S 30 VG 8/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
30
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 VG 8/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VG 1/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 9. August 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2006 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist eine Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) wegen eines gewaltsamen Angriffs vom 29.05.2004. Die AOK Bayern beantragte am 18.01.2005 für den 1985 geborenen Kläger Leistungen der Opferentschädigung, nachdem der Kläger am 29.05.2004 bei einer Schlägerei schwere Verletzungen davongetragen hatte. Am 24.01.2005 folgte ein gleichlautender eigener Antrag des Klägers. Zum aktuellen gesundheitlichen Zustand des Klägers wurde ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen in Bayern vom 06.12.2004 vorgelegt. Darin wurde die Anerkennung der Pflegestufe 1 ab Oktober 2004 empfohlen, weil der Kläger rollstuhlpflichtig sei und unter Aphasie leide. Nachdem bis 28.09.2004 eine Ernährungssonde zum Einsatz gekommen sei, sei jetzt allerdings wieder orale Nahrungszufuhr möglich. Die Pflege werde durch die Mutter wahrgenommen. Die Ermittlungen zum schädigenden Ereignis führten zur Rekonstruktion einer Schlägerei unter erheblich betrunkenen Personen im jugendlich-russlanddeutschen Milieu. Ein G. H. wurde als Täter gegen den Kläger ermittelt. Eine bei der Polizei abgegebene Zeugenaussage eines V. I. machte den Kläger dafür verantwortlich, den gegenüber ihm gewalttätig gewordenen G. H. tätlich provoziert zu haben. Die Fallbearbeitung durch Polizei und Strafjustiz mündete in ein Strafurteil des Amtsgerichts I., Jugendschöffengericht, vom 26.01.2005. Darin wurde der am 28.05.1985 in Russland geborene G. H. unter Einbeziehung eines früheren Urteils des Amtsgerichts I. vom 19.05.2004 wegen zweifacher vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Einheitsjugendstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten verurteilt. Er war in den Jahren 2002 und 2004 mehrfach u.a. wegen räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung vorbestraft worden. Zu einer Verurteilung wegen zweifacher Körperverletzung kam es wegen der Berücksichtigung einer vorliegend nicht gegenständlichen zusätzlichen Tat in der Justizvollzugsanstalt H ... Die Folge der Schläge gegen den Kläger wurde vom Strafgericht als einheitliche Tathandlung betrachtet. Zu deren Ablauf und Folgen führte das Urteil aus: "In der Nacht vom 28. auf 29.05.2004 feierte der Angeklagte seinen 19. Geburtstag in der Wohnung seiner Eltern. Gegen 0.30 h erschien der später geschädigte M. Z. zusammen mit einem Bekannten A. B. auf der Feierlichkeit und hielt sich dort bis in die frühen Morgenstunden auf. Etwa gegen 6.00 h morgens begann der stark betrunkene Geschädigte den Angeklagten zu beleidigen, indem er ihn auf Russisch als Hurensohn, Wichser und Ähnliches bezeichnete. Dabei schlug der Geschädigte dem Angeklagten auch mehrmals mit der Hand ins Gesicht. Die Situation beruhigte sich jedoch zunächst wieder, nachdem der Angeklagte beruhigend auf den erkennbar Betrunkenen einsprach. Der Angeklagte begab sich sodann in sein Schlafzimmer, um einen anderen Partygast aufzuwecken. Während der Angeklagte nun versuchte, den tief schlafenden W. V. zu wecken, trat ihm der Geschädigte, welcher ihm gefolgt war, von hinten in den Gesäßbereich und beleidigte ihn dabei weiterhin. Es handelte sich hierbei zunächst um relativ leichte Tritte, welche den Angeklagten eher provozieren sollten. Nachdem der Geschädigte Z. jedoch den Angeklagten einmal an seinen Genitalien traf, was beim Angeklagten einen deutlichen Schmerz hervorrief, drehte sich dieser blitzschnell um und schlug dem Geschädigten unvermittelt mit der Faust ins Gesicht, worauf dieser nach rückwärts geworfen wurde und nach Anschlag des Kopfes gegen den Schreibtisch auf dem Rücken zu liegen kam. Dem Angeklagten war hierbei bewusst, dass er von einem Volltrunkenen angegriffen war. Auch wusste er, dass leistungssportmäßig Kickboxen betrieb und deshalb im Faustkampf ausgebildet war (Satzbau sic!). Auch aufgrund des kurzfristigen Schmerzgefühls an den Hoden war der Angeklagte jedoch so verwirrt, dass er der Ansicht war, mit einem massiven Faustschlag reagieren zu dürfen, obwohl er den erkennbar volltrunkenen Geschädigten lediglich mit milderen Mitteln hätte abwehren dürfen. Nachdem der Geschädigte nunmehr hilflos am Boden lag, beugte sich der Angeklagte ohne rechtfertigenden oder entschuldigenden Grund über ihn und schlug ihm mehrmals mit der Faust ins Gesicht. Als er sich danach aufrichtete, trat er ihn noch zweimal mit dem Fuß in die Rippen. Deshalb wurde er vom anwesenden Zeugen A. B. von hinten gepackt und trat in der Wut noch einmal mit dem Fuß in Richtung Gesicht, welches er auch an der linken Stirnseite traf. Durch die Schläge des Angeklagten wurde der Geschädigte erheblich verletzt. Er erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma mit Blutergüssen im Stammhirn und war mehrere Wochen ohne Bewusstsein. Zusätzlich erlitt er eine Nasenbeinfraktur mit zahlreichen Hämatomen am Kopf. Er ist heute schwerbeschädigt und kann alltägliche Dinge des Lebens nicht mehr selbst tun, sondern muss von seiner Mutter unterstützt werden. Auch ist es ihm nicht möglich, ganze Sätze auszusprechen. Es ist davon auszugehen, dass der Geschädigte hirnorganisch geschädigt bleibt. Ob die schwere hirnorganische Schädigung bereits durch den ersten Schlag oder durch einen der späteren Schläge verursacht worden ist, konnte nicht mehr sicher festgestellt werden."

Bezüglich des ersten Schlages des Täters konnte das Gericht nicht ausschließen, dass er nach einem schmerzhaften Schlag in seine Genitalien kurzfristig verwirrt war und deshalb im Sinne einer Notwehrüberschreitung schuldlos handelte. Weil des weiteren nicht ausgeschlossen werden konnte, dass die bleibende schwere Verletzung des Klägers durch diesen ersten Schlag verursacht wurde, verurteilte das Amtsgericht G. H. insgesamt nur wegen einfacher vorsätzlicher Körperverletzung. Ein Rechtfertigungsgrund der Notwehr wurde für die Verletzungshandlungen nicht anerkannt. Als geübter Kampfsportler hätte der Täter gegen den Kläger nach Auffassung des Gerichts nicht so aggressiv vorgehen dürfen. Mit Bescheid vom 09.08.2005 lehnte der Beklagte den Antrag auf Beschädigtenversorgung ab. In der Begründung wurde der vorsätzliche rechtswidrige tätliche Angriff gegen den Kläger bejaht, doch wurde nach § 2 Abs. 1 S. 1 OEG die Versagung der Leistungen ausgesprochen, weil eine Entschädigung unbillig sei. Die Tätlichkeiten seien vom Kläger ausgegangen und ursächlich für den ersten Faustschlag des G. H. gewesen. Letztlich habe der Kläger sogar einen rechtswidrigen Angriff gegen ihn durchgeführt, welcher lediglich wegen seiner Alkoholisierung nicht zu einem Notwehrrecht des G. H. geführt habe. Somit sei es unbillig, zumindest für die Folgen des ersten Faustschlages eine Versorgung nach dem OEG zu gewähren. Da es nicht mehr feststellbar sei, ob die schwere hirnorganische Schädigung bereits durch den ersten Schlag oder durch einen der späteren Schläge verursacht worden sei, sei die Versorgung in vollem Umfang zu versagen. Mit seinem Widerspruch hiergegen ließ der Kläger vortragen, wegen seiner Alkoholisierung keine Verantwortung für sein Verhalten zu tragen. Das Amtsgericht habe richtig festgestellt, dass keine Notwehrsituation vorgelegen habe und der Schädiger in höchstem Maße überreagiert habe. Im zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 15.02.2006 führte der Beklagte in Verschärfung der ursprünglichen Begründung des Ablehnungsbescheids aus, der Kläger habe die gegen ihn geführten Schläge im Sinne von § 2 Abs. 1 1. Alt. OEG mitverursacht. Mit der Klage wurde neuerlich eine Versorgung nach dem OEG gefordert. Ein am 19.12.2006 begonnener Termin zur mündlichen Verhandlung musste vertagt werden, weil die seit neun Monaten ausstehende Klagebegründung erst am Tag vor der Sitzung eintraf und das Gericht dem Beklagten die Möglichkeit zur Stellungnahme geben musste. In dieser nachgereichten Klagebegründung wurde vorgetragen, der Kläger habe wegen seines Alkoholkonsums keine Verantwortung für ein etwaiges provozierendes Verhalten getragen, sich ein solches aber außerdem auch gar nicht habe zuschulden kommen lassen. Der Zeuge, der den Kläger insoweit belastet habe, sei ein Freund und Verwandter des Schädigers. Sein Aussageverhalten weise eindeutig nach, dass er stets bemüht gewesen sei, zu Gunsten des Schädigers auszusagen. Im Strafurteil werde der Eindruck des Gerichts bestätigt, dass der Zeuge seinen Freund H. habe beschützen wollen. Des weiteren werden die Ausführungen des Strafurteils zur Überreaktion des Täters und zum Ausschluss eines ihn entlastenden Notwehrrechts zitiert. Hinsichtlich einer zeitweisen Unklarheit, ob die Schlägerei auf dem Volksfest I. oder in der Wohnung des Schädigers stattgefunden habe, bezichtigte die Klagebegründung den G. H. der Anstiftung diverser Zeugen zu falschen Aussagen bei der Polizei. Gegen den Schädiger spreche des weiteren, dass er eine Körperverletzung zulasten eines eigentlich guten Freundes begangen habe. Zuletzt habe er den Kläger sogar mit Füßen getreten, als er bereits wehrlos auf dem Boden gelegen habe. Nicht außer Acht zu lassen seien die schwersten Verletzungen und bleibenden gesundheitlichen Schädigungen des Klägers. An dem neuerlichen Termin zur mündlichen Verhandlung, der mit Verkündung des vorliegenden Urteils endete, nahmen weder der Kläger noch sein Vertreter teil.

Der Kläger beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 09.08.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2006 zur Zahlung von Versorgungsleistungen zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat die Akten des Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte sowie auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage wurde nach Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Widerspruchsverfahrens form- und fristgerecht beim zuständigen Gericht erhoben und ist somit zulässig. Sie ist jedoch in der Sache nicht begründet. § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG gibt demjenigen einen Anspruch auf staatliche Versorgung, der infolge eines vorsätzlichen rechtswidrigen Angriffs gegen seine oder eine andere Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Auf das Bundesversorgungsgesetz (BVG) wird verwiesen. § 30 Abs. 1 Satz 1 gebietet zur Prüfung des Anspruchs auf Beschädigtenrente die Beurteilung der MdE nach der körperlichen und geistigen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben; dabei sind seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen. § 2 Abs. 1 S. 1 OEG lautet: Leistungen sind zu versagen, wenn der Geschädigte die Schädigung mitverursacht hat oder wenn es aus sonstigen, insbesondere in dem eigenen Verhalten des Anspruchsstellers liegenden Gründen unbillig wäre, Entschädigung zu gewähren. Das rechtskräftige Strafurteil gegen G. H. diente dem Beklagten wie auch dem Gericht als Grundlage für die unstreitige Feststellung, dass dieser den objektiven Tatbestand einer rechtswidrigen und vorsätzlichen schweren Körperverletzung gegen den Kläger verwirklicht hat. Die Ausführungen der Klage, mit denen dem Schädiger eine Rechtfertigung seines Vorgehens durch Notwehr abgesprochen wird, sind gegenstandslos, weil das Strafgericht eine Notwehrlage verneint hat. Nur deshalb konnte es zu einer Verurteilung wegen rechtswidriger Tat kommen und nur in Übernahme dieser strafgerichtlichen Feststellung konnte der Beklagte einen Tatbestand nach § 1 OEG anerkennen. § 2 Abs. 1 S. 1 OEG soll nicht eine zusätzliche Diskussion der Vorsätzlichkeit und/oder Rechtswidrigkeit einer im Prinzip anspruchsbegründenden Gewalttat oder einen Beurteilungsspielraum über deren Verwerflichkeit eröffnen, sondern schließt aufgrund eines Verhaltens des Opfers eine Versorgung trotz unzweifelhaft rechtswidriger und vorsätzlicher Schädigung aus. Vorrangig ist zu prüfen, ob der Anspruchsteller seine Verletzung selbst verursacht hat. Der Beklagte hat dies im Widerspruchsbescheid festgestellt und die Versorgung demgemäß abgelehnt. Die dadurch ersetzte ursprüngliche Versagung im Ablehnungsbescheid wegen einer Provokation der Schädigung im Sinne der zweiten Alternative der Vorschrift ist deshalb nicht mehr streitgegenständlich. Die Feststellung, dass der Kläger seine Schädigung selbst verursacht hat, ist gerichtlich nicht zu beanstanden. Am 29.05.2005 hatten der Kläger, G. H. und andere junge Männer einen stundenlangen erheblichen oder sogar exzessiven Alkoholgenuss hinter sich. Fast alle Beteiligten schliefen oder waren müde. Eine Konfliktlage war nicht gegeben. In dieser Situation hat der Kläger eine verbale und alsbald auch tätliche Auseinandersetzung mit G. H. willkürlich vom Zaun gebrochen. Er hat mit seinen im strafgerichtlichen Urteil beschriebenen Äußerungen und Handlungen selbst rechtswidrige und vorsätzliche Straftaten der Beleidigung und vorsätzlichen Körperverletzung begangen. Das von der Literatur (Kunz/Zellner, Opferentschädigungsgesetz, München 1999, § 2 Rdnr. 5) geforderte Verschulden des Klägers ist nicht durch das Ausmaß seiner eigenen Alkoholisierung ausgeschlossen, das bei der ärztlichen Erstfeststellung mit 1,85 Promille ermittelt wurde (Bl. 66 der Beklagtenakte). Im übrigen erscheint es nicht als angemessen, dem Kläger seinen Alkoholkonsum schuldausschließend zu Gute zu halten, nachdem beim ebenfalls stark betrunkenen Schädiger keine Minderung der Schuldfähigkeit für seine Aggressionshandlungen in derselben Konfrontation anerkannt wurde. Beide Kontrahenten vom Strafgericht als "volltrunken" bezeichnet, ohne dass ihre Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit bezweifelt wurde. Zum Wesen der Verursachung einer Schädigung durch das Opfer in der hier dokumentierten Weise gehört es, das Ausmaß der Reaktion auf eigenes Fehlverhalten weder vorhersehen noch steuern zu können. Wer mit Beleidigungen und Tätlichkeiten beginnt, muss zwar im straf- und zivilrechtlichen Sinne nur mit angemessener Notwehr rechnen, riskiert aber entsprechend der Lebenserfahrung auch eine nicht mehr vom Notwehrrecht gedeckte strafbare Überreaktion seines Kontrahenten. Die Überreaktion von G. H. war zwar nicht erlaubt, im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 OEG aber immer noch unmittelbar kausal und in vorwerfbarer Weise vom Kläger verursacht. Der Beklagte hat im Widerspruchsbescheid nicht mehr eine falsche Argumentation seines Ausgangsbescheides wiederholt. Dort war ausgeführt worden, dass eine Versorgung wegen der Folgen jedenfalls des ersten Schlages von G. H. unter dem Aspekt der Provokation unbillig sei. Da nicht mehr feststellbar sei, ob die schwere hirnorganische Schädigung bereits durch den ersten Schlag oder durch einen der späteren Schläge verursacht worden sei, sei die Versorgung in vollem Umfange zu versagen. Damit übernahm der Beklagte in fehlerhafter Weise eine Überlegung aus dem Strafurteil. Weil das Strafgericht nicht ausschließen konnte, dass die erhebliche Hirnschädigung mit der Folge der Qualifizierung der Körperverletzung als "schwer" bereits durch den ersten Schlag eingetreten ist, und es des weiteren für diesen Schlag eine schuldausschließende Notwehrüberschreitung nicht ausschließen konnte, verurteilte es den Kläger nur wegen einfacher Körperverletzung. Die Versagung der Versorgung ist jedoch in Umkehrung der Beweislast nur möglich, wenn für jeden denkbaren Ablauf, also auch für den Fall der wesentlichen Schädigung erst durch die letzten Schläge, die Versagungsgründe nachgewiesen sind. Das Gericht kommt entsprechend der dargestellten eigenen Haftung des Klägers auch für eine von ihm selbstverständlich nicht gewollte und nicht ohne weiteres vorhersehbare Eskalation zu dem Ergebnis, dass auch die besonders verwerflichen Schläge gegen den bereits liegenden und kampfunfähigen Kläger noch im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 OEG von diesem verursacht worden sind. Die Aggressionshandlungen des Klägers sind auch für die nur noch bösartige Rache des G. H. im Sinne der Verursachung nicht wegzudenken. Das Gericht hat in diese Bewertung durchaus wie vom Klägervertreter verlangt die schweren Folgen der Gewalttat für den Kläger für sein ganzes weiteres Leben einbezogen. Es durfte aber auch nicht außer Betracht lassen, dass der Schädiger im Falle der Zusprache einer Versorgung durch den Regress des Beklagten in einem vermutlich für seine jedenfalls wirtschaftliche Existenz gleichermaßen lebenslang in einer kaum absehbaren Dimension belastet würde. Die Beurteilung der Kausalität des Verhaltens des Klägers auch für die letzten gegen ihn geführten Schläge von G. H. gehört zu den schwierigen Bewertungsfragen, bei deren Beantwortung nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Kammer unter dem Eindruck einer zielführenden Darlegung des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Der in so vielen anderen Fällen mit Blick auf Gesetz und ständige Rechtsprechung übliche eindringliche Vorschlag des vorsitzenden Richters bleibt in der solchen Lage aus. Indem der Klägervertreter den ersten Sitzungstermin mit der zu späten Vorlage einer Klagebegründung in eine alsbaldige Vertagung münden ließ und dem zweiten Termin unentschuldigt fernblieb, hat er auf die klassische prozessuale Möglichkeit verzichtet, das Gericht von seinem Standpunkt zu überzeugen. Seine schriftliche Klagebegründung war nicht geeignet, die Entscheidung des Beklagten zu Fall zu bringen. Dass die nochmalige Widerlegung einer bereits vom Strafgericht nicht anerkannten Notwehrlage unergiebig ist, wurde schon dargelegt. Keinesfalls konnte das Sozialgericht die vom Amtsgericht in der Sache gegen G. H. einvernommenen Zeugen einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht bezichtigen und das auf ihre Aussagen gestützte rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts für falsch erklären. Wenn der Kläger die für ihn nachteiligen Aussagen des Strafurteils hätte anfechten wollen, so hätte er die prozessualen Möglichkeiten als Nebenkläger ausschöpfen müssen. Das Sozialgericht ist jedoch nicht die richtige Instanz zur Korrektur strafgerichtlicher Feststellungen. Im Übrigen hat das Amtsgericht ja durchaus eine vorsätzliche rechtswidrige Körperverletzung des G. H. gegen den Kläger festgestellt und dessen Handlungsweise und Mentalität auch unter dem Eindruck der ihn angeblich unzutreffend begünstigenden Zeugenaussagen mit scharfen Worten und einem keinesfalls belanglosen Strafmaß verurteilt. Das Gericht musste auch nicht den speziellen Einwand nachgehen, die Auseinandersetzung zwischen Schädiger und Kläger habe gar nicht in der Wohnung des Schädigers stattgefunden, sondern auf dem I. Volksfest. Der Ausschank eines Volksfestes pflegt lange vor Mitternacht zu enden, so dass es keinesfalls plausibel wäre, dass der Kläger morgens um 6 h blutüberströmt "vom Volksfest" gekommen sein soll. Ohne eine Erläuterung, wo die am Geschehen beteiligten Personen die Nacht verbracht haben sollten bzw. was sie auf dem stundenlangen verödeten Gelände des Volksfestes die Nacht über getan haben sollten, bleibt die "Variante Volksfest" inhaltsleer.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Rechtskraft
Aus
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