneut zu überprüfen beziehungsweise zu würdigen und hiernach einen den Zuschlag nach § 21 Abs. 3 SGB II rechtfertigenden Alleinerziehungstatbestand in tatsächlicher Hinsicht zu bejahen.
Auch hat der Senat keine Zweifel daran, dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren gemäß § 63 Abs. 2 SGB X notwendig war. Dies ist der Fall, wenn vom Standpunkt einer vernünftigen Person ohne spezielle Rechtskenntnisse in der gegebenen Konstellation und nach der Sachlage, wie sie sich im Zeitpunkt der Erhebung des Widerspruchs darstellte, die Zuziehung eines Rechtsbeistandes geboten erscheint (etwa BSG, Urteil vom 20. November 2001 B 1 KR 21/00 R -, zitiert nach juris Rn. 16). Eben dies ist hier der Fall. Denn für einen Rechtslaien wie die Klägerin lassen sich die Voraussetzungen für die Gewährung eines Alleinerziehungszuschlags nicht ohne Weiteres erfassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Beschwerdeverfahrens in der Sache selbst.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde ans Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 5. Oktober 2007 ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig und begründet.
Der Statthaftigkeit der Beschwerde steht die durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444) mit Wirkung ab 1. April 2008 angefügte Regelung in Absatz 3 Nr. 3 des § 172 SGG nicht entgegen, wonach die Beschwerde gegen Kostengrundentscheidungen nach § 193 SGG ausgeschlossen ist. Denn die Neuregelung trat erst in Kraft, nachdem die vorliegende Beschwerde am 13. November 2007 eingelegt worden war. Zwar wurde § 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG ohne Übergangsregelung eingeführt, mit der Folge, dass seit 1. April 2008 die Beschwerde gegen Kostengrundentscheidungen nach § 193 SGG generell ausgeschlossen ist. Der allgemeine Grundsatz des intertemporalen Prozessrechts, wonach eine Änderung des Verfahrensrechts grundsätzlich auch anhängige Rechtsstreitigkeiten erfasst, erfährt jedoch aus den in Rechtssicherheit und Vertrauensschutz liegenden Gründen des in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) verankerten Rechtsstaatsprinzips in Fällen ohne ausdrückliche gegenteilige Regelung eine Ausnahme dahingehend, dass bereits rechtshängige Rechtsmittel statthaft bleiben, auch wenn das Rechtsmittel nachträglich beschränkt wird (Bundesverfassungsgericht – BVerfG -, Beschluss vom 7. Juli 1992 - 2 BvR 1631/90 und 2 BvR 1728/90 -, zitiert nach juris Rn. 42 ff.; vgl. auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. Juni 2008 - L 32 B 758/08 AS -, zitiert nach juris Rn. 2).
Die Beschwerde ist begründet. Nachdem die Klägerin den Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 6. August 2007 für erledigt erklärt und die Beklagte sich der klägerischen Erledigungserklärung der Sache nach in ihrem Kostenantrag vom 29. August 2007 angeschlossen hatte, war nach § 193 Abs. 1 S. 3 SGG über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden.
Dies zugrunde gelegt erscheint es billig, für die erste Instanz eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Klägerin anzuordnen, weil die Klage voraussichtlich Erfolg gehabt hätte.
Da gegen die im Schreiben der Beklagten vom 15. Juni 2007 enthaltene Ablehnung der Erstattung der Vorverfahrenskosten zunächst aus den insofern zunächst zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses gemäß § 78 SGG das Widerspruchsverfahren durchzuführen war und nicht sogleich Klage erhoben werden durfte, hätte der Klägerin allerdings die Möglichkeit gegeben werden müssen, das Vorverfahren nachzuholen, und wäre das erstinstanzliche Verfahren entsprechend § 114 Abs. 2 SGG auszusetzen oder zu vertagen gewesen. Denn in der Klage war (hilfsweise) die Erhebung des Widerspruchs enthalten. Dies ist nämlich – wie hier - immer grundsätzlich dann der Fall, wenn es ernstlich zweifelhaft ist, ob vor Erhebung der Klage ein Vorverfahren durchzuführen ist (Bundessozialgericht – BSG, Urteil vom 22. Juni 1966 – 3 RK 64/62 -, zitiert nach juris; Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG – Kommentar, 9. Auflage 2008, § 78 Rn. 3a).
Nach der gegebenenfalls erfolglos nachgeholten Durchführung des Vorverfahrens hätte die Klage nach dem bisherigen Sach- und Streitstand Erfolg gehabt. Die Klägerin hatte in der Sache selbst einen Anspruch auf Erstattung ihrer im Vorverfahren entstandenen Rechtsanwaltskosten aus § 63 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X). Nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, dem Widerspruchsführer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich war. Nach § 63 Abs. 2 SGB X sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war.
Zunächst war der Widerspruch, mit welchem sich die Klägerin gegen die nachträgliche Teilaufhebung des ihr gewährten Arbeitslosengelds II unter Aberkennung eines Alleinerziehungszuschlags im Sinne von § 21 Abs. 3 des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB II) wehrte, erfolgreich im vorstehenden Sinne. Denn der Beklagte half dem Widerspruch mit Bescheid vom 15. Juni 2007 ohne erkennbare Änderung der Sach- und Rechtslage ab. Es fehlt auch nicht an der erforderlichen Ursächlichkeit des Widerspruchs für die Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts. Der Widerspruch ist nur dann nicht erfolgreich im vorstehenden Sinne, wenn die abhelfende Entscheidung des Rechtsträgers nicht dem Widerspruch, sondern einem anderen Umstand zuzurechnen ist (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001 – B 12 KR 42/00 R -, zitiert nach juris Rn. 13). Dies ist hier gerade nicht der Fall. Zwar hatte die Beklagte zunächst eine von der Klägerin gegenüber dem Jugendamt abgegebene Erklärung, wonach "beide Eltern die gemeinsame Sorge zu gleichen teilen nutzen möchten", zum Anlass genommen, der Klägerin den Alleinerziehungszuschlag abzuerkennen, um dann nach der später im Sozialstreitverfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) S 15 AS 989/08 ER abgegebenen eidesstattlichen Versicherung der Klägerin, wonach sie vom Kindesvater getrennt lebe und sich allein um ihren Sohn kümmere, den Alleinerziehungszuschlag wieder zuzuerkennen und dem Widerspruch abzuhelfen. Jedoch war insofern nicht allein schon die eidesstattliche Versicherung für die abhelfende Entscheidung des Rechtsträgers maßgeblich, sondern vielmehr, dass die eidesstattliche Versicherung der Klägerin die Beklagte dazu bewegte, die Sachlage im Rahmen des bereits laufenden Verwaltungsverfahrens erneut zu überprüfen beziehungsweise zu würdigen und hiernach einen den Zuschlag nach § 21 Abs. 3 SGB II rechtfertigenden Alleinerziehungstatbestand in tatsächlicher Hinsicht zu bejahen.
Auch hat der Senat keine Zweifel daran, dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren gemäß § 63 Abs. 2 SGB X notwendig war. Dies ist der Fall, wenn vom Standpunkt einer vernünftigen Person ohne spezielle Rechtskenntnisse in der gegebenen Konstellation und nach der Sachlage, wie sie sich im Zeitpunkt der Erhebung des Widerspruchs darstellte, die Zuziehung eines Rechtsbeistandes geboten erscheint (etwa BSG, Urteil vom 20. November 2001 B 1 KR 21/00 R -, zitiert nach juris Rn. 16). Eben dies ist hier der Fall. Denn für einen Rechtslaien wie die Klägerin lassen sich die Voraussetzungen für die Gewährung eines Alleinerziehungszuschlags nicht ohne Weiteres erfassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Beschwerdeverfahrens in der Sache selbst.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde ans Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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