L 2 R 1100/06

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 19 RA 1550/04
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 2 R 1100/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 20. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten; dem Kläger werden jedoch Kosten des Verfahrens in Höhe von 400,00 EUR auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr. 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, Tatbestände von Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz für die Zeit vom 1. Oktober 1972 bis zum 30. Juni 1990 und die entsprechenden Arbeitsverdienste festzustellen.

Der 1949 geborene Kläger erwarb im September 1972 das Recht, den akademischen Grad "Diplom-Ingenieur" zu führen. Er war seit dem 1. Oktober 1972 in unterschiedlichen Funktionen bei dem VEB Kondensatorenwerk G, und dessen Rechtsnachfolgern, dem VEB Elektronik G. und der E.-GmbH beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis mit der GmbH endete im Jahr 1991.

Die E.-GmbH wurde am 27. Juni 1990 als Rechtsnachfolgerin des VEB Elektronik G. mit einem Stammkapital in Höhe von 73 Mio. Mark in das Handelsregister eingetragen. Am 3. Juli 1990 wurde die Brandenburgische Kondensatoren-GmbH mit einem Stammkapital von 3.038.000,00 Mark in das Handelsregister eingetragen, die laut notarieller Umwandlungserklärung vom 12. Juni 1990 ebenfalls Rechtsnachfolgerin des VEB werden sollte.

Der Kläger war der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) zum 1. Mai 1989 beigetreten. Eine Versorgungszusage zur Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem wurde ihm bis zum 30. Juni 1990 nicht erteilt.

Mit Bescheid vom 23. März 2004 lehnte die Beklagte seinen Antrag auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu dem Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz ab, weil er am 30. Juni 1990 nicht mehr bei einem VEB und damit nicht mehr im Geltungsbereich der Zusatzversorgung der technischen Intelligenz tätig gewesen sei. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 7. Juni 2004).

Das Sozialgericht Altenburg hat seine dagegen erhobene Klage mit Urteil vom 20. Oktober 2006 abgewiesen. Der Kläger sei nicht bis zum 3. Juli 1990 Beschäftigter des VEB Elektronik G. geblieben. Er sei spätestens ab dem 12. Juni 1990 (Datum der Umwandlungserklärung) faktisch Beschäftigter der E.-GmbH gewesen. Spätestens mit der Eintragung der GmbH in das Handelsregister am 27. Juni 1990 habe die GmbH ihre Arbeitgeberstellung gegenüber dem Kläger ausgeübt.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Der VEB Elektronik G. sei erst nach dem 30. Juni 1990 vollständig erloschen. Die Tatsache, dass der VEB in mehrere Gesellschaften umgewandelt worden sei, sei eine Besonderheit und werde von der Verordnung zur Umwandlung von volkseigenen Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen in Kapitalgesellschaften vom 1. März 1990 (Umwandlungsverordnung) nicht besonders und ausdrücklich geregelt. Eine höchstrichterliche Entscheidung für diese Fallgestaltung existiere noch nicht. Daher müsse die Revision zugelassen werden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 20. Oktober 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 23. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juni 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Beschäftigungszeit vom 1. Oktober 1972 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Altersversorgung der technischen Intelligenz und die hieraus erzielten Entgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Eintragung der Brandenburgischen Kondensatoren-GmbH zum 3. Juli 1990 sei unbeachtlich, weil hier die Rechtsfähigkeit des Hauptnachfolgebetriebes maßgeblich sei. Hauptnachfolgebetrieb sei die E.-GmbH mit ihrem Stammkapital von 73 Mio. Mark gewesen.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. In einem Erörterungstermin wurde der Kläger auch ausführlich über die Möglichkeit der Auferlegung von Prozesskosten belehrt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichts- und Beklagtenakten, die Gegenstand der geheimen Beratung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte den vorliegenden Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils beinhaltet allerdings zwei Unrichtigkeiten, die der Kläger zu Recht beanstandet hat. So war er nie im VEB Keramische Werke H. tätig. Er hat mit Stellungnahme vom 11. September 2004 auch ausdrücklich auf einen richterlichen Hinweis vom 30. August (nicht: Juni) 2004 reagiert. Diese Unrichtigkeiten werden hiermit korrigiert.

Der Kläger hat gleichwohl keinen Anspruch auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz im Zeitraum vom 1. Oktober 1972 bis zum 30. Juni 1990 sowie auf Feststellung der in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte (§ 8 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 1 und 2 AAÜG). Denn der Kläger fällt schon nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich des § 1 AAÜG; daher ist nicht in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 AAÜG gegeben sind.

Der Kläger war am 1. August 1991 nicht Inhaber einer Versorgungsanwartschaft.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt das Gesetz für Versorgungsberechtigungen, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind und beim Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. August 1991 bestanden haben. War ein Verlust von Versorgungsanwartschaften deswegen eingetreten, weil die Regelungen des Versorgungssystems diesen Verlust bei einem Ausscheiden vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt er nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG als nicht eingetreten. Der Kläger erfüllt weder die Voraussetzungen des Satzes 1 noch des Satzes 2. Er hatte bis zum Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 keine Versorgungsanwartschaft erworben, weil eine Einzelfallentscheidung, durch die ihm zum 1. August 1991 eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt worden ist, nicht vorliegt; und eine positive Statusentscheidung der Beklagten zu seinen Gunsten ist ebenso wenig ergangen wie eine frühere Versorgungszusage in Form eines nach Art. 19 Satz 1 des Einigungsvertrages (EV) bindend gebliebenen Verwaltungsaktes. Er war auch nicht aufgrund einer späteren Rehabilitationsentscheidung in das Versorgungssystem der Altersversorgung der technischen Intelligenz einbezogen worden. - Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG liegen nicht vor, weil der Kläger vor dem 30. Juni 1990 keine Versorgungsanwartschaft erlangt hatte, die er bei seinem Ausscheiden hätte verlieren können (vgl. stellvertretend für viele: Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 29. Juli 2004, Az.: B 4 RA 4/04 R, m.w.N.).

Der Kläger hatte nach der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage aus der Sicht des am 1. August 1991 gültigen Bundesrechts auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage im Sinne der vom Bundessozialgericht (BSG) vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG. Dieser fiktive bundesrechtliche Anspruch auf Erteilung einer Zusage hängt von der Ausgestaltung der zu Bundesrecht gewordenen leistungsrechtlichen Regelungen der Versorgungssysteme ab.

Für die Altersversorgung der technischen Intelligenz ist ein Anspruch auf Erteilung der Zusage nach § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (ZAVO-techInt) i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (2. DB z. ZAVO-techInt) unter folgenden drei Voraussetzungen gegeben: 1. der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung), und 2. der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung), und zwar 3. in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs. 1 der 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellten

Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

Der Kläger erfüllt die erste Voraussetzung, weil er berechtigt war, den Ingenieurstitel zu führen. Ob er eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt hat, kann dahingestellt bleiben; er war am 30. Juni 1990 jedenfalls nicht mehr in einem volkseigenen Betrieb beschäftigt.

Die GmbH, in der der Kläger laut Eintragung in seinem Sozialversicherungsausweis beschäftigt war, wurde bereits am 27. Juni 1990 in das Handelsregister eingetragen.

Soweit der Kläger vorträgt, am 30. Juni 1990 sei der VEB noch nicht vollständig erloschen, mag dies zutreffen. Jedenfalls waren aber die Teile des VEB erloschen, die in die Rechtsnachfolge der E.-GmbH übergingen. Aus § 7 der Umwandlungsverordnung folgt, dass die Umwandlung mit der Eintragung der GmbH in das Register wirksam wird und der vor der Umwandlung bestehende Betrieb hiermit erlischt. Die Eintragung selbst hat eine rechtsbegründende Wirkung. Auf ihre Richtigkeit kommt es nach dem Wortlaut der Norm nicht an. Auch § 9 Abs. 1 der Verordnung über die Führung des Registers der volkseigenen Wirtschaft vom 16. Oktober 1968 (GBl. II 1968, S. 968) knüpfte die Wirksamkeit einer Eintragung an den Zeitpunkt der Eintragung und nicht an die inhaltliche Richtigkeit.

Unabhängig davon, wann der VEB erloschen ist, war er am 30. Juni 1990 nicht mehr Arbeitgeber des Klägers. Der Kläger selbst hat in dem Erörterungstermin vom 2. November 2007 mitgeteilt, dass er nicht bei der Brandenburgischen Kondensatoren-GmbH beschäftigt gewesen sei, sondern bei der E.-GmbH. Dies stimmt überein mit den vorliegenden Arbeitsverträgen und der Kündigung durch die E.-GmbH, die ihren Sitz in G. hatte, während die Brandenburgische Kondensatoren-GmbH ihren Sitz in P. hatte. Der Kläger aber war immer in G. und nicht in P. eingesetzt. Er war nach allen vorliegenden Unterlagen nur für die E.-GmbH tätig. Selbst wenn der VEB in Teilen über den 27. Juni 1990 hinaus noch bestanden haben sollte, so war der Kläger in diesen Teilen eindeutig nicht beschäftigt. Aus dem Gesellschaftsvertrag vom 12. Juni 1990 wie aus der vom gleichen Tage stammenden Umwandlungserklärung folgt, dass bereits vor diesem Zeitpunkt der VEB mangels Eigenkapital gar nicht mehr in der Lage war, eine Produktion zu betreiben und seine Mitarbeiter zu entlohnen, weil sämtliche Vermögenswerte mit Stichtag 1. Mai 1990 auf beide Gesellschaften übertragen worden sind. Spätestens mit der Eintragung der E.-GmbH in das Handelsregister sind die Rechte und Pflichten aus dem vormals mit dem VEB bestehenden Arbeitsverhältnis übergegangen.

Die Begrenzung der vom BSG vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG auf den Personenkreis, der nach der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage die drei Voraussetzungen der Altersversorgung der technischen Intelligenz erfüllte, steht im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 und 3 des Grundgesetzes (GG). Die Ungleichbehandlung des Klägers gegenüber denjenigen, die am 30. Juni 1990 die Voraussetzungen der Versorgungsverordnung erfüllten, und denjenigen, die bereits früher einmal in ein Versorgungssystem im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG einbezogen waren, ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt.

Der Einigungsvertrag hat nur die Übernahme vor dem 1. Juli 1990 bestehender Versorgungsansprüche und -anwartschaften vorgesehen und neue Einbeziehungen ab 1. Juli 1990 ausdrücklich verboten (Artikel 9 Abs. 2 in Verbindung mit Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 Buchst. a EV; Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 8 EV i.V.m. § 22 des Rentenangleichungsgesetzes der DDR). Der Bundesgesetzgeber hat das grundsätzliche Verbot der Neueinbeziehung für den persönlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes durch § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG modifiziert. Um einem Wertungswiderspruch zu begegnen, hat das Bundessozialgericht durch eine ausdehnende verfassungskonforme Auslegung die nicht in ein Versorgungssystem Einbezogenen, die am 30. Juni 1990 nach den Regelungen der Versorgungssysteme alle Voraussetzungen für die Einbeziehung an diesem Stichtag erfüllt hatten, aber im Regelfall aus Gründen, die bundesrechtlich nicht anerkannt werden dürfen, nicht einbezogen waren, den Fällen des § 1 Abs. 1 Satz 2 des Rentenüberleitungsgesetzes (RÜG) gleichgestellt.

Eine Gleichstellung weiterer Personengruppen war nicht geboten. Der Bundesgesetzgeber durfte an die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundene Ausgestaltung der Versorgungssysteme in der DDR sowie an die gegebene versorgungsrechtliche Lage der Betroffenen ohne Willkürverstoß anknüpfen und damit davon ausgehen, dass nur derjenige in das Zusatzversorgungssystem der Altersversorgung der technischen Intelligenz einbezogen werden durfte, der am 30. Juni 1990 in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt war. Art. 3 Abs. 1 und 3 GG gebietet nicht, von jenen zu sekundärem Bundesrecht gewordenen Regelungen der Versorgungssysteme sowie den historischen Fakten, aus denen sich etwa die hier vorliegenden Ungleichheiten ergeben, abzusehen und sie "rückwirkend" zu Lasten der heutigen Beitrags- und Steuerzahler auszugleichen (vgl. unter anderem BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003, B 4 RA 18/03 R).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Die Auferlegung von Kosten für den Kläger beruht auf § 192 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 SGG. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass er den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden in einem Termin die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist. Eine entsprechende Belehrung ist in dem Erörterungstermin am 2. November 2007 erfolgt.

Die Rechtsverfolgung ist im vorliegenden Fall missbräuchlich. Ein solcher Missbrauch ist in Anlehnung an die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 34 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (vgl. aus letzter Zeit die Beschlüsse vom 11. Dezember 2001, Az.: 1 BvR 1821/01, und vom 18. September 2000, Az.: 2 BvR 1407/00) auch für das sozialgerichtliche Verfahren unter anderem dann zu bejahen, wenn eine Berufung offensichtlich unbegründet ist und sie von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss. Dass diese offensichtliche Aussichtslosigkeit für den Tatbestand des Missbrauchs genügt, ergibt sich aus dem Willen des Gesetzgebers, wie er bei der Novellierung des Sozialgerichtsgesetzes im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck gekommen ist: Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucksache 14/5943, S. 60 zu Nr. 65) rechtfertigen die Aussichtslosigkeit des Rechtsstreits und ein entsprechender Hinweis des Vorsitzenden auf eine mögliche Kostentragungspflicht die Auferlegung von Kosten. Im Übrigen ergibt sich auch aus dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (BT-Drucksache 14/6335, S. 35 zu Nr. 65), dass es sich bei dem Tatbestand der offensichtlichen Aussichtslosigkeit um einen Unterfall der Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung handelt (vgl. auch Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, Rdnr. 9 zu § 192).

Die offensichtliche Aussichtslosigkeit ist für jedes Verfahren individuell zu prüfen; sie ist vor allem danach zu beurteilen, ob die Gesetzeslage einfach und eindeutig ist und ob die interessierenden Rechtsfragen durch höchstrichterliche Rechtsprechung des BSG geklärt sind. Jedenfalls seit dem 9. und 10. April 2002 und zusätzlich nach den Urteilen zur Stichtagsproblematik vom 8. Juni 2004 (Az.: B 4 RA 56/03 R) und vom 29. Juli 2004 (Az.: B 4 RA 12/04 R) muss hier davon ausgegangen werden, dass die Rechtslage durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts geklärt ist. Angesichts einer ganzen Serie von einander ergänzenden Entscheidungen konnte der Kläger nicht erwarten, dass der erkennende Senat, der sich mittlerweile bereits in mehr als 200 Fällen der Rechtsprechung des BSG angeschlossen hat, nunmehr von seiner eigenen ständigen Rechtsprechung abweicht, und der Kläger kann nach Auffassung des Senats auch nicht erwarten, dass er mit seiner Argumentation im Falle einer Nichtzulassungsbeschwerde beim BSG durchdringt. Sein Rechtsstreit ist kein Sonderfall. Die Senate des Thüringer Landessozialgerichts haben bereits mehrere Fälle von volkseigenen Betrieben, die in mehr als eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung umgewandelt wurden, entschieden (vgl. Urteil des 2. Senates vom 12. Juli 2007, Az.: L 2 R 44/07). Das BSG hat mit Urteil vom 29. Juli 2004 (Az.: B 4 RA/04 R) entschieden, dass bereits vor Eintragung einer GmbH in das Register Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis auf eine Vorgesellschaft übergehen können und der VEB dann seine Arbeitgebereigenschaft verliert. Das muss erst recht gelten, wenn sowohl die Vermögenswerte übergegangen wie die Eintragung der GmbH in das Register vollzogen worden ist. Eine nachvollziehbare Begründung der Verfassungswidrigkeit von hier anzuwendenden Vorschriften (nur darum kann es angesichts der geklärten Rechtslage noch gehen) ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Das Bundesverfassungsgericht hat vielmehr die Rechtsprechung des BSG bestätigt und festgestellt, dass aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist, dass sich das BSG bei der Prüfung der Zugehörigkeit zu einer zusätzlichen Altersversorgung am Wortlaut der Versorgungsordnungen orientiert und nicht an eine Praxis der DDR anknüpft. Damit wird zwar möglicherweise anders verfahren als zu DDR-Zeiten; die Gerichte sind aber verfassungsrechtlich nicht gehalten, die in der DDR herrschende Praxis der Aufnahme in Systeme der Zusatzversorgung, soweit sie dem Text der Zusatzversorgungssysteme entgegenstand, im gesamtdeutschen Rechtsraum fortzusetzen. Die Auslegung der Rechtsvorschriften der DDR durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit kann vom Bundesverfassungsgericht im Übrigen nur darauf überprüft werden, ob diese Auslegung willkürlich ist. Für das Vorliegen von Willkür bieten die einschlägigen Urteile des BSG jedoch keine Anhaltspunkte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. August 2004, Az.: 1 BvR 1557/01 und Beschluss vom 26. Oktober 2005, Az.: 1 BvR 1144/05).

Ist der Kläger durch einen Rechtsanwalt, einen Rechtssekretär oder eine sonstige rechtskundige Person vertreten, ist auf die Einsichtsfähigkeit dieses Prozessvertreters abzustellen. Für ihn gelten erhöhte Anforderungen. Das Verständnis der BSG-Rechtsprechung und die Erfassung deren Tragweite können bei rechtskundigen Personen regelmäßig unterstellt werden; allerdings ist auch insofern auf eine objektivierte Einsichtsfähigkeit abzustellen. – Hier ist der Senat davon ausgegangen, dass für den Prozessbevollmächtigten des Klägers die Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung ohne weiteres erkennbar war.

Hinsichtlich der Höhe der auferlegten Kosten ist zunächst zu beachten, dass bei einer Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung das Privileg der vom Staat finanzierten Kostenfreiheit der sozialgerichtlichen Verfahren entfallen soll. Damit wird dem Schadensersatzprinzip Rechnung getragen (vgl. BT-Drucksache 14/5943, Seite 60 zu Nr. 65). Zu den Kosten des Gerichts zählen auch die allgemeinen Gerichtskosten. Nach Auskunft der Gerichtsverwaltung des Thüringer Landessozialgerichts belaufen sich die Kosten für ein Verfahren in zweiter Instanz für Personal, Material, Entschädigungen, Miete, Nebenkosten, Technik und Literatur im Durchschnitt auf über 2.000,00 EUR pro Verfahren (Auskunft vom 22. April 2004, Az.: 5600 E – 1/04). Dieser Betrag wird dadurch bestätigt, dass die durchschnittlichen Verfahrenskosten in Hessen schon vor zehn Jahren bei über 3.000,00 DM lagen (Gesetzentwurf der hessischen Landesregierung vom 29. Juni 1989, Landtags-Drucksache 12/4740, Seite 7). Das Bayerische Landessozialgericht ging im Jahre 1996 von durchschnittlichen Verfahrenskosten in Höhe von 6.000,00 DM aus (vgl. Urteil vom 10. Oktober 1996, Az.: L 8 Ar 640/95). Die Auferlegung von Kosten in Höhe von 400,00 EUR im vorliegenden Fall erscheint daher im Verhältnis zu den Gesamtkosten eines durchschnittlichen Verfahrens auf jeden Fall berechtigt.

Dieser Betrag ist im Übrigen auch im Verhältnis zu dem in § 192 Abs.1 Satz 2 in Verbindung mit § 184 Abs. 2 SGG festgelegten Mindestbetrag von 225,00 EUR angemessen. Der Senat, der üblicherweise in vergleichbaren Fällen einen Betrag in Höhe von 600,00 EUR auferlegt, hat den niedrigeren Betrag gewählt, weil der Kläger arbeitslos und sein Anspruch auf Arbeitslosengeld bereits erschöpft ist.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, weil die Rechtslage bereits geklärt ist (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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