L 13 EG 9/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
13
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 13 (3,20) EG 4/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 13 EG 9/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.12.2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin Anspruch auf Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) für ihre am 00.11.2003 geborene Tochter F hat.

Die 1983 im damaligen Jugoslawien geborene Klägerin lebt seit 1991 in Deutschland. Nach erfolglosem Abschluss ihres Asylverfahrens wurde ihr von der Ausländerbehörde eine Duldung erteilt, die mehrfach verlängert wurde. Sie verfügte im streitigen Zeitraum nicht über eine Arbeitserlaubnis.

Am 21.1.2005 beantragte die Klägerin beim Versorgungsamt E die Gewährung von Erziehungsgeld für das erste und zweite Lebensjahr von F; sie gab an, seit dem 16. Lebensjahr über eine Duldung zu verfügen.

Mit Bescheid vom 21.4.2005 lehnte das Versorgungsamt den Antrag ab, weil die Klägerin nicht über den erforderlichen Aufenthaltstitel verfüge; sie sei nämlich weder im Besitz einer Niederlassungserlaubnis noch einer Aufenthaltserlaubnis. Der Widerspruch der Klägerin, die geltend machte, dass die Anknüpfung an einen Aufenthaltstitel verfassungswidrig sei, wurde durch Bescheid vom 7.6.2005 zurück gewiesen.

Mit ihrer am 8.7.2005 beim Sozialgericht Düsseldorf (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie hat geltend gemacht, es sei hier zu berücksichtigen, dass das BErzGG wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden sei. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe eindeutig darauf verwiesen, dass ein Aufenthaltstitel kein angemessener Anknüpfungspunkt sei.

Der Beklagte hat ausgeführt, die Klägerin erfülle die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Erziehungsgeld auch nach der gesetzlichen Neuregelung vom 13.12.2006 nicht.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12.12.2007 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klägerin habe weder nach der im Jahr 2005 geltenden Fassung des BErzGG noch nach der ab dem 1.1.2007 geltenden Fassung Anspruch auf Erziehungsgeld, da sie im möglichen Anspruchszeitraum nicht über den nach § 1 Abs. 6 BErzGG erforderlichen Aufenthaltstitel verfügt habe. Ihre Duldung gem. § 60 AufenthG sei kein Aufenthaltstitel im Sinne des § 1 Abs. 6 BerzGG.

Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gesetzliche Regelung bestünden nicht. Ein Verstoß gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG) liege nicht vor, da der Gesetzgeber im Rahmen des ihm zustehenden gesetzgeberischen Gestaltungsspielraumes eine sachgerechte Differenzierung nach den jeweiligen Aufenthaltstiteln, deren Zweck sowie der Ausübung einer Erwerbstätigkeit vor bzw. während des Bezuges von Erziehungsgeld getroffen habe.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Die Klägerin beantragt,

Den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.12.2007 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 21.4.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.6.2005 zu verurteilen, ihr ab Juli 2004 Erziehungsgeld für die Erziehung ihrer Tochter F nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach - und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten, der Verwaltungsakten des beklagten Landes sowie der Ausländeramtsakten der Stadt Neuss, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet, denn das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erziehungsgeld für ihre im November 2003 geborene Tochter F.

Da die Klägerin nicht zum Kreis der freizügigkeitsberechtigten Bürger zählt (§ 1 Freizügigkeitsgesetz-EU) kommt für sie nur ein Anspruch auf Erziehungsgeld nach Maßgabe der Regelungen für sonstige ausländische Staatsangehörige in Betracht.

Gem. § 1 Abs. 6 Satz 2 BErzGG in der Fassung des 3. Gesetzes zur Änderung des BErzGG vom 12.10.2000 (BGBl I 1426) ist ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer anspruchsberechtigt, wenn er eine Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis besitzt (Nr. 1), unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt ist (Nr. 2) oder das Vorliegen der Voraussetzung des § 51 Abs. 1 AuslG unanfechtbar festgestellt worden ist. Mit Wirkung ab 1.1.2005 galt § 1 Abs. 6 Satz 2 BErzGG in der Fassung des Zuwanderungsgesetzes vom 30.7.2004 (BGBl I 1950). Anspruchsberechtigt war danach ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer, wenn er entweder in Besitz einer Niederlassungserlaubnis (Nr. 1) oder einem der in Nrn. 2 - 4 genannten Aufenthaltstitel ist. Die Klägerin verfügte nach erfolglosem Abschluss des Asylverfahrens nur über eine Duldung und erfüllt somit keine der genannten Voraussetzungen. Ebenso wenig liegen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 6 BErzGG in der seit 19.12.2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13.12.2006 (BGBl I 2915 (BErzGG n.F.)) vor, der gem. § 24 Abs. 3 BErzGG n.F. in allen Fällen, in denen eine Entscheidung über den Anspruch auf Erziehungsgeld für einen Bezugszeitraum zwischen dem 27.6.1993 und dem 18.12.2006 noch nicht bestandskräftig geworden ist anzuwenden ist, wenn dies für die Erziehungsgeld beantragende Person günstiger ist. Auch nach dieser Bestimmung ist ein Ausländer nur anspruchsberechtigt, wenn er über eine Niederlassungerlaubnis (Nr. 1) oder - unter weiteren Voraussetzungen - über eine Aufenthaltserlaubnis (Nrn. 2, 3) verfügt. Eine Duldung nach § 56 AuslG bzw. § 60 a AufenthG reicht somit in keinem Fall als "Aufenthaltstitel" zur Erlangung von Erziehungsgeld aus. Dass einfachgesetzlich die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erziehungsgeld nicht vorliegen, wird auch von der Klägerin nicht in Abrede gestellt.

Entgegen ihrer Auffassung ist die gesetzliche Regelung mit Artikel 3 Abs. 1 GG jedenfalls insoweit vereinbar, als allein der Besitz einer Duldung nicht zur einem Anspruch auf Erziehungsgeld führt.

Der allgemeine Gleichheitssatz (Artikel 3 Abs. 1 GG) gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln, wobei dem Gesetzgeber dabei nicht jede Differenzierung verwehrt ist. Im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit kommt ihm für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise ein weiter Gestaltungsspielraum zu, der allerdings umso mehr begrenzt ist, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann. Hier ist der Schutz von Ehe und Familie durch Artikel 6 Abs. 1 GG zu berücksichtigen, der keine Beschränkung auf Deutsche enthält. Ob eine gesetzliche Regelung dem allgemeinen Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 1 GG entspricht, hängt davon ab, ob für die betroffene Differenzierung Gründe von solcher Art und Gewicht bestehen, das sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen kann (BVerfG SozR 4 - 7833 § 1 Nr. 4 Rz 29). Für die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung zwischen Ausländern, die über einen der in § 1 Abs. 6 BerzGG n. F. genannten Aufenthaltstitel verfügen und nur geduldeten Ausländern bestehen hinreichende sachliche Gründe.

Außerhalb des Anwendungsbereichs der europäischen Freizügigkeitsregelung darf der Gesetzgeber den Bezug von Erziehungsgeld auf solche Ausländer beschränken, bei denen prognostisch von der Dauerhaftigkeit des Aufenthaltes in der Bundesrepublik ausgegangen werden kann. Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 6.7.2004 (aaO) es ausdrücklich als legitimes Ziel des Gesetzgebers bezeichnet, Erziehungsgeld nur denjenigen Ausländern zukommen zu lassen, von denen erwartet werden kann, dass sie auf Dauer in Deutschland bleiben. Es hat lediglich § 1 Abs. 1 a Satz 2 BErzGG in der ab 27.6.1993 geltenden Fassung des Gesetzes zur Umsetzung des föderalen Konsulidierungsprogramms vom 23.6.1993 (BGBl I 944), der die Inhaber einer Aufenthaltsbefugnis nach dem damaligen Ausländergesetz von der Bezugsberechtigung ausschloss, für verfassungswidrig gehalten, weil das gewählte Differenzierungskriterium nicht geeignet sei, den Personenkreis, bei dem kein dauerhafter Aufenthalt in der Bundesrepublik zu erwarten sei, adäquat zu erfassen. Insoweit sage allein der Aufenthaltstitel nichts darüber aus, dass prognostisch nur von einem vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland auszugehen sei.

Das BVerfG hat also lediglich die Differenzierung innerhalb der nach dem damaligen Ausländerrecht vorgesehenen Aufenthaltstitel beanstandet. § 5 Ausländergesetz sah als Aufenthaltstitel die Aufenthaltsgenehmigung in Form von Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltsberechtigung, Aufenthaltsbewilligung und Aufenthaltsbefugnis vor. Das seit dem 1.1.2005 geltende AufenthG kennt als Aufenthaltstitel Visum, Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis und Erlaubnis zum Daueraufenthalt - EG (§ 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Die Aufenthaltstitel begründen einen rechtmäßigen Aufenthalt in der Bundesrepublik (§ 4 Abs. 1 Satz 4 AufenthG); sie sind regelmäßig als Vorstufe eines Daueraufenthalts anzusehen.

Eine Duldung ist aber kein Aufenthaltstitel, der zum Aufenthalt berechtigt. Geduldete Ausländer erfüllen daher von vornherein nicht die Erwartung, dass sie auf Dauer in Deutschland bleiben werden; Duldungen setzen vielmehr das Bestehen einer vollziehbaren Ausreisepflicht voraus.

Gem. § 50 Abs. 1 AufenthG ist ein Ausländer zur Ausreise verpflichtet, wenn er nicht (mehr) einen erforderlichen Aufenthaltstitel besitzt. Diese Ausreisepflicht kann ggf. im Wege der Abschiebung (§ 58 Abs. 1 AufenthG) durchgesetzt werden. Eine Duldung wird typischerweise erteilt, wenn lediglich vorübergehende Abschiebeverbote oder -hindernisse vorliegen (vgl. § 60 a Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Die Duldung beseitigt aber weder die Ausreisepflicht noch deren Vollziehbarkeit, ausgesetzt wird lediglich der Vollzug in Gestalt der Abschiebung (§ 60 a Abs. 3 AufenthG). Die wichtigste unmittelbare Rechtsfolge der Duldung besteht somit (lediglich) darin, dass der geduldete Aufenthalt nicht strafbar ist (vgl. Renner, Ausländerrecht, 8.Auflage § 60a Rdnr. 14). Nach - insoweit gegenüber dem AuslG unveränderter - Konzeption des AufenthG überbrückt die Duldung als vorübergehender Vollstreckungsaufschub nur die Zeit bis zur Abschiebung oder zur Erteilung eines Aufenthaltstitels. Wie § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG zeigt, geht der Gesetzgeber dabei regelmäßig von einer Höchstdauer von 18 Monaten für die Duldung aus. Unerheblich ist, ob in der ausländerrechtlichen Praxis nicht selten dieser Zeitraum überschritten wird (sog. "Kettenduldung"). Der Gesetzgeber muss nicht solche - auch von der Praxis der jeweiligen Ausländerbehörde abhängigen - Gestaltungen berücksichtigen, sondern darf für die Bestimmung des anspruchsberechtigten Personenkreises an der Systematik des Aufenthaltsrecht anknüpfen, nach der typischerweise davon auszugehen ist, dass eine Duldung vorhersehbar nicht zur einem gesicherten Daueraufenthalt in der Bundesrepublik führen wird. Erst mit der Erlangung eines Aufenthaltstitel verfestigt sich rechtlich der Aufenthalt eines Ausländers derart, dass grundsätzlich Grund für die Annahme bestehen kann, er werde auf Dauer in Deutschland bleiben. Somit ist der Ausschluss nicht geduldeter Ausländer auch im Bezug auf Erziehungsgeld sachlich gerechtfertigt (ebenso zur gleichgelagerten Regelung im Kindergeldrecht, BFH, Urteil vom 15.3.2007 - III R 93/03; Beschluss vom 25.07.2007 - III S 10/07 (PKH); a.A. FG Köln, Beschluss vom 9.5.2007 - 10 K 1690/07).

Im übrigen lässt sich dem Beschluss des BVerfGs vom 6.7.2004 (aaO) auch entnehmen, dass der Ausschluss geduldeter Ausländer vom Bezug von Erziehungsgeld nicht zu beanstanden ist. Das BVerfG hatte nämlich für den Fall, dass der Gesetzgeber die für verfassungswidrig erklärte Fassung des BErzGGes nicht bis zum 1.1.2006 durch eine Neuregelung ersetzt, die Anwendung des bis zum 26.6.1993 geltenden Rechts auf noch nicht abgeschlossene Verfahren angeordnet. Auch nach der bis zum 26.6.1993 geltenden Gesetzesfassung des § 1 Abs. 1 Satz 2 BErzGG (in der Fassung der Bekanntmachung vom 21.2.1992) war für den Anspruch eines Ausländers der Besitz eines Aufenthaltstitels in Form einer Aufenthaltberechtigung, Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsbefugnis Voraussetzung. Das BVerfG hätte kaum die Anwendung dieser Fassung angeordnet, wenn es eine Duldung als ausreichende Voraussetzung für einen Anspruch auf Erziehungsgeld angesehen hätte.

Im vorliegenden Fall ist zusätzlich die fehlende Anspruchsberechtigung dadurch gerechtfertigt, dass die Klägerin zu keinem Zeitpunkt über eine Arbeitserlaubnis verfügte. In dem bereits mehrfach zitierten Beschluss vom 6.7.2004 hat das BVerfG darauf hingewiesen, der Gesetzgeber handle im Einklang mit Artikel 3 Abs. 1 GG, wenn er die Ausländer vom Erziehungsgeldbezug ausschließe, die aus Rechtsgründen ohnehin einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen dürften. Die Gewährung einer Sozialleistung, die Eltern einen Anreiz zum Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit geben wolle, verfehle ihr Ziel, wenn eine solche Erwerbstätigkeit demjenigen Elternteil, der zur Betreuung des Kindes bereit sei, rechtlich nicht erlaubt sei (aaO Rz 33). § 1 Abs. 6 BErzGG verlangt dementsprechend neben einem Aufenthaltstitel die Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung; in der Gesetzesbegründung wird zutreffend darauf hingewiesen, damit werde der Zweck des BErzGGes, nämlich die Wahlfreiheit zwischen Familie und Erwerbstätigkeit zu sichern, berücksichtigt. Dieses Ziel könne nur erreicht werden, wenn dem Elternteil, der das Kind betreue, eine Erwerbstätigkeit rechtlich erlaubt sei (BT Drucksache 16/1383, 10). Somit rechtfertigt auch die Tatsache, dass die Klägerin nicht über eine Arbeitserlaubnis verfügte, ihren Ausschluss von Bezug von Erziehungsgeld, da der Zweck des BErzGG, nämlich die

Sicherung der Wahlfreiheit zwischen Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit, nicht erreicht werden konnte, wenn die Klägerin ohnehin einer Erwerbstätigkeit rechtlich nicht nachgehen durfte.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, insbesondere hat das Verfahren angesichts der eindeutigen Rechtslage keine grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved