L 9 U 5921/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 3507/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 5921/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 11. Oktober 2006 und der Bescheid der Beklagten vom 13. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2005 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass es sich bei dem Unfall vom 03. Juni 2005 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.

Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand:

Umstritten ist, ob der Unfall des Klägers vom 03. Juni 2005 ein Arbeitsunfall war.

Der 1959 geborene Kläger, der als Maschineneinrichter in Schichtarbeit bei der Firma M. beschäftigt war, stürzte am 03. Juni 2005 gegen 15.15 Uhr bei der Ausführung von Malerarbeiten am Giebel der Garage seines Nachbarn R. S. (R.S.) in dessen Beisein aus etwa 2,5 Meter Höhe von einer brechenden Leiter zu Boden und zog sich dabei gemäß dem Durchgangsarztbericht des Dr. V. vom 27. Juni 2005 eine schwere Thoraxprellung, eine Ellenbogenprellung rechts und eine Hüftprellung rechts zu. Ausweislich der Unfallanzeige war R.S. Augenzeuge des Unfalls.

Der Kläger und R.S. waren seit etwa 1998 Nachbarn. Es bestand ein gut nachbarschaftliches Verhältnis und der Kläger hatte für R.S. gelegentlich schon Schneeräumarbeiten ausgeführt. Als R.S. sah, wie der Kläger an seinem Haus Schönheitsreparaturen ausführte, fragte er diesen, ob er bei ihm an der Garage, wo Putz abgebrochen war, Ausbesserungsarbeiten durchführen könne. Es müsse dafür ein Gerüst aufgestellt werden. R.S. erklärte dem Kläger, was im Einzelnen gemacht werden sollte. Es handelte sich um ein Loch von der Befestigung eines herausgebrochenen Basketball-Korbes und weitere Ausbesserungsarbeiten am Giebel der Garage. Der Kläger sagte zu, diese Arbeiten, bezüglich derer er über keine besonderen (Fach-) Kenntnisse verfügte, auszuführen. Ein fester Termin war zunächst nicht vereinbart. Es erfolgte auch keine Vereinbarung hinsichtlich eines Entgelts; ein solches wurde auch nicht bezahlt. Das Material für das Gerüst, insbesondere Dielen stellte R.S., ebenso Material und eine Holzleiter. Er war gelernter Elektriker und zuletzt allerdings als Betriebswirt tätig gewesen und besaß zu diesem Zeitpunkt noch eine gut ausgestattete Werkstatt, auch mit Material für Putzarbeiten. Er selbst, wie auch seine Ehefrau, waren auf Grund körperlicher Gebrechen zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zur Ausführung entsprechender Arbeiten in der Lage. Allerdings hätten auch andere Familienangehörige diese Arbeiten machen können.

Am Freitag, den 27. Mai 2005 stellte der Kläger unter Zuziehung seines Sohnes ein Gerüst an der Giebelwand der Garage des R.S. auf. Dieser war anwesend und gab Empfehlungen, wie dies geschehen sollte. Der Aufbau dauerte etwa zwei bis drei Stunden. Am 28. Mai 2005 führte der Kläger dann von etwa 8.00 Uhr bis 14.00 Uhr die Putzarbeiten an der Giebelwand aus. Nach dem Abtrocknen des Putzes wollte der Kläger am Freitag, dem 03. Juni 2005, nach Feierabend noch Anstreicharbeiten am Giebel durchführen. R.S. stellte eine Leiter zur Verfügung, da das Gerüst bereits abgebaut war. Der Kläger begann mit den Arbeiten gegen 14.45 Uhr und stürzte dann gegen 15.15 Uhr von der Leiter, die brach, aus etwa 2,5 Metern Höhe zu Boden.

R.S. gab am 23. Juni 2005 zunächst an, der Kläger habe am Garagengiebel als Mithelfender unentgeltlich Malerarbeiten ausgeführt, die bis zum Unfall eine halbe Stunde gedauert hätten. Weitere Arbeiten seien nicht erfolgt und auch nicht geplant gewesen.

Auf Grund dieser Angaben lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13. Juli 2005 eine Entschädigung aus Anlass des Ereignisses vom 03. Juni 2005 ab, da es sich nicht um einen versicherten Arbeitsunfall gehandelt habe. Wenn nach Auskunft des R.S. die Malerarbeiten insgesamt nur 30 Minuten dauern sollten und unentgeltlich erfolgt seien, handle es sich um eine unter Nachbarn übliche Gefälligkeitshandlung und keine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit.

Auf den Widerspruch des Klägers holte die Beklagte eine weitere Auskunft des R.S. ein, der am 25. August 2005 u. a. angab, der Kläger habe zunächst mit seinem Sohn zwei bis drei Stunden ein Gerüst aufgebaut, dann am Folgetag von 8.00 Uhr bis 14.00 Uhr die Giebelwand verputzt und am Unfalltag das Ganze noch streichen wollen. Es habe sich um eine "reine Nachbarschaftshilfe ohne Bezahlung" gehandelt. Er habe dem Kläger ebenso geholfen, als er an seinem Haus Umbauarbeiten durchgeführt habe. Soweit er gekonnt habe, habe er ihm "mit Material und Wissen ausgeholfen".

Hierauf wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchbescheid vom 27. Oktober 2005 zurück. Auch unter Berücksichtigung der weiteren Arbeiten von ungefähr 9 Stunden Dauer hätten diese den Rahmen einer unter engen Nachbarn zu erwartenden Hilfeleistung nicht gesprengt. Es seien unter Nachbarn geradezu selbstverständliche Hilfsdienste, zumal R.S. dem Kläger bei den Umbauarbeiten ausgeholfen habe.

Deswegen hat der Kläger am 30. November 2005 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben.

Zur Begründung hat er u. a. vorgetragen, die Arbeiten hätten unter Einbeziehung der Arbeiten seines Sohnes mindestens 12,5 Stunden gedauert. R.S. habe nicht helfen können, weil er beinamputiert gewesen sei. Bei seinen eigenen Bauarbeiten im Jahr 2002 habe ihm R.S. seine Betonmischmaschine und Arbeitsgeräte (Schaufel u. a.) zur Verfügung gestellt. Bei den Arbeiten, die zum Unfall geführt hätten, habe es sich um eine einseitige Hilfeleistung bzw. eingeschränkte gegenseitige Unterstützung gehandelt. Innerhalb von Jahren habe man sich nur zweimal gegenseitig unterstützt, wobei R.S. nicht mitgeholfen, sondern lediglich Arbeitsgeräte zur Verfügung gestellt habe. Wenn er nicht die Arbeit ausgeführt hätte, hätte sie R.S. einem Handwerksbetrieb übertragen müssen. Zuletzt hat er vorgetragen, er sei bei den Arbeiten wie ein Arbeitnehmer tätig geworden. Nach dem Gesamtbild sei die Tätigkeit fremdnützig gewesen und er habe auch ein Geschäft des Nachbarn besorgen wollen.

Eine Anfrage des SG bei der Stadt Sinsheim hinsichtlich des üblichen Umfangs von Nachbarschaftshilfen hat kein Ergebnis erbracht. Auf weitere Anfrage des SG hat die Handwerkskammer Mannheim hierzu eine schriftliche Auskunft erteilt, auf die verwiesen wird.

Die Beklagte hat geltend gemacht, eine Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit habe nicht bestanden. Der Kläger habe nach eigenen Angaben in freier eigener Zeiteinteilung gearbeitet und Teile seines Handwerkszeugs und Material zur Verfügung gestellt. Es habe sich um eine Tätigkeit im Rahmen nachbarschaftlicher Hilfeleistungen gehandelt. Auf eine Gleichartigkeit erbrachter gegenseitiger Hilfeleistungen komme es nicht an. R.S. habe dem Kläger insofern bei seinen Arbeiten durch Ausleihen von Maschinen und mit Ratschlägen geholfen.

Mit Urteil vom 11. Oktober 2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Es habe sich bei den Arbeiten um einen selbstverständlichen Hilfsdienst, eine übliche Nachbarschaftshilfe, gehandelt. Deshalb sei der Kläger nicht als Person, die wie ein Beschäftigter tätig war, versichert gewesen. Außerdem sei der Kläger nicht arbeitnehmer-, sondern unternehmerähnlich tätig gewesen, was den geltend gemachten Anspruch ebenfalls ausschließe. Die Tätigkeit habe sich nicht bei der üblichen beruflichen Tätigkeit des Klägers als Maschineneinrichter ereignet und eine freiwillige Versicherung habe ebenfalls nicht bestanden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Urteilsgründe verwiesen.

Gegen das am 10. November 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24. November 2006 Berufung eingelegt. Er trägt im Wesentlichen vor, er sei beim Unfall wie ein Beschäftigter und arbeitnehmerähnlich tätig gewesen. Er sei nicht wie ein Unternehmer tätig gewesen. Der wirtschaftliche Wert der Tätigkeit sei R.S. zugute gekommen. Die Beauftragung eines Handwerkers habe R.S. abgelehnt, weil er selbst früher alle Arbeiten verrichtet und über das notwendige Handwerkszeug und Wissen verfügt habe. Es habe ihm lediglich an der körperlichen Fähigkeit für die Arbeiten gefehlt. R.S. habe konkrete Vorstellungen gehabt, wie die Arbeiten verrichtet werden sollten. Er habe sofort geplant und habe es für das Beste gehalten, ein Gerüst aufzubauen und nach dem Gerüstabbau seien R.S. und seine Ehefrau nicht ganz zufrieden gewesen, weil oben noch ein Anstrich gefehlt habe. Der Schwiegersohn habe dafür keine Zeit gehabt. Deshalb habe R.S. ihn auch noch gefragt, ob er auch diese Arbeiten noch verrichten könne. R.S. habe die Arbeiten weitgehend überwacht. Er sei auch zum Unfallzeitpunkt anwesend gewesen. Eine dem Versicherungsschutz entgegen stehende Gefälligkeitsleistung komme lediglich unter Verwandten in Betracht. Hinsichtlich der Gegenseitigkeit sei darauf hinzuweisen, dass er von R.S. lediglich Geräte ausgeliehen habe, dieser ihm aber keine vergleichbaren Hilfen habe erbringen können, schon weil er körperlich beeinträchtigt gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 11. Oktober 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vor 13. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2005 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 03. Juli 2005 ein versicherter Arbeitsunfall ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit habe nicht vorgelegen. Insbesondere könne eine reine Gefälligkeitsleistung - wie sie hier vorgelegen habe - nicht nur durch miteinander verwandte Personen erfolgen. Die am Unfalltag verrichteten Malerarbeiten seien nach den Angaben des R.S. von rein nachbarschaftlichem und freundschaftlichem Gepräge gewesen. R.S. habe den Kläger früher bereits bei Umbauarbeiten an dessen Haus geholfen. Nach den Gesamtumständen habe es sich um eine Gefälligkeitsleistung gehandelt und Versicherungsschutz nicht vorgelegen. Wie sich aus den Angaben von R.S. vom 28. August 2005 und dessen Vortrag vom 16. Januar 2006 ergebe, habe es sich um eine geradezu selbstverständliche Gefälligkeit unter guten Nachbarn gehandelt. Zudem habe der Kläger über die Sachkunde zur Durchführung der Arbeiten verfügt und den Zeitpunkt ihrer Durchführung selbst bestimmt, womit auch ein den Versicherungsschutz ausschließendes unternehmerähnliches Handeln vorgelegen habe. Wenn im Nachhinein behauptet werde, R.S. habe die Arbeiten im Einzelnen beaufsichtigt und Anweisungen erteilt, entbehre dies jeglicher Grundlage.

Der Berichterstatter hat von der Nachbarin Köhler eine schriftliche Auskunft vom 25. Oktober 2008 eingeholt. Außerdem hat er die Ehefrau des R.S. am 27. November 2007 und dessen Tochter sowie den Sohn des Klägers am 25. November 2008 vernommen. Wegen der Einzelheiten der Angaben wird auf die Auskunft der Nachbarin Köhler vom 25. Oktober 2008 sowie hinsichtlich der Angaben der Zeugen auf die Niederschriften vom 27. November 2007 und 25. November 2008 verwiesen.

R.S. ist inzwischen auf Grund einer demenziellen Erkrankung zu Angaben hinsichtlich der Umstände und des Ereignisses nicht mehr in der Lage (Attest Dr. Becker vom 10. Oktober 2007).

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet.

Da die Beklagte jedwede Entschädigung ablehnt, weil kein Versicherungsfall eingetreten sei, kann der Kläger eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach den §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG erheben. Diese ist auch begründet, denn der Kläger stand bei dem Unfall vom 03. Juni 2005 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Unfälle von Versicherten, infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sind Beschäftigte kraft Gesetzes versichert. Außerdem sind gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII Personen versichert, die wie nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Versicherte tätig werden (sog. "Wie-Beschäftigte"). Ein Versicherungsschutz als "Wie-Beschäftigter" setzt voraus (hierzu und zum Nachfolgenden BSG Urteil vom 12. April 2005, B 2 U 5/04 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 4 m.w.N. und Urteil vom 31. Mai 2005, B 2 U 35/04 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 5 m.w.N.), dass es sich um eine ernstliche Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert handelt, die dem in Betracht kommenden fremden Unternehmen dienen soll (Handlungstendenz), die dem wirklichen und mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht und ungeachtet des Beweggrundes für den Entschluss, tätig zu werden, unter solchen Umständen tatsächlich geleistet wird, dass sie ihrer Art nach sonst von einer Person verrichtet werden könnte, welche in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht und nicht auf einer Sonderbeziehung, z.B. als Familienangehöriger, Bekannter oder Vereinsmitglied beruhen. Eine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit vom unterstützten Unternehmen ist demgegenüber nicht erforderlich. Ohne Bedeutung für den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 SGB VII ist auch, ob der Verletzte gegen ein Entgelt oder unentgeltlich handelte.

Keine arbeitnehmerähnliche bzw. beschäftigungsähnliche Tätigkeit liegt vor, wenn sich die Tätigkeit - z.B. zwischen Nachbarn - in einem Rahmen bewegt, der das Maß dessen, was üblicherweise in einem nachbarschaftlichen Verhältnis gegenseitig geleistet wird, nicht übersteigt. Verrichtungen auf Grund freundschaftlicher und nachbarschaftlicher Beziehungen schließen zwar eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit nicht von vorneherein aus. Handelt es sich jedoch um einen auf Grund der konkreten sozialen Beziehungen nahezu selbstverständlichen Hilfsdienst oder ist die zum Unfall führende Verrichtung als Erfüllung gesellschaftlicher, nicht rechtlicher Verpflichtungen anzusehen, die bei besonders engen Beziehungen zwischen Freunden oder Nachbarn typisch, üblich und deshalb zu erwarten ist, besteht kein Versicherungsschutz als "Wie-Beschäftigter" (BSG, Urteil vom 17. März 1992, 2 RU 6/91, in SozR 3-2200 § 539 Nr. 15 m.w.N.).

Ausgeschlossen ist ein Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII auch, wenn es sich bei der Tätigkeit um eine unternehmerähnliche Tätigkeit gehandelt hat. Zur Abgrenzung gegenüber einer arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit ist auf das Gesamtbild abzustellen (vgl. unter anderem Riebel in Hauck/Noftz, SGB VII, Gesetzliche Unfallversicherung, Herausgeber Keller, § 2 Rdnr. 277 a).

Gemessen an den vorstehend dargelegten rechtlichen Grundlagen handelte es sich bei den vom Kläger in Unfallzeitpunkt verrichteten Arbeiten um eine einer Beschäftigung ähnliche und damit nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII versicherte Tätigkeit.

Die Tätigkeit war dazu bestimmt, einem fremden Unternehmen, nämlich dem Unternehmen "Fassadenrenovierung" bzw. Haushalt des R.S. zu dienen. Es handelte sich dabei um eine ernstliche Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert, die zur Verbesserung der Bausubstanz und Beseitigung von Schäden führte. Sie entsprachen dem tatsächlichen Willen des R.S. und es handelte sich um Arbeiten, die in der Regel sonst von einer Person verrichtet werden können, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht.

Entgegen der Auffassung des SG ist ein Versicherungsschutz auch nicht deswegen zu verneinen, weil zwischen R.S. und dem Kläger ein (gutes) nachbarschaftliches Verhältnis geherrscht hat. Insbesondere gingen die Arbeiten, die sich einschließlich des Aufstellens des Gerüstes über mindestens drei Tage erstreckten, wobei die Verputzarbeiten mehrere Stunden in Anspruch genommen haben, über den Rahmen dessen hinaus, was in einem nachbarschaftlichen Verhältnis üblicherweise geleistet wird. Das Reparieren, Verputzen und Malen eines Giebels in einer Höhe von zwei bis drei Metern, für das auch die Errichtung eines Gerüstes erforderlich war, ist nicht vergleichbar mit anderen Tätigkeiten, die im Rahmen eines gut nachbarschaftlichen Verhältnisses üblicherweise erbracht werden und üblicherweise erwartet werden können. Dies ergibt sich vor allem auch aus dem mit dieser Tätigkeit verbundenen Risiko, z.B. eines Sturzes aus relativ großer Höhe, wie es sich auch verwirklicht hat. Nicht nachvollziehbar ist dem Senat die Auffassung des SG, dass sich aus den Umständen, dass der Kläger und R.S. nicht in einer Großstadt wohnten, dass der Kläger türkischer Herkunft ist und R.S. körperlich beeinträchtigt war, im vorliegenden Fall gesteigerte Erwartungen an den Umfang nachbarschaftlicher Hilfen ableiten lassen.

Der Versicherungsschutz ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass es sich um eine unternehmerähnliche Tätigkeit gehandelt hätte.

Unter Heranziehung des § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), der für sämtliche Bereiche der Sozialversicherung für die Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und unternehmerähnlicher Tätigkeit gilt, kann der Senat nicht feststellen, dass es sich vorliegend um eine unternehmerähnliche Tätigkeit gehandelt hat. Danach ist Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist (vgl. auch Urteil vom 31. Mai 2005 a.a.O.). Bei einer Beschäftigung in einem fremden Unternehmen ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Dem gegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich gekennzeichnet durch das eigene Unternehmerrisiko, das Tätigwerden auf eigene Rechnung, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte und eigener Betriebsmittel, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse überwiegen. Bei der Abgrenzung zwischen einer arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit als "Wie-Beschäftigter" und einer unternehmerähnlichen Tätigkeit sind insofern gewisse Abstriche zu machen, als bei der Tätigkeit eines "Wie-Beschäftigten" nicht alle Merkmale eines Beschäftigungsverhältnisses und bei einer unternehmerähnlichen Tätigkeit nicht alle Merkmale eines Unternehmers erforderlich sind. So braucht bei einer Tätigkeit als "Wie-Beschäftigter" eine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit nicht vorgelegen haben und ist für eine unternehmerähnliche Tätigkeit kein Geschäftsbetrieb oder eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit erforderlich. Insoweit kommt es darauf an, ob - wie bei einem Unternehmer - die freie Verfügung über die eigene Arbeitskraft, den Arbeitsort und die Arbeitszeit vorliegt. Im Übrigen sind eine regel- und planmäßige Tätigkeit sowie ein Unternehmerrisiko für eine unternehmerähnliche Tätigkeit charakteristisch. Trägt der Betroffene ein wirtschaftliches Risiko wird in der Regel von einer unternehmerähnlichen Tätigkeit auszugehen sein. Ist die verrichtete Tätigkeit einem Arbeits- oder Dienstvertrag ähnlich, liegt in der Regel eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit vor.

Auf Grund des Ergebnisses der weiteren Ermittlungen steht für den Senat fest, dass R.S. die Arbeiten maßgeblich bestimmte und zumindest einen Großteil von Arbeitsmaterial- und Gerät, u.a. das Gerüst und die Leiter, zur Verfügung stellte. Dies entnimmt der Senat auch den Angaben der als Zeugin vernommenen Tochter des R.S., die darüber hinaus bekundete, dass dieser eine sehr bestimmende Persönlichkeit war und auch über handwerkliche Kenntnisse verfügte. Ebenso hat der als Zeuge vernommene Sohn des Klägers bestätigt, dass R.S. bereits beim Aufstellen des Gerüsts "Empfehlungen" gab, wie dies geschehen sollte. Hinzukommt, dass der Kläger Maschineneinrichter war und keine speziellen Kenntnisse in Bezug auf Fassadenausbesserungsarbeiten hatte. Vielmehr ist - nach der Aussage der Zeugin H. - davon auszugehen, dass R.S.- zumindest aus eigener Sicht - bessere Kenntnisse und Vorstellungen hatte, wie die Arbeiten auszuführen waren. Angesichts dessen steht für den Senat fest, dass der Kläger sich bei den Arbeiten im Wesentlichen an den Vorgaben von R.S. orientierte und diese umsetzte.

Die schon bei Errichtung des Gerüstes von R.S. gegebenen "Empfehlungen" sprechen für eine Weisungsgebundenheit im weiteren Sinne, zumindest dahingehend, dass der Kläger den Wünschen des R.S. weitgehend entsprechen wollte und entsprach. Dieser war zur Überzeugung des Senats bei den Arbeiten auch zumindest überwiegend anwesend. Für die Gerüstarbeiten ist dies durch die Aussage des Zeugen Sagdic nachgewiesen, für die Malerarbeiten durch die Bestätigung der Nachbarin K. und die Aussage der Zeugin H., die den gehbehinderten R.S. nach dem Unfall an der Unfallstelle antrafen. Auch in der Unfallanzeige ist angegeben, dass R.S. Augenzeuge des Unfalls war. Für die Putzarbeiten ergibt sich dies aus der von der Zeugin Huber geschilderten Persönlichkeit des R.S.

Außerdem war die Tätigkeit des Klägers nicht von eigenwirtschaftlichen Interessen geprägt. Sie kam als solche ausschließlich R.S. zugute. Es ist nicht erkennbar, dass der Kläger mit den Ausbesserungs- und Malerarbeiten am Giebel der Garage des R.S. im Wesentlichen eigene Angelegenheiten verfolgt hat. Dies zeigt sich auch darin, dass ansonsten keine Wesentlichen gegenseitigen Hilfeleistungen zwischen dem Klägers und R.S. erbracht worden sind. Außerdem trug er auch kein "Unternehmerrisiko" im weiteren Sinne.

Unter Berücksichtigung all dessen ergibt das Gesamtbild, dass der Kläger arbeitnehmerähnlich bzw. wie ein Beschäftigter tätig war. Die für eine unternehmerähnliche Tätigkeit sprechende Gesichtspunkte, etwa, dass die konkrete Ausführung und die freie Entscheidung, wann die Arbeiten erfolgten, dem Kläger überlassen waren, treten in den Hintergrund und führen somit zu keinem anderen Ergebnis.

Da der Kläger bei dem Unfall unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand, hebt der Senat das angefochtene Urteil und die angefochtenen Bescheide auf und stellt fest, dass es sich bei dem Unfall um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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