Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 7 KN 31/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 KN 151/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 02.08.2005 wird das Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Die Beteiligten haben einander in beiden Rechtszügen keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkkeit.
Der am 00.00.1955 geborene Kläger durchlief von August 1970 bis Juli 1971 eine Ausbildung zum Schlosser ohne Erfolg. Von August 1971 bis April 1979 war er als Übertagearbeiter im deutschen Steinkohlenbergbau angelegt. Ab Mai 1979 bis April 1990 war er als gewerblicher Arbeitnehmer außerhalb des Bergbaus tätig. Nach Zeiten von Arbeitslosigkeit und Arbeitsunfähigkeit nahm er bei dem Berufsförderungswerk I vom 23.09.1991 bis zum 20.04.1994 und vom 08.08.1994 bis zum 15.11.1994 im Rahmen einer von der LVA Westfalen getragenen beruflichen Rehabilitationsmaßnahme an der Umschulung zum Industriekaufmann teil. Am 14.12.1994 bestand er vor der Prüfungskommission die Abschlussprüfung. Die Ausbildung hat gemäß dem Ausbildungsrahmenplan insbesondere Industriebetriebslehre, Rechnungswesen, Wirtschafts- und Sozialkunde, Deutsch-Korrespondenz und Englisch beinhaltet. Nach Angaben des Berufsförderungswerkes finden Industriekaufleute ihren Einsatz in allen kaufmännischen Abteilungen eines Betriebes. Sie üben im Material- und im Absatzbereich, in der Personalabteilung, in der Arbeitsvorbereitung sowie in der Finanz- und in der Betriebsbuchhaltung die qualifizierte Tätigkeit eines Sachbearbeiters aus. Aufgrund der breit gefächerten Ausbildung seien sie in der Lage, betriebswirtschaftliche und organisatorische Probleme zu erkennen und zu ihrer Lösung beizutragen.
Seit August 1995 ist der Kläger bei der Firma H Baumarkt II GmbH & Co. KG aus T als Verkäufer angestellt. Nach Angaben des Arbeitgebers (24.08.1999 und 02.05.2002) handelt es sich bei dieser Tätigkeit um die eines Angestellten mit ordentlicher kaufmännischer Berufsausbildung, die der Kläger als ausgebildeter Industriekaufmann auch durchlaufen habe. Ab 06.08.1998 erkrankte er fortlaufend arbeitsunfähig. Das Arbeitsverhältnis mit der Firma H jedoch besteht weiterhin. Ab 01.05.2001 war er, unterbrochen von Zeiten der Arbeitslosigkeit, in zeitlich geringfügigem Umfang als Busfahrer beschäftigt. Im November 2006 war er kurzzeitig an 6 Stunden arbeitstäglich als LKW-Fahrer beschäftigt. Seit Juni 2007 ist er als Fahrer eines Schulbusses für Behinderte bei der Firma T in O an 80 Stunden im Monat beschäftigt.
Seit 01.05.1999 gewährt die Beklagte Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau.
Wegen seit Frühjahr 2002 bestehender Schulterbeschwerden hatte er im September 2002 eine Operation an der linken Schulter hinzunehmen. Die Beklagte prüfte, ob ihm seit dem 01.03.2002 Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zustehe. Der Sozialmedizinische Dienst (SMD) erstattete am 08.01.2003 ein Gutachten. Dem Kläger wurden noch leichte Tätigkeiten vollschichtig zugemutet. Mit Bescheid vom 13.02.2003 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab. Der Kläger könne noch mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein. Ausgehend von der Tätigkeit als Verkäufer und Kraftfahrer der zweiten Berufsgruppe sei er zumutbar zu verweisen auf die Tätigkeiten als Hilfsarbeiter im Büro, Telefonist oder Wächter. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 17.02.2004 zurückgewiesen.
Die dagegen zum Sozialgericht Münster (SG) erhobene Klage hat der Kläger auf die Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 01.03.2002 beschränkt.
Zur Begründung hat er behauptet, weder vollschichtig tätig sein noch zumutbar auf die von der Beklagten benannten Tätigkeiten verwiesen werden zu können. Seine maßgebliche bisherige Berufstätigkeit sei die eines Verkäufers in einem Baumarkt. Durch die Tätigkeit als Busfahrer in Teilzeit habe er sich nicht von dieser Beschäftigung abgewandt. Neben den sonstigen Funktionseinschränkungen leide er auch an zeitweise auftretenden Taubheitsgefühlen der Finger. Somit liege eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeschränkungen vor.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.02.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2004 zu verurteilen, entsprechend dem Vergleich vom 10.10.2002 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufungsunfähigkeit ab 01.03.2002 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die angefochtenen Entscheidungen verteidigt.
Das SG hat den Entlassungsbericht des St. D-Krankenhauses in X vom 19.04.2004 über eine stationäre Behandlung vom 01. bis 16.03.2004 wegen einer distalen Unterschenkelfraktur rechts beigezogen. Arzt für Allgemeinmedizin Dr. L aus P hat am 21.06.2004 einen Befundbericht erstattet. Das SG hat Beweis erhoben durch medizinische Sachverständigengutachten. Dr. F aus N hat in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 18.11.2004 den Kläger noch für fähig gehalten, leichte Arbeiten im Sitzen 6 Stunden und mehr regelmäßig, unter betriebsüblichen Bedingungen bei uneingeschränkter Wegefähigkeit verrichten zu können. In seinem internistischen Gutachten vom 17.01.2005 hat Dr. D aus N den Kläger noch für in der Lage erachtet, leichte und gelegentlich auch mittelschwere Arbeiten vollschichtig unter betriebsüblichen Bedingungen verrichten zu können. Der Chirurg Dr. D aus N hat in seinem Gutachten vom 21.01.2005 ausgeführt, der Kläger könne noch leichte Arbeiten an 6 Stunden und mehr täglich unter betriebsüblichen Bedingungen bei uneingeschränkter Wegefähigkeit verrichten.
Mit Urteil vom 02.08.2005 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger ab 01.03.2002 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu zahlen. Maßgebliche bisherige Beschäftigung sei die eines Verkäufers in einem Baumarkt. Die Tätigkeit als Kraftfahrer übe der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nur in Teilzeit aus. Da er als Verkäufer in einem Baumarkt wie ein Angestellter mit 3-jähriger Ausbildung als Einzelhandelskaufmann vergütet worden sei und diese Vergütung als wesentliches Merkmal die Bewertung des Berufes präge, sei der Kläger im Mehrstufenschema der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts der Gruppe der Angestellten mit mehr als 2-jähriger Ausbildung zuzuordnen. Zwar seien ihm noch leichte Arbeiten im Umfang von mehr als 6 Stunden arbeitstäglich möglich, jedoch könne eine ihm sozial zumutbare Tätgkeit nicht benannt werden. Er werde den Mindestanforderungen einer auf Anlernniveau zu vergütenden Tätigkeit an den körperlichen Einsatz oder den Einsatz geistiger oder mentaler Fähigkeit nicht mehr gerecht. Auch die Beklagte habe keine in diesem Sinne sozial zumutbare Tätigkeit benannt.
Zur Begründung der dagegen eingelegten Berufung vertritt die Beklagte die Auffassung, dass der Kläger aufgrund seines medizinischen Restleistungsvermögens zum 01.03.2002 zumutbar auf die von ihm im Rahmen der beruflichen Rehabilitation erlernte Tätigkeit des Industriekaufmanns verwiesen werden könne. Aufgrund des aktenkundigen medizinischen Restleistungsvermögens für vollschichtige leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen, ohne Belastung durch Wechsel- oder Nachtschichtarbeit sowie ohne besonderen Zeitdruck, könne er die Tätigkeiten eines Industriekaufmanns ohne Weiteres verrichten. Der Industriekaufmann arbeite überwiegend in temperierten und oft klimatisierten Büroräumen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 02.08.2005 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung. Für die Tätigkeit bei der Firma H habe er sich durch seine Umschulung zum Industriekaufmann qualifiziert. Nach einer Einweisung bis zu 6 Wochen in die Produkte des Baumarktes habe er die Tätigkeit wettbewerbsfähig verrichten können. Diese habe der eines Angestellten mit einer mehr als 2-jährigen Ausbildung entsprochen. Sein zwischenzeitlich festgestellter Diabetes mellitus sei zur Zeit gut eingestellt und nicht insulinpflichtig.
Der Senat hat die abgeschlossenen Verfahrensakten L 2 KN 18/02 (S 7 KN 114/00 Sozialgericht Münster) beigezogen und zum Verfahrensgegenstand gemacht.
Der Senat hat berufskundliche Auskünfte der Bundesagentur für Arbeit unter www.berufenet.arbeitsagentur.de/berufe zur Berufsbezeichnung "Industriekaufmann/-frau" zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.
Für die Einzelheiten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten der Beklagten für den Kläger Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht zur Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit verurteilt.
Nach § 240 Abs 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) haben Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren sind, Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als 6 Stunden gesunken ist (§ 240 Abs 2 Satz 1 SGB VI). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs 2 Satz 2 SGB VI). Dabei ist zumutbar stets eine Tätigkeit, für die der Versicherte durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden ist (§ 240 Abs 2 Satz 3 SGB VI). Deshalb kommt es entgegen der Auffassung des SG nicht darauf an, ob der Kläger die Beschäftigung als Berufskraftfahrer mit Unterbrechungen ab 01.05.2001 aus gesundheitlichen Gründen nur in Teilzeit ausübt. Ebenso wenig ist entscheidend, ob ihm wegen der zuvor als Verkäufer in einem Baumarkt erfolgten Berufstätigkeit - die im Mehrstufenschema der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) der Gruppe der Angestellten mit mehr als 2-jähriger Ausbildung zuzuordnen sei -, eine sozial zumutbare Tätigkeit benannt werden kann.
Denn der Kläger ist zumutbar auf die Tätigkeit eines Industriekaufmanns zu verweisen, für die er durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Rahmen einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme durch die damalige LVA Westfalen vom 23.09.1991 bis zum 15.11.1994 umgeschult worden ist und die er erfolgreich mit der Abschlussprüfung vor der Prüfungskommission am 14.12.1994 beendet hat. Insoweit bedarf es auch keiner besonderen Prüfung der subjektiven Zumutbarkeit (BSG Urteil vom 19.01.1978 SozR 2200 § 1246 Nr. 25). Zweifel daran, dass eine Verweisung nach § 240 Abs 2 Satz 3 SGB VI dem Kläger objektiv nicht zumutbar sei, haben sich nicht ergeben. Zur Überzeugung des Senats bestehen keine Bedenken daran, dass der Kläger, der wegen seiner durch die Ausbildung zum Industriekaufmann erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten die, eine kaufmännische Ausbildung voraussetzende, Tätigkeit als Verkäufer im Baumarkt verrichten konnte, auch weiterhin sich binnen einer Einarbeitungszeit von bis zu 3 Monaten die Ausübung der Umschulungstätigkeit eines Industriekaufmanns ermöglichen kann. Dabei kann er die von ihm durch die bestandene Abschlussprüfung nachgewiesenen Kenntnisse und Fähigkeiten gemäß dem Ausbildungsrahmenplan insbesondere im Bereich der Industriebetriebslehre, dem Rechnungswesen, der Wirtschafts- und Sozialkunde, der Deutsch-Korrespondenz und Englisch in allen kaufmännischen Abteilungen eines Betriebes einsetzen. Dabei kann er im Material- und im Absatzbereich, in der Personalabteilung, in der Arbeitsvorbereitung sowie in der Finanz- und in der Betriebsbuchhaltung die qualifizierte Tätigkeit eines Sachbearbeiters ausüben. Aufgrund der breit gefächerten Ausbildung, die er erfolgreich abgeschlossen hat, ist er in der Lage, betriebswirtschaftliche und organisatorische Probleme zu erkennen und zu ihrer Lösung beizutragen.
Anhaltspunkte dafür, dass er aus medizinischen Gründen an der Ausübung der in ihren körperlichen Anforderungen leichten beruflichen Tätigkeit eines Industriekaufmanns gehindert ist, ergeben sich nicht. Der Kläger, der seit Mai 2001 als Berufskraftfahrer u.a. im Bereich des Transportes von Behinderten und Schulkindern arbeitet, wird nach übereinstimmender Auffassung der medizinischen Sachverständigen für in der Lage erachtet, zumindest leichte Tätigkeiten, überwiegend im Sitzen, wechselweise im Gehen oder Stehen, ohne ständige einseitige körperliche Belastung oder Zwangshaltung, zu ebener Erde und ohne besonderen Zeitdruck, noch vollschichtig zu verrichten. Auch ist seinen eigenen Angaben nach der zwischenzeitlich festgestellte Diabetes mellitus gut eingestellt und nicht insulinpflichtig. Dem entsprechen die im Rahmen der berufskundlichen Sachaufklärung durch den Senat festgestellten Arbeitsbedingungen von Industriekaufleuten, die weder mit schweren oder mittelschweren körperlichen Anforderungen einhergehen, noch überwiegend im Gehen oder Stehen verrichtet werden. Die Tätigkeit wird auch nicht unter ständiger einseitiger körperlicher Belastung oder Zwangshaltung ausgeübt. Sie erfolgt grundsätzlich zu ebener Erde und nicht ständig unter besonderem Zeitdruck. Dabei stützt sich der Senat auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Auskünfte der Bundesagentur für Arbeit unter www.berufenet.arbeitsagentur.de.
Bedenken an der Verwertbarkeit des Restleistungsvermögens bestehen nicht. Der Kläger kann auch hinsichtlich der Pausen unter betriebsüblichen Bedingungen arbeiten und ist in seiner Wegefähigkeit nicht eingeschränkt. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeschränkungen liegen ebensowenig vor wie eine schwere spezifische Leistungsbehinderung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 160 Abs 2 SGG). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Maßgeblich für die Entscheidung sind die konkreten Umstände des Einzelfalls.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkkeit.
Der am 00.00.1955 geborene Kläger durchlief von August 1970 bis Juli 1971 eine Ausbildung zum Schlosser ohne Erfolg. Von August 1971 bis April 1979 war er als Übertagearbeiter im deutschen Steinkohlenbergbau angelegt. Ab Mai 1979 bis April 1990 war er als gewerblicher Arbeitnehmer außerhalb des Bergbaus tätig. Nach Zeiten von Arbeitslosigkeit und Arbeitsunfähigkeit nahm er bei dem Berufsförderungswerk I vom 23.09.1991 bis zum 20.04.1994 und vom 08.08.1994 bis zum 15.11.1994 im Rahmen einer von der LVA Westfalen getragenen beruflichen Rehabilitationsmaßnahme an der Umschulung zum Industriekaufmann teil. Am 14.12.1994 bestand er vor der Prüfungskommission die Abschlussprüfung. Die Ausbildung hat gemäß dem Ausbildungsrahmenplan insbesondere Industriebetriebslehre, Rechnungswesen, Wirtschafts- und Sozialkunde, Deutsch-Korrespondenz und Englisch beinhaltet. Nach Angaben des Berufsförderungswerkes finden Industriekaufleute ihren Einsatz in allen kaufmännischen Abteilungen eines Betriebes. Sie üben im Material- und im Absatzbereich, in der Personalabteilung, in der Arbeitsvorbereitung sowie in der Finanz- und in der Betriebsbuchhaltung die qualifizierte Tätigkeit eines Sachbearbeiters aus. Aufgrund der breit gefächerten Ausbildung seien sie in der Lage, betriebswirtschaftliche und organisatorische Probleme zu erkennen und zu ihrer Lösung beizutragen.
Seit August 1995 ist der Kläger bei der Firma H Baumarkt II GmbH & Co. KG aus T als Verkäufer angestellt. Nach Angaben des Arbeitgebers (24.08.1999 und 02.05.2002) handelt es sich bei dieser Tätigkeit um die eines Angestellten mit ordentlicher kaufmännischer Berufsausbildung, die der Kläger als ausgebildeter Industriekaufmann auch durchlaufen habe. Ab 06.08.1998 erkrankte er fortlaufend arbeitsunfähig. Das Arbeitsverhältnis mit der Firma H jedoch besteht weiterhin. Ab 01.05.2001 war er, unterbrochen von Zeiten der Arbeitslosigkeit, in zeitlich geringfügigem Umfang als Busfahrer beschäftigt. Im November 2006 war er kurzzeitig an 6 Stunden arbeitstäglich als LKW-Fahrer beschäftigt. Seit Juni 2007 ist er als Fahrer eines Schulbusses für Behinderte bei der Firma T in O an 80 Stunden im Monat beschäftigt.
Seit 01.05.1999 gewährt die Beklagte Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau.
Wegen seit Frühjahr 2002 bestehender Schulterbeschwerden hatte er im September 2002 eine Operation an der linken Schulter hinzunehmen. Die Beklagte prüfte, ob ihm seit dem 01.03.2002 Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zustehe. Der Sozialmedizinische Dienst (SMD) erstattete am 08.01.2003 ein Gutachten. Dem Kläger wurden noch leichte Tätigkeiten vollschichtig zugemutet. Mit Bescheid vom 13.02.2003 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab. Der Kläger könne noch mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein. Ausgehend von der Tätigkeit als Verkäufer und Kraftfahrer der zweiten Berufsgruppe sei er zumutbar zu verweisen auf die Tätigkeiten als Hilfsarbeiter im Büro, Telefonist oder Wächter. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 17.02.2004 zurückgewiesen.
Die dagegen zum Sozialgericht Münster (SG) erhobene Klage hat der Kläger auf die Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 01.03.2002 beschränkt.
Zur Begründung hat er behauptet, weder vollschichtig tätig sein noch zumutbar auf die von der Beklagten benannten Tätigkeiten verwiesen werden zu können. Seine maßgebliche bisherige Berufstätigkeit sei die eines Verkäufers in einem Baumarkt. Durch die Tätigkeit als Busfahrer in Teilzeit habe er sich nicht von dieser Beschäftigung abgewandt. Neben den sonstigen Funktionseinschränkungen leide er auch an zeitweise auftretenden Taubheitsgefühlen der Finger. Somit liege eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeschränkungen vor.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.02.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2004 zu verurteilen, entsprechend dem Vergleich vom 10.10.2002 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufungsunfähigkeit ab 01.03.2002 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die angefochtenen Entscheidungen verteidigt.
Das SG hat den Entlassungsbericht des St. D-Krankenhauses in X vom 19.04.2004 über eine stationäre Behandlung vom 01. bis 16.03.2004 wegen einer distalen Unterschenkelfraktur rechts beigezogen. Arzt für Allgemeinmedizin Dr. L aus P hat am 21.06.2004 einen Befundbericht erstattet. Das SG hat Beweis erhoben durch medizinische Sachverständigengutachten. Dr. F aus N hat in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 18.11.2004 den Kläger noch für fähig gehalten, leichte Arbeiten im Sitzen 6 Stunden und mehr regelmäßig, unter betriebsüblichen Bedingungen bei uneingeschränkter Wegefähigkeit verrichten zu können. In seinem internistischen Gutachten vom 17.01.2005 hat Dr. D aus N den Kläger noch für in der Lage erachtet, leichte und gelegentlich auch mittelschwere Arbeiten vollschichtig unter betriebsüblichen Bedingungen verrichten zu können. Der Chirurg Dr. D aus N hat in seinem Gutachten vom 21.01.2005 ausgeführt, der Kläger könne noch leichte Arbeiten an 6 Stunden und mehr täglich unter betriebsüblichen Bedingungen bei uneingeschränkter Wegefähigkeit verrichten.
Mit Urteil vom 02.08.2005 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger ab 01.03.2002 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu zahlen. Maßgebliche bisherige Beschäftigung sei die eines Verkäufers in einem Baumarkt. Die Tätigkeit als Kraftfahrer übe der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nur in Teilzeit aus. Da er als Verkäufer in einem Baumarkt wie ein Angestellter mit 3-jähriger Ausbildung als Einzelhandelskaufmann vergütet worden sei und diese Vergütung als wesentliches Merkmal die Bewertung des Berufes präge, sei der Kläger im Mehrstufenschema der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts der Gruppe der Angestellten mit mehr als 2-jähriger Ausbildung zuzuordnen. Zwar seien ihm noch leichte Arbeiten im Umfang von mehr als 6 Stunden arbeitstäglich möglich, jedoch könne eine ihm sozial zumutbare Tätgkeit nicht benannt werden. Er werde den Mindestanforderungen einer auf Anlernniveau zu vergütenden Tätigkeit an den körperlichen Einsatz oder den Einsatz geistiger oder mentaler Fähigkeit nicht mehr gerecht. Auch die Beklagte habe keine in diesem Sinne sozial zumutbare Tätigkeit benannt.
Zur Begründung der dagegen eingelegten Berufung vertritt die Beklagte die Auffassung, dass der Kläger aufgrund seines medizinischen Restleistungsvermögens zum 01.03.2002 zumutbar auf die von ihm im Rahmen der beruflichen Rehabilitation erlernte Tätigkeit des Industriekaufmanns verwiesen werden könne. Aufgrund des aktenkundigen medizinischen Restleistungsvermögens für vollschichtige leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen, ohne Belastung durch Wechsel- oder Nachtschichtarbeit sowie ohne besonderen Zeitdruck, könne er die Tätigkeiten eines Industriekaufmanns ohne Weiteres verrichten. Der Industriekaufmann arbeite überwiegend in temperierten und oft klimatisierten Büroräumen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 02.08.2005 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung. Für die Tätigkeit bei der Firma H habe er sich durch seine Umschulung zum Industriekaufmann qualifiziert. Nach einer Einweisung bis zu 6 Wochen in die Produkte des Baumarktes habe er die Tätigkeit wettbewerbsfähig verrichten können. Diese habe der eines Angestellten mit einer mehr als 2-jährigen Ausbildung entsprochen. Sein zwischenzeitlich festgestellter Diabetes mellitus sei zur Zeit gut eingestellt und nicht insulinpflichtig.
Der Senat hat die abgeschlossenen Verfahrensakten L 2 KN 18/02 (S 7 KN 114/00 Sozialgericht Münster) beigezogen und zum Verfahrensgegenstand gemacht.
Der Senat hat berufskundliche Auskünfte der Bundesagentur für Arbeit unter www.berufenet.arbeitsagentur.de/berufe zur Berufsbezeichnung "Industriekaufmann/-frau" zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.
Für die Einzelheiten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten der Beklagten für den Kläger Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht zur Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit verurteilt.
Nach § 240 Abs 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) haben Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren sind, Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als 6 Stunden gesunken ist (§ 240 Abs 2 Satz 1 SGB VI). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs 2 Satz 2 SGB VI). Dabei ist zumutbar stets eine Tätigkeit, für die der Versicherte durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden ist (§ 240 Abs 2 Satz 3 SGB VI). Deshalb kommt es entgegen der Auffassung des SG nicht darauf an, ob der Kläger die Beschäftigung als Berufskraftfahrer mit Unterbrechungen ab 01.05.2001 aus gesundheitlichen Gründen nur in Teilzeit ausübt. Ebenso wenig ist entscheidend, ob ihm wegen der zuvor als Verkäufer in einem Baumarkt erfolgten Berufstätigkeit - die im Mehrstufenschema der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) der Gruppe der Angestellten mit mehr als 2-jähriger Ausbildung zuzuordnen sei -, eine sozial zumutbare Tätigkeit benannt werden kann.
Denn der Kläger ist zumutbar auf die Tätigkeit eines Industriekaufmanns zu verweisen, für die er durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Rahmen einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme durch die damalige LVA Westfalen vom 23.09.1991 bis zum 15.11.1994 umgeschult worden ist und die er erfolgreich mit der Abschlussprüfung vor der Prüfungskommission am 14.12.1994 beendet hat. Insoweit bedarf es auch keiner besonderen Prüfung der subjektiven Zumutbarkeit (BSG Urteil vom 19.01.1978 SozR 2200 § 1246 Nr. 25). Zweifel daran, dass eine Verweisung nach § 240 Abs 2 Satz 3 SGB VI dem Kläger objektiv nicht zumutbar sei, haben sich nicht ergeben. Zur Überzeugung des Senats bestehen keine Bedenken daran, dass der Kläger, der wegen seiner durch die Ausbildung zum Industriekaufmann erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten die, eine kaufmännische Ausbildung voraussetzende, Tätigkeit als Verkäufer im Baumarkt verrichten konnte, auch weiterhin sich binnen einer Einarbeitungszeit von bis zu 3 Monaten die Ausübung der Umschulungstätigkeit eines Industriekaufmanns ermöglichen kann. Dabei kann er die von ihm durch die bestandene Abschlussprüfung nachgewiesenen Kenntnisse und Fähigkeiten gemäß dem Ausbildungsrahmenplan insbesondere im Bereich der Industriebetriebslehre, dem Rechnungswesen, der Wirtschafts- und Sozialkunde, der Deutsch-Korrespondenz und Englisch in allen kaufmännischen Abteilungen eines Betriebes einsetzen. Dabei kann er im Material- und im Absatzbereich, in der Personalabteilung, in der Arbeitsvorbereitung sowie in der Finanz- und in der Betriebsbuchhaltung die qualifizierte Tätigkeit eines Sachbearbeiters ausüben. Aufgrund der breit gefächerten Ausbildung, die er erfolgreich abgeschlossen hat, ist er in der Lage, betriebswirtschaftliche und organisatorische Probleme zu erkennen und zu ihrer Lösung beizutragen.
Anhaltspunkte dafür, dass er aus medizinischen Gründen an der Ausübung der in ihren körperlichen Anforderungen leichten beruflichen Tätigkeit eines Industriekaufmanns gehindert ist, ergeben sich nicht. Der Kläger, der seit Mai 2001 als Berufskraftfahrer u.a. im Bereich des Transportes von Behinderten und Schulkindern arbeitet, wird nach übereinstimmender Auffassung der medizinischen Sachverständigen für in der Lage erachtet, zumindest leichte Tätigkeiten, überwiegend im Sitzen, wechselweise im Gehen oder Stehen, ohne ständige einseitige körperliche Belastung oder Zwangshaltung, zu ebener Erde und ohne besonderen Zeitdruck, noch vollschichtig zu verrichten. Auch ist seinen eigenen Angaben nach der zwischenzeitlich festgestellte Diabetes mellitus gut eingestellt und nicht insulinpflichtig. Dem entsprechen die im Rahmen der berufskundlichen Sachaufklärung durch den Senat festgestellten Arbeitsbedingungen von Industriekaufleuten, die weder mit schweren oder mittelschweren körperlichen Anforderungen einhergehen, noch überwiegend im Gehen oder Stehen verrichtet werden. Die Tätigkeit wird auch nicht unter ständiger einseitiger körperlicher Belastung oder Zwangshaltung ausgeübt. Sie erfolgt grundsätzlich zu ebener Erde und nicht ständig unter besonderem Zeitdruck. Dabei stützt sich der Senat auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Auskünfte der Bundesagentur für Arbeit unter www.berufenet.arbeitsagentur.de.
Bedenken an der Verwertbarkeit des Restleistungsvermögens bestehen nicht. Der Kläger kann auch hinsichtlich der Pausen unter betriebsüblichen Bedingungen arbeiten und ist in seiner Wegefähigkeit nicht eingeschränkt. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeschränkungen liegen ebensowenig vor wie eine schwere spezifische Leistungsbehinderung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 160 Abs 2 SGG). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Maßgeblich für die Entscheidung sind die konkreten Umstände des Einzelfalls.
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