Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 8 U 49/00
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 96/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 3. Juni 2004 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist im Berufungsverfahren noch, ob bei dem Kläger Kopfschmerzen mit psychi-schen Leiden, eine Fehlstellung der Wirbelsäule sowie eine Funktionseinschränkung des linken Kniegelenkes als (zusätzliche) Arbeitsunfallfolgen anzuerkennen sind und ihm deswegen vom 1. April 1999 an eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 40 vom Hundert (vH) anstatt um 30 vH zu ge-währen ist.
Der 1968 geborene Kläger verunfallte am 9. Juni 1997 gegen 06.40 Uhr auf dem Weg zur Arbeit bei Amberg (Bayern), als er als nicht angegurteter Fahrer eines Pkw´s einen entgegen kommenden Pkw übersah und mit diesem frontal zusammen-stieß, wobei der Pkw des Klägers auf die rechte Fahrspur zurückgeschleudert wurde. Im selben Moment näherte sich auf dieser Fahrspur ein weiterer Pkw und kollidierte frontal mit der linken Fahrzeugseite des klägerischen Pkw´s. Dabei zog sich der Kläger nach den Diagnosen des Chefarztes der Chirurgischen Klinik des Kl. St. M. A. Dr. F. eine Sprengung der Iliosacralfugen (Kreuz-Darmbein-fugen) beiderseits, eine Kreuzbeinfraktur rechts, eine Sitz- und Schambeinfraktur links, eine Sprengung des Symphysens (Beckenrings), ein stumpfes Bauchtrauma, eine Rippenserienfraktur beiderseits mit Kontusion (Prellung) der Lunge, Pneumothorax (Luftansammlung im Rippenfellspalt) links und Mantelpneumothorax (eingefallener Lungenflügel) rechts, ein Haut- und Mediastinalemphysem (Luftansammlung im Mittelfellraum) beiderseits, eine okzipitale (das Hinterhaupt betreffende) Schädelbasisfraktur rechts sowie eine Häma-turie (Blut im Urin) zu (Durchgangsarztbericht vom 10. Juni 1997).
Unmittelbar nach der Primärversorgung im Kl. St. M. A. befand sich der Kläger in der Zeit vom 30. Juli bis zum 10. September 1997 stationär zur Anschluss-heilbehandlung in der Median Kl. K. In ihrem Abschlussbericht vom 12. September 1997 hielten der Chefarzt der Klinik Dr. F. und die Stationsärztin Dipl.-Med. K. neben den von Dr. F. gestellten Diagnosen eine Contusio cordis (Herzprellung) sowie eine Nierenkontusion links fest und führten aus, die Nach-befundung der im Klinikum St. M. am 11. Juli 1997 gefertigten Röntgenaufnahme des linken Ellenbogengelenkes habe keinen Nachweis sicherer posttraumatischer Re-siduen (Rückstände) ergeben. In seinen Verlaufsberichten vom 30. Oktober 1997 und 17. November 1997 teilte der Facharzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Durchgangsarzt Dr. B. der Beklagten mit, infolge der Beckenfraktur sei es zu einer rechtsseitigen Verschiebung mit einer Beinverkürzung von gut 1 cm gekommen, die durch eine entsprechende Schuherhö-hung ausgeglichen werde. Die Thoraxaufnahmen vom 27. Oktober 1997 zeigten fest ausgeheilte Frakturen ohne Schwielen- oder Schwartenbildungen; auf den Schädel-aufnahmen desselben Tages seien die stattgehabten Verletzungen nicht mehr nachzu-vollziehen. Die Beweglichkeit der Kniegelenke betrage nach der Neutral-Null-Methode beiderseits 0-0-140°. Arbeitsunfähigkeit liege zunächst bis zum 27. November 1997 vor; eine MdE in rentenberechtigender Höhe werde verbleiben.
Am 3. Dezember 1997 stellte sich der Kläger ambulant im Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus H. vor. Die Chirurgen Dres. P. und Sp. teilten in ihrem Bericht vom 17. Dezember 1997 einen Beckengeradstand, reizlose Operationsnarben im Bereich der Beckenkämme, eine uneingeschränkte Kniegelenksbeweglichkeit, druckschmerzfreie Iliosakralgelenke, eine endgradige Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenkes bei der Außen- und Innenrotation sowie einen Finger-Boden-Abstand von 0 cm mit. Radiologisch zeige sich eine knöchern fest verheilte Becken-ringfraktur, eine normale Weite der Hüftgelenkspalten und kein Anhalt für eine Arthro-senbildung. Im Vordergrund der verbliebenen Unfallfolgen stehe noch eine erhebliche Störung des Gangbildes. Insoweit werde empfohlen, die vom Kläger als Utensil mitge-führte Unterarmgehstütze mit sofortiger Wirkung ersatzlos wegzulassen.
Vom 29. Januar an bis zum 2. April 1998 befand sich der Kläger stationär in der Son-derstation für Schwerunfallverletzte des Akademischen L. F. H ... Auf Grundlage der ambulanten Untersuchung am 16. Februar 1998 erstellte der Chefarzt der Medizinischen Klinik des Kreiskrankenhauses Sp. Dr. Sch. das internisti-sche Zusatzgutachten vom 7. April 1998. Er diagnostizierte eine gering- bis mittelgra-dige Lungenrestriktion (Einschränkung der Beweglichkeit) sowie eine mittelgradige Einschränkung der Lungendiffusionskapazität infolge Thoraxtraumas mit Frakturen der 1. und 2. Rippe rechts sowie der 2. und 3. Rippe links und beidseitigem Pneumothorax bei beidseitiger Lungenkontusion, eine unfallunabhängige dilatative Kardiomyopathie (krankhafte Erweiterung des Herzmuskels) mit ausgeprägter linksventrikulärer Pump-funktionsstörung sowie einen Zustand nach stumpfem Bauchtrauma mit Nierenkontu-sion linksseitig ohne sonographisch erkennbares Residuum und ohne Einschränkung der globalen Nierenfunktion. Belege für eine durchgemachte Contusio cordis seien weder aktuell zu finden noch in den Krankenakten überhaupt verzeichnet. Im Ergebnis schätzte Dr. Sch. ein, dass innerhalb eines Jahres eine vollständige Konsolidierung der Folgen des Thoraxtraumas im Hinblick auf die eingeschränkte Lungenfunktion ein-treten werde. Dann sei eine gutachtliche Nachuntersuchung durchzuführen, um den Anteil der unfallunabhängigen Herzerkrankung auf die Lungenfunktion zu beurteilen. Die MdE betrage für ein Jahr 40 vH. Im fachurologischen Zusatzgutachten vom 8. April 1998 stellten der Chefarzt der Urologischen Kl. des F. Dr. K. zusam-men mit dem Leitenden Oberarzt A. nach der ambulanten Untersuchung am 26. Februar 1998 die Diagnose einer erektilen Dysfunktion (Erektionsstörung) mit Hype-raesthesie (Überempfindlichkeit für Berührungen) im Genitalbereich rechts und bewer-teten die unfallbedingte MdE insoweit mit 10 vH. Der Chefarzt der Sonderstation H. Prof. Dr. D. gelangte gemeinsam mit dem Leitenden Oberarzt Dr. W. im fach-chirurgischen Gutachten vom 5. Mai 1998 zu folgenden Unfallfolgen: Hautnarbenbil-dung an der Schädelrückseite, Operationsnarbenbildung an der Thoraxwand links und rechts, Hautnarbenbildungen auf der Bauchdecke, Arthrose in den Iliosakralgelenken beiderseits, Arthrose in der Schoßfuge, Verwringung des Beckens mit hieraus resultie-render Störung der Statik und Belastbarkeit erheblichen Ausmaßes sowie endgradige Funktionseinschränkung des linken Ellenbogengelenkes. Die MdE betrage insoweit 20 vH. Unter Berücksichtigung der internistischen und urologischen Bewertungen sei die Gesamt-MdE mit 50 vH einzuschätzen und auf allen drei Fachgebieten in einem Jahr eine Nachbegutachtung zu empfehlen.
In seinem Nachschaubericht vom 8. Dezember 1998 äußerte der Facharzt für Chirur-gie Privatdozent (PD) Dr. B. den Verdacht auf das Vorliegen eines Außenmenis-kusschadens im linken Kniegelenk. Unter dem 18. Januar 1999 übersandte der Fach-arzt für Innere Medizin Dr. W. der Beklagten seinen Befund vom 23. Juni 1998, aus dem eine milde arterielle Hypertonie (Bluthochdruck) sowie der Verdacht auf das Bestehen einer dilatativen Kardiomyopathie hervorgingen, und fügte den Echokardio-graphiebefund des Facharztes für Innere Medizin und Kardiologie Dr. A. vom 8. Januar 1999 bei. Hierin empfahl Dr. A. die weitere Abklärung einer möglichen koronaren (die Kranzgefäße betreffende) Herzkrankheit. Mit Schreiben vom 24. Febru-ar 1999 berichtete PD Dr. B. , dass im Rahmen der am 12. Januar 1999 durchge-führten Arthroskopie des linken Kniegelenkes keine Unfallfolgen objektivierbar gewe-sen seien und fügte den entsprechenden Operationsbericht bei.
Nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit des Klägers zum 1. April 1999 teilte das Ar-beitsamt Stendal der Beklagten mit Schreiben vom 17. Juni 1999 mit, dass auf dem regionalen Arbeitsmarkt gute Eingliederungsaussichten für Arbeitserzieher vorhanden seien, wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Kläger jedoch Bedenken hinsichtlich einer entsprechenden Umschulung bestünden. Diese Bedenken teile der Kläger jedoch nicht. Mit Bescheid vom 12. Juli 1999 gewährte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 4. Oktober 1999 an bis zum 3. Oktober 2001 die begehrte Umschulung zum Arbeitserzieher. Daneben veranlasste sie zur (abschließenden) Feststellung und Bewertung der Unfallfolgen weitere Begutachtungen: Der Leitende Arzt des Bereichs Neuro-Urologie des Unfallkrankenhauses H. Dr. B. bestätigte in dem zu-sammen mit dem Urologen Dr. R. nach den stationären Untersuchungen vom 28. bis zum 30. Juni 1999 erstatteten urologischen Gutachten vom 6. Juli 1999 eine erektile Dysfunktion als mittelbare Folge der Beckenfraktur und schätzte die MdE un-verändert auf 10 vH ein. Zur Behandlung der unfallbedingten Erektionsstörung sei die Gabe von Sildenafil (Viagra 50 mg), welches der Kläger erfolgreich getestet habe, geeignet. Im internistischen Gutachten vom 15. Juli 1999 mit ergänzender Stellung-nahme vom 4. November 1999 hielten der Chefarzt der Medizinischen Klinik des Aka-demischen Lehrkrankenhauses F. Dr. W. und der Assistenzarzt Dr. W. auf Grundlage der ambulanten Untersuchung am 31. Mai 1999 im Rahmen der Bo-dyplethysmographie bzw. der Spirometrie (apparative Methoden zur Bestimmung der großen bzw. kleinen Lungenfunktion) eine leichtgradige Restriktion fest und schlossen eine manifeste Obstruktion (Atemwegsverengung) sowie eine Überblähung der Lunge aus. Die MdE sei wegen einer wesentlichen Besserung im Verhältnis zu den von Dr. Sch. im Gutachten vom 7. April 1998 dokumentierten Befunden mit 10 vH zu bewerten. Nachdem die während des stationären Aufenthaltes vom 27. bis zum 29. September 1999 in der Herz-Kreislauf-Klinik B. durchgeführten Herzkatheter- und Koronarangiographieuntersuchungen eine normale Hämodynamik (Blutströmung) in Ruhe und unter Belastung, ein regelrechtes Sättigungsverhalten und unauffällige Druckwerte im kleinen Kreislauf ergeben hätten, liege kein Hinweis für eine unfallbe-dingte oder aber schwerwiegende unfallunabhängige Herzerkrankung vor. Es bestehe lediglich eine unfallunabhängige hypertensive (bluthochdruckbedingte) Herzerkran-kung, die unter Medikation mit einem Betablocker (regulierendes Blutdruckpräparat) befriedigend eingestellt sei. Auf chirurgischem Gebiet bestätigten Prof. Dr. D. und Dr. W. nach ambulanter Untersuchung am 31. Mai 1999 in ihrem Gutachten vom 18. September 1999 nochmals die in ihrem Vorgutachten bezeichneten Unfallfolgen, bewerteten die MdE insoweit ab dem 1. April 1999 wiederum mit 20 vH und schätzten die Gesamt-MdE mit Schreiben vom 21. Januar 2000 unter Berücksichtigung der uro-logischen und internistischen Unfallfolgen um 30 vH ein.
In seinem Nachschaubericht vom 11. Februar 2000 teilte der Facharzt für Chirurgie und Durchgangsarzt Dr. B. der Beklagten mit, der Kläger habe Schmerzen im Rü-cken mit Ausstrahlung in die Beine geschildert, weswegen auch kurze Wegstrecken nur mit Mühe bewältigt werden könnten. Verantwortlich hierfür sei eine pathologische Beschwerdeverarbeitung mit Neigung zu einem Analgetikaabusus (Medikamenten-missbrauch). Zu empfehlen sei diesbezüglich die Vorstellung bei einem Schmerzthera-peuten, wobei eine solche Therapie kassenärztlich abzurechnen sei. Dies gelte umso mehr, als bei dem Kläger unfallunabhängig auch eine Spondylose (degenerative Ver-änderung der Wirbelkörper mit zackenförmigen Randkantenanbauten) sowie eine Osteochondrose (Verdichtung der Grund- und Deckplatten der Wirbelkörper infolge degenerativ veränderter Bandscheibenräume) im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) bestehe.
Mit Bescheid vom 16. März 2000 erkannte die Beklagte den Unfall vom 9. Juni 1997 als Arbeitsunfall an und gewährte dem Kläger wegen der Unfallfolgen vom 1. April 1999 an auf unbestimmte Zeit eine Verletztenrente nach einer MdE um 30 vH. Dabei stellte sie folgende Unfallfolgen fest: endgradige Einschränkung der Beweglichkeit im linken Ellenbogengelenk nach Zerrung; geringgradige Einschränkung der Lungenfunk-tion; Herabsetzung der Belastbarkeit des Beckens bei Fehlstellung infolge Verschie-bung der rechten Beckenhälfte nach oben; formverbildende Veränderungen im Bereich der Kreuz-Darmbeingelenke beiderseits und in der Schoßfuge des Beckens; Erek-tionsstörung infolge einer Nervenschädigung im Genitalbereich; knöchern fest verheilte Brüche der 1. und 2. Rippe rechts, der 2. und 3. Rippe links und des Kreuzbeins; ope-rativ versorgter und knöchern fest verheilter Bruch des vorderen und hinteren Becken-ringes sowie Sprengung beider Iliosakralgelenke und der Schambeinfuge; folgenlos ausgeheilter Bruch des Schädelknochens am Hinterkopf sowie folgenlos ausgeheilte Herz- und Nierenprellung. Keine Unfallfolge sei dagegen eine Herzerkrankung infolge erhöhten Blutdruckes.
Den hiergegen am 3. April 2000 erhobenen Widerspruch des Klägers vom 29. März 2000, den er nicht begründete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2000 zurück.
Am 31. Mai 2000 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Magdeburg Klage erhoben. Mit Beschluss vom 29. Juni 2000 hat das SG Magdeburg den Rechtsstreit an das ört-lich zuständige SG Stendal verwiesen. Das SG hat von dem Facharzt für Urologie Dr. M. , dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. P. , von Dr. B. , dem Fach-arzt für Anästhesiologie Dr. S. , dem Facharzt für Orthopädie Dr. V. sowie von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. W. die Befundberichte vom 10., 21. und 29. November 2000, 15. Dezember 2000, 23. Januar 2001, 22. Februar 2001, 16. August 2001 und 26. März 2002 eingeholt. Dr. M. hat eine gute Erekti-on unter Medikation mit Viagra mitgeteilt. Dr. P. hat die vom Kläger angegebenen Skelettverspannungen und Erektionsbeschwerden als psychovegetative Dystonie (ge-störtes Zusammenspiel des autonomen Nervensystems) gedeutet. Dr. B. hat ne-ben den Unfallfolgen nochmals auf eine unfallunabhängige Spondylose und Osteo-chondrose der LWS verwiesen. Dr. S. bzw. Dr. V. haben eine schmerzin-duzierte Bewegungseinschränkung der LWS bei Fehlhaltung, die durch eine Schuher-höhung um 1 cm ausgeglichen werde, mitgeteilt. Dr. W. hat vom Kläger geäu-ßerte Schlafstörungen geschildert, eine reaktive Depression angegeben und von einer unter medikamentöser und psychoedukativer Therapie erreichten deutlichen Verbesse-rung der psychischen Situation berichtet.
Mit Schreiben vom 20. September 2002 hat die Beklagte den Kläger darüber informiert, dass er im Ergebnis der durchgeführten Nachbegutachtungen weiterhin eine Verletz-tenrente nach einer (Gesamt-)MdE um 30 vH erhalte. Am 24. Oktober 2002 hat sie dem SG die insoweit eingeholten Gutachten vorgelegt: In ihrem internistischen Gutach-ten vom 23. Mai 2002 hatten die Dres. W. und W. anlässlich der ambulan-ten Untersuchung am 25. April 2002 erneut eine leichte restriktive Lungenfunktionsstö-rung ohne Hinweis auf eine Obstruktion sowie unfallunabhängig eine arterielle Hyper-tonie gefunden, die seit gut zwei Jahren nicht mehr medikamentös therapiert werde und schon zu Folgeschäden am Herzen geführt habe. Zudem bestehe laborchemisch eine Hypercholesterinämie (Fettstoffwechselstörung), die in Zusammenhang mit dem Nikotinabusus des Klägers eine erhebliche Erhöhung des Herzinfarktrisikos bedeute. Im Vergleich zu ihrem Vorgutachten vom 15. Juli 1999 liege eine unveränderte Ein-schränkung der Lungenfunktion vor, bei der keine Verschlimmerung mehr zu erwarten sei. Die Notwendigkeit einer nochmaligen Begutachtung entfalle daher. Auf der Grund-lage der ambulanten Untersuchung des Klägers am 28. Juni 2002 waren der Chefarzt der Urologischen Klinik des Fr. H. Prof. Dr. von H. und der Leitende Oberarzt A. zu der Einschätzung gelangt, dass die MdE wegen der erektilen Dys-funktion mit Hyperästhesie im Genitalbereich rechts bei unveränderten Befunden wei-terhin 10 vH betrage. Eine erneute gutachtliche Untersuchung erscheine nicht erforder-lich. Eine gleichlautende Einschätzung hatten die Dres. B. und R. in ihrem urologischen Gutachten vom 3. September 2002 nach stationärem Beobachtungsauf-enthalt vom 19. bis 21. August 2002 vorgenommen. Zusammenfassend hatten schließ-lich Prof. Dr. D. und Dr. W. nach ambulanter Untersuchung am 23. August 2002 im Gutachten vom 1. September 2002 die in ihrem Vorgutachten vom 18. Sep-tember 1999 benannten Unfallfolgen nochmals bestätigt, aus den Unfallfolgen auf chi-rurgischem, internistischem sowie urologischem Gebiet (20 vH bzw. 10 vH und 10 vH) wiederum eine Gesamt-MdE um 30 gebildet und einen Endzustand der Unfallfolgen festgestellt.
Schließlich hat das SG von dem Facharzt für Orthopädie Dr. R. nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 16. Juli 2003 das Gutachten vom 20. November 2003 eingeholt. Dr. R. hat trotz eines Schonhinkens links ein flottes Gangbild mit ge-ringer Schrittverkürzung links und einem normalen Abrollen beiderseits geschildert. Der Kläger habe sich ohne Umstände an- und ausgekleidet und dabei die Wirbelsäule gut mitbewegt. Im Stand bestehe bei etwas eingeknicktem Knie links ein Beckengerad-stand; bei voll gestrecktem linken Bein in der Hüfte und im Knie liege ein Becken-schiefstand nach rechts um 1 cm vor. Im untersten Lendensegment und im rechten Kreuzdarmbeingelenk bestünden Bewegungs- und Druckschmerzen. Die Beweglich-keit der LWS und der Brustwirbelsäule (BWS) sei nur gering eingeschränkt (Strek-kung/Beugung 20-0-70°, Seitneigung 25-0-25°, Rotation 40-0-40°, Finger-Boden-Abstand 0 cm). Die Halswirbelsäule (HWS) sei in allen Ebenen frei beweglich. Im lin-ken Ellenbogengelenk bestehe bei Schmerzfreiheit lediglich ein endgradiges Streckde-fizit. Die Kniescheiben seien beiderseits vermehrt verschieblich. Die Beweglichkeit der Kniegelenke sei beiderseits frei, der Kapsel-Bandapparat fest, Ergusszeichen lägen nicht vor und die Meniskuszeichen seien negativ. Röntgenologisch zeige die Becken-übersicht im Bereich der rechten Schambeinfuge einen Höherstand von 1 cm und im Bereich des rechten Kreuz-Darmbeingelenkes einen solchen von 0,5 cm. Die Scham-beinfuge sei knöchern durchbaut. Im Bereich der BWS sei eine flachbogige Seitverbie-gung zu erkennen, die zur LWS übergehe und dort linkskonvex (Scheitelbogen nach links) bestehe. Die erkennbaren leichten Drehsymptome wiesen darauf hin, dass die Seitverbiegung schon aus der Wachstumszeit stamme. Das rechte Wirbelgelenk zwi-schen dem untersten Lendenwirbel (L5) und dem Kreuzbein (S1) sei deutlich degene-rativ verändert. Im mittleren und unteren Bereich der BWS seien leichte Zeichen frühe-rer Aufbaustörungen mit Wellenform und Eindellungen der Deckplatten vorhanden. Die Bandscheiben zwischen dem zweiten und dritten Lendenwirbel (L2/3) und dem neun-ten bis zum zwölften Brustwirbel (Th9-Th12) seien degenerativ verschmälert. Im Be-reich des linken Kniegelenkes zeige sich eine ebenfalls aus der Wachstumsperiode herrührende deutliche Fehlform der Kniescheibe und der Oberschenkelrollen, die Seh-nenansatzstörungen bedinge. Dr. R. hat folgende Unfallfolgen festgehalten: knö-chern verheilte Scham- und Kreuzbeinbrüche; knöchern durchbaute Schambeinfuge; in Fehlstellung stehende Kreuzdarmbeingelenke mit degenerativen Veränderungen und Beinverkürzung rechts von 1 cm; Verdrehung des Beckens; leichte Bewegungsein-schränkung des linken Ellenbogens mit Weichteilverkalkung; reizlose Narbe an der Schädelhinterseite, an der Brustkorbwand beiderseits und an der Bauchdecke; erektile Dysfunktion; geringgradige Einschränkung der Lungenfunktion nach Rippenserien-bruch beiderseits. Die hieraus resultierende Gesamt-MdE sei ab dem 1. April 1999 und auf Dauer mit einem Grad um 30 vH zu bemessen. Die im Bereich der BWS/LWS be-stehende Seitverbiegung sei keine unfallbedingte Fehlstatik der Wirbelsäule infolge Beinverkürzung rechts mit Beckenschiefstand, sondern stamme aus der Wachstums-zeit. Darüber hinaus könne der Beckenschiefstand durch eine entsprechende Schuh-erhöhung ausgeglichen werden. Entsprechendes gelte für das linke Kniegelenk.
Mit Gerichtsbescheid vom 3. Juni 2004 hat das SG die Klage abgewiesen und hierzu in den Gründen ausgeführt: Die durch den Arbeitsunfall verursachten Unfallfolgen beding-ten vom 1. April 1999 an keine MdE über 30 vH hinaus, was sich aus den überein-stimmenden Bewertungen sämtlicher Sachverständigen ergebe. Zudem habe Dr. R. festgestellt, dass weder eine Fehlstellung der Wirbelsäule noch eine Fehlform der lin-ken Kniescheibe und der Oberschenkelrollen zusätzliche Unfallfolgen seien. Auch eine relevante unfallbedingte Herz-Kreislauferkrankung sei nach den im Herz-Kreislauf-Zentrum Bevensen erhobenen Normalwerten auszuschließen. Schließlich werde der Beckenschiefstand durch eine entsprechende Schuherhöhung ausgeglichen. Da auch keine wesentlichen psychischen Veränderungen dokumentiert seien, bestehe insoweit kein Bedürfnis für weitere Ermittlungen.
Gegen den am 23. Juni 2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 14. Juli 2004 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und zur Begrün-dung geltend gemacht, die Gesamt-MdE für die anerkannten Unfallfolgen von 30 vH sei wegen der zusätzlich zu berücksichtigenden Gesundheitsstörungen, insbesondere der psychischen Folgen der gestörten Sexualfunktion sowie der Fehlstellung der Wirbelsäu-le, auf mindestens 40 vH zu erhöhen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 3. Juni 2004 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. März 2000 in der Gestalt des Wi-derspruchsbescheides vom 18. Mai 2000 und ihren Bescheid vom 20. September 2002 abzuändern, festzustellen, dass auch Kopfschmerzen mit psychischen Leiden, eine Fehlstellung der Wirbelsäule sowie eine Funktionseinschränkung des linken Kniegelenkes Folgen des Arbeitsunfalls vom 9. Juni 1997 sind, und ihm vom 1. April 1999 an eine Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 40 vH zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 3. Juni 2004 zurückzuweisen.
Sie hält ihre angefochtenen Bescheide und den diese bestätigenden Gerichtsbescheid des SG im Ergebnis für richtig.
Der Senat hat von Dr. W. sowie von der Fachärztin für Urologie Dr. J. Be-fundberichte eingeholt. Dr. W. hat am 14. Juli 2005 nochmals seine bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegten Befunde übersandt und als letzten Behandlungs-tag den 22. Mai 2000 angegeben. Dr. J. hat in ihrem Bericht vom 15. August 2005 eine Anfang 2005 eingetretene vorübergehende Verschlechterung der erektilen Dysfunktion angegeben, weshalb sie anstatt Viagra ein alternatives Präparat (Levitra) verordnet habe.
Außerdem hat der Senat den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. W. nach ambulanter Untersuchung am 18. Januar 2006 das Gutachten vom 25. Januar 2006 erstatten lassen. Der Kläger hat gegenüber dem Gutachter angegeben, dass sich seine Ehefrau 1996, als man bereits in Scheidung gelebt habe, das Leben ge-nommen habe. Aus der Ehe entstamme eine 13jährige Tochter, für die er allein erzie-hender Vater sei. Er leide unter Antriebslosigkeit, Durchschlafstörungen und sei mit seinem Leben unzufrieden. Die Umschulung habe er erfolgreich abgeschlossen; er arbeite in Vollzeit in einer stationären Jugendhilfeeinrichtung für verhaltensauffällige Jugendliche. Diese Arbeit bereite ihm im Großen und Ganzen Spaß. Durch seine Ar-beit und die Versorgung der Tochter verbleibe nur wenig Zeit, in der er etwas Sport treibe und soziale Kontakte pflege. Schmerzmittel nehme er nur noch bei Bedarf ein; wegen des Bluthochdruckleidens erhalte er ein Medikament. Die sexuelle Aktivität sei normal möglich, die Notwendigkeit der Medikation vermindere aber die Spontaneität. Im Ergebnis hat Prof. Dr. W. eingeschätzt, bei dem Kläger liege nach der ICD-10 (Zehnte Revision der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der WHO aus dem Jahre 1989, vom Deutschen In-stitut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) ins Deutsche übertra-gen, herausgegeben und weiterentwickelt) eine lang dauernde Reaktion auf Belastung (ICD-10: F 43.21) sowie ein Versagen genitaler Reaktion (ICD-10: F 52.2) vor, wenn-gleich nach der psychischen Befunderhebung und den testpsychologischen Untersu-chungsergebnissen Teilhabebeeinträchtigungen lediglich im Freizeitbereich und bei sozialen Aktivitäten bestünden. Dabei sei auch zu beachten, dass durch die volle Be-rufstätigkeit bei gleichzeitiger Verantwortung als allein erziehender Vater ohnehin kei-ne wesentliche Zeit und Energie für derartige Aktivitäten verbleibe. Die depressive Belastungsreaktion bedinge mangels fassbarer Auswirkungen auf Teilhabeaktivitäten keine messbare MdE. Gewisse Hinweise sprächen aber dafür, dass während der Zeit der Umschulung eine stärkere Ausprägung bestanden habe, so dass insoweit eine MdE um 20 vH veranschlagt werden könne. Die sexuelle Funktionsstörung sei auf urologischem Gebiet mit einer MdE um 10 vH hinreichend berücksichtigt.
Die Beklagte hat zu dem Gutachten eingewandt, auch für die Zeit der Umschulung sei die Diagnose einer depressiven Reaktion nicht voll bewiesen. Hierfür reichten die von Prof. Dr. W ... gesehenen gewissen Hinweise nicht aus, zumal Dr. W. in seinem Befundbericht vom 16. August 2001 für die Zeit ab dem 23. November 2000 eine stabi-lisierte Situation beschrieben und der Kläger seine Umschulung auch erfolgreich abge-schlossen habe. Eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähig-keit sei daher nicht zu begründen. Selbst wenn jedoch rückwirkend eine – derzeit nicht mehr vorliegende – depressive Reaktion gesichert werden könne, sei diese jedenfalls nicht rechtlich wesentlich auf das Unfallereignis vom 9. September 1997 zurückzufüh-ren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteilig-ten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündli-chen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
I. Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, form- und fristgerecht erhobene (§ 151 Abs. 1 SGG) sowie auch ansonsten zulässige Beru-fung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat sein Begehren, welches er gemäß den §§ 54 Abs. 1 und 4, 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG zulässigerweise als kombinierte Anfech-tungs-, Feststellungs- und Leistungsklage verfolgen kann (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 7. September 2004 – B 2 U 46/03 R – SozR 4-2700 § 2 Nr. 3), zu Recht abgewiesen. Denn er hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Feststellung der von ihm geltend gemachten Gesundheitsstörungen als zusätzliche Folgen des Ar-beitsunfalls vom 9. Juni 1997. Die Verletztenrente ist deswegen vom 1. April 1999 an auch nicht nach einer MdE um mindestens 40 vH zu bemessen. Der Bescheid der Be-klagten vom 16. März 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 2000 sowie ihr Bescheid vom 20. September 2002, der wegen seiner Regelung, auch von April 2002 an sei keine Verschlechterung des Gesundheitszustands eingetreten, rechtlich als Zweitbescheid zu qualifizieren (vgl. die Abgrenzung zur wiederholenden Verfügung, von Wulffen/Engelmann, SGB X, 6. Aufl. 2008, § 31 Rn. 32) und der nach § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Verfahrens geworden ist, sind daher nicht zu beanstanden und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG). Die MdE richtet sich nach § 56 Abs. 2 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Ge-setzliche Unfallversicherung (SGB VII) nach dem Umfang der sich aus der Beeinträch-tigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Dabei wird die MdE durch eine abstrakte Bemessung des Unfallschadens gebildet und beruht auf freier richterlicher Beweiswürdigung unter Berücksichtigung der im Recht der gesetzli-chen Unfallversicherung etablierten allgemeinen Erfahrungssätze aus der Rechtspre-chung und dem einschlägigen Schrifttum (vgl. BSG, Urteil vom 18. März 2003 – B 2 U 31/02 R – Breith 2003, 565 ff.; Urteil vom 22. Juni 2004 – B 2 U 14/03 R – SozR 4-2700 § 56 Nr. 1). Voraussetzung der hier geltend gemachten Ansprüche ist demnach zum Einen, dass zwischen dem Unfallereignis und einer nachgewiesenen Gesund-heitsstörung entweder direkt oder vermittelt durch den Gesundheitserstschaden ein Ursachenzusammenhang im Sinne einer haftungsausfüllenden Kausalität nach § 8 Abs. 1 SGB VII besteht, und dass zum Anderen durch arbeitsunfallbedingte Gesund-heitsstörungen die MdE eine Höhe um mindestens 40 vH erreicht (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 11/04 R – BSGE 94, 262 ff.; Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Ausgehend hiervon kann der Kläger von der Beklagten vom 1. April 1999 an keine Ver-letztenrente nach einer MdE um mindestens 40 vH beanspruchen. Dass die anerkann-ten Arbeitsunfallfolgen, die Dr. R. nochmals zusammengefasst hat, ab diesem Zeitpunkt eine Gesamt-MdE um 30 vH bedingen, haben alle im Verfahren gehörten Sachverständigen übereinstimmend festgestellt. An dieser einhelligen Einschätzung zu zweifeln, besteht für den Senat weder eine vernünftige Veranlassung noch wird diese Bewertung vom Kläger überhaupt bestritten. Er vertritt vielmehr die Meinung, die Ge-samt-MdE sei wegen der zusätzlich als Unfallfolgen zu berücksichtigenden Gesund-heitsstörungen auf mindestens 40 vH zu erhöhen. Diese Ansicht trifft jedoch deshalb nicht zu, weil es bereits an den Anerkennungsvoraussetzungen als zusätzliche Unfall-folgen fehlt. Sind die strittigen Gesundheitsstörungen aber nicht als Arbeitsunfallfolgen festzustellen, können sie bei der Bemessung der MdE keine Berücksichtigung finden. Die anerkannten Unfallfolgen haben die geltend gemachten Gesundheitsstörungen auch nicht ihrerseits MdE-relevant beeinflusst. Dies gilt sowohl im Hinblick auf Kopf-schmerzen mit psychischen Leiden (nachfolgend unter 1.), bezüglich der Fehlstellung der Wirbelsäule (hierzu unter 2.) als schließlich auch hinsichtlich einer Funktionsein-schränkung des linken Kniegelenkes (unter 3.). Die genannten Gesundheitsstörungen sind zum Teil bereits nicht im Sinne des insoweit erforderlichen Vollbeweises (also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) zur Überzeugung des Senats gesichert. Im Übrigen sind sie nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich auf den an-geschuldigten Arbeitsunfall vom 9. Juni 1997 zurückzuführen. Der Senat stützt sich bei dieser Bewertung auf das Gesamtergebnis der Beweisaufnahme, bei der er insbeson-dere den Ereignishergang, die klinischen, bildgebenden und intraoperativen (Erst-) Befunde sowie die konkurrierenden Ursachen berücksichtigt hat.
1. Bezüglich der geltend gemachten Kopfschmerzen bzw. psychischen Leiden scheidet eine Feststellung als Unfallfolgen bereits deshalb aus, weil entsprechende Gesund-heitsstörungen schon nicht vollbeweislich belegt sind. Die Frage einer MdE-relevanten Einflussnahme der anerkannten Unfallfolgen stellt sich insoweit schon nicht mehr.
a) Was Kopfschmerzen anbelangt, hat der Kläger die Anerkennung derselben zwar mit seinem Klage- und Berufungsantrag begehrt, ansonsten sind derartige Beschwerden aber nirgendwo dokumentiert. Insbesondere hat weder ein einziger im Verfahren ge-hörter Mediziner Kopfschmerzen ärztlich vermerkt noch der Kläger solche überhaupt behauptet. Auf einer derartigen Grundlage kommt eine Feststellung als Unfallfolge von vornherein nicht in Frage. Denn der Beweisgrad des Vollbeweises ist erst erfüllt, wenn kein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch zweifelt, wenn also das Gefühl des Zweifels beseitigt ist (siehe BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 – B 2 U 5/05 R – SozR 4-5671 § 6 Nr. 2).
b) Nichts anderes gilt im Ergebnis hinsichtlich der Anerkennung von psychischen Lei-den als Folgen des Arbeitsunfalls, wobei entsprechend den Einordnungen von Dr. W. und Prof. Dr. W. vorliegend allein eine reaktive Depression bzw. depressive Belas-tungsreaktion in Betracht kommt. Demgegenüber geht das von Prof. Dr. W. diag-nostizierte Versagen genitaler Reaktion entsprechend seiner ausdrücklichen Bewer-tung vollständig in der bereits als Unfallfolge anerkannten erektilen Dysfunktion auf und kann daher nicht nochmals als eigenständige psychische Folge der gestörten Sexual-funktion berücksichtigt werden.
Ebenso wie bei sonstigen Gesundheitsstörungen ist auch für die Anerkennung psychi-scher Erkrankungen als Unfallfolgen Voraussetzung, dass die Erkrankungen, die bei dem Verletzten vorliegen und seine Erwerbsfähigkeit mindern, konkret festgestellt wer-den. Eine solche Feststellung ist nicht nur allgemein vorzunehmen, sondern hat auf-grund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen zu erfolgen, um nachvollziehbar zu sein (z.B. ICD-10 oder DSM-IV = Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen der Amerikanischen psychiatrischen Vereinigung aus dem Jahre 1994, deutsche Bearbei-tung herausgegeben von Saß/Wittchen/Zaudig, 3. Aufl. 2001). Denn je genauer und klarer die bei dem Versicherten bestehenden Gesundheitsstörungen bestimmt sind, umso einfacher sind ihre Ursachen zu erkennen und zu beurteilen sowie letztlich die MdE zu bewerten (siehe BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, a.a.O.). Gemessen hieran hat Prof. Dr. W. zwar eine andauernde depressive Reaktion auf Belastung angenom-men. Entgegen dieser Wertung liegen die hierfür einschlägigen Diagnosekriterien der ICD-10 bei dem Kläger aber weder aktuell vor noch sind sie für die Zeit der Umschu-lung (Oktober 1999 bis Oktober 2001) zu sichern, worauf die Beklagte zutreffend hin-gewiesen hat. Hervorstechendes Merkmal einer solchen Diagnose ist nach den Krite-rien der ICD-10-GM 2008 (German Modification Version 2008) F 43.2 nämlich eine Störung des Sozialverhaltens. Erforderlich ist eine Behinderung sozialer Funktionen und Leistungen, bei der das soziale Netz des Betroffenen derart beschädigt ist, dass er mit den alltäglichen Gegebenheiten nicht zurechtkommen, diese nicht vorausplanen oder fortsetzen kann. Dass es vorliegend hieran fehlt, hat Prof. Dr. W. ausdrücklich bestätigt, indem er betont, bei dem Kläger seien keine fassbaren Auswirkungen auf Teilhabeaktivitäten vorhanden. Damit mangelt es an der nach der ICD-10 erforderli-chen Intensität der Schädigung des sozialen Erlebnis- und Gestaltungsvermögens, was der Kläger auch selbst zum Ausdruck gebracht hat. Zwar hat er gegenüber Prof. Dr. W. Antriebslosigkeit und Unzufriedenheit mit seinem Leben angegeben. Er hat jedoch im Gegensatz dazu auch bekundet, seine Arbeit als Arbeitserzieher für Ju-gendliche bereite ihm im Wesentlichen Spaß. In der noch verbleibenden Freizeit treibe er etwas Sport und pflege soziale Kontakte. Warum trotzdem eine reaktive Depression vorliegen soll, hat Prof. Dr. W. nicht begründet. Im Hinblick auf die Zeit bis zum Abschluss der Umschulung spricht gegen eine diagnostische Einordnung unter F 43.2 nach der ICD-10-GM 2008, dass der Kläger die zweifelnde Prognose des Arbeitsamtes Stendal nicht nur von vornherein nicht geteilt, sondern diese durch den erfolgreichen Abschluss der Ausbildung auch vollends widerlegt hat. Soweit Prof. Dr. W. aus den Angaben von Dr. W. gewisse Hinweise für seine Beurteilung entnehmen will, reichen diese für den erforderlichen Vollbeweis der Gesundheitsstörung jedenfalls nicht aus. Denn Dr. W. hat in seinem Befundbericht vom 16. August 2001 für die Zeit seines Behandlungsbeginns ab dem 23. November 2000 eine stabile Situation mit deutlicher psychischer Verbesserung angegeben, worauf die Beklagte mit Recht hin-gewiesen hat. Eine lang dauernde depressive Reaktion auf Belastung ist damit weder gegenwärtig noch für die Vergangenheit zur vollen Überzeugung des Senats bewiesen.
2. Die vom Kläger geltend gemachte Fehlstellung der Wirbelsäule ist deshalb keine berücksichtigungsfähige Folge des angeschuldigten Unfalls, weil es am rechtlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall vom 9. Juni 1997 und ihr fehlt (unter a). Auch eine MdE-relevante Einflussnahme der anerkannten Beckenverschie-bung auf sie im Sinne einer richtunggebenden Verschlimmerung ist nicht zu begründen (unter b; vgl. hierzu BSG, Urteil vom 5. September 2006 – B 2 U 25/05 R – SozR 4-2700 § 56 Nr. 2).
a) Für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs zwischen dem Arbeitsunfall und der geltend gemachten Gesundheitsstörung gilt der Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Sie liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausschei-den, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann. Dabei setzt die im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltende "Theorie der wesentlichen Bedingung" in Eingrenzung der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungsthe-orie, nach der jede nicht hinwegzudenkende Bedingung (conditio-sine-qua-non) kausal ist, voraus, dass das versicherte Geschehen nicht nur irgendeine Bedingung in der Kette der Faktoren für die Entstehung des Gesundheitsschadens, sondern die wesent-liche Ursache war (vgl. KassKomm-Ricke, Stand April 2008, § 8 SGB VII Rn. 4 und 15 m.w.N.). Rechtlich erheblich ist deshalb nur diejenige Ursache, die bei wertender Be-trachtung zumindest als gleichwertige Mitursache einen wesentlichen Einfluss auf den Eintritt des Gesundheitsschadens gehabt hat. Von einer Wesentlichkeit im Rechtssinne kann allerdings dann nicht ausgegangen werden, wenn ein anderer (unversicherter) Umstand einen überwiegenden kausalen Einfluss auf den Eintritt des Schadens hatte. Das bedeutet, dass ein Gesundheitsschaden einem Versicherungsfall (hier einem Ar-beitsunfall) selbst dann nicht rechtlich zugerechnet werden kann, wenn das versicherte Geschehen zwar geeignet war, den Schadenseintritt zu verursachen, und ihn als letzte Bedingung in der Kausalkette gelegentlich der versicherten Tätigkeit bewirkt hat (Adä-quanztheorie), es jedoch keine wesentliche Bedeutung hatte (Auslöser bzw. Gelegen-heitsursache). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffas-sung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Erfolges (Gesundheitsschaden) wertend abgeleitet werden. Gesichtspunkte hierfür sind Art und Ausmaß der versicherten Einwirkung sowie der konkurrierenden Ursachen, der zeitliche Ablauf des Geschehens, das Verhalten des Versicherten nach dem Unfall, die Krankheitsgeschichte unter Berücksichtigung der aktuellen medizini-schen Erkenntnisse sowie ergänzend auch der Schutzzweck der Norm (siehe BSG, Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 27/04 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 15; Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – a.a.O.).
Anknüpfend hieran lässt sich unter Berücksichtigung der ermittelten medizinischen Anknüpfungstatsachen bei der gebotenen wertenden Betrachtung das angeschuldigte Unfallgeschehen vom 9. Juni 1997 nicht als rechtlich wesentliche Bedingung für die beim Kläger bestehende Fehlstellung der Wirbelsäule wahrscheinlich machen. Denn es spricht mehr gegen als für eine solche Kausalität. Dies gilt sowohl im Hinblick auf einen unmittelbaren als auch einen mittelbaren Unfallzusammenhang.
(1) Um einen Wirbelsäulenschaden direkt ursächlich auf ein Trauma zurückführen zu können, muss als Grundvoraussetzung eine ausreichende Nähe zwischen dem Einwir-kungs- und dem Schadensort bestehen. Dabei ist für die Kausalitätsbeurteilung das Segmentprinzip maßgeblich, wonach entscheidend darauf abzustellen ist, ob das an-geschuldigte Trauma im Bereich der geltend gemachten Segmente zu einer Defektbil-dung geführt hat (siehe Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufs-krankheit, 7. Aufl. 2003, Abschn. 8.3.3.9, S. 550). Hieran fehlt es vorliegend. Denn ein einschlägiger Gesundheitserstschaden im Bereich der BWS/LWS als Anknüpfungstat-sache für eine unmittelbare unfallbedingte Erklärung der dort bestehenden Fehlstellung ist nirgends dokumentiert. Dass eine Mitbeteiligung der BWS/LWS im Rahmen der ansonsten detailliert aufgeführten Verletzungen übersehen worden ist, liegt fern. Dies gilt umso mehr, als Dr. R. am 16. Juli 2003 bei seinen röntgenologischen Untersu-chungen einschlägige Residuen, die auf eine unfallbedingte Mitbeteiligung dieses Be-reichs rückschließen lassen, nicht gefunden hat. Überdies spricht das beim Kläger be-stehende Schadensbild gegen eine direkte unfallbedingte Hervorrufung der Wirbelsäu-lenfehlstellung. Dr. R. hat nämlich eine großbogige Seitverbiegung der BWS mit linkskonvexer Gegenkrümmung der LWS als typisches Kennzeichen einer anlagebe-dingten Entwicklung gesichert, wohingegen für eine traumatische Seitverbiegung typi-scherweise ein knickförmiger (kurzbogiger) Verlauf charakteristisch ist (Schönber-ger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Abschn. 8.3.3.3, S. 543).
(2) Auch eine mittelbare Verursachung der Wirbelsäulenverkrümmung infolge der un-strittig arbeitsunfallbedingten Beckenverschiebung ist nicht hinreichend wahrscheinlich. Zwar besteht bei einem Beckenschiefstand generell die Möglichkeit, eine entsprechen-de Fehlstellung der Wirbelsäule hervorzurufen. Erforderlich ist hierfür aber eine über einen langen Zeitraum hinweg bestehende Wirbelsäulenfehlhaltung (Schönber-ger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Abschn. 8.3.3.3, S. 542). Dafür sind hier keine ausrei-chenden Anhaltspunkte ersichtlich. Denn bereits Dr. Behrens hatte in seinen Berichten vom 30. Oktober 1997 und 17. November 1997 darauf hingewiesen, dass der Becken-schiefstand durch eine entsprechende Schuherhöhung rechts um 1 cm ausgeglichen werde. Diese Einschätzung hat Dr. R. in seinem Gutachten vom 20. November 2003 ausdrücklich bestätigt. Eine unausgeglichene unfallbedingte Fehlhaltung, zumal über einen langjährigen Zeitraum, ist danach nicht greifbar. Abgesehen davon ist daneben eine einleuchtende konkurrierende Alternativursache als unfallunabhängige Erklärung der Wirbelsäulenverkrümmung gesichert. So hatte Dr. B. schon in seinem Nachschaubericht vom 11. Februar 2000 sowie im Befundbericht vom 29. No-vember 2000 auf eine anlagebedingte Spondylose und Osteochondrose im Bereich der LWS hingewiesen. Bildgebend hat Dr. R. osteochondrotische Bandscheibenver-änderungen dann nicht nur im Bereich der LWS bestätigt, sondern solche auch von Th9 bis Th12 gefunden. Überdies hat er im Bereich der geltend gemachten Schädi-gungsregion mit Drehsymptomen der Wirbelkörper, einem deutlich degenerativ verän-derten rechten Wirbelgelenk bei L5/S1 sowie Wellenformen und Eindellungen der Deckplatten im mittleren und unteren Bereich der BWS weitere Zeichen früherer Auf-baustörungen nachgewiesen, durch die seine Wertung der Verbiegung als wachs-tumsbedingt zusätzliche Unterstützung erfährt.
b) Gegen eine MdE-relevante Auswirkung der Beckenverschiebung im Sinne einer richtunggebenden Verschlimmerung spricht, dass die unfallunabhängige Fehlstatik im Bereich der BWS/LWS keine wesentlichen funktionellen Einschränkungen zur Folge hat. Vielmehr ist auf Grundlage der Berichte der Dres. P. und Sp. vom 17. De-zember 1997 sowie der von Dr. R. erhobenen Befunde jeweils eine nur endgradig eingeschränkte BWS/LWS-Funktion gesichert, aus der keine messbare MdE resultiert. 3. Soweit der Kläger schließlich die Feststellung einer Funktionseinschränkung des linken Kniegelenkes begehrt, kann auch eine solche nicht als Arbeitsunfallfolge Aner-kennung finden. Denn eine Funktionseinschränkung ist schon nicht – geschweige denn voll – belegt, womit insoweit eine MdE-erhöhende Beeinflussung durch die anerkann-ten Unfallfolgen von vornherein ausscheidet. Im Gegenteil hatte bereits Dr. B. in seinen Verlaufsberichten vom 30. Oktober 1997 und 17. November 1997 jeweils eine uneingeschränkte Beweglichkeit beider Kniegelenke von 0-0-140° festgehalten. Intrao-perativ waren von PD Dr. B. am 12. Januar 1999 Traumazeichen im Bereich des linken Kniegelenkes dann ausdrücklich ausgeschlossen worden. Diese Befunde hat Dr. R. bei seiner Untersuchung am 16. Juli 2003 bestätigt, indem auch er eine freie Beweglichkeit der Kniegelenke beiderseits und einen festen Kapsel-Bandapparat ge-funden sowie Erguss- und Meniskuszeichen verneint hat. Die von Dr. R. röntgeno-logisch beschriebene deutliche Fehlform der Kniescheibe und der Oberschenkelrollen links lässt sich ebenso nicht als wesentlich unfallbedingt wahrscheinlich machen. Denn auch insoweit fehlt ein gesicherter Erstschaden als notwendiges Verbindungsglied. Überdies rühren diese Fehlformen nach den gutachtlichen Darlegungen von Dr. R. aus der Wachstumsperiode her, so dass wiederum eine unfallunabhängige Alternativ-erklärung nahe liegt.
Da nach alledem die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen nicht als zusätzliche Unfallfolgen festgestellt werden und deshalb bei der MdE-Bemessung keine Berücksichtigung finden können sowie die anerkannten Arbeitsunfallfolgen keine MdE über 30 vH bedingen und unfallunabhängige Vorschäden auch nicht MdE-relevant be-einflussen, besteht vom 1. April 1999 an kein Anspruch auf Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 40 vH. Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
III. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist im Berufungsverfahren noch, ob bei dem Kläger Kopfschmerzen mit psychi-schen Leiden, eine Fehlstellung der Wirbelsäule sowie eine Funktionseinschränkung des linken Kniegelenkes als (zusätzliche) Arbeitsunfallfolgen anzuerkennen sind und ihm deswegen vom 1. April 1999 an eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 40 vom Hundert (vH) anstatt um 30 vH zu ge-währen ist.
Der 1968 geborene Kläger verunfallte am 9. Juni 1997 gegen 06.40 Uhr auf dem Weg zur Arbeit bei Amberg (Bayern), als er als nicht angegurteter Fahrer eines Pkw´s einen entgegen kommenden Pkw übersah und mit diesem frontal zusammen-stieß, wobei der Pkw des Klägers auf die rechte Fahrspur zurückgeschleudert wurde. Im selben Moment näherte sich auf dieser Fahrspur ein weiterer Pkw und kollidierte frontal mit der linken Fahrzeugseite des klägerischen Pkw´s. Dabei zog sich der Kläger nach den Diagnosen des Chefarztes der Chirurgischen Klinik des Kl. St. M. A. Dr. F. eine Sprengung der Iliosacralfugen (Kreuz-Darmbein-fugen) beiderseits, eine Kreuzbeinfraktur rechts, eine Sitz- und Schambeinfraktur links, eine Sprengung des Symphysens (Beckenrings), ein stumpfes Bauchtrauma, eine Rippenserienfraktur beiderseits mit Kontusion (Prellung) der Lunge, Pneumothorax (Luftansammlung im Rippenfellspalt) links und Mantelpneumothorax (eingefallener Lungenflügel) rechts, ein Haut- und Mediastinalemphysem (Luftansammlung im Mittelfellraum) beiderseits, eine okzipitale (das Hinterhaupt betreffende) Schädelbasisfraktur rechts sowie eine Häma-turie (Blut im Urin) zu (Durchgangsarztbericht vom 10. Juni 1997).
Unmittelbar nach der Primärversorgung im Kl. St. M. A. befand sich der Kläger in der Zeit vom 30. Juli bis zum 10. September 1997 stationär zur Anschluss-heilbehandlung in der Median Kl. K. In ihrem Abschlussbericht vom 12. September 1997 hielten der Chefarzt der Klinik Dr. F. und die Stationsärztin Dipl.-Med. K. neben den von Dr. F. gestellten Diagnosen eine Contusio cordis (Herzprellung) sowie eine Nierenkontusion links fest und führten aus, die Nach-befundung der im Klinikum St. M. am 11. Juli 1997 gefertigten Röntgenaufnahme des linken Ellenbogengelenkes habe keinen Nachweis sicherer posttraumatischer Re-siduen (Rückstände) ergeben. In seinen Verlaufsberichten vom 30. Oktober 1997 und 17. November 1997 teilte der Facharzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Durchgangsarzt Dr. B. der Beklagten mit, infolge der Beckenfraktur sei es zu einer rechtsseitigen Verschiebung mit einer Beinverkürzung von gut 1 cm gekommen, die durch eine entsprechende Schuherhö-hung ausgeglichen werde. Die Thoraxaufnahmen vom 27. Oktober 1997 zeigten fest ausgeheilte Frakturen ohne Schwielen- oder Schwartenbildungen; auf den Schädel-aufnahmen desselben Tages seien die stattgehabten Verletzungen nicht mehr nachzu-vollziehen. Die Beweglichkeit der Kniegelenke betrage nach der Neutral-Null-Methode beiderseits 0-0-140°. Arbeitsunfähigkeit liege zunächst bis zum 27. November 1997 vor; eine MdE in rentenberechtigender Höhe werde verbleiben.
Am 3. Dezember 1997 stellte sich der Kläger ambulant im Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus H. vor. Die Chirurgen Dres. P. und Sp. teilten in ihrem Bericht vom 17. Dezember 1997 einen Beckengeradstand, reizlose Operationsnarben im Bereich der Beckenkämme, eine uneingeschränkte Kniegelenksbeweglichkeit, druckschmerzfreie Iliosakralgelenke, eine endgradige Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenkes bei der Außen- und Innenrotation sowie einen Finger-Boden-Abstand von 0 cm mit. Radiologisch zeige sich eine knöchern fest verheilte Becken-ringfraktur, eine normale Weite der Hüftgelenkspalten und kein Anhalt für eine Arthro-senbildung. Im Vordergrund der verbliebenen Unfallfolgen stehe noch eine erhebliche Störung des Gangbildes. Insoweit werde empfohlen, die vom Kläger als Utensil mitge-führte Unterarmgehstütze mit sofortiger Wirkung ersatzlos wegzulassen.
Vom 29. Januar an bis zum 2. April 1998 befand sich der Kläger stationär in der Son-derstation für Schwerunfallverletzte des Akademischen L. F. H ... Auf Grundlage der ambulanten Untersuchung am 16. Februar 1998 erstellte der Chefarzt der Medizinischen Klinik des Kreiskrankenhauses Sp. Dr. Sch. das internisti-sche Zusatzgutachten vom 7. April 1998. Er diagnostizierte eine gering- bis mittelgra-dige Lungenrestriktion (Einschränkung der Beweglichkeit) sowie eine mittelgradige Einschränkung der Lungendiffusionskapazität infolge Thoraxtraumas mit Frakturen der 1. und 2. Rippe rechts sowie der 2. und 3. Rippe links und beidseitigem Pneumothorax bei beidseitiger Lungenkontusion, eine unfallunabhängige dilatative Kardiomyopathie (krankhafte Erweiterung des Herzmuskels) mit ausgeprägter linksventrikulärer Pump-funktionsstörung sowie einen Zustand nach stumpfem Bauchtrauma mit Nierenkontu-sion linksseitig ohne sonographisch erkennbares Residuum und ohne Einschränkung der globalen Nierenfunktion. Belege für eine durchgemachte Contusio cordis seien weder aktuell zu finden noch in den Krankenakten überhaupt verzeichnet. Im Ergebnis schätzte Dr. Sch. ein, dass innerhalb eines Jahres eine vollständige Konsolidierung der Folgen des Thoraxtraumas im Hinblick auf die eingeschränkte Lungenfunktion ein-treten werde. Dann sei eine gutachtliche Nachuntersuchung durchzuführen, um den Anteil der unfallunabhängigen Herzerkrankung auf die Lungenfunktion zu beurteilen. Die MdE betrage für ein Jahr 40 vH. Im fachurologischen Zusatzgutachten vom 8. April 1998 stellten der Chefarzt der Urologischen Kl. des F. Dr. K. zusam-men mit dem Leitenden Oberarzt A. nach der ambulanten Untersuchung am 26. Februar 1998 die Diagnose einer erektilen Dysfunktion (Erektionsstörung) mit Hype-raesthesie (Überempfindlichkeit für Berührungen) im Genitalbereich rechts und bewer-teten die unfallbedingte MdE insoweit mit 10 vH. Der Chefarzt der Sonderstation H. Prof. Dr. D. gelangte gemeinsam mit dem Leitenden Oberarzt Dr. W. im fach-chirurgischen Gutachten vom 5. Mai 1998 zu folgenden Unfallfolgen: Hautnarbenbil-dung an der Schädelrückseite, Operationsnarbenbildung an der Thoraxwand links und rechts, Hautnarbenbildungen auf der Bauchdecke, Arthrose in den Iliosakralgelenken beiderseits, Arthrose in der Schoßfuge, Verwringung des Beckens mit hieraus resultie-render Störung der Statik und Belastbarkeit erheblichen Ausmaßes sowie endgradige Funktionseinschränkung des linken Ellenbogengelenkes. Die MdE betrage insoweit 20 vH. Unter Berücksichtigung der internistischen und urologischen Bewertungen sei die Gesamt-MdE mit 50 vH einzuschätzen und auf allen drei Fachgebieten in einem Jahr eine Nachbegutachtung zu empfehlen.
In seinem Nachschaubericht vom 8. Dezember 1998 äußerte der Facharzt für Chirur-gie Privatdozent (PD) Dr. B. den Verdacht auf das Vorliegen eines Außenmenis-kusschadens im linken Kniegelenk. Unter dem 18. Januar 1999 übersandte der Fach-arzt für Innere Medizin Dr. W. der Beklagten seinen Befund vom 23. Juni 1998, aus dem eine milde arterielle Hypertonie (Bluthochdruck) sowie der Verdacht auf das Bestehen einer dilatativen Kardiomyopathie hervorgingen, und fügte den Echokardio-graphiebefund des Facharztes für Innere Medizin und Kardiologie Dr. A. vom 8. Januar 1999 bei. Hierin empfahl Dr. A. die weitere Abklärung einer möglichen koronaren (die Kranzgefäße betreffende) Herzkrankheit. Mit Schreiben vom 24. Febru-ar 1999 berichtete PD Dr. B. , dass im Rahmen der am 12. Januar 1999 durchge-führten Arthroskopie des linken Kniegelenkes keine Unfallfolgen objektivierbar gewe-sen seien und fügte den entsprechenden Operationsbericht bei.
Nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit des Klägers zum 1. April 1999 teilte das Ar-beitsamt Stendal der Beklagten mit Schreiben vom 17. Juni 1999 mit, dass auf dem regionalen Arbeitsmarkt gute Eingliederungsaussichten für Arbeitserzieher vorhanden seien, wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Kläger jedoch Bedenken hinsichtlich einer entsprechenden Umschulung bestünden. Diese Bedenken teile der Kläger jedoch nicht. Mit Bescheid vom 12. Juli 1999 gewährte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 4. Oktober 1999 an bis zum 3. Oktober 2001 die begehrte Umschulung zum Arbeitserzieher. Daneben veranlasste sie zur (abschließenden) Feststellung und Bewertung der Unfallfolgen weitere Begutachtungen: Der Leitende Arzt des Bereichs Neuro-Urologie des Unfallkrankenhauses H. Dr. B. bestätigte in dem zu-sammen mit dem Urologen Dr. R. nach den stationären Untersuchungen vom 28. bis zum 30. Juni 1999 erstatteten urologischen Gutachten vom 6. Juli 1999 eine erektile Dysfunktion als mittelbare Folge der Beckenfraktur und schätzte die MdE un-verändert auf 10 vH ein. Zur Behandlung der unfallbedingten Erektionsstörung sei die Gabe von Sildenafil (Viagra 50 mg), welches der Kläger erfolgreich getestet habe, geeignet. Im internistischen Gutachten vom 15. Juli 1999 mit ergänzender Stellung-nahme vom 4. November 1999 hielten der Chefarzt der Medizinischen Klinik des Aka-demischen Lehrkrankenhauses F. Dr. W. und der Assistenzarzt Dr. W. auf Grundlage der ambulanten Untersuchung am 31. Mai 1999 im Rahmen der Bo-dyplethysmographie bzw. der Spirometrie (apparative Methoden zur Bestimmung der großen bzw. kleinen Lungenfunktion) eine leichtgradige Restriktion fest und schlossen eine manifeste Obstruktion (Atemwegsverengung) sowie eine Überblähung der Lunge aus. Die MdE sei wegen einer wesentlichen Besserung im Verhältnis zu den von Dr. Sch. im Gutachten vom 7. April 1998 dokumentierten Befunden mit 10 vH zu bewerten. Nachdem die während des stationären Aufenthaltes vom 27. bis zum 29. September 1999 in der Herz-Kreislauf-Klinik B. durchgeführten Herzkatheter- und Koronarangiographieuntersuchungen eine normale Hämodynamik (Blutströmung) in Ruhe und unter Belastung, ein regelrechtes Sättigungsverhalten und unauffällige Druckwerte im kleinen Kreislauf ergeben hätten, liege kein Hinweis für eine unfallbe-dingte oder aber schwerwiegende unfallunabhängige Herzerkrankung vor. Es bestehe lediglich eine unfallunabhängige hypertensive (bluthochdruckbedingte) Herzerkran-kung, die unter Medikation mit einem Betablocker (regulierendes Blutdruckpräparat) befriedigend eingestellt sei. Auf chirurgischem Gebiet bestätigten Prof. Dr. D. und Dr. W. nach ambulanter Untersuchung am 31. Mai 1999 in ihrem Gutachten vom 18. September 1999 nochmals die in ihrem Vorgutachten bezeichneten Unfallfolgen, bewerteten die MdE insoweit ab dem 1. April 1999 wiederum mit 20 vH und schätzten die Gesamt-MdE mit Schreiben vom 21. Januar 2000 unter Berücksichtigung der uro-logischen und internistischen Unfallfolgen um 30 vH ein.
In seinem Nachschaubericht vom 11. Februar 2000 teilte der Facharzt für Chirurgie und Durchgangsarzt Dr. B. der Beklagten mit, der Kläger habe Schmerzen im Rü-cken mit Ausstrahlung in die Beine geschildert, weswegen auch kurze Wegstrecken nur mit Mühe bewältigt werden könnten. Verantwortlich hierfür sei eine pathologische Beschwerdeverarbeitung mit Neigung zu einem Analgetikaabusus (Medikamenten-missbrauch). Zu empfehlen sei diesbezüglich die Vorstellung bei einem Schmerzthera-peuten, wobei eine solche Therapie kassenärztlich abzurechnen sei. Dies gelte umso mehr, als bei dem Kläger unfallunabhängig auch eine Spondylose (degenerative Ver-änderung der Wirbelkörper mit zackenförmigen Randkantenanbauten) sowie eine Osteochondrose (Verdichtung der Grund- und Deckplatten der Wirbelkörper infolge degenerativ veränderter Bandscheibenräume) im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) bestehe.
Mit Bescheid vom 16. März 2000 erkannte die Beklagte den Unfall vom 9. Juni 1997 als Arbeitsunfall an und gewährte dem Kläger wegen der Unfallfolgen vom 1. April 1999 an auf unbestimmte Zeit eine Verletztenrente nach einer MdE um 30 vH. Dabei stellte sie folgende Unfallfolgen fest: endgradige Einschränkung der Beweglichkeit im linken Ellenbogengelenk nach Zerrung; geringgradige Einschränkung der Lungenfunk-tion; Herabsetzung der Belastbarkeit des Beckens bei Fehlstellung infolge Verschie-bung der rechten Beckenhälfte nach oben; formverbildende Veränderungen im Bereich der Kreuz-Darmbeingelenke beiderseits und in der Schoßfuge des Beckens; Erek-tionsstörung infolge einer Nervenschädigung im Genitalbereich; knöchern fest verheilte Brüche der 1. und 2. Rippe rechts, der 2. und 3. Rippe links und des Kreuzbeins; ope-rativ versorgter und knöchern fest verheilter Bruch des vorderen und hinteren Becken-ringes sowie Sprengung beider Iliosakralgelenke und der Schambeinfuge; folgenlos ausgeheilter Bruch des Schädelknochens am Hinterkopf sowie folgenlos ausgeheilte Herz- und Nierenprellung. Keine Unfallfolge sei dagegen eine Herzerkrankung infolge erhöhten Blutdruckes.
Den hiergegen am 3. April 2000 erhobenen Widerspruch des Klägers vom 29. März 2000, den er nicht begründete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2000 zurück.
Am 31. Mai 2000 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Magdeburg Klage erhoben. Mit Beschluss vom 29. Juni 2000 hat das SG Magdeburg den Rechtsstreit an das ört-lich zuständige SG Stendal verwiesen. Das SG hat von dem Facharzt für Urologie Dr. M. , dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. P. , von Dr. B. , dem Fach-arzt für Anästhesiologie Dr. S. , dem Facharzt für Orthopädie Dr. V. sowie von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. W. die Befundberichte vom 10., 21. und 29. November 2000, 15. Dezember 2000, 23. Januar 2001, 22. Februar 2001, 16. August 2001 und 26. März 2002 eingeholt. Dr. M. hat eine gute Erekti-on unter Medikation mit Viagra mitgeteilt. Dr. P. hat die vom Kläger angegebenen Skelettverspannungen und Erektionsbeschwerden als psychovegetative Dystonie (ge-störtes Zusammenspiel des autonomen Nervensystems) gedeutet. Dr. B. hat ne-ben den Unfallfolgen nochmals auf eine unfallunabhängige Spondylose und Osteo-chondrose der LWS verwiesen. Dr. S. bzw. Dr. V. haben eine schmerzin-duzierte Bewegungseinschränkung der LWS bei Fehlhaltung, die durch eine Schuher-höhung um 1 cm ausgeglichen werde, mitgeteilt. Dr. W. hat vom Kläger geäu-ßerte Schlafstörungen geschildert, eine reaktive Depression angegeben und von einer unter medikamentöser und psychoedukativer Therapie erreichten deutlichen Verbesse-rung der psychischen Situation berichtet.
Mit Schreiben vom 20. September 2002 hat die Beklagte den Kläger darüber informiert, dass er im Ergebnis der durchgeführten Nachbegutachtungen weiterhin eine Verletz-tenrente nach einer (Gesamt-)MdE um 30 vH erhalte. Am 24. Oktober 2002 hat sie dem SG die insoweit eingeholten Gutachten vorgelegt: In ihrem internistischen Gutach-ten vom 23. Mai 2002 hatten die Dres. W. und W. anlässlich der ambulan-ten Untersuchung am 25. April 2002 erneut eine leichte restriktive Lungenfunktionsstö-rung ohne Hinweis auf eine Obstruktion sowie unfallunabhängig eine arterielle Hyper-tonie gefunden, die seit gut zwei Jahren nicht mehr medikamentös therapiert werde und schon zu Folgeschäden am Herzen geführt habe. Zudem bestehe laborchemisch eine Hypercholesterinämie (Fettstoffwechselstörung), die in Zusammenhang mit dem Nikotinabusus des Klägers eine erhebliche Erhöhung des Herzinfarktrisikos bedeute. Im Vergleich zu ihrem Vorgutachten vom 15. Juli 1999 liege eine unveränderte Ein-schränkung der Lungenfunktion vor, bei der keine Verschlimmerung mehr zu erwarten sei. Die Notwendigkeit einer nochmaligen Begutachtung entfalle daher. Auf der Grund-lage der ambulanten Untersuchung des Klägers am 28. Juni 2002 waren der Chefarzt der Urologischen Klinik des Fr. H. Prof. Dr. von H. und der Leitende Oberarzt A. zu der Einschätzung gelangt, dass die MdE wegen der erektilen Dys-funktion mit Hyperästhesie im Genitalbereich rechts bei unveränderten Befunden wei-terhin 10 vH betrage. Eine erneute gutachtliche Untersuchung erscheine nicht erforder-lich. Eine gleichlautende Einschätzung hatten die Dres. B. und R. in ihrem urologischen Gutachten vom 3. September 2002 nach stationärem Beobachtungsauf-enthalt vom 19. bis 21. August 2002 vorgenommen. Zusammenfassend hatten schließ-lich Prof. Dr. D. und Dr. W. nach ambulanter Untersuchung am 23. August 2002 im Gutachten vom 1. September 2002 die in ihrem Vorgutachten vom 18. Sep-tember 1999 benannten Unfallfolgen nochmals bestätigt, aus den Unfallfolgen auf chi-rurgischem, internistischem sowie urologischem Gebiet (20 vH bzw. 10 vH und 10 vH) wiederum eine Gesamt-MdE um 30 gebildet und einen Endzustand der Unfallfolgen festgestellt.
Schließlich hat das SG von dem Facharzt für Orthopädie Dr. R. nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 16. Juli 2003 das Gutachten vom 20. November 2003 eingeholt. Dr. R. hat trotz eines Schonhinkens links ein flottes Gangbild mit ge-ringer Schrittverkürzung links und einem normalen Abrollen beiderseits geschildert. Der Kläger habe sich ohne Umstände an- und ausgekleidet und dabei die Wirbelsäule gut mitbewegt. Im Stand bestehe bei etwas eingeknicktem Knie links ein Beckengerad-stand; bei voll gestrecktem linken Bein in der Hüfte und im Knie liege ein Becken-schiefstand nach rechts um 1 cm vor. Im untersten Lendensegment und im rechten Kreuzdarmbeingelenk bestünden Bewegungs- und Druckschmerzen. Die Beweglich-keit der LWS und der Brustwirbelsäule (BWS) sei nur gering eingeschränkt (Strek-kung/Beugung 20-0-70°, Seitneigung 25-0-25°, Rotation 40-0-40°, Finger-Boden-Abstand 0 cm). Die Halswirbelsäule (HWS) sei in allen Ebenen frei beweglich. Im lin-ken Ellenbogengelenk bestehe bei Schmerzfreiheit lediglich ein endgradiges Streckde-fizit. Die Kniescheiben seien beiderseits vermehrt verschieblich. Die Beweglichkeit der Kniegelenke sei beiderseits frei, der Kapsel-Bandapparat fest, Ergusszeichen lägen nicht vor und die Meniskuszeichen seien negativ. Röntgenologisch zeige die Becken-übersicht im Bereich der rechten Schambeinfuge einen Höherstand von 1 cm und im Bereich des rechten Kreuz-Darmbeingelenkes einen solchen von 0,5 cm. Die Scham-beinfuge sei knöchern durchbaut. Im Bereich der BWS sei eine flachbogige Seitverbie-gung zu erkennen, die zur LWS übergehe und dort linkskonvex (Scheitelbogen nach links) bestehe. Die erkennbaren leichten Drehsymptome wiesen darauf hin, dass die Seitverbiegung schon aus der Wachstumszeit stamme. Das rechte Wirbelgelenk zwi-schen dem untersten Lendenwirbel (L5) und dem Kreuzbein (S1) sei deutlich degene-rativ verändert. Im mittleren und unteren Bereich der BWS seien leichte Zeichen frühe-rer Aufbaustörungen mit Wellenform und Eindellungen der Deckplatten vorhanden. Die Bandscheiben zwischen dem zweiten und dritten Lendenwirbel (L2/3) und dem neun-ten bis zum zwölften Brustwirbel (Th9-Th12) seien degenerativ verschmälert. Im Be-reich des linken Kniegelenkes zeige sich eine ebenfalls aus der Wachstumsperiode herrührende deutliche Fehlform der Kniescheibe und der Oberschenkelrollen, die Seh-nenansatzstörungen bedinge. Dr. R. hat folgende Unfallfolgen festgehalten: knö-chern verheilte Scham- und Kreuzbeinbrüche; knöchern durchbaute Schambeinfuge; in Fehlstellung stehende Kreuzdarmbeingelenke mit degenerativen Veränderungen und Beinverkürzung rechts von 1 cm; Verdrehung des Beckens; leichte Bewegungsein-schränkung des linken Ellenbogens mit Weichteilverkalkung; reizlose Narbe an der Schädelhinterseite, an der Brustkorbwand beiderseits und an der Bauchdecke; erektile Dysfunktion; geringgradige Einschränkung der Lungenfunktion nach Rippenserien-bruch beiderseits. Die hieraus resultierende Gesamt-MdE sei ab dem 1. April 1999 und auf Dauer mit einem Grad um 30 vH zu bemessen. Die im Bereich der BWS/LWS be-stehende Seitverbiegung sei keine unfallbedingte Fehlstatik der Wirbelsäule infolge Beinverkürzung rechts mit Beckenschiefstand, sondern stamme aus der Wachstums-zeit. Darüber hinaus könne der Beckenschiefstand durch eine entsprechende Schuh-erhöhung ausgeglichen werden. Entsprechendes gelte für das linke Kniegelenk.
Mit Gerichtsbescheid vom 3. Juni 2004 hat das SG die Klage abgewiesen und hierzu in den Gründen ausgeführt: Die durch den Arbeitsunfall verursachten Unfallfolgen beding-ten vom 1. April 1999 an keine MdE über 30 vH hinaus, was sich aus den überein-stimmenden Bewertungen sämtlicher Sachverständigen ergebe. Zudem habe Dr. R. festgestellt, dass weder eine Fehlstellung der Wirbelsäule noch eine Fehlform der lin-ken Kniescheibe und der Oberschenkelrollen zusätzliche Unfallfolgen seien. Auch eine relevante unfallbedingte Herz-Kreislauferkrankung sei nach den im Herz-Kreislauf-Zentrum Bevensen erhobenen Normalwerten auszuschließen. Schließlich werde der Beckenschiefstand durch eine entsprechende Schuherhöhung ausgeglichen. Da auch keine wesentlichen psychischen Veränderungen dokumentiert seien, bestehe insoweit kein Bedürfnis für weitere Ermittlungen.
Gegen den am 23. Juni 2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 14. Juli 2004 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und zur Begrün-dung geltend gemacht, die Gesamt-MdE für die anerkannten Unfallfolgen von 30 vH sei wegen der zusätzlich zu berücksichtigenden Gesundheitsstörungen, insbesondere der psychischen Folgen der gestörten Sexualfunktion sowie der Fehlstellung der Wirbelsäu-le, auf mindestens 40 vH zu erhöhen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 3. Juni 2004 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. März 2000 in der Gestalt des Wi-derspruchsbescheides vom 18. Mai 2000 und ihren Bescheid vom 20. September 2002 abzuändern, festzustellen, dass auch Kopfschmerzen mit psychischen Leiden, eine Fehlstellung der Wirbelsäule sowie eine Funktionseinschränkung des linken Kniegelenkes Folgen des Arbeitsunfalls vom 9. Juni 1997 sind, und ihm vom 1. April 1999 an eine Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 40 vH zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 3. Juni 2004 zurückzuweisen.
Sie hält ihre angefochtenen Bescheide und den diese bestätigenden Gerichtsbescheid des SG im Ergebnis für richtig.
Der Senat hat von Dr. W. sowie von der Fachärztin für Urologie Dr. J. Be-fundberichte eingeholt. Dr. W. hat am 14. Juli 2005 nochmals seine bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegten Befunde übersandt und als letzten Behandlungs-tag den 22. Mai 2000 angegeben. Dr. J. hat in ihrem Bericht vom 15. August 2005 eine Anfang 2005 eingetretene vorübergehende Verschlechterung der erektilen Dysfunktion angegeben, weshalb sie anstatt Viagra ein alternatives Präparat (Levitra) verordnet habe.
Außerdem hat der Senat den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. W. nach ambulanter Untersuchung am 18. Januar 2006 das Gutachten vom 25. Januar 2006 erstatten lassen. Der Kläger hat gegenüber dem Gutachter angegeben, dass sich seine Ehefrau 1996, als man bereits in Scheidung gelebt habe, das Leben ge-nommen habe. Aus der Ehe entstamme eine 13jährige Tochter, für die er allein erzie-hender Vater sei. Er leide unter Antriebslosigkeit, Durchschlafstörungen und sei mit seinem Leben unzufrieden. Die Umschulung habe er erfolgreich abgeschlossen; er arbeite in Vollzeit in einer stationären Jugendhilfeeinrichtung für verhaltensauffällige Jugendliche. Diese Arbeit bereite ihm im Großen und Ganzen Spaß. Durch seine Ar-beit und die Versorgung der Tochter verbleibe nur wenig Zeit, in der er etwas Sport treibe und soziale Kontakte pflege. Schmerzmittel nehme er nur noch bei Bedarf ein; wegen des Bluthochdruckleidens erhalte er ein Medikament. Die sexuelle Aktivität sei normal möglich, die Notwendigkeit der Medikation vermindere aber die Spontaneität. Im Ergebnis hat Prof. Dr. W. eingeschätzt, bei dem Kläger liege nach der ICD-10 (Zehnte Revision der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der WHO aus dem Jahre 1989, vom Deutschen In-stitut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) ins Deutsche übertra-gen, herausgegeben und weiterentwickelt) eine lang dauernde Reaktion auf Belastung (ICD-10: F 43.21) sowie ein Versagen genitaler Reaktion (ICD-10: F 52.2) vor, wenn-gleich nach der psychischen Befunderhebung und den testpsychologischen Untersu-chungsergebnissen Teilhabebeeinträchtigungen lediglich im Freizeitbereich und bei sozialen Aktivitäten bestünden. Dabei sei auch zu beachten, dass durch die volle Be-rufstätigkeit bei gleichzeitiger Verantwortung als allein erziehender Vater ohnehin kei-ne wesentliche Zeit und Energie für derartige Aktivitäten verbleibe. Die depressive Belastungsreaktion bedinge mangels fassbarer Auswirkungen auf Teilhabeaktivitäten keine messbare MdE. Gewisse Hinweise sprächen aber dafür, dass während der Zeit der Umschulung eine stärkere Ausprägung bestanden habe, so dass insoweit eine MdE um 20 vH veranschlagt werden könne. Die sexuelle Funktionsstörung sei auf urologischem Gebiet mit einer MdE um 10 vH hinreichend berücksichtigt.
Die Beklagte hat zu dem Gutachten eingewandt, auch für die Zeit der Umschulung sei die Diagnose einer depressiven Reaktion nicht voll bewiesen. Hierfür reichten die von Prof. Dr. W ... gesehenen gewissen Hinweise nicht aus, zumal Dr. W. in seinem Befundbericht vom 16. August 2001 für die Zeit ab dem 23. November 2000 eine stabi-lisierte Situation beschrieben und der Kläger seine Umschulung auch erfolgreich abge-schlossen habe. Eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähig-keit sei daher nicht zu begründen. Selbst wenn jedoch rückwirkend eine – derzeit nicht mehr vorliegende – depressive Reaktion gesichert werden könne, sei diese jedenfalls nicht rechtlich wesentlich auf das Unfallereignis vom 9. September 1997 zurückzufüh-ren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteilig-ten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündli-chen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
I. Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, form- und fristgerecht erhobene (§ 151 Abs. 1 SGG) sowie auch ansonsten zulässige Beru-fung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat sein Begehren, welches er gemäß den §§ 54 Abs. 1 und 4, 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG zulässigerweise als kombinierte Anfech-tungs-, Feststellungs- und Leistungsklage verfolgen kann (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 7. September 2004 – B 2 U 46/03 R – SozR 4-2700 § 2 Nr. 3), zu Recht abgewiesen. Denn er hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Feststellung der von ihm geltend gemachten Gesundheitsstörungen als zusätzliche Folgen des Ar-beitsunfalls vom 9. Juni 1997. Die Verletztenrente ist deswegen vom 1. April 1999 an auch nicht nach einer MdE um mindestens 40 vH zu bemessen. Der Bescheid der Be-klagten vom 16. März 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 2000 sowie ihr Bescheid vom 20. September 2002, der wegen seiner Regelung, auch von April 2002 an sei keine Verschlechterung des Gesundheitszustands eingetreten, rechtlich als Zweitbescheid zu qualifizieren (vgl. die Abgrenzung zur wiederholenden Verfügung, von Wulffen/Engelmann, SGB X, 6. Aufl. 2008, § 31 Rn. 32) und der nach § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Verfahrens geworden ist, sind daher nicht zu beanstanden und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG). Die MdE richtet sich nach § 56 Abs. 2 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Ge-setzliche Unfallversicherung (SGB VII) nach dem Umfang der sich aus der Beeinträch-tigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Dabei wird die MdE durch eine abstrakte Bemessung des Unfallschadens gebildet und beruht auf freier richterlicher Beweiswürdigung unter Berücksichtigung der im Recht der gesetzli-chen Unfallversicherung etablierten allgemeinen Erfahrungssätze aus der Rechtspre-chung und dem einschlägigen Schrifttum (vgl. BSG, Urteil vom 18. März 2003 – B 2 U 31/02 R – Breith 2003, 565 ff.; Urteil vom 22. Juni 2004 – B 2 U 14/03 R – SozR 4-2700 § 56 Nr. 1). Voraussetzung der hier geltend gemachten Ansprüche ist demnach zum Einen, dass zwischen dem Unfallereignis und einer nachgewiesenen Gesund-heitsstörung entweder direkt oder vermittelt durch den Gesundheitserstschaden ein Ursachenzusammenhang im Sinne einer haftungsausfüllenden Kausalität nach § 8 Abs. 1 SGB VII besteht, und dass zum Anderen durch arbeitsunfallbedingte Gesund-heitsstörungen die MdE eine Höhe um mindestens 40 vH erreicht (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 11/04 R – BSGE 94, 262 ff.; Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Ausgehend hiervon kann der Kläger von der Beklagten vom 1. April 1999 an keine Ver-letztenrente nach einer MdE um mindestens 40 vH beanspruchen. Dass die anerkann-ten Arbeitsunfallfolgen, die Dr. R. nochmals zusammengefasst hat, ab diesem Zeitpunkt eine Gesamt-MdE um 30 vH bedingen, haben alle im Verfahren gehörten Sachverständigen übereinstimmend festgestellt. An dieser einhelligen Einschätzung zu zweifeln, besteht für den Senat weder eine vernünftige Veranlassung noch wird diese Bewertung vom Kläger überhaupt bestritten. Er vertritt vielmehr die Meinung, die Ge-samt-MdE sei wegen der zusätzlich als Unfallfolgen zu berücksichtigenden Gesund-heitsstörungen auf mindestens 40 vH zu erhöhen. Diese Ansicht trifft jedoch deshalb nicht zu, weil es bereits an den Anerkennungsvoraussetzungen als zusätzliche Unfall-folgen fehlt. Sind die strittigen Gesundheitsstörungen aber nicht als Arbeitsunfallfolgen festzustellen, können sie bei der Bemessung der MdE keine Berücksichtigung finden. Die anerkannten Unfallfolgen haben die geltend gemachten Gesundheitsstörungen auch nicht ihrerseits MdE-relevant beeinflusst. Dies gilt sowohl im Hinblick auf Kopf-schmerzen mit psychischen Leiden (nachfolgend unter 1.), bezüglich der Fehlstellung der Wirbelsäule (hierzu unter 2.) als schließlich auch hinsichtlich einer Funktionsein-schränkung des linken Kniegelenkes (unter 3.). Die genannten Gesundheitsstörungen sind zum Teil bereits nicht im Sinne des insoweit erforderlichen Vollbeweises (also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) zur Überzeugung des Senats gesichert. Im Übrigen sind sie nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich auf den an-geschuldigten Arbeitsunfall vom 9. Juni 1997 zurückzuführen. Der Senat stützt sich bei dieser Bewertung auf das Gesamtergebnis der Beweisaufnahme, bei der er insbeson-dere den Ereignishergang, die klinischen, bildgebenden und intraoperativen (Erst-) Befunde sowie die konkurrierenden Ursachen berücksichtigt hat.
1. Bezüglich der geltend gemachten Kopfschmerzen bzw. psychischen Leiden scheidet eine Feststellung als Unfallfolgen bereits deshalb aus, weil entsprechende Gesund-heitsstörungen schon nicht vollbeweislich belegt sind. Die Frage einer MdE-relevanten Einflussnahme der anerkannten Unfallfolgen stellt sich insoweit schon nicht mehr.
a) Was Kopfschmerzen anbelangt, hat der Kläger die Anerkennung derselben zwar mit seinem Klage- und Berufungsantrag begehrt, ansonsten sind derartige Beschwerden aber nirgendwo dokumentiert. Insbesondere hat weder ein einziger im Verfahren ge-hörter Mediziner Kopfschmerzen ärztlich vermerkt noch der Kläger solche überhaupt behauptet. Auf einer derartigen Grundlage kommt eine Feststellung als Unfallfolge von vornherein nicht in Frage. Denn der Beweisgrad des Vollbeweises ist erst erfüllt, wenn kein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch zweifelt, wenn also das Gefühl des Zweifels beseitigt ist (siehe BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 – B 2 U 5/05 R – SozR 4-5671 § 6 Nr. 2).
b) Nichts anderes gilt im Ergebnis hinsichtlich der Anerkennung von psychischen Lei-den als Folgen des Arbeitsunfalls, wobei entsprechend den Einordnungen von Dr. W. und Prof. Dr. W. vorliegend allein eine reaktive Depression bzw. depressive Belas-tungsreaktion in Betracht kommt. Demgegenüber geht das von Prof. Dr. W. diag-nostizierte Versagen genitaler Reaktion entsprechend seiner ausdrücklichen Bewer-tung vollständig in der bereits als Unfallfolge anerkannten erektilen Dysfunktion auf und kann daher nicht nochmals als eigenständige psychische Folge der gestörten Sexual-funktion berücksichtigt werden.
Ebenso wie bei sonstigen Gesundheitsstörungen ist auch für die Anerkennung psychi-scher Erkrankungen als Unfallfolgen Voraussetzung, dass die Erkrankungen, die bei dem Verletzten vorliegen und seine Erwerbsfähigkeit mindern, konkret festgestellt wer-den. Eine solche Feststellung ist nicht nur allgemein vorzunehmen, sondern hat auf-grund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen zu erfolgen, um nachvollziehbar zu sein (z.B. ICD-10 oder DSM-IV = Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen der Amerikanischen psychiatrischen Vereinigung aus dem Jahre 1994, deutsche Bearbei-tung herausgegeben von Saß/Wittchen/Zaudig, 3. Aufl. 2001). Denn je genauer und klarer die bei dem Versicherten bestehenden Gesundheitsstörungen bestimmt sind, umso einfacher sind ihre Ursachen zu erkennen und zu beurteilen sowie letztlich die MdE zu bewerten (siehe BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, a.a.O.). Gemessen hieran hat Prof. Dr. W. zwar eine andauernde depressive Reaktion auf Belastung angenom-men. Entgegen dieser Wertung liegen die hierfür einschlägigen Diagnosekriterien der ICD-10 bei dem Kläger aber weder aktuell vor noch sind sie für die Zeit der Umschu-lung (Oktober 1999 bis Oktober 2001) zu sichern, worauf die Beklagte zutreffend hin-gewiesen hat. Hervorstechendes Merkmal einer solchen Diagnose ist nach den Krite-rien der ICD-10-GM 2008 (German Modification Version 2008) F 43.2 nämlich eine Störung des Sozialverhaltens. Erforderlich ist eine Behinderung sozialer Funktionen und Leistungen, bei der das soziale Netz des Betroffenen derart beschädigt ist, dass er mit den alltäglichen Gegebenheiten nicht zurechtkommen, diese nicht vorausplanen oder fortsetzen kann. Dass es vorliegend hieran fehlt, hat Prof. Dr. W. ausdrücklich bestätigt, indem er betont, bei dem Kläger seien keine fassbaren Auswirkungen auf Teilhabeaktivitäten vorhanden. Damit mangelt es an der nach der ICD-10 erforderli-chen Intensität der Schädigung des sozialen Erlebnis- und Gestaltungsvermögens, was der Kläger auch selbst zum Ausdruck gebracht hat. Zwar hat er gegenüber Prof. Dr. W. Antriebslosigkeit und Unzufriedenheit mit seinem Leben angegeben. Er hat jedoch im Gegensatz dazu auch bekundet, seine Arbeit als Arbeitserzieher für Ju-gendliche bereite ihm im Wesentlichen Spaß. In der noch verbleibenden Freizeit treibe er etwas Sport und pflege soziale Kontakte. Warum trotzdem eine reaktive Depression vorliegen soll, hat Prof. Dr. W. nicht begründet. Im Hinblick auf die Zeit bis zum Abschluss der Umschulung spricht gegen eine diagnostische Einordnung unter F 43.2 nach der ICD-10-GM 2008, dass der Kläger die zweifelnde Prognose des Arbeitsamtes Stendal nicht nur von vornherein nicht geteilt, sondern diese durch den erfolgreichen Abschluss der Ausbildung auch vollends widerlegt hat. Soweit Prof. Dr. W. aus den Angaben von Dr. W. gewisse Hinweise für seine Beurteilung entnehmen will, reichen diese für den erforderlichen Vollbeweis der Gesundheitsstörung jedenfalls nicht aus. Denn Dr. W. hat in seinem Befundbericht vom 16. August 2001 für die Zeit seines Behandlungsbeginns ab dem 23. November 2000 eine stabile Situation mit deutlicher psychischer Verbesserung angegeben, worauf die Beklagte mit Recht hin-gewiesen hat. Eine lang dauernde depressive Reaktion auf Belastung ist damit weder gegenwärtig noch für die Vergangenheit zur vollen Überzeugung des Senats bewiesen.
2. Die vom Kläger geltend gemachte Fehlstellung der Wirbelsäule ist deshalb keine berücksichtigungsfähige Folge des angeschuldigten Unfalls, weil es am rechtlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall vom 9. Juni 1997 und ihr fehlt (unter a). Auch eine MdE-relevante Einflussnahme der anerkannten Beckenverschie-bung auf sie im Sinne einer richtunggebenden Verschlimmerung ist nicht zu begründen (unter b; vgl. hierzu BSG, Urteil vom 5. September 2006 – B 2 U 25/05 R – SozR 4-2700 § 56 Nr. 2).
a) Für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs zwischen dem Arbeitsunfall und der geltend gemachten Gesundheitsstörung gilt der Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Sie liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausschei-den, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann. Dabei setzt die im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltende "Theorie der wesentlichen Bedingung" in Eingrenzung der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungsthe-orie, nach der jede nicht hinwegzudenkende Bedingung (conditio-sine-qua-non) kausal ist, voraus, dass das versicherte Geschehen nicht nur irgendeine Bedingung in der Kette der Faktoren für die Entstehung des Gesundheitsschadens, sondern die wesent-liche Ursache war (vgl. KassKomm-Ricke, Stand April 2008, § 8 SGB VII Rn. 4 und 15 m.w.N.). Rechtlich erheblich ist deshalb nur diejenige Ursache, die bei wertender Be-trachtung zumindest als gleichwertige Mitursache einen wesentlichen Einfluss auf den Eintritt des Gesundheitsschadens gehabt hat. Von einer Wesentlichkeit im Rechtssinne kann allerdings dann nicht ausgegangen werden, wenn ein anderer (unversicherter) Umstand einen überwiegenden kausalen Einfluss auf den Eintritt des Schadens hatte. Das bedeutet, dass ein Gesundheitsschaden einem Versicherungsfall (hier einem Ar-beitsunfall) selbst dann nicht rechtlich zugerechnet werden kann, wenn das versicherte Geschehen zwar geeignet war, den Schadenseintritt zu verursachen, und ihn als letzte Bedingung in der Kausalkette gelegentlich der versicherten Tätigkeit bewirkt hat (Adä-quanztheorie), es jedoch keine wesentliche Bedeutung hatte (Auslöser bzw. Gelegen-heitsursache). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffas-sung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Erfolges (Gesundheitsschaden) wertend abgeleitet werden. Gesichtspunkte hierfür sind Art und Ausmaß der versicherten Einwirkung sowie der konkurrierenden Ursachen, der zeitliche Ablauf des Geschehens, das Verhalten des Versicherten nach dem Unfall, die Krankheitsgeschichte unter Berücksichtigung der aktuellen medizini-schen Erkenntnisse sowie ergänzend auch der Schutzzweck der Norm (siehe BSG, Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 27/04 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 15; Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – a.a.O.).
Anknüpfend hieran lässt sich unter Berücksichtigung der ermittelten medizinischen Anknüpfungstatsachen bei der gebotenen wertenden Betrachtung das angeschuldigte Unfallgeschehen vom 9. Juni 1997 nicht als rechtlich wesentliche Bedingung für die beim Kläger bestehende Fehlstellung der Wirbelsäule wahrscheinlich machen. Denn es spricht mehr gegen als für eine solche Kausalität. Dies gilt sowohl im Hinblick auf einen unmittelbaren als auch einen mittelbaren Unfallzusammenhang.
(1) Um einen Wirbelsäulenschaden direkt ursächlich auf ein Trauma zurückführen zu können, muss als Grundvoraussetzung eine ausreichende Nähe zwischen dem Einwir-kungs- und dem Schadensort bestehen. Dabei ist für die Kausalitätsbeurteilung das Segmentprinzip maßgeblich, wonach entscheidend darauf abzustellen ist, ob das an-geschuldigte Trauma im Bereich der geltend gemachten Segmente zu einer Defektbil-dung geführt hat (siehe Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufs-krankheit, 7. Aufl. 2003, Abschn. 8.3.3.9, S. 550). Hieran fehlt es vorliegend. Denn ein einschlägiger Gesundheitserstschaden im Bereich der BWS/LWS als Anknüpfungstat-sache für eine unmittelbare unfallbedingte Erklärung der dort bestehenden Fehlstellung ist nirgends dokumentiert. Dass eine Mitbeteiligung der BWS/LWS im Rahmen der ansonsten detailliert aufgeführten Verletzungen übersehen worden ist, liegt fern. Dies gilt umso mehr, als Dr. R. am 16. Juli 2003 bei seinen röntgenologischen Untersu-chungen einschlägige Residuen, die auf eine unfallbedingte Mitbeteiligung dieses Be-reichs rückschließen lassen, nicht gefunden hat. Überdies spricht das beim Kläger be-stehende Schadensbild gegen eine direkte unfallbedingte Hervorrufung der Wirbelsäu-lenfehlstellung. Dr. R. hat nämlich eine großbogige Seitverbiegung der BWS mit linkskonvexer Gegenkrümmung der LWS als typisches Kennzeichen einer anlagebe-dingten Entwicklung gesichert, wohingegen für eine traumatische Seitverbiegung typi-scherweise ein knickförmiger (kurzbogiger) Verlauf charakteristisch ist (Schönber-ger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Abschn. 8.3.3.3, S. 543).
(2) Auch eine mittelbare Verursachung der Wirbelsäulenverkrümmung infolge der un-strittig arbeitsunfallbedingten Beckenverschiebung ist nicht hinreichend wahrscheinlich. Zwar besteht bei einem Beckenschiefstand generell die Möglichkeit, eine entsprechen-de Fehlstellung der Wirbelsäule hervorzurufen. Erforderlich ist hierfür aber eine über einen langen Zeitraum hinweg bestehende Wirbelsäulenfehlhaltung (Schönber-ger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Abschn. 8.3.3.3, S. 542). Dafür sind hier keine ausrei-chenden Anhaltspunkte ersichtlich. Denn bereits Dr. Behrens hatte in seinen Berichten vom 30. Oktober 1997 und 17. November 1997 darauf hingewiesen, dass der Becken-schiefstand durch eine entsprechende Schuherhöhung rechts um 1 cm ausgeglichen werde. Diese Einschätzung hat Dr. R. in seinem Gutachten vom 20. November 2003 ausdrücklich bestätigt. Eine unausgeglichene unfallbedingte Fehlhaltung, zumal über einen langjährigen Zeitraum, ist danach nicht greifbar. Abgesehen davon ist daneben eine einleuchtende konkurrierende Alternativursache als unfallunabhängige Erklärung der Wirbelsäulenverkrümmung gesichert. So hatte Dr. B. schon in seinem Nachschaubericht vom 11. Februar 2000 sowie im Befundbericht vom 29. No-vember 2000 auf eine anlagebedingte Spondylose und Osteochondrose im Bereich der LWS hingewiesen. Bildgebend hat Dr. R. osteochondrotische Bandscheibenver-änderungen dann nicht nur im Bereich der LWS bestätigt, sondern solche auch von Th9 bis Th12 gefunden. Überdies hat er im Bereich der geltend gemachten Schädi-gungsregion mit Drehsymptomen der Wirbelkörper, einem deutlich degenerativ verän-derten rechten Wirbelgelenk bei L5/S1 sowie Wellenformen und Eindellungen der Deckplatten im mittleren und unteren Bereich der BWS weitere Zeichen früherer Auf-baustörungen nachgewiesen, durch die seine Wertung der Verbiegung als wachs-tumsbedingt zusätzliche Unterstützung erfährt.
b) Gegen eine MdE-relevante Auswirkung der Beckenverschiebung im Sinne einer richtunggebenden Verschlimmerung spricht, dass die unfallunabhängige Fehlstatik im Bereich der BWS/LWS keine wesentlichen funktionellen Einschränkungen zur Folge hat. Vielmehr ist auf Grundlage der Berichte der Dres. P. und Sp. vom 17. De-zember 1997 sowie der von Dr. R. erhobenen Befunde jeweils eine nur endgradig eingeschränkte BWS/LWS-Funktion gesichert, aus der keine messbare MdE resultiert. 3. Soweit der Kläger schließlich die Feststellung einer Funktionseinschränkung des linken Kniegelenkes begehrt, kann auch eine solche nicht als Arbeitsunfallfolge Aner-kennung finden. Denn eine Funktionseinschränkung ist schon nicht – geschweige denn voll – belegt, womit insoweit eine MdE-erhöhende Beeinflussung durch die anerkann-ten Unfallfolgen von vornherein ausscheidet. Im Gegenteil hatte bereits Dr. B. in seinen Verlaufsberichten vom 30. Oktober 1997 und 17. November 1997 jeweils eine uneingeschränkte Beweglichkeit beider Kniegelenke von 0-0-140° festgehalten. Intrao-perativ waren von PD Dr. B. am 12. Januar 1999 Traumazeichen im Bereich des linken Kniegelenkes dann ausdrücklich ausgeschlossen worden. Diese Befunde hat Dr. R. bei seiner Untersuchung am 16. Juli 2003 bestätigt, indem auch er eine freie Beweglichkeit der Kniegelenke beiderseits und einen festen Kapsel-Bandapparat ge-funden sowie Erguss- und Meniskuszeichen verneint hat. Die von Dr. R. röntgeno-logisch beschriebene deutliche Fehlform der Kniescheibe und der Oberschenkelrollen links lässt sich ebenso nicht als wesentlich unfallbedingt wahrscheinlich machen. Denn auch insoweit fehlt ein gesicherter Erstschaden als notwendiges Verbindungsglied. Überdies rühren diese Fehlformen nach den gutachtlichen Darlegungen von Dr. R. aus der Wachstumsperiode her, so dass wiederum eine unfallunabhängige Alternativ-erklärung nahe liegt.
Da nach alledem die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen nicht als zusätzliche Unfallfolgen festgestellt werden und deshalb bei der MdE-Bemessung keine Berücksichtigung finden können sowie die anerkannten Arbeitsunfallfolgen keine MdE über 30 vH bedingen und unfallunabhängige Vorschäden auch nicht MdE-relevant be-einflussen, besteht vom 1. April 1999 an kein Anspruch auf Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 40 vH. Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
III. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
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