L 3 AL 3400/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 1662/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 3400/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 27. Juli 2004 und der Bescheid der Beklagten vom 16. September 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2003 aufgehoben.

Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung und Rückforderung von in der Zeit vom 26.10.2001 bis 06.02.2002 gewährten Leistungen.

Der 1955 geborene Kläger meldete sich nach einer abhängigen Vollzeitbeschäftigung bei seiner Ehefrau in einem Feinkostladen in der Zeit vom 13.04.1999 bis 19.09.1999 sowie einer Beschäftigung als abhängig beschäftigter Taxifahrer in der Zeit vom 20.09.1999 bis 31.05.2001 am 19.06.2001 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 26.07.2001 bzw. dem Änderungsbescheid vom 03.08.2001 bewilligte die Beklagte hierauf Arbeitslosengeld ab 19.06.2001 für 360 Kalendertage nach einem gerundeten Bemessungsentgelt in Höhe von 900 DM unter Berücksichtigung der Leistungsgruppe C und eines erhöhten Leistungssatzes (täglicher Zahlbetrag 65,67 DM). Nach einer Leistungsunterbrechung ab 27.08.2001 wegen eines Meldeversäumnisses bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 25.09.2001 Arbeitslosengeld ab 08.10.2001 weiter. Mit Wirkung ab 01.01.2002 wurden dem Kläger täglich 33,58 EUR gewährt (unter Berücksichtigung eines gerundeten Bemessungsentgeltes i. H. v. 460 EUR, vgl. Änderungsbescheid vom 02.01.2002).

Am 28.03.2002 ging bei der Beklagten eine Veränderungsmittelung des Klägers ein, in der er mitteilte, ab dem 07.02.2002 selbstständig zu sein. Die Beklagte hob hierauf die Bewilligung von Leistungen ab dem 07.02.2002 auf und forderte von ihm die bis 31.03.2002 gezahlten Leistungen in Höhe von 1779,74 EUR zurück (Bescheid vom 09.04.2002).

Bereits am 01.02.2002 hatte der Kläger bei seinem Sachbearbeiter vorgesprochen und mitgeteilt, dass er beabsichtige, eine Gaststätte zu übernehmen. Laut Vermerk des Sachbearbeiters habe man mit ihm die Voraussetzungen für die Gewährung von Überbrückungsgeld besprochen. Der Kläger sei darauf hingewiesen worden, dass er das genaue Datum der Aufnahme der Tätigkeit unverzüglich mitzuteilen habe. In dem in den Akten vorliegenden, im Juni 2002 eingegangenen Antrag auf Gewährung von Überbrückungsgeld zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit gab der Kläger an, am 07.02.2002 eine selbstständige Tätigkeit in I.-Steinsfurt aufgenommen zu haben. Als Tag der Antragstellung war der 01.02.2002 vermerkt und der Betrieb einer Gast- und Gartenwirtschaft angegeben worden. Aus einer ebenfalls vorliegenden Kopie der Gewerbeanmeldung ergibt sich als Datum des Beginns der angemeldeten Tätigkeit der 26.10.2001. Die Gewerbeanmeldung war vom Kläger am 22.10.2001 unterschrieben worden. Des Weiteren legte der Kläger eine am 07.02.2002 ausgestellte "II. vorläufige Erlaubnis" zum Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft sowie Gartenwirtschaft "M." in S. der Stadt I. vor. In einem Aktenvermerk des Sachbearbeiters Reinhard vom 13.06.2002 war festgehalten worden, dass der Kläger auf Frage angegeben habe, seit 07.02.2002 selbstständig zu sein. Das Gewerbe sei wohl seit 26.10.2001 nur aus rechtlichen Gründen auf ihn angemeldet. Das Lokal habe sein Cousin M. betrieben. Dieser habe keine Aufenthaltsberechtigung und habe sich daher nicht selbstständig machen dürfen. Weil sein Cousin es "nicht geschafft habe" das Lokal richtig zu führen, habe er es nun ab 07.02.2002 übernommen.

In einem Aktenvermerk vom 10.07.2002 über ein Telefongespräch mit einem Herrn U. vom Wirtschaftskontrolldienst I. war festgehalten worden, dass dieser am 10.01.2002 eine Prüfung der Gaststätte durchgeführt hatte. Diese Prüfung habe gegen Abend stattgefunden, als das Lokal noch nicht geöffnet gewesen sei (Öffnungszeiten 21 Uhr bis 3 Uhr). Ansprechpartner sei der Kläger gewesen, einen anderen Ansprechpartner bzw. einen anderen Geschäftsführer habe er nicht angetroffen. Ein M. sei ihm nicht bekannt.

In einem weiteren Aktenvermerk über ein Telefongespräch am 10.07.2002 mit einer Frau L. von der Stadt I. war festgehalten worden, dass die am 07.02.2002 ausgestellte Erlaubnis bereits die zweite vorläufige Erlaubnis gewesen sei, die man dem Kläger erteilt habe. Der Kläger sei im Besitz einer vorläufigen Erlaubnis, die mit der Anmeldung des Gewerbes für die Dauer von drei Monaten erteilt worden sei. Dem Gewerbeamt sei nicht bekannt, dass ein anderer das Lokal geführt habe. Es hätte dann eine Stellvertretererlaubnis beantragt werden müssen. Dies sei jedoch nicht geschehen.

Mit Schreiben vom 16.07.2002 hörte die Beklagte den Kläger zu einer beabsichtigten Aufhebung der in der Zeit vom 26.10.2001 bis 06.02.2002 erfolgten Überzahlung an. Hierzu teilte der Kläger mit, dass er seit dem 07.02.2002 als Pächter eines Lokals in S. tätig sei. In der Zeit davor und insbesondere seit dem 26.10.2001 habe er dem Arbeitsmarkt in vollem Umfang zur Verfügung gestanden. Er habe in diesem Zeitraum keinerlei vergütungspflichtige Tätigkeit ausgeübt und zwar weder abhängig beschäftigt noch selbstständig. Er habe in dieser Zeit auch keinerlei Verdienst erzielt oder Bezüge erhalten und insbesondere keine Gaststätte betrieben. Der WKD I. habe ihn angeschrieben und Wert darauf gelegt, dass bei der Kontrolle der Konzessionsinhaber zugegen sei. Aus diesem Grunde sei er am 10.01.2002 in der Gaststätte erschienen. Seine Familie könne bestätigen, dass er in der fraglichen Zeit ständig in W. gewesen sei. Es gehe auch nicht darum, ob er eine Stellvertretererlaubnis hätte beantragen können oder sollen. Tatsächlich entscheidend sei, dass er das Lokal in dem fraglichen Zeitraum eben nicht geführt, hieraus keinerlei Verdienst erzielt und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden habe.

Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 16.09.2002 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 26.10.2001 bis 07.02.2002 auf und forderte das für diesen Zeitraum zu Unrecht gewährte Arbeitslosengeld in Höhe von 3525,67 EUR sowie die in diesem Zeitraum gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 809,01 EUR, insgesamt somit 4334,68 EUR, zurück.

Die Feststellungen der Beklagten im anschließenden Widerspruchsverfahren ergaben, dass der Cousin des Klägers, M., seit 1995 in Rastatt gemeldet und seit diesem Zeitpunkt im Besitz einer unbefristeten Arbeitserlaubnis ohne Auflage sei. In einem Aktenvermerk vom 21.10.2002 war festgehalten worden, dass Herr U. vom WKD bestätigt habe, den Termin mit dem Kläger vorher vereinbart zu haben. Darüber hinaus veranlasste die Beklagte eine Außenprüfung der Diskothek "M.". Im Bericht vom 10.12.2002 des Sachbearbeiters in der Arbeitsmarktinspektion des Arbeitsamts Heidelberg, Brecht, über die Außenprüfung vom 22.11.2002 wurde ausgeführt, dass der Kläger bei der Erfassung seiner persönlichen Daten unumwunden zugegeben habe, dort bereits seit dem 02.11.2001 mit ca. 30 Wochenstunden tätig zu sein. Es seien keine Mitarbeiter angetroffen worden, die hätten bezeugen können, wie lange der Kläger bereits tatsächlich die Diskothek betreibe. Auch die beiden anderen erfassten Personen hätten jeweils angegeben, lediglich seit einigen wenigen Tagen dort gewesen zu sein. Der entsprechende Erfassungsbogen vom 22.11.2002 war beigefügt. Beim Steuerberater P. in W. sei eine Tragetasche mit Geschäftsunterlagen ausgehändigt worden. Rechnungen und sonstige Belege mit dem Namen Z. und einem Datum vor dem 07.02.2002 seien kopiert worden. Insoweit liegt eine an den Kläger gerichtete Barverkaufsrechnung vom 07.11.2001 der Firma A. und Mai Getränke H. über die Lieferung einer CO-2 Flasche und deren Montage vor. In einem weiteren Aktenvermerk war festgehalten worden, dass am 20.03.2003 auch die Wohnung des Klägers aufgesucht worden sei. Die Ehefrau des Klägers habe angegeben, dass ihr Ehemann schon lange nicht mehr hier wohne und nur ein Mal die Woche vorbeikomme, um die Kinder zu besuchen. Er wohne in I ...

Mit dem am 22.04.2003 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid vom 16.04.2003 änderte die Beklagte ihre Erstattungsforderung im Bescheid vom 16.09.2002 ab und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. Die Aufhebung der Leistungsbewilligung beschränkte sie auf die Zeit bis 06.02.2002 und machte noch Erstattungsforderungen in Höhe von 3491,72 EUR an Arbeitslosengeld sowie in Höhe von 799,49 EUR an Kranken-/Pflegeversicherungsbeiträgen geltend. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe am 26.10.2001 eine Beschäftigung aufgenommen, die seine Arbeitslosigkeit beseitigt habe. Die Aussage des Klägers, er sei lediglich Konzessionsinhaber gewesen, weil sein Cousin keine Aufenthaltsberechtigung gehabt habe, sei falsch. Laut polizeilicher Meldung habe sich dieser weder im Gebiet S. aufgehalten noch hätten die Voraussetzungen gefehlt, auf eigenen Namen ein Gewerbe zu führen. Weitere Anhaltspunkte für die Tätigkeit des Klägers seien die Gewerbeanmeldung vom 26.10.2001 sowie die mehrfache Einholung von Erlaubnissen auf eigenen Namen gewesen. Bei der Überprüfung durch den WKD am 10.01.2002 sei der Kläger Ansprechpartner gewesen. Er habe dabei auch nicht darauf hingewiesen, dass er die Geschäfte nicht selbst führen würde. Bei der Außenprüfung am 22.11.2002 habe er selbst mit seiner Unterschrift bestätigt, ab dem 02.11.2001 30 Stunden wöchentlich selbstständig tätig zu sein. Die Tätigkeit des Klägers im streitigen Zeitraum werde auch durch zahlreiche Geschäftsunterlagen auf seinen Namen belegt. Wegen der eingetretenen wesentlichen Änderung in den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen sei die Bewilligung ab 26.10.2001 aufzuheben und von ihm insgesamt 4291,21 EUR zu erstatten.

Am 23.05.2003 hat der Kläger hiergegen beim Sozialgericht Heilbronn Klage erhoben, welches den Rechtsstreit mit Beschluss vom 18.06.2003 an das örtlich zuständige Sozialgericht Mannheim (SG) verwiesen hat.

Unter Wiederholung und Vertiefung des bisherigen Vortrages hat er geltend gemacht, dass Herr M. offiziell nicht als Konzessionsinhaber habe auftreten können, weil er in der Zeit von 1998 bis 2002 als Schuldner bei der Schufa geführt worden sei. Es hätten deshalb bei ihm die formellen Voraussetzungen der wirtschaftlichen Zuverlässigkeit zur Führung eines Gewerbebetriebes nicht vorgelegen. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe er auch zu keinem Zeitpunkt erklärt, er arbeite seit 02.11.2001 30 Stunden wöchentlich im Lokal. Eine entsprechende Erklärung sei auch zu keinem Zeitpunkt anderweitig abgegeben worden. Soweit die Beklagte auf Rechnungen verweise, die vor dem 07.02.2002 zumindest teilweise auch auf seinen Namen ausgestellt gewesen seien, sei dies kein aussagekräftiges Indiz, weil alle Bestellungen im fraglichen Zeitraum selbstverständlich auf den - wenn auch nur formellen - Inhaber und Betreiber der Gaststätte gelautet hätten. Die Angaben der Ehefrau bezögen sich auf einen Zeitpunkt nach dem 07.02.2002. Hinsichtlich des Gespräches mit einem Beauftragten des Arbeitsamts Heidelberg im November 2002 hat er angegeben, dass er die Unterschrift im Vertrauen auf die Widergabe des Gesprächsverlaufes ohne Überprüfung des Formulars geleistet habe. Ob die darin enthaltenen Angaben zuvor aufgeschrieben worden seien oder nachträglich erstellt worden seien, wisse er nicht mehr, weil er das Formular nicht durchgelesen, noch nicht ein Mal mehr angesehen habe. Seine Angaben zur Arbeitszeit von ca. 30 Stunden pro Woche hätten sich auf die aktuelle Situation, also den November 2002 bezogen. Dies deshalb, weil er damals an fünf Tagen etwa sechs Stunden in der Woche geöffnet gehabt habe. Über eine Beschäftigung im November 2001 habe er keine Angaben gemacht, ebenso wenig zu einer Sozialversicherung bei der DAK in W ... Bei dieser sei er niemals versichert gewesen, sondern wenn, dann ausschließlich bei der AOK.

Eine Anfrage des SG beim Polizeirevier I. ergab, dass es im Zeitraum von Oktober 2001 bis Januar 2002 weder beim Polizeirevier I. noch bei der Kriminalaußenstelle I. Anzeigen an die Staatsanwaltschaft, Ordnungswidrigkeiten-Anzeigen an Polizeibehörden oder formlose Meldungen, welche die genannten Personen oder das Lokal betroffen hätten, gegeben habe.

Das SG hat Beweis erhoben durch die Vernehmung des Zeugen M ... Er hat unter anderem angegeben, seit ca. 1994/1995 in Rastatt zu wohnen und in Gaggenau bei der Firma Daimler Chrysler seit 1996 im Dreischichtbetrieb zu arbeiten. Er verfüge über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Das "M." habe er am 26.10.2001 gemietet. Auf seinen Namen sei kein schriftlicher Mietvertrag abgeschlossen worden. Am Anfang habe es nur eine mündliche Vereinbarung gegeben, später sei es dann so gewesen, dass alles auf den Namen seines Cousins geführt worden sei. Er habe damals Probleme mit der Schufa gehabt und habe sich dann mit seinem Cousin unterhalten und ihn gebeten, dass alles auf ihn laufe. Er habe gedacht, und dies sei ihm von Freunden so mitgeteilt worden, dass er dann, wenn es einen Schufa-Eintrag gebe, kein Geschäft eröffnen könne. Das Lokal sei abends gegen 21/22 Uhr geöffnet worden, geschlossen habe man je nach Kundschaft um 2 oder 3 Uhr. Geöffnet sei jeweils nur Freitags und Samstags gewesen, während der Woche nur manchmal. Wenn es mit seiner Schichteinteilung nicht übereingestimmt habe, habe er die Schlüssel einer Freundin gegeben, die dann aufgemacht habe. Außer ihm und seiner Freundin habe niemand einen Schlüssel gehabt. Der Chef sei er gewesen, wenn er etwas mit deutscher Sprache zu tun gehabt habe, habe ihm der Kläger geholfen. Wenn er etwas für ihn getan habe, so habe er ihm 20 bis 30 EUR Benzingeld gegeben. Zu der Zeit, in der er das Lokal geführt habe, habe der Kläger noch nicht in I. gewohnt.

In einem weiteren Termin zur Erörterung des Sach- und Rechtsstreites mit Beweisaufnahme hat das SG den Kläger persönlich angehört und den Zeugen Brecht uneidlich vernommen. Dieser hat angegeben, den Erfassungsbogen beim Kläger routinemäßig abgearbeitet zu haben. Die Frage, seit wann er denn in dieser Funktion arbeite, sei wichtig gewesen wegen der bußgeldrechtlichen Ahndung. Im Übrigen sei dies auch wichtig bei Leistungsbeziehern des Arbeitsamtes. Bei der Eintragung "02.11.2001" handele es sich um seine Schrift. Er gehe davon aus. dass das dann auch das Ergebnis seiner Befragung gewesen sei. Üblicherweise versuche er, das Datum des Beginns der Tätigkeit möglichst konkret festzumachen. Es komme auch nicht vor, dass er einmal jemanden blanko unterschreiben lasse und das später selbst ausfülle. Üblicherweise gebe er den Leuten auch Gelegenheit, sich das dann noch einmal anzuschauen, bevor sie es unterschrieben.

Der Kläger hat hierauf erwidert, dass er dem Mitarbeiter der Beklagten einen Platz in seinem Lokal angeboten habe. Dieser habe ihm die Fragen gestellt und sich dann an den angebotenen Platz gesetzt, um das Protokoll auszufüllen. Dabei sei er nicht zugegen gewesen. Der Mitarbeiter der Beklagten sei dann wieder zurück zu ihm an die Theke gekommen und dort habe er dann das Protokoll unterschrieben, ohne es zu lesen.

Mit Gerichtsbescheid vom 27.07.2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahmen unter Berücksichtigung der aktenkundigen Unterlagen nicht nachgewiesen sei, dass die Tätigkeit des Klägers im Zusammenhang mit dem Betrieb des "M." ab 26.10.2001 eine der Natur der Sache nach oder eine vertraglich auf wöchentlich weniger als 15 Stunden begrenzte Tätigkeit gewesen sei. Seit der Gewerbeanmeldung zum 26.10.2001 sei der Kläger in einem gewissen Umfang am Betrieb des "M." beteiligt gewesen. Dies ergebe sich aus seinen Angaben und aus den Angaben des Zeugen M ... Danach sei er zumindest alle drei bis vier Tage erschienen, habe gelegentlich Einkäufe getätigt, behördliche Angelegenheiten erledigt und die Pacht zur Weiterleitung an den Pächter entgegen genommen. Es sei also nicht so, dass wie ursprünglich angegeben, das M. lediglich auf den Namen des Klägers gelaufen sei, ohne dass dieser einen Beitrag zum Betrieb geleistet hätte. Der Zeuge habe angegeben, dass Freitags und Samstags und manchmal auch unter der Woche für mindestens vier Stunden geöffnet gewesen sei. Damit ergeben sich bereits bei drei Öffnungstagen pro Woche Arbeitszeiten von mindestens 12 Stunden. Unter Berücksichtigung der in jedem Fall erforderlichen Vor- und Nachbearbeitungszeit ergebe sich eine wöchentliche Arbeitszeit von mehr als 15 Stunden. Vor diesem Hintergrund sei die Angabe im Protokoll vom 22.11.2002 der "Chef" arbeite "ca. 30 Stunden/Woche" durchaus realistisch. Im Übrigen sei die Angabe des Zeugen, es sei lediglich manchmal, also unregelmäßig unter der Woche geöffnet gewesen, wenig glaubhaft. Unregelmäßige Öffnungszeiten seien im Gastgewerbe eher unüblich. Es spreche daher einiges dafür, dass es sich beim Kläger um den verantwortlichen Betreiber gehandelt habe. Dafür, dass der Kläger zunächst als "Strohmann" für seinen Cousin aufgetreten sein soll, habe weder der Kläger noch der Zeuge nachvollziehbare Gründe genannt. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass der Zeuge während des fraglichen Zeitraums in Dreischichtbetrieb als Arbeiter in einem Automobilwerk beschäftigt gewesen sei. Hierbei handele es sich um eine zumindest zeitlich sehr belastende Tätigkeit. Demgegenüber sei der Kläger arbeitslos gewesen und verfüge damit im Gegensatz zum Zeugen über unbegrenzte Freizeit. Wenn es gleichwohl so gewesen sein sollte, dass der durch seine Berufstätigkeit stark in Anspruch genommene Zeuge der Betreiber des M. gewesen sein soll, während der beschäftigungslose Kläger lediglich als Strohmann fungierte, bedürfe dies einer besonderen Begründung, an der es hier aber fehle. Eine Beschränkung der Tätigkeit auf weniger als 15 Stunden wöchentlich sei zumindest daher nicht nachgewiesen. Die Voraussetzungen für die Aufhebung und Rückforderung lägen vor, weil der Kläger seiner gesetzlichen Verpflichtung zur Mitteilung der Aufnahme dieser Tätigkeit zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen sei.

Gegen den am 29.07.2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 11.08.2004 Berufung eingelegt.

Der Kläger hält daran fest, dass ein konkreter Nachweis dafür, dass er das Lokal von Oktober 2001 bis Januar 2002 geführt habe, nicht vorliege. Alle hierzu ergänzend angestellten Ermittlungen hätten für eine solche Annahme keinerlei Beleg erbracht.

Der Berichterstatter des Senats hat die Zeugin K. am 26.11.2008 uneidlich vernommen. Sie hat unter anderem angegeben, von November 2001 bis Februar 2002 im M. beschäftigt gewesen zu sein. Sie sei von Herrn M. eingestellt worden. Sie hätten sich dort auch erst kennengelernt. Eine engere Beziehung zu ihm hätte sich erst am Ende ihrer Tätigkeit im M., in dem sie bis Februar 2002 beschäftigt gewesen sei, entwickelt. Zu den Öffnungszeiten befragt, erklärte sie, dass nach ihrer Erinnerung ab 10 Uhr abends bis 1 Uhr morgens geöffnet gewesen sei. Normalerweise seien nur sie selbst und M. sowie die Kundschaft in der Gaststätte anwesend gewesen. Auch der Kläger sei zu Gast gewesen. Sie würde nicht behaupten wollen, dass er regelmäßig dort gewesen sei. Sie habe ihn nur sieben bis acht Mal gesehen. Den Zweitschlüssel für das "M." habe sie selbst gehabt. Den Hauptschlüssel Herr M ... Sie habe sich auch darum gekümmert, dass die Gaststätte sauber gewesen sei. Sie habe dort geputzt, Getränke aufgefüllt und alles gemacht, was notwendig gewesen sei. Unter anderem habe sie sich auch um den Einkauf gekümmert. Es sei zum Teil sogar so gewesen, dass die Getränke zu ihr nach Hause geliefert und am Wochenende dann ins Auto gepackt und ins "M." gefahren worden seien. Ansonsten habe sich M. um den Einkauf gekümmert. M. sei meistens nur am Wochenende gekommen und habe den Rest ihr überlassen. Sie habe schon vorher als Bedienung gearbeitet und es sei durchaus so gewesen, dass man ihr das für ein paar Stunden habe alleine überlassen können.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 27. Juli 2004 und den Bescheid vom 16. September 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2003 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung ist auch begründet. Die Beklagte hat zu Unrecht die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 26.10.2001 bis 07.02.2002 aufgehoben und die in diesem Zeitraum gewährten Leistungen zurückgefordert.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Leistungsbewilligung ist § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 S. 1 SGB III. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben, wenn und soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt und - wie hier allein einschlägig - der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist.

Eine wesentliche Änderung ist jedoch nicht eingetreten. Wesentlich ist eine Änderung nur dann, wenn sie rechtserheblich ist (vgl. von Wulffen, SGB X, 5. Auflage, § 48 Rz. 9). Die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit während des Bezuges von Leistungen - wie sie von der Beklagten hier geltend gemacht wird - ist nur dann rechtserheblich, wenn nachgewiesen ist, dass diese Tätigkeit dem Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld entgegensteht. Ein Anspruch auf die Gewährung von Arbeitslosengeld besteht nur dann, wenn Arbeitslosigkeit i. S. d. § 118 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III - in der bis 31.12.2004 abzuwendenden Fassung des Art. 1 des Gesetzes vom 24.03.1997, BGBl. I, S. 594) vorliegt. Danach ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, wenn er vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht. Die Ausübung einer weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung schließt die Beschäftigungslosigkeit nicht aus, wobei gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer unberücksichtigt bleiben (§ 118 Abs. 2 SGB III). Die Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit und eine Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger stehen dabei einer Beschäftigung gleich (§ 118 Abs. 3 S. 1 SGB III). Hieraus folgt, dass nur eine wenigstens 15 Stunden in der Woche ausgeübte selbstständige Tätigkeit die Arbeitslosigkeit ausschließt.

Zwar steht fest, dass der Kläger durch die Gewerbeanmeldungen formal Betreiber des Lokales gewesen ist. Da nach der gesetzlichen Regelung neben dem Bezug von Arbeitslosengeld eine Tätigkeit jedoch nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist und es insoweit nur auf den zeitlichen Umfang der ausgeübten Beschäftigung oder Tätigkeit und nicht etwa auch auf die Höhe des hieraus erzielten Einkommens ankommt, hängt die Rechtswidrigkeit der Bewilligung ausschließlich vom Nachweis des Umfangs der Tätigkeit ab.

Nach dem Ergebnis der umfangreichen Beweisaufnahme ist mit der hierfür erforderlichen Gewissheit jedoch nicht nachgewiesen, dass der Kläger tatsächlich als Betreiber des "Miami Beach" in dem erforderlichen zeitlichen Umfang tätig gewesen ist. Umstände, die dies zweifelsfrei belegen, hat weder die Beklagte darlegen können, noch haben solche die Beweisaufnahme und insbesondere die Zeugenaussagen ergeben.

Dem Nachweis einer ab 26.10.2001 wenigstens 15 Stunden wöchentlich ausgeübten Tätigkeit steht insbesondere die Zeugenaussage der Zeugin K. entgegen. Diese hat - wie bereits der Zeuge M. - zunächst ebenfalls bestätigt, dass die Öffnungszeiten der Gaststätte grundsätzlich auf das Wochenende, auf die Nächte von Freitag auf Samstag sowie von Samstag auf Sonntag beschränkt gewesen sind und nur ausnahmsweise auch unter der Woche geöffnet war. Sie war zu dieser Zeit als einzige Bedienung beschäftigt, ist von M. eingestellt worden und hat ihre Tätigkeit im Miami Beach im Februar 2002 beendet, zu der Zeit also, als das Lokal vom Kläger übernommen worden sein soll. Sie hat darüber hinaus angegeben, M. für den Betreiber der Gaststätte gehalten zu haben, insbesondere von ihm eingestellt worden zu sein und von ihm die Schlüssel erhalten zu haben, wobei der Hauptschlüssel sich im Besitz des Cousins des Klägers befunden hat. Sie hat das Beschäftigungsverhältnis seinerzeit auch nicht gegenüber dem Kläger gekündigt. Darüber hinaus hat sie angegeben, dass sie diejenige gewesen ist, die sich um die wesentlichen Belange gekümmert hat, wenn M. aufgrund seiner Beschäftigung als Schichtarbeiter nicht anwesend sein konnte. So hat sie sich um den Einkauf gekümmert, die Gaststätte sauber gehalten und sie auch dann betrieben, wenn M. nicht anwesend war. Eine wesentliche zeitliche M.spruchnahme des Klägers ist damit weder durch die Zeugenaussage der Zeugin K. noch durch die Aussage des Cousins des Klägers belegt. Anhaltspunkte dafür, dass insbesondere die Zeugin K. bewusst unwahre Angaben gemacht haben könnte, liegen insoweit nicht vor. Gründe hierfür sind insbesondere deshalb nicht ersichtlich, weil die Zeugin nicht in einem engeren Verhältnis zum Kläger steht und auch nach Fortführung der Gaststätte durch den Kläger dort nicht, auch nicht zeitweise, weitergearbeitet hat. Ergeben aber bereits die Zeugenaussagen keinen konkreten Hinweis auf eine regelmäßige, wenigstens 15 Stunden in der Woche ausgeübte Tätigkeit des Klägers, vermögen die von der Beklagten genannten Indizien für eine solche nicht zu überzeugen. Dies gilt zunächst für die fehlende Stellvertretererlaubnis, die für sich genommen lediglich eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Aber auch die Anwesenheit des Klägers bei der vom WKD außerhalb der Öffnungszeiten des Lokals durchgeführten Überprüfung am 10.01.2002, die - wie von Herrn U. bestätigt - angemeldet gewesen war, vermag eine dauerhafte, mehr als zeitlich geringfügige Tätigkeit im und für das Lokal nicht zu begründen. Gleiches gilt für die in den Akten vorliegende (einzige) auf den Namen des Klägers ausgestellte Barverkaufsrechnung vom 07.11.2001 der Firma A. und Mai Getränke H. über die Lieferung einer CO-2 Flasche und deren Montage. Das Fehlen weiterer entsprechender Rechnungen, die dem Kläger zugeordnet werden konnten, spricht dabei eher für die Einlassungen der Zeugin, dass sich diese selbst und der Zeuge M. um den Einkauf gekümmert haben. Aufgrund der Aussage der Zeugin kommt auch dem Umstand, dass dem Kläger im Gegensatz zum Zeugen M. wesentlich mehr Zeit zur Verfügung gestanden hat, einer selbstständigen Tätigkeit nachgehen zu können, nur noch untergeordnete Bedeutung zu. Auch wenn das Motiv für eine Konzessionsinhaberschaft Zweifeln begegnet, belegt dieser Umstand noch keine wenigstens 15 Stunden in der Woche ausgeübte Tätigkeit des Klägers.

In diesem Zusammenhang sind auch die im Protokoll vom 22.11.2002 enthaltenen Angaben nicht entscheidend. Die Außenprüfung wurde mehr als neun Monate nach der vom Kläger, im Übrigen von ihm selbst angezeigten Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit durchgeführt. Dass es hierbei tatsächlich zu einer Verwechslung gekommen sein kann, ist auch durch die Vernehmung des Zeugen Brecht nicht ausgeschlossen. Auch, dass der Kläger "unumwunden zugegeben" haben soll, als Chef seit dem 02.11.2001 mit ca. 30 Wochenstunden tätig gewesen zu sein, trifft so nicht zu, wenn der Zeuge sich ausschließlich auf die Angaben in dem von ihm ausgefüllten Erfassungsbogen bezieht und es zu den näheren Umständen der Anfertigung dieses Protokolls unterschiedliche Angaben gibt. Entscheidend bleibt insoweit jedoch, dass der Beginn einer Tätigkeit in dem dort genannten zeitlichen Umfang vom Kläger nachvollziehbar bestritten wird und die entsprechenden Tatsachen von den gehörten Zeugen bestätigt werden. Letzte Zweifel gehen hierbei zu Lasten der beweisbelasteten Beklagten. Für eine Beweislastumkehr ist dabei schon deswegen kein Raum, weil dem Kläger eine konkrete Tätigkeit vor dem 07.02.2002 nicht nachgewiesen werden konnte. Daher kann ihm auch keine Verletzung von Mitteilungspflichten vorgeworfen werden, die eine Umkehr der Beweislast hätte rechtfertigen können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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