Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 6 AL 209/02
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AL 10/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Insolvenzgeld-Dreimonatszeitraum
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Insolvenzgeld für den Zeitraum Oktober 2000 bis Dezember 2000.
Der am 1953 geborene Kläger schloss zum 1. September 1999 mit der Firma EMB E. GmbH in S. (künftig EMB) einen Arbeitsvertrag als Mitarbeiter der mechanischen Bearbeitung. Nach dem Arbeitsvertrag konnte das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Probezeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 4 Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden. Zum 1. Januar 2000 erhöhte sich sein Stundenlohn als "Verantwortlicher" für die Abteilung Mechanische Fertigung auf 19,00 DM (bei einer 40 Stunden-Woche). Seit September 2000 zahlte die EMB an den Kläger keinen Lohn mehr. Der Kläger mahnte seine Lohnforderungen am 9. November 2000 gegenüber der Arbeitgeberin an und kündigte rechtliche Schritte an. Am 12. November 2000 kündigte seine Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis schriftlich zum 31. Dezember 2000, weil der Bereich konventionelles Drehen zu diesem Datum eingestellt werden würde. In einem Schreiben vom 13. November 2000 teilte der Geschäftführer der EMB mit, sich zu bemühen, bis 30. November 2000 nur noch mit einem Gehalt in Rückstand zu sein. Der Kläger seinerseits machte ab dem 23. November 2000 von seinem Zurückbehaltungsrecht seiner Arbeitsleistung Gebrauch und kündigte an, erst bei Ausgleich der Rückstände die Arbeit wieder aufzunehmen. Zugleich erhob er Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Magdeburg (Az. 10 Ca 67/01).
Zum 1. Januar 2001 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld in Höhe von 343,35 DM wöchentlich (49,05 DM täglich). Am 17. Januar 2001 wurde ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der EMB beim Amtsgericht Magdeburg gestellt. Mit Beschluss vom 18. Januar 2001 beauftragte das Amtsgericht Magdeburg den Betriebswirt Herrn S. , ein schriftliches Gutachten über die Voraussetzungen der Insolvenzeröffnung zu erstellen.
Mit Teilversäumnisurteil vom 29. Januar 2001 stellt das Arbeitsgericht Magdeburg fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Arbeitgeberin vom 12. November 2000 nicht aufgelöst worden ist. Dieses Teilversäumnisurteil wurde rechtskräftig. Am gleichen Tag stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Insolvenzgeld für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2000. Zum Beleg fügte er die Lohnabrechnungen bei. Hieraus ergibt sich für Oktober 2000 und November 2000 jeweils eine Bruttolohnforderung in Höhe von 3.344,00 DM (netto 2.174,52 DM). Später bescheinigte die EMB dem Kläger eine Lohnforderung für Monat Dezember 2000 in Höhe von 3.192,00 DM brutto. Die Beklagte forderte den Kläger am 28. März 2001 auf, mitzuteilen, ob er eine neuerliche Kündigung seines Arbeitsvertrages erhalten habe, da er gegen die ursprüngliche Kündigung erfolgreich geklagt habe. Telefonisch teilte der Kläger am 29. März 2001 mit, eine weitere Kündigung habe es nicht gegeben und er wolle sich bezüglich einer Kündigung mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter in Verbindung setzen. Mit Beschluss vom 22. Mai 2001 wies das Amtsgericht Magdeburg (Geschäftsnr. 351 IN 11/01) den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegenüber der EMB mangels Masse ab.
Im Verlauf des Verwaltungsverfahrens teilte der Kläger der Beklagten mit, er gehe insolvenzbedingt von einem Beendigungszeitpunkt zum 31. Dezember 2000 aus. Nur die betriebsbedingte Kündigung vom 12. November 2000 sei für unwirksam erklärt worden. Damals habe er die Kündigungsschutzklage erhoben, weil nicht allen Mitarbeitern aus der Betriebsabteilung Dreherei gekündigt worden sei. Danach sei insolvenzbedingt der Betrieb stillgelegt worden, hierdurch sei auch sein Arbeitsverhältnis beendet worden.
Mit Bescheid vom 30. November 2001 bewilligte die Beklagte dem Kläger Insolvenzgeld für den Zeitraum 22. Februar 2001 bis 21. Mai 2001 in Höhe von 6.420,57 DM, wovon 4.365,45 DM (89 Leistungstage x 49.05 DM) bereits gewährtes Arbeitslosengeld in Abzug zu bringen seien. Hieraus ergebe sich ein Auszahlungsbetrag in Höhe von 2.055,12 DM. Dabei ging die Beklagte von folgenden Lohnsummen für den betreffenden Zeitraum aus: Anteiliger Februar 2001 760 DM brutto, 510,02 DM netto; März 2001 3.344 DM brutto, 2.228,65 DM netto, April 2001 3.192 DM brutto, 2.151,84 DM netto und für den anteiligen Mai 2001 2.280 DM brutto, 1.530,06 DM netto.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 4. Januar 2002 Widerspruch ein und vertiefte seinen bisherigen Sachvortrag: So seien die Arbeiten bei der EMB mit Ablauf des 23. Januar 2001 eingestellt worden und die Arbeitnehmer hätten zu diesem Zeitpunkt gekündigt. Am 24. Januar 2001 habe eine polizeiliche Hausdurchsuchung bei der EMB stattgefunden. Die EMB sei zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zahlungs- und arbeitsfähig gewesen. Aus diesem Grund sei der 23. Januar 2001 das maßgebliche Insolvenzereignis. Zwangsläufig habe sein Arbeitsverhältnis ebenfalls mit diesem Datum geendet. Die Feststellung des Arbeitsgerichts Magdeburg im Kündigungsschutzprozess stehe dem nicht entgegen. Denn das Arbeitsverhältnis sei nach Klageeinreichung aus anderen Gründen beendet worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. März 2002 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Entgegen der Auffassung des Klägers sei die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit nur dann das maßgebliche Insolvenzereignis, wenn zu diesem Zeitpunkt ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens noch nicht gestellt worden sei. Ein solcher Antrag sei hier aber bereits am 18. Januar 2001 gestellt worden. Es gebe keinen Beendigungstatbestand für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Einstellung der Betriebstätigkeit am 23. Januar 2001.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 2. Mai 2002 Klage vor dem Sozialgericht Dessau erhoben und sein Begehren weiterverfolgt. Er hat betont: Sein Arbeitsverhältnis mit der EMB habe spätestens zum 31. Januar 2001 geendet. Es sei ausgeschlossen, dass die Arbeitsvertragsparteien das Arbeitsverhältnis über diesen Tag hinaus fortsetzen wollten. Er sei zuletzt am 21. Dezember 2000 im Betrieb gewesen, danach nicht mehr. Die Arbeitgeberin sei überhaupt nicht mehr in der Lage gewesen, ihn zu beschäftigen. Wenn die Arbeitgeberin alle anderen Arbeitnehmer zum 31. Januar 2001 entlassen habe, sei nicht anzunehmen, dass sie für ihn eine Ausnahme machen wollte. Die Geschäftsgrundlage des Arbeitsverhältnisses sei durch die Einstellung des Betriebes weggefallen. Aus diesem Grund sei eine schriftliche Kündigung entbehrlich gewesen. Zudem habe er versucht, seiner Arbeitgeberin eine Eigenkündigung zuzustellen. Er habe aber nicht gewusst, wem gegenüber er die Kündigung habe aussprechen sollen, da der Inhaber der Firma flüchtig gewesen sei, und der im Insolvenzverfahren zur Erstellung des Gutachtens beauftragte "Rechtsanwalt" der Meinung gewesen sei, für den Erhalt der Kündigung nicht zuständig zu sein.
Das Sozialgericht hat das Gutachten in dem Insolvenzverfahren der EMB von dem beratenden Betriebswirt M. S. beigezogen. Darin wird ausgeführt: Der Geschäftsbetrieb sei am 24. Januar 2001 bereits vollständig eingestellt gewesen. Der Geschäftsführer der EMB sei noch Mitte Januar 2001 davon ausgegangen, mittels Inanspruchnahme einer bereits genehmigten Förderzuweisung des Landesförderinstituts seine Liquidität wieder herzustellen. Durch den Insolvenzantrag sei die Zuweisung zurückgenommen worden. Am 7. Februar 2001 habe die Kreissparkasse sämtliche Darlehen gekündigt und die Rückzahlung verlangt. Sämtlichen Arbeitnehmern sei nach den Angaben des Geschäftsführers mit Wirkung zum 31. Januar 2001 fristgemäß das Arbeitsverhältnis gekündigt worden. Kündigungsschutzklagen seien nicht bekannt. Eine die Verfahrenskosten deckende Masse sei nicht vorhanden. Auf Befragen des Gerichts hat der Gutachter erläutert: Kündigungsschreiben der Mitarbeiter hätten ihm nicht vorgelegen. Er habe keine Erinnerung, ob der Kläger versucht habe, eine Kündigung seines Arbeitsverhältnisses bei ihm abzugeben. Sollte dies der Fall gewesen sein, hätte er diese zurückgewiesen, da er nicht Vertreterin der Gemeinschuldnerin war. Er könne nicht bestätigen, dass der Geschäftsführer der EMB flüchtig gewesen sei, er sei für ihn jederzeit erreichbar gewesen und sei seiner Pflicht zur Auskunftserteilung uneingeschränkt - auch in persönlichen Gesprächen - nachgekommen.
Mit Urteil vom 14. November 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Das Arbeitsverhältnis sei nicht mit der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit oder mit Ablauf des 31. Januar 2001 beendet worden. Es fehle eine wirksame Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Der Kläger könne auch nicht mit Erfolg einwenden, er habe das Arbeitsverhältnis faktisch nicht beenden können, da der Geschäftsführer flüchtig gewesen sei. Diesem Vorbringen stehe bereits entgegen, dass keine Tatsachen gegeben seien, die diesen Vortrag zu stützen vermögen. Dies zeigten die Erklärungen des Gutachters.
Gegen dieses ihm am 12. Dezember 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12. Januar 2006 Berufung eingelegt.
Zur Begründung trägt er vor: Das vom Sozialgericht gefundene Ergebnis sei unbefriedigend und entspreche nicht dem System des Insolvenzgeldes. Bei einer Interpretation, wie sie das Sozialgericht vornehme, würden durch das Insolvenzgeld nicht die Monate abgedeckt, in denen der Lohnausfall insolvenzbedingt tatsächlich eingetreten sei. Stattdessen würde ein zufälliger Zeitraum nach der Betriebseinstellung gewählt, der mit dem persönlichen Schaden, den der Arbeitnehmer durch die Insolvenz des Arbeitgebers erlitten hat, nicht mehr in Zusammenhang stehe.
Das Arbeitsverhältnis habe ohne schriftliche Kündigung durch den Wegfall der Geschäftsgrundlage geendet. Dieser Tatbestand sei erfüllt, wenn der Vertrag gegenstandslos geworden sei, weil der Zweck des Arbeitsverhältnisses durch äußere Ereignisse endgültig oder doch für unabsehbare Zeit, für Arbeitgeber und Arbeitnehmer erkennbar, unerreichbar geworden sei. Ein solcher Fall sei hier gegeben. Die Gemeinschuldnerin habe in jeder Beziehung als Arbeitgeberin zu existieren aufgehört. Eine andere Betrachtung würde das Arbeitsverhältnis als völlig sinnfreie, leblose, zivil- und sozialrechtlich entleerte Fiktion als fortbestehend betrachten. Auch die Sozialversicherungsträger und das Finanzamt seien nicht von einem bestehenden Arbeitsverhältnis ausgegangen. Die Arbeitsverhältnisse zu allen Mitarbeitern hätten aufgelöst werden sollen, so habe die faktische Betriebsleiterin Frau F. am "letzten Tag" - wohl am 23. Januar 2001 - alle Mitarbeiter zu einer Versammlung einberufen. Bei dieser Versammlung sei die Einstellung des Betriebes mitgeteilt worden und alle Mitarbeiter zur Abgabe einer Kündigung aufgefordert worden. Er sei wohl nur deshalb nicht eingeladen worden, weil er bereits eine Kündigung erhalten habe. Auch sein Arbeitsverhältnis habe in jedem Fall beendet werden sollen. Nachdem er gegenüber dem Arbeitgeber den rückständigen Lohn angemahnt habe, sei er als einziger Mitarbeiter (zu diesem Zeitpunkt) gekündigt worden. Die Anmahnung des Lohnes, verbunden mit der Ankündigung, seine Arbeitskraft zurückzuhalten, sei auf Unverständnis des Arbeitgebers gestoßen. Er habe dies von ihm als Vorarbeiter nicht erwartet. Den anderen Kollegen in der Fertigungsabteilung sei damals nicht gekündigt worden. Es sei damals bei Erhalt der Kündigung auch nicht davon auszugehen gewesen, dass die Fertigungsabteilung geschlossen werde. Es hätten ausreichend Aufträge vorgelegen.
Zu Unrecht sei das Sozialgericht nicht auf sein Argument eingegangen, er habe die Kündigung nicht zustellen können. Der Geschäftsführer sei jedenfalls für ihn als Arbeitnehmer nicht erreichbar gewesen. So ergebe sich aus dem Gutachten, dass der Geschäftsführer Anfeindungen der Belegschaft ausgesetzt gewesen sei. Er habe Ende Januar 2001, vermutlich am 29. Januar 2001, davon erfahren, dass die EMB in Insolvenz gehe. Nachdem er den Antrag auf Insolvenzgeld gestellt habe, sei er in die Firma gefahren, um Näheres in Erfahrung zu bringen. Die Firma sei verschlossen gewesen, er habe keinen zugänglichen Briefkasten mehr gesehen. Auch ein paar Tage danach, als geleaste Fahrzeuge abgeholt werden sollten, sei in der Firma niemand anzutreffen und das Firmengelände sei verschlossen gewesen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 14. November 2005 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 30. November 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2002 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 24. Oktober 2000 bis 23. Januar 2001 Insolvenzgeld in gesetzlicher Höhe, unter Anrechnung bereits gezahlten Insolvenzgeldes, zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die zutreffenden Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft, da der Streitwert die Beschwerdegrenze von 500,00 EUR übersteigt. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 SGG).
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Dessau ist rechtmäßig. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf höheres Insolvenzgeld.
Anspruch auf Insolvenzgeld haben nach § 183 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches – Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) Arbeitnehmer, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei
1. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers,
2. Abweisung des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder
3. vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt,
(Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Es liegt das Insolvenzereignis nach § 183 Abs. 1 Nr. 2 SGB III vor. Das Amtsgericht Magdeburg hat mit Beschluss vom 22. Mai 2001 den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der EMB mangels Masse abgelehnt. Als früheres Insolvenzereignis kommt lediglich die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland bei Masseunzulänglichkeit nach § 183 Abs. 1 Nr. 3 SGB III in Betracht. Diese Voraussetzungen liegen vor dem Insolvenzantrag am 17. Januar 2001 nicht vor. Denn nur auf eine Beendigung der Betriebstätigkeit vor dem Insolvenzantrag kommt es an. Ist dagegen vor der Einstellung der Betriebstätigkeit bereits ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden, entfaltet das Insolvenzereignis der Insolvenzeröffnung/bzw. Nichteröffnung mangels Masse bis zur Entscheidung über den Antrag Sperrwirkung (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 1991 – 10 RAr 3/91 – SozR 3-4100 § 141a Nr. 1). Nach dem eigenen Vortrag des Klägers wurden die Arbeiten mit dem Ablauf des 23. Januar 2001 eingestellt. Dieses Datum ist nach der Auffassung des Klägers das maßgebliche Insolvenzereignis. Es gibt auch keine anderen Hinweise darauf, dass tatsächlich zu einem früheren, vor dem Insolvenzantrag liegenden Zeitpunkt, die Betriebstätigkeit beendet worden sein könnte.
Da ein früheres Insolvenzereignis nicht zu ermitteln ist, ist von dem Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg vom 22. Mai 2001 auszugehen. Der Insolvenzzeitraum umfasst deshalb die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses vor diesem Datum.
Da das Insolvenzgeld die Arbeitsentgeltforderungen der Arbeitnehmer für die letzten drei Monate eines Arbeitsverhältnisses bei einem insolventen Arbeitgeber sichert, richtet sich die Frage nach dem Bestehen und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen. Mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 183 Abs. 1 SGB III ist nämlich nicht das Ende des faktischen oder sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses gemeint, sondern das rechtliche Ende des Arbeitsverhältnisses (vgl. Peters-Lange in Gagel, SGB III; Stand: März 2001, § 183 Rdnr. 75).
Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist durch die arbeitgeberseitige Kündigung vom 12. November 2000 nicht aufgelöst worden. Es kann dahin stehen, ob bereits eine arbeitsrechtliche Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses im Versäumnisurteil auch bei der Prüfung des Insolvenzgeldanspruches eine Bindungswirkung entfaltet, da es für den Insolvenzgeldanspruch auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses im Verhältnis Arbeitnehmer zu Arbeitgeber ankommt. Dafür spricht, dass die Wirkung der arbeitgeberseitigen Kündigung im Verhältnis Arbeitnehmer – Arbeitgeber durch die erfolgreiche Kündigungsschutzklage aus der Welt geschafft worden ist. Selbst wenn man eine solche Tatbestandswirkung jedenfalls für solche Tatsachen, die im arbeitsgerichtlichen – nicht dem Amtsermittlungsgrundsatz unterliegenden – Verfahren unberücksichtigt geblieben sind, nicht anerkennt (LSG NRW, Urteil vom 14. September 2000 – L 9 AL 65/99 – zitiert nach Juris; LSG Berlin, Urteil vom 30. November 2001 L 10 AL 116/00,- NZS 2002, 392), ändert dies das Ergebnis hier nicht. Die vom Kläger benannten Tatsachen geben keine Anhaltspunkte an der Sozialwidrigkeit und damit an der Unwirksamkeit der arbeitgeberseitigen Kündigung gem. § 1 KSchG zu zweifeln. Der betriebliche und persönliche Anwendungsbereich des KSchG ist eröffnet. Es fehlt ein dringendes betriebliches Erfordernis für die Kündigung. Der Kläger ist am 12. November 2000 zu einem Zeitpunkt gekündigt worden, als die spätere Schließung des Betriebes sich noch nicht abzeichnete. Er erhielt als einziger Mitarbeiter seiner Abteilung die Kündigung, obwohl angeblich die Abteilung geschlossen werde sollte. Die weiteren Kündigungen erfolgten erst zum 31. Januar 2001. Auch aus dem Gutachten im Insolvenzverfahren ergibt sich, dass die Arbeitgeberin noch Mitte Januar 2001 davon ausging, die Liquidität wieder herzustellen. Anhaltspunkte für eine vollzogene unternehmerische Entscheidung, wonach der Arbeitsplatz des Klägers schon zum 31. Dezember 2000 weggefallen war, ergeben sich nicht.
Das Arbeitsverhältnis hat auch nicht durch andere Beendigungstatbestände sein Ende gefunden. Seit dem 1. April 2000 können Arbeitsverhältnisse nach § 623 BGB durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag wirksam nur noch schriftlich beendet werden. Ob in der Einstellung der Arbeit und der Arbeitslosmeldung eine Beendigungserklärung liegen kann, ist seither unerheblich, wenn es an einer schriftlichen Erklärung über den Beendigungswillen fehlt. Nach § 125 BGB ist ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, nichtig. Die Einstellung der Beschäftigung und das Verhalten des Arbeitgebers haben demnach das Arbeitsverhältnis rechtlich nicht beenden können. Eine weitere schriftliche Arbeitgeberkündigung hat es nicht gegeben. Der Kläger hat sein Arbeitsverhältnis auch nicht selbst schriftlich gekündigt. Eine solche Kündigungserklärung hat er nicht verfasst und versucht, dem Empfänger zuzustellen. Nach seinem Bekunden hat er nur versucht herauszubekommen, wo er eine noch zu erstellende Kündigung hätte abgeben können. Der Kläger durfte auch nicht von einer Unmöglichkeit oder einer Vereitelung des Zugangs ausgehen. So hat er sich nicht darum gekümmert, die Zustellanschrift des Geschäftsführers herauszufinden. Bei der Firma selbst bzw. bei ihrem Geschäftsführer konnte das Arbeitsgericht sowohl Ende Januar 2001 als auch im April 2001 das Teil- bzw. Schlussversäumnisurteil noch zustellen. Ein Zustellversuch war daher nicht aussichtslos.
Das Arbeitsverhältnis hat auch nicht ohne Kündigungserklärung wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage sein Ende gefunden. Nur unter außergewöhnlichen Umständen kann ein Arbeitsverhältnis ausnahmsweise sein Ende auch ohne besondere rechtsfeststellende oder rechtsgestaltende Erklärung sein Ende finden (vgl. BAG, Urteil vom 3. Oktober 1961 – BAG AP Nr. 4 zu § 242 Geschäftsgrundlage). Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn der ganze Vertrag gegenstandslos geworden ist, weil der Zweck des Arbeitsverhältnisses durch äußere Ereignisse endgültig oder doch für unabsehbare Zeit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer erkennbar unerreichbar geworden ist (vgl. BAG, Urteil vom 24. August 1995 – 8 AZR 134/94 – AP Nr. 17 zu § 242 BGB Geschäftsgrundlage). Einen solchen Fall nahm das BAG bei einem im Jahr 1979 aus der ehemaligen DDR abgeschobenen Arbeitnehmer an, der nach der Wiedervereinigung an sein altes ungekündigtes Arbeitsverhältnis anknüpfen wollte. Ein solcher Extremfall, bei dem durch äußere Ereignisse (Krieg, Abschiebung) das Arbeitsverhältnis gegenstandslos geworden ist, liegt hier nicht vor. Es handelt sich um einen nicht selten vorkommenden Fall im Rahmen der Abwicklung eines Unternehmens bis zur Insolvenzeröffnung bzw. Abweisung mangels Masse. Es steht in solchen Fällen nicht von vornherein fest, dass der Erwerb weiterer Annahmeverzugslohnansprüche nicht gewollt ist. Wäre die Arbeitgeberin nur zahlungsunwillig aber nicht zahlungsunfähig, muss der Erwerb weiterer Annahmeverzugsansprüche gegen das Unternehmen nicht sinnlos sein. Hätte der Kläger nicht schon offene Lohnansprüche für drei Monate vor der Antragstellung auf Insolvenzgeld, hätte es für ihn vorteilhaft sein können, weitere Annahmeverzugslohnansprüche für seinen Insolvenzgeldanspruch zu erwerben.
Das Abstellen auf das rechtliche Ende des Arbeitsverhältnisses ist in diesem Fall auch nicht europarechtskonform zu korrigieren. Zwar hat der EuGH am 15. Mai 2003 – C-160/01 – SozR 4-6084 Art. 3 Nr. 1 entschieden, Art. 3 Abs. 2 und Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie des Europäischen Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (EWGRL 80/987) in der bis zum Inkrafttreten der Richtlinie 2002/74/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 (ABl. L 270) geltenden Fassung seien dahin auszulegen, dass Zeiten des Arbeitsverhältnisses einer im Erziehungsurlaub befindlichen Arbeitnehmerin nicht solche sein könnten, in denen seiner Natur nach keine Ansprüche auf Arbeitsentgelt entstehen könnten und damit der durch die Richtlinie vermittelte Mindestschutz leer liefe. Ein solcher Anwendungsfall liegt hier nicht vor. Die Korrektur bezieht sich nur auf alle Formen des ruhenden Arbeitsverhältnisses (vgl. Peters Lange in Gagel SGB III – Stand Oktober 2005 § 183 Rn. 76c). In dem vorliegenden Arbeitsverhältnis können Ansprüche auf Arbeitsentgelt, nämlich als Annahmeverzugslohn, entstehen, das Arbeitsverhältnis ruht nicht.
Ein Ende des Arbeitsverhältnisses des Klägers mit der EMB lässt sich demnach vor dem Insolvenzereignis am 22. Mai 2001 nicht feststellen. Der Insolvenzgeldzeitraum umfasst deshalb die vor dem 22 Mai 2001 liegenden drei Monate, also den Zeitraum vom 22. Februar 2001 bis zum 21. Mai 2001. Den Insolvenzgeldanspruch des Klägers hat die Beklagte zutreffend berechnet. Urlaubsabgeltung kann der Kläger nicht verlangen, weil Ansprüche, die wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehen, nach § 184 Abs. 1 Nr. 1 SGB III nicht zum Insolvenzgeldanspruch gehören (BSG, Urteil vom 20. Februar 2002 – B 11 AL 71/01 R – SozR 3-4300 § 184 Nr. 1). Auf das Insolvenzgeld war das Arbeitslosengeld, das der Kläger für den Insolvenzzeitraum erhalten hat (89 Leistungstage x 49,05 DM), anzurechnen, weil der Anspruch auf Arbeitsentgelt zum Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs führt (§ 143 Abs. 1 und 3 SGB III). In diesem Umfang wird der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht verbraucht.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
gez. Lauterbach gez. Wulff gez. Exner
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Insolvenzgeld für den Zeitraum Oktober 2000 bis Dezember 2000.
Der am 1953 geborene Kläger schloss zum 1. September 1999 mit der Firma EMB E. GmbH in S. (künftig EMB) einen Arbeitsvertrag als Mitarbeiter der mechanischen Bearbeitung. Nach dem Arbeitsvertrag konnte das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Probezeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 4 Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden. Zum 1. Januar 2000 erhöhte sich sein Stundenlohn als "Verantwortlicher" für die Abteilung Mechanische Fertigung auf 19,00 DM (bei einer 40 Stunden-Woche). Seit September 2000 zahlte die EMB an den Kläger keinen Lohn mehr. Der Kläger mahnte seine Lohnforderungen am 9. November 2000 gegenüber der Arbeitgeberin an und kündigte rechtliche Schritte an. Am 12. November 2000 kündigte seine Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis schriftlich zum 31. Dezember 2000, weil der Bereich konventionelles Drehen zu diesem Datum eingestellt werden würde. In einem Schreiben vom 13. November 2000 teilte der Geschäftführer der EMB mit, sich zu bemühen, bis 30. November 2000 nur noch mit einem Gehalt in Rückstand zu sein. Der Kläger seinerseits machte ab dem 23. November 2000 von seinem Zurückbehaltungsrecht seiner Arbeitsleistung Gebrauch und kündigte an, erst bei Ausgleich der Rückstände die Arbeit wieder aufzunehmen. Zugleich erhob er Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Magdeburg (Az. 10 Ca 67/01).
Zum 1. Januar 2001 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld in Höhe von 343,35 DM wöchentlich (49,05 DM täglich). Am 17. Januar 2001 wurde ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der EMB beim Amtsgericht Magdeburg gestellt. Mit Beschluss vom 18. Januar 2001 beauftragte das Amtsgericht Magdeburg den Betriebswirt Herrn S. , ein schriftliches Gutachten über die Voraussetzungen der Insolvenzeröffnung zu erstellen.
Mit Teilversäumnisurteil vom 29. Januar 2001 stellt das Arbeitsgericht Magdeburg fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Arbeitgeberin vom 12. November 2000 nicht aufgelöst worden ist. Dieses Teilversäumnisurteil wurde rechtskräftig. Am gleichen Tag stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Insolvenzgeld für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2000. Zum Beleg fügte er die Lohnabrechnungen bei. Hieraus ergibt sich für Oktober 2000 und November 2000 jeweils eine Bruttolohnforderung in Höhe von 3.344,00 DM (netto 2.174,52 DM). Später bescheinigte die EMB dem Kläger eine Lohnforderung für Monat Dezember 2000 in Höhe von 3.192,00 DM brutto. Die Beklagte forderte den Kläger am 28. März 2001 auf, mitzuteilen, ob er eine neuerliche Kündigung seines Arbeitsvertrages erhalten habe, da er gegen die ursprüngliche Kündigung erfolgreich geklagt habe. Telefonisch teilte der Kläger am 29. März 2001 mit, eine weitere Kündigung habe es nicht gegeben und er wolle sich bezüglich einer Kündigung mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter in Verbindung setzen. Mit Beschluss vom 22. Mai 2001 wies das Amtsgericht Magdeburg (Geschäftsnr. 351 IN 11/01) den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegenüber der EMB mangels Masse ab.
Im Verlauf des Verwaltungsverfahrens teilte der Kläger der Beklagten mit, er gehe insolvenzbedingt von einem Beendigungszeitpunkt zum 31. Dezember 2000 aus. Nur die betriebsbedingte Kündigung vom 12. November 2000 sei für unwirksam erklärt worden. Damals habe er die Kündigungsschutzklage erhoben, weil nicht allen Mitarbeitern aus der Betriebsabteilung Dreherei gekündigt worden sei. Danach sei insolvenzbedingt der Betrieb stillgelegt worden, hierdurch sei auch sein Arbeitsverhältnis beendet worden.
Mit Bescheid vom 30. November 2001 bewilligte die Beklagte dem Kläger Insolvenzgeld für den Zeitraum 22. Februar 2001 bis 21. Mai 2001 in Höhe von 6.420,57 DM, wovon 4.365,45 DM (89 Leistungstage x 49.05 DM) bereits gewährtes Arbeitslosengeld in Abzug zu bringen seien. Hieraus ergebe sich ein Auszahlungsbetrag in Höhe von 2.055,12 DM. Dabei ging die Beklagte von folgenden Lohnsummen für den betreffenden Zeitraum aus: Anteiliger Februar 2001 760 DM brutto, 510,02 DM netto; März 2001 3.344 DM brutto, 2.228,65 DM netto, April 2001 3.192 DM brutto, 2.151,84 DM netto und für den anteiligen Mai 2001 2.280 DM brutto, 1.530,06 DM netto.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 4. Januar 2002 Widerspruch ein und vertiefte seinen bisherigen Sachvortrag: So seien die Arbeiten bei der EMB mit Ablauf des 23. Januar 2001 eingestellt worden und die Arbeitnehmer hätten zu diesem Zeitpunkt gekündigt. Am 24. Januar 2001 habe eine polizeiliche Hausdurchsuchung bei der EMB stattgefunden. Die EMB sei zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zahlungs- und arbeitsfähig gewesen. Aus diesem Grund sei der 23. Januar 2001 das maßgebliche Insolvenzereignis. Zwangsläufig habe sein Arbeitsverhältnis ebenfalls mit diesem Datum geendet. Die Feststellung des Arbeitsgerichts Magdeburg im Kündigungsschutzprozess stehe dem nicht entgegen. Denn das Arbeitsverhältnis sei nach Klageeinreichung aus anderen Gründen beendet worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. März 2002 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Entgegen der Auffassung des Klägers sei die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit nur dann das maßgebliche Insolvenzereignis, wenn zu diesem Zeitpunkt ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens noch nicht gestellt worden sei. Ein solcher Antrag sei hier aber bereits am 18. Januar 2001 gestellt worden. Es gebe keinen Beendigungstatbestand für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Einstellung der Betriebstätigkeit am 23. Januar 2001.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 2. Mai 2002 Klage vor dem Sozialgericht Dessau erhoben und sein Begehren weiterverfolgt. Er hat betont: Sein Arbeitsverhältnis mit der EMB habe spätestens zum 31. Januar 2001 geendet. Es sei ausgeschlossen, dass die Arbeitsvertragsparteien das Arbeitsverhältnis über diesen Tag hinaus fortsetzen wollten. Er sei zuletzt am 21. Dezember 2000 im Betrieb gewesen, danach nicht mehr. Die Arbeitgeberin sei überhaupt nicht mehr in der Lage gewesen, ihn zu beschäftigen. Wenn die Arbeitgeberin alle anderen Arbeitnehmer zum 31. Januar 2001 entlassen habe, sei nicht anzunehmen, dass sie für ihn eine Ausnahme machen wollte. Die Geschäftsgrundlage des Arbeitsverhältnisses sei durch die Einstellung des Betriebes weggefallen. Aus diesem Grund sei eine schriftliche Kündigung entbehrlich gewesen. Zudem habe er versucht, seiner Arbeitgeberin eine Eigenkündigung zuzustellen. Er habe aber nicht gewusst, wem gegenüber er die Kündigung habe aussprechen sollen, da der Inhaber der Firma flüchtig gewesen sei, und der im Insolvenzverfahren zur Erstellung des Gutachtens beauftragte "Rechtsanwalt" der Meinung gewesen sei, für den Erhalt der Kündigung nicht zuständig zu sein.
Das Sozialgericht hat das Gutachten in dem Insolvenzverfahren der EMB von dem beratenden Betriebswirt M. S. beigezogen. Darin wird ausgeführt: Der Geschäftsbetrieb sei am 24. Januar 2001 bereits vollständig eingestellt gewesen. Der Geschäftsführer der EMB sei noch Mitte Januar 2001 davon ausgegangen, mittels Inanspruchnahme einer bereits genehmigten Förderzuweisung des Landesförderinstituts seine Liquidität wieder herzustellen. Durch den Insolvenzantrag sei die Zuweisung zurückgenommen worden. Am 7. Februar 2001 habe die Kreissparkasse sämtliche Darlehen gekündigt und die Rückzahlung verlangt. Sämtlichen Arbeitnehmern sei nach den Angaben des Geschäftsführers mit Wirkung zum 31. Januar 2001 fristgemäß das Arbeitsverhältnis gekündigt worden. Kündigungsschutzklagen seien nicht bekannt. Eine die Verfahrenskosten deckende Masse sei nicht vorhanden. Auf Befragen des Gerichts hat der Gutachter erläutert: Kündigungsschreiben der Mitarbeiter hätten ihm nicht vorgelegen. Er habe keine Erinnerung, ob der Kläger versucht habe, eine Kündigung seines Arbeitsverhältnisses bei ihm abzugeben. Sollte dies der Fall gewesen sein, hätte er diese zurückgewiesen, da er nicht Vertreterin der Gemeinschuldnerin war. Er könne nicht bestätigen, dass der Geschäftsführer der EMB flüchtig gewesen sei, er sei für ihn jederzeit erreichbar gewesen und sei seiner Pflicht zur Auskunftserteilung uneingeschränkt - auch in persönlichen Gesprächen - nachgekommen.
Mit Urteil vom 14. November 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Das Arbeitsverhältnis sei nicht mit der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit oder mit Ablauf des 31. Januar 2001 beendet worden. Es fehle eine wirksame Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Der Kläger könne auch nicht mit Erfolg einwenden, er habe das Arbeitsverhältnis faktisch nicht beenden können, da der Geschäftsführer flüchtig gewesen sei. Diesem Vorbringen stehe bereits entgegen, dass keine Tatsachen gegeben seien, die diesen Vortrag zu stützen vermögen. Dies zeigten die Erklärungen des Gutachters.
Gegen dieses ihm am 12. Dezember 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12. Januar 2006 Berufung eingelegt.
Zur Begründung trägt er vor: Das vom Sozialgericht gefundene Ergebnis sei unbefriedigend und entspreche nicht dem System des Insolvenzgeldes. Bei einer Interpretation, wie sie das Sozialgericht vornehme, würden durch das Insolvenzgeld nicht die Monate abgedeckt, in denen der Lohnausfall insolvenzbedingt tatsächlich eingetreten sei. Stattdessen würde ein zufälliger Zeitraum nach der Betriebseinstellung gewählt, der mit dem persönlichen Schaden, den der Arbeitnehmer durch die Insolvenz des Arbeitgebers erlitten hat, nicht mehr in Zusammenhang stehe.
Das Arbeitsverhältnis habe ohne schriftliche Kündigung durch den Wegfall der Geschäftsgrundlage geendet. Dieser Tatbestand sei erfüllt, wenn der Vertrag gegenstandslos geworden sei, weil der Zweck des Arbeitsverhältnisses durch äußere Ereignisse endgültig oder doch für unabsehbare Zeit, für Arbeitgeber und Arbeitnehmer erkennbar, unerreichbar geworden sei. Ein solcher Fall sei hier gegeben. Die Gemeinschuldnerin habe in jeder Beziehung als Arbeitgeberin zu existieren aufgehört. Eine andere Betrachtung würde das Arbeitsverhältnis als völlig sinnfreie, leblose, zivil- und sozialrechtlich entleerte Fiktion als fortbestehend betrachten. Auch die Sozialversicherungsträger und das Finanzamt seien nicht von einem bestehenden Arbeitsverhältnis ausgegangen. Die Arbeitsverhältnisse zu allen Mitarbeitern hätten aufgelöst werden sollen, so habe die faktische Betriebsleiterin Frau F. am "letzten Tag" - wohl am 23. Januar 2001 - alle Mitarbeiter zu einer Versammlung einberufen. Bei dieser Versammlung sei die Einstellung des Betriebes mitgeteilt worden und alle Mitarbeiter zur Abgabe einer Kündigung aufgefordert worden. Er sei wohl nur deshalb nicht eingeladen worden, weil er bereits eine Kündigung erhalten habe. Auch sein Arbeitsverhältnis habe in jedem Fall beendet werden sollen. Nachdem er gegenüber dem Arbeitgeber den rückständigen Lohn angemahnt habe, sei er als einziger Mitarbeiter (zu diesem Zeitpunkt) gekündigt worden. Die Anmahnung des Lohnes, verbunden mit der Ankündigung, seine Arbeitskraft zurückzuhalten, sei auf Unverständnis des Arbeitgebers gestoßen. Er habe dies von ihm als Vorarbeiter nicht erwartet. Den anderen Kollegen in der Fertigungsabteilung sei damals nicht gekündigt worden. Es sei damals bei Erhalt der Kündigung auch nicht davon auszugehen gewesen, dass die Fertigungsabteilung geschlossen werde. Es hätten ausreichend Aufträge vorgelegen.
Zu Unrecht sei das Sozialgericht nicht auf sein Argument eingegangen, er habe die Kündigung nicht zustellen können. Der Geschäftsführer sei jedenfalls für ihn als Arbeitnehmer nicht erreichbar gewesen. So ergebe sich aus dem Gutachten, dass der Geschäftsführer Anfeindungen der Belegschaft ausgesetzt gewesen sei. Er habe Ende Januar 2001, vermutlich am 29. Januar 2001, davon erfahren, dass die EMB in Insolvenz gehe. Nachdem er den Antrag auf Insolvenzgeld gestellt habe, sei er in die Firma gefahren, um Näheres in Erfahrung zu bringen. Die Firma sei verschlossen gewesen, er habe keinen zugänglichen Briefkasten mehr gesehen. Auch ein paar Tage danach, als geleaste Fahrzeuge abgeholt werden sollten, sei in der Firma niemand anzutreffen und das Firmengelände sei verschlossen gewesen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 14. November 2005 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 30. November 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2002 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 24. Oktober 2000 bis 23. Januar 2001 Insolvenzgeld in gesetzlicher Höhe, unter Anrechnung bereits gezahlten Insolvenzgeldes, zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die zutreffenden Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft, da der Streitwert die Beschwerdegrenze von 500,00 EUR übersteigt. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 SGG).
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Dessau ist rechtmäßig. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf höheres Insolvenzgeld.
Anspruch auf Insolvenzgeld haben nach § 183 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches – Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) Arbeitnehmer, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei
1. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers,
2. Abweisung des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder
3. vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt,
(Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Es liegt das Insolvenzereignis nach § 183 Abs. 1 Nr. 2 SGB III vor. Das Amtsgericht Magdeburg hat mit Beschluss vom 22. Mai 2001 den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der EMB mangels Masse abgelehnt. Als früheres Insolvenzereignis kommt lediglich die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland bei Masseunzulänglichkeit nach § 183 Abs. 1 Nr. 3 SGB III in Betracht. Diese Voraussetzungen liegen vor dem Insolvenzantrag am 17. Januar 2001 nicht vor. Denn nur auf eine Beendigung der Betriebstätigkeit vor dem Insolvenzantrag kommt es an. Ist dagegen vor der Einstellung der Betriebstätigkeit bereits ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden, entfaltet das Insolvenzereignis der Insolvenzeröffnung/bzw. Nichteröffnung mangels Masse bis zur Entscheidung über den Antrag Sperrwirkung (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 1991 – 10 RAr 3/91 – SozR 3-4100 § 141a Nr. 1). Nach dem eigenen Vortrag des Klägers wurden die Arbeiten mit dem Ablauf des 23. Januar 2001 eingestellt. Dieses Datum ist nach der Auffassung des Klägers das maßgebliche Insolvenzereignis. Es gibt auch keine anderen Hinweise darauf, dass tatsächlich zu einem früheren, vor dem Insolvenzantrag liegenden Zeitpunkt, die Betriebstätigkeit beendet worden sein könnte.
Da ein früheres Insolvenzereignis nicht zu ermitteln ist, ist von dem Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg vom 22. Mai 2001 auszugehen. Der Insolvenzzeitraum umfasst deshalb die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses vor diesem Datum.
Da das Insolvenzgeld die Arbeitsentgeltforderungen der Arbeitnehmer für die letzten drei Monate eines Arbeitsverhältnisses bei einem insolventen Arbeitgeber sichert, richtet sich die Frage nach dem Bestehen und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen. Mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 183 Abs. 1 SGB III ist nämlich nicht das Ende des faktischen oder sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses gemeint, sondern das rechtliche Ende des Arbeitsverhältnisses (vgl. Peters-Lange in Gagel, SGB III; Stand: März 2001, § 183 Rdnr. 75).
Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist durch die arbeitgeberseitige Kündigung vom 12. November 2000 nicht aufgelöst worden. Es kann dahin stehen, ob bereits eine arbeitsrechtliche Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses im Versäumnisurteil auch bei der Prüfung des Insolvenzgeldanspruches eine Bindungswirkung entfaltet, da es für den Insolvenzgeldanspruch auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses im Verhältnis Arbeitnehmer zu Arbeitgeber ankommt. Dafür spricht, dass die Wirkung der arbeitgeberseitigen Kündigung im Verhältnis Arbeitnehmer – Arbeitgeber durch die erfolgreiche Kündigungsschutzklage aus der Welt geschafft worden ist. Selbst wenn man eine solche Tatbestandswirkung jedenfalls für solche Tatsachen, die im arbeitsgerichtlichen – nicht dem Amtsermittlungsgrundsatz unterliegenden – Verfahren unberücksichtigt geblieben sind, nicht anerkennt (LSG NRW, Urteil vom 14. September 2000 – L 9 AL 65/99 – zitiert nach Juris; LSG Berlin, Urteil vom 30. November 2001 L 10 AL 116/00,- NZS 2002, 392), ändert dies das Ergebnis hier nicht. Die vom Kläger benannten Tatsachen geben keine Anhaltspunkte an der Sozialwidrigkeit und damit an der Unwirksamkeit der arbeitgeberseitigen Kündigung gem. § 1 KSchG zu zweifeln. Der betriebliche und persönliche Anwendungsbereich des KSchG ist eröffnet. Es fehlt ein dringendes betriebliches Erfordernis für die Kündigung. Der Kläger ist am 12. November 2000 zu einem Zeitpunkt gekündigt worden, als die spätere Schließung des Betriebes sich noch nicht abzeichnete. Er erhielt als einziger Mitarbeiter seiner Abteilung die Kündigung, obwohl angeblich die Abteilung geschlossen werde sollte. Die weiteren Kündigungen erfolgten erst zum 31. Januar 2001. Auch aus dem Gutachten im Insolvenzverfahren ergibt sich, dass die Arbeitgeberin noch Mitte Januar 2001 davon ausging, die Liquidität wieder herzustellen. Anhaltspunkte für eine vollzogene unternehmerische Entscheidung, wonach der Arbeitsplatz des Klägers schon zum 31. Dezember 2000 weggefallen war, ergeben sich nicht.
Das Arbeitsverhältnis hat auch nicht durch andere Beendigungstatbestände sein Ende gefunden. Seit dem 1. April 2000 können Arbeitsverhältnisse nach § 623 BGB durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag wirksam nur noch schriftlich beendet werden. Ob in der Einstellung der Arbeit und der Arbeitslosmeldung eine Beendigungserklärung liegen kann, ist seither unerheblich, wenn es an einer schriftlichen Erklärung über den Beendigungswillen fehlt. Nach § 125 BGB ist ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, nichtig. Die Einstellung der Beschäftigung und das Verhalten des Arbeitgebers haben demnach das Arbeitsverhältnis rechtlich nicht beenden können. Eine weitere schriftliche Arbeitgeberkündigung hat es nicht gegeben. Der Kläger hat sein Arbeitsverhältnis auch nicht selbst schriftlich gekündigt. Eine solche Kündigungserklärung hat er nicht verfasst und versucht, dem Empfänger zuzustellen. Nach seinem Bekunden hat er nur versucht herauszubekommen, wo er eine noch zu erstellende Kündigung hätte abgeben können. Der Kläger durfte auch nicht von einer Unmöglichkeit oder einer Vereitelung des Zugangs ausgehen. So hat er sich nicht darum gekümmert, die Zustellanschrift des Geschäftsführers herauszufinden. Bei der Firma selbst bzw. bei ihrem Geschäftsführer konnte das Arbeitsgericht sowohl Ende Januar 2001 als auch im April 2001 das Teil- bzw. Schlussversäumnisurteil noch zustellen. Ein Zustellversuch war daher nicht aussichtslos.
Das Arbeitsverhältnis hat auch nicht ohne Kündigungserklärung wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage sein Ende gefunden. Nur unter außergewöhnlichen Umständen kann ein Arbeitsverhältnis ausnahmsweise sein Ende auch ohne besondere rechtsfeststellende oder rechtsgestaltende Erklärung sein Ende finden (vgl. BAG, Urteil vom 3. Oktober 1961 – BAG AP Nr. 4 zu § 242 Geschäftsgrundlage). Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn der ganze Vertrag gegenstandslos geworden ist, weil der Zweck des Arbeitsverhältnisses durch äußere Ereignisse endgültig oder doch für unabsehbare Zeit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer erkennbar unerreichbar geworden ist (vgl. BAG, Urteil vom 24. August 1995 – 8 AZR 134/94 – AP Nr. 17 zu § 242 BGB Geschäftsgrundlage). Einen solchen Fall nahm das BAG bei einem im Jahr 1979 aus der ehemaligen DDR abgeschobenen Arbeitnehmer an, der nach der Wiedervereinigung an sein altes ungekündigtes Arbeitsverhältnis anknüpfen wollte. Ein solcher Extremfall, bei dem durch äußere Ereignisse (Krieg, Abschiebung) das Arbeitsverhältnis gegenstandslos geworden ist, liegt hier nicht vor. Es handelt sich um einen nicht selten vorkommenden Fall im Rahmen der Abwicklung eines Unternehmens bis zur Insolvenzeröffnung bzw. Abweisung mangels Masse. Es steht in solchen Fällen nicht von vornherein fest, dass der Erwerb weiterer Annahmeverzugslohnansprüche nicht gewollt ist. Wäre die Arbeitgeberin nur zahlungsunwillig aber nicht zahlungsunfähig, muss der Erwerb weiterer Annahmeverzugsansprüche gegen das Unternehmen nicht sinnlos sein. Hätte der Kläger nicht schon offene Lohnansprüche für drei Monate vor der Antragstellung auf Insolvenzgeld, hätte es für ihn vorteilhaft sein können, weitere Annahmeverzugslohnansprüche für seinen Insolvenzgeldanspruch zu erwerben.
Das Abstellen auf das rechtliche Ende des Arbeitsverhältnisses ist in diesem Fall auch nicht europarechtskonform zu korrigieren. Zwar hat der EuGH am 15. Mai 2003 – C-160/01 – SozR 4-6084 Art. 3 Nr. 1 entschieden, Art. 3 Abs. 2 und Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie des Europäischen Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (EWGRL 80/987) in der bis zum Inkrafttreten der Richtlinie 2002/74/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 (ABl. L 270) geltenden Fassung seien dahin auszulegen, dass Zeiten des Arbeitsverhältnisses einer im Erziehungsurlaub befindlichen Arbeitnehmerin nicht solche sein könnten, in denen seiner Natur nach keine Ansprüche auf Arbeitsentgelt entstehen könnten und damit der durch die Richtlinie vermittelte Mindestschutz leer liefe. Ein solcher Anwendungsfall liegt hier nicht vor. Die Korrektur bezieht sich nur auf alle Formen des ruhenden Arbeitsverhältnisses (vgl. Peters Lange in Gagel SGB III – Stand Oktober 2005 § 183 Rn. 76c). In dem vorliegenden Arbeitsverhältnis können Ansprüche auf Arbeitsentgelt, nämlich als Annahmeverzugslohn, entstehen, das Arbeitsverhältnis ruht nicht.
Ein Ende des Arbeitsverhältnisses des Klägers mit der EMB lässt sich demnach vor dem Insolvenzereignis am 22. Mai 2001 nicht feststellen. Der Insolvenzgeldzeitraum umfasst deshalb die vor dem 22 Mai 2001 liegenden drei Monate, also den Zeitraum vom 22. Februar 2001 bis zum 21. Mai 2001. Den Insolvenzgeldanspruch des Klägers hat die Beklagte zutreffend berechnet. Urlaubsabgeltung kann der Kläger nicht verlangen, weil Ansprüche, die wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehen, nach § 184 Abs. 1 Nr. 1 SGB III nicht zum Insolvenzgeldanspruch gehören (BSG, Urteil vom 20. Februar 2002 – B 11 AL 71/01 R – SozR 3-4300 § 184 Nr. 1). Auf das Insolvenzgeld war das Arbeitslosengeld, das der Kläger für den Insolvenzzeitraum erhalten hat (89 Leistungstage x 49,05 DM), anzurechnen, weil der Anspruch auf Arbeitsentgelt zum Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs führt (§ 143 Abs. 1 und 3 SGB III). In diesem Umfang wird der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht verbraucht.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
gez. Lauterbach gez. Wulff gez. Exner
Rechtskraft
Aus
Login
SAN
Saved