L 3 AL 3791/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 575/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 3791/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18. Juni 2007 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin ein Viertel der außergerichtlichen Kosten des Klagever-fahrens zu erstatten. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe von Arbeitslosengeld (Alg).

Die 1966 geborene Klägerin schloss 1993 ein Studium zum Diplomingenieur (FH) Chemische Technik ab und war anschließend vom 01.08.1993 bis 16.03.1996 und vom 28.04.1999 bis 31.10.2001 in der Firma ihres Vaters, der GK Werbeagentur G. K. GmbH, unter Bezahlung eines monatlichen Bruttoarbeitsentgelts in Höhe von 1.636,13 EUR im März 2001 und in Höhe von 2.045,17 EUR ab April 2001 zuzüglich Urlaubs- (552,20 EUR) und Weihnachtsgeld ( 818,07 EUR) bei einer durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit von 21 Stunden pro Woche als Atelier- und Produktionsassistentin versicherungspflichtig beschäftigt. Vom 17.03.1996 bis 27.04.1999 war sie wegen der Geburt ihrer ersten Tochter und vom 01.11.2001 bis 06.12.2004 wegen der Geburt ihrer zweiten Tochter zunächst in Mutterschutz und anschließend im Erziehungsurlaub bzw. Elternzeit. Am 31.08.2004 wurde der Klägerin wegen Liquidation des Unternehmens zum 07.12.2004 gekündigt. Darauf hin meldete sich die Klägerin am 03.09.2004 mit Wirkung zum Ende der Elternzeit arbeitslos. Sie stellte sich der Arbeitsvermittlung für eine Tätigkeit mit einem Umfang von 21 Wochenstunden zur Verfügung und wünschte eine Vermittlung im Bereich Verfahrenstechnik Chemie.

Nachdem die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 02.11.2004 dem Antrag auf Alg wegen fehlender Anwartschaftszeit nicht entsprochen hatte, half sie dem Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 04.05.2005 ab, indem sie den Bescheid vom 02.11.2004 aufhob. Mit Bewilligungsbescheid vom 09.05.2005 bewilligte die Beklagte ab 08.12.2004 für 360 Kalendertage Alg in Höhe von 143,36 EUR wöchentlich (Zahlbetrag täglich 20,48 EUR; Bemessungsentgelt 290 EUR). Mit Änderungsbescheid vom selben Tag wurde ab 01.01.2005 ein täglicher Leistungsbetrag in Höhe von 20,61 EUR festgesetzt. Mit Schreiben vom 04.05.2005 erläuterte die Beklagte hierzu, dass das Alg nicht auf der Grundlage eines tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts bemessen werden könne, weil ein Bemessungszeitraum von mindestens 39 Wochen mit Anspruch auf Entgelt innerhalb der letzten drei Jahre vor Entstehung des Anspruchs nicht festgestellt werden könne. Es sei daher von dem tariflichen Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung auszugehen, auf die sie - die Beklagte - die Vermittlungsbemühungen in erster Linie zu erstrecken habe. Nach dem Tarifvertrag in der Druckindustrie sei ein tarifliches Arbeitsentgelt von monatlich 1.259 EUR zu Grunde zu legen. Dies entspreche dem Entgelt, das die Klägerin bei einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 21 Stunden als Atelier- und Produktionsassistentin erzielen könne. Hieraus errechne sich ein wöchentliches Arbeitsentgelt von 291 EUR, das auf 290 EUR zu runden sei. Aus der Akte ergibt sich, dass die Beklagte den Tarifvertrag für Angestellte in der Druckindustrie Stand 01.04.2000 (Laufzeit bis 31.05.2001) herangezogen hat und die Klägerin in die Gruppe G 3, ab dem 4. Tätigkeitsjahr in der Gruppe, Gehalt 4.052 DM eingestuft hat. Die Gehaltsgruppe 3 erfasst nach dem Tarifvertrag Arbeitnehmer, die eine abgeschlossene Berufsausbildung und mindestens drei Jahre Berufserfahrung oder der abgeschlossenen Berufsausbildung gleichzusetzende Kenntnisse und mindestens drei Jahre Berufserfahrung haben und die Arbeiten durchführen, die teilweise Selbständigkeit in einem begrenzten Aufgabengebiet sowie Genauigkeit und Konzentration erfordern, Texterfassung im RTS-System. Als Beispiele sind Datentypist/in, Stenotypist/in, Operator/in, Buchhalter/in, Texterfasser/in im RTS-System angegeben.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass es eine erhebliche Benachteiligung von Müttern darstelle, wenn Erziehungszeiten sich so auswirkten, dass das Alg nicht auf der Basis des früher erzielten Gehalts berechnet werde. Bei Zugrundelegung eines fiktiven Gehalts sei aber zumindest nicht der Tarifvertrag der Druckindustrie, sondern das Tarifentgelt eines Ingenieurs in der Chemischen Industrie heranzuziehen, da sie Diplomingenieurin in der Chemischen Industrie sei und sich die Vermittlungsbemühungen in erster Linie hierauf erstrecken müssten. Die zwischenzeitlich ausgeübte Tätigkeit in der Werbeagentur habe von Beginn an nur eine Übergangslösung dargestellt. Die Werbebranche habe im Gegensatz zu Ingenieurstätigkeiten auch keine Zukunft. Abgesehen davon wäre sie als Assistentin des Geschäftsführers aber auf jeden Fall höher einzustufen. Ergänzend machte sie geltend, dass sie bereits ab 07.12.2004 einen Anspruch auf Alg habe, da der letzte Tag der Elternzeit der 06.12.2004 gewesen sei.

Die Beklagte äußerte sich hierzu dahingehend, dass maßgebend für das Bemessungsentgelt die in nennenswertem Umfang vorhandene, nach Lebensalter, Leistungsfähigkeit, Eignung, Neigung und persönlichen Verhältnissen realistisch maßgebende Beschäftigung sei, auf die die Vermittlungsbemühungen in erster Linie zu richten seien. Die Klägerin habe zwar ihr Studium zur Diplomingenieurin (FH) Chemische Technik 1993 abgeschlossen, diesen Beruf tatsächlich aber nie ausgeübt. In einem solchen Fall sei es richtiger, an der früher ausgeübten Tätigkeit anzuknüpfen. Aufgrund der lange zurückliegenden Ausbildung und der Nichtausübung des erlernten Berufs sei die Vermittlungschance in eine Tätigkeit als Diplomingenieurin als eher gering anzusehen. Die Qualifikation der Klägerin sei auch nicht mehr marktgerecht und üblich. Veränderungen in dem Bereich, sprich weiter entwickelte Untersuchungsmethoden oder Verfahrensweisen, hätten nicht verfolgt oder angewandt werden können.

Mit Bescheiden vom 21.09.2005 half die Beklagte dem Widerspruch insofern ab, als sie den Bescheid vom 09.05.2005 aufhob und gleichzeitig Alg für den 07.12.2004 nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 290,57 EUR und einem wöchentlichen Leistungsbetrag von 143,36 EUR bewilligte.

Mit Bescheid vom 22.09.2005 stellte die Beklagte darüber hinaus aus nicht ersichtlichen Gründen die Zahlung von Alg ab 01.09.2005 ein, bewilligte dann aber mit Bescheid vom 04.10.2005 Alg für die Zeit ab 01.09.2005 in der bisherigen Höhe.

Den von der Klägerin aufrecht erhaltenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.01.2006 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 08.02.2006 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Sie hat unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens nocheinmal darauf hingewiesen, dass im Bereich der Werbung sehr schlechte, im Bereich des Ingenieurwesens jedoch wesentlich bessere Beschäftigungsmöglichkeiten bestünden. Aus diesem Grunde habe sie stets eine Anstellung im Ingenieurbereich gesucht. Dies sei durch die Vermittler des Arbeitsamts im Rahmen der Beratungsgespräche auch stets akzeptiert worden. Während der gesamten Zeit ihrer Arbeitslosigkeit sei ihr auch nie eine Stelle im Medienbereich angeboten worden. Demgegenüber habe sich auf Grund ihrer Ingenieursausbildung ein Zeitarbeitsunternehmen bei ihr gemeldet. Abgesehen davon sei das von der Beklagten angesetzte Bemessungsentgelt auch deshalb falsch, weil der Tarifvertrag für das Jahr 2001 herangezogen worden sei und zudem weder Weihnachts- noch Urlaubsgeld anteilig beim Monatsentgelt berücksichtigt worden sei. Ergänzend hat die Klägerin ein Arbeitszeugnis der Firma G. K. GmbH vorgelegt, wonach sie als Assistentin des Geschäftsführers tätig war und unter anderem den Geschäftsführer bei dessen Abwesenheit vertreten und eigenverantwortlich ihre Aufgaben, die besondere Kenntnisse und ein breit fundiertes naturwissenschaftliches Wissen vorausgesetzt hätten, erledigt habe.

Mit Änderungsbescheiden vom 22.08.2006 hat die Beklagte der Klägerin hierauf für 25 Tage Alg nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt in Höhe von 357,49 EUR und einem wöchentlichen Leistungsbetrag in Höhe von 164,08 EUR ab 07.12.2004 und nach einem täglichen Bemessungsentgelt von 51,07 EUR und einem täglichen Leistungsbetrag in Höhe von 23,80 EUR für 336 Kalendertage ab 01.01.2005 bewilligt. Hierbei hat sie den Tarifvertrag der Druckindustrie mit einer Laufzeit vom 01.06.2004 bis zum 31.03.2005, der für die Gruppe G 3 im vierten Jahr einen Verdienst in Höhe von 2.266,42 EUR pro Monat bei einer Vollbeschäftigung vorsah, zugrunde gelegt. Dieser Betrag wurde auf 21 Stunden herunter gerechnet und so ein monatliches Entgelt in Höhe von 1.359,91 EUR ermittelt. Ergänzend wurde die Zahlung von Weihnachts- und Urlaubsgeld in Höhe von 50 % eines Bruttolohnes in Ansatz gebracht (bzgl. der Einzelheiten wird auf Bl. 108 der Verwaltungsakten verwiesen). Der Leistungsbezug hat mit Erschöpfung des Alg-Anspruchs am 06.12.2005 geendet. Eine Berufstätigkeit hat die Klägerin anschließend nicht aufgenommen.

Mit Urteil vom 18.06.2007 hat das SG die Bescheide vom 09.05., 21.09., 22.09., 04.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2006 und der Änderungsbescheide vom 22.08.2006 abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 07.12.2006 (richtig 2004) bis 06.12.2005 Alg auf der Grundlage des bei der GK GmbH in der Zeit von März 2001 bis Februar 2002 erzielten Entgelts zu gewähren. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, § 133 Abs. 4 SGB III, wonach Bemessungsentgelt das tarifliche Entgelt derjenigen Beschäftigung sei, auf die das Arbeitsamt seine Vermittlungsbemühungen in erster Linie zu erstrecken habe, wenn ein Bemessungszeitraum von mindestens 39 Wochen mit Anspruch auf Entgelt innerhalb der letzten drei Jahre vor der Entstehung des Anspruchs nicht festgestellt werden könne, komme hier nicht zur Anwendung. Die Bemessung des Alg richte sich nach §§ 129 Abs. 1, 130 SGB III. § 133 Abs. 4 SGB III sei aufgrund des Artikels 6 Abs. 4 Grundgesetz (GG) verfassungskonform eng auszulegen. Bei der Klägerin werde nur deshalb das Alg fiktiv bemessen, weil in der Zeit ab 07.12.2001 zunächst ein Beschäftigungsverbot wegen Mutterschutzes bestanden habe und sie dann die gesetzlich vorgesehene Elternzeit in Anspruch genommen habe. Die Tatsache, dass sie sich vollständig der Erziehung ihres Kindes gewidmet habe, dürfe nicht dazu führen, dass die Berechnung des Alg fiktiv erfolge. Denn dies hätte zur Folge, dass der Berechnung des Alg das erhebliche geringere Entgelt aus einer fiktiven Tätigkeit im Bereich Marketing zugrunde zu legen wäre. Erziehungszeiten ohne versicherungspflichtige Beschäftigung dürften weder positive noch negative Folgen für die Bemessung des Alg haben.

Gegen das am 06.07.2007 zugestellte Urteil richtet sich die am 02.08.2007 eingelegte Berufung der Beklagten. Die Klägerin habe in den letzten 52 Wochen vor Anspruchsentstehung wegen der Kindererziehung kein Arbeitsentgelt erzielt. Auch in den letzten drei Jahren vor Entstehung des Anspruchs habe sie keine 39 Wochen mit Anspruch auf Entgelt. Deshalb habe die Bemessung gemäß § 133 Abs. 4 SGB III fiktiv erfolgen müssen. Zwar blieben nach § 131 Abs. 2 Nr. 1 SGB III bei der Ermittlung des Bemessungszeitraumes Zeiten außer Betracht, in denen Versicherungspflicht wegen des Bezuges von Mutterschaftsgeld oder der Erziehung eines Kindes bestanden habe oder in denen der Arbeitslose Erziehungsgeld bezogen habe, soweit wegen der Betreuung und Erziehung eines Kindes das Arbeitsentgelt oder die wöchentliche Arbeitszeit gemindert sei. Nach dem Urteil des Landessozialgericht Baden-Württemberg vom 15.09.2006 - L 8 AL 3082/06 - sollten Bezugszeiten von Erziehungsgeld aber keine "Aufschubzeiten" darstellen, die zu einer Erweiterung des Bemessungsrahmens führten. Durch das Außer-Acht-Lassen dieser Zeiten solle verhindert werden, dass ein geringes Entgelt aus atypischen Beschäftigungsverhältnissen innerhalb des Bemessungsrahmens zu einem geringeren Bemessungsentgelt führe. Die fiktive Bemessung mache auch Sinn, da mit ihr eine zeitliche Nähe zum aktuell erzielbaren Arbeitsentgelt sichergestellt werde. Ein Verstoß gegen Artikel 6 Abs. 4 GG sei darin nicht zu sehen. Die Mutterschafts- und Erziehungszeiten seien zwar ursächlich dafür, dass eine fiktive Bemessung zu erfolgen habe. Der Gesetzgeber sei aber nicht gehalten, jede mit der Mutterschaft zusammenhängende wirtschaftliche Belastung auszugleichen. Aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 - 1 BvL 10/01 - werde erkennbar, dass das Bundesverfassungsgericht einen grundsätzlichen Schutzauftrag aus Art. 6 Abs. 1 bzw. Abs. 4 GG nur deswegen anerkenne, weil während der Zeiten des Mutterschutzes die Beschäftigung der Mutter untersagt werde und deswegen aufgrund einer gesetzlichen Regelung eine Lücke in der Rahmenfrist entstehen könne. Um die Erfüllung der Rahmenfrist (also den Anspruch überhaupt) gehe es hier aber nicht, streitig sei die Höhe des Alg. Der sozialversicherungsrechtliche Schutz habe nicht so weit zu gehen, dass das Alg - ungeachtet der Erfordernisse der Arbeitsvermittlung - auch nach der Höhe des Arbeitsentgelts vor Beginn des Mutterschutzes zu gewähren sei. Im Übrigen hätte der Klägerin auch bei einer Bemessung nach § 130 SGB III kein Alg in beantragter Höhe zugestanden. Sie sei bei einem Familienangehörigen beschäftigt gewesen. Dies führe regelmäßig zu einer Prüfung des ortsüblichen Entgelts (siehe § 134 Abs. 2 Ziffer 1 SGB III). Dass eine familienfremde Arbeitnehmerin bzw. ein familienfremder Arbeitnehmer mit der Qualifikation der Klägerin (keine der Branche entsprechende Ausbildung, geringe Berufserfahrung) ein vergleichbares Arbeitsentgelt erhalten hätte, sei nicht wahrscheinlich.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18. Juni 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist noch ein Mal auf Artikel 6 Abs. 4 GG und weist ergänzend darauf hin, dass sie Beiträge zur Arbeitslosenversicherung nicht auf der Basis eines ortsüblichen Entgelts, sondern des tatsächlichen Einkommens entrichtet habe und bei einer fiktiven Berechnung auf jeden Fall auch die Tätigkeit einer Ingenieurin Chemische Technik heranzuziehen wäre.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Akten des SG und der Senatsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist gemäß § 143, 144 SGG zulässig und in der Sache auch begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Alg unter Zugrundelegung des Bemessungsentgeltes, das dem Bruttoarbeitsentgelt ihrer früheren Tätigkeit zwischen November 2000 und Oktober 2001 entsprach, nicht zu. Denn dieser Abrechnungszeitraum liegt mehr als drei Jahre für das ab 07.12.2004 zu gewährende Alg zurück und kann daher nicht berücksichtigt werden. Das Bemessungsentgelt richtet sich auch nicht danach, was die Klägerin fiktiv als Diplomingenieurin Chemische Technik verdienen könnte, vielmehr hat die Beklagte mit Bescheiden vom 22.08.2006 zu Recht den zwischen dem 01.06.2004 und 31.03.2005 gültigen Tarifvertrag der Druckindustrie zugrunde gelegt und die Klägerin hierbei in die Gruppe G 3, viertes Jahr eingestuft. Auf der Grundlage dieser Einstufung und unter Berücksichtigung von Weihnachts- und Urlaubsgeld in Höhe von 50 % eines Bruttolohnes ergab sich für eine 21-stündige wöchentliche Arbeitszeit ein Bemessungsentgelt in Höhe von 357,49 EUR wöchentlich und ein Leistungsbetrag in Höhe von 164,08 EUR wöchentlich ab 07.12.2004 bzw. 23,80 EUR täglich ab 01.01.2005.

Streitgegenstand sind allein die gemäß § 96 SGG zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen Änderungsbescheide der Beklagten vom 22.08.2006, mit denen der Alg-Anspruch der Klägerin für die Zeit vom 07.12.2004 bis 06.12.2005 neu geregelt wurde. Diese Bescheide haben die vorangegangenen Bescheide ersetzt.

Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Alg dem Grunde nach. Sie hat sich am 03.09.2004 mit Wirkung zum 07.12.2004 bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet (§§ 118 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2, 122 Abs. 1 SGB III). Sie war ab 07.12.2004 auch arbeitslos im Sinne der §§ 118 Abs. 1 Nr. 1, 119 bis 121 SGB III. Schließlich bestehen auch keine Bedenken, dass die Klägerin die Anwartschaftszeit nach § 117 Abs. 1 Nr. 3 SGB III in der bis 31.12.2004 geltenden Fassung erfüllt hatte. Denn sie war innerhalb der um die Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres auf die Zeit vom 07.12.1998 bis 06.12.2004 verlängerten Rahmenfrist zwischen dem 28.04.1999 und 31.10.2001 und damit mehr als 12 Monate versicherungspflichtig beschäftigt (§§ 123, 124 SGB III in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung, die nach der durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 eingefügten Übergangsregelung in § 434j Abs. 3 SGB III weiter anzuwenden sind, wenn der Anspruch auf Alg bis zum 31.01.2006 entstanden ist; § 124 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III in der bis zum 31.12.2002 geltenden Fassung, die nach der mit dem Job-AQTIV-Gesetz vom 10.12.2001 eingefügten Übergangsregelung in § 434d Abs. 2 SGB III für Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes vor dem 01.01.2003 weiter anzuwenden ist).

Nach § 129 Nr. 1 SGB III (hier anwendbar in der seit 01.08.2001 geltenden Fassung durch das Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft vom 16.02.2001) beträgt das Alg für Arbeitslose, die - wie die Klägerin - mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Abs. 1, 3 bis 5 des Einkommensteuergesetzes haben, 67 % (erhöhter Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), welches sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Nach § 130 SGB III in der hier anwendbaren bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung des 2. SGB III-Änderungsgesetzes vom 21.07.1999 umfasst der Bemessungszeitraum die Entgeltabrechnungszeiträume, die in den letzten 52 Wochen vor Entstehung des Anspruchs, in denen Versicherungspflicht bestand, enthalten sind und beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem Versicherungspflichtverhältnis vor der Entstehung des Anspruchs bereits abgerechnet waren. Enthält der Bemessungszeitraum weniger als 39 Wochen mit Anspruch auf Entgelt, so verlängert er sich nach § 130 Abs. 2 SGB III um weitere Entgeltabrechnungszeiträume, bis 39 Wochen mit Anspruch auf Entgelt erreicht sind. Nach § 131 Abs. 2 Nr. 1 SGB III in der maßgeblichen Fassung des Job-AQTIV-Gesetzes vom 10.12.2001 bleiben bei der Ermittlung des Bemessungszeitraums Zeiten außer Betracht, in denen Versicherungspflicht wegen der Erziehung eines Kindes bestand und soweit wegen der Betreuung und der Erziehung eines Kindes das Arbeitsentgelt oder die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit gemindert war. Nach § 133 Abs. 4 SGB III in der bis 31.12.2004 geltenden Fassung ist der Sache nach jedoch eine absolute Höchstdauer des Bemessungsrahmens festgelegt. Falls sich auch innerhalb der letzten drei Jahre vor Entstehung des Anspruchs kein ausreichend langer Bemessungszeitraum mit mindestens 39 Wochen mit Anspruch auf Entgelt feststellen lässt, erfolgt eine fiktive Bemessung. Bei der fiktiven Bemessung handelt es sich um eine Prognose. Fiktives Bemessungsentgelt ist das tarifliche Entgelt derjenigen Beschäftigung, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungstätigkeit in erster Linie zu erstrecken hat. Hierbei spielen zahlreiche Kriterien eine Rolle. Ausbildung und ausgeübte Tätigkeit sind der erste Anknüpfungspunkt. Besitzt der Arbeitslose eine Berufsausbildung und hat er diesen Beruf auch ausgeübt, kann von dieser Tätigkeit ausgegangen werden. Wenn ein erlernter Beruf nicht oder länger nicht ausgeübt worden ist, ist es oft richtiger, an die ausgeübten Tätigkeit anzuknüpfen. Die Dauer der Arbeitslosigkeit bzw. der Nichtausübung der Tätigkeit spielt eine erhebliche Rolle. Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes finden dahingehend Berücksichtigung, als zu fragen ist, ob eine Vermittlung für ein in Frage kommendes Tätigkeitsfeld realistisch erscheint. Außerdem sind noch Alter und Leistungsfähigkeit sowie die örtliche Einsatzfähigkeit zu berücksichtigen (Pawlak in Hennig, SGB III § 133 Rd. 78, 81 ff.).

Unter Zugrundelegung dieser rechtlichen Vorgaben bemisst sich der Bemessungszeitraum hier zunächst vom 07.12.2003 bis 06.12.2004 (§ 130 Abs. 1 SGB III). Innerhalb dieses Bemessungszeitraums hat die Klägerin kein Arbeitsentgelt erzielt. Der Bemessungszeitraum ist deshalb auf maximal drei Jahre und mithin auf die Zeit vom 07.12.2001 bis 06.12.2004 zu verlängern. In dieser Zeit war die Klägerin nicht versicherungspflichtig beschäftigt. Sie hat damit auch im verlängerten Bemessungszeitraum keine 39 Wochen mit Anspruch auf Entgelt. Als Bemessungsentgelt ist deshalb gemäß § 133 Abs. 4 SGB III in der bis 31.12.2004 geltenden Fassung ein fiktives Arbeitsentgelt heranzuziehen.

Entgegen der Auffassung des SG kann § 133 Abs. 4 SGB III nicht außer Acht gelassen werden. § 133 Abs. 4 SGB III stellt eine absolute Höchstdauer des Bemessungsrahmens dar (vgl. hierzu Bundessozialgericht (BSG), Urteile vom 29.05.2008 - B 11a AL 23/07 R - Rdziffer 27; - B 11a/7a AL 64/06 R - Rdziffer 29 in www.juris. de). Der Bemessungsrahmen beträgt maximal drei Jahre.

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Verfassungsrecht. Die Regelung stellt insbesondere keinen Verstoß gegen Art. 6 GG dar. Das BSG hat diesbezüglich in den bereits erwähnten Urteilen vom 29.05.2008 zur Nachfolgeregelung des hier anwendbaren § 130 Abs. 4 SGB III noch ein- mal klargestellt, dass aus dem Schutzauftrag des Artikel 6 Abs. 4 GG nicht folgt, dass der Gesetzgeber gehalten wäre, jede mit der Mutterschaft zusammenhängende wirtschaftliche Belastung auszugleichen und dem Förderungsgebot ohne Rücksicht auf sonstige Belange nachzukommen. Der Gesetzgeber ist nur zum Ausgleich unmittelbarer Nachteile in der Arbeitslosenversicherung verpflichtet, soweit er selbst Mütter im Unterschied zu anderen Arbeitnehmern hindert, sich durch eine versicherungspflichtige Beschäftigung den Zugang zu Versicherungsleistungen selbst zu schaffen oder zu erhalten. Dies bedeutet, dass Müttern nicht deshalb, weil wegen ihrer Mutterschaft ein Beschäftigungsverbot besteht, ein Anspruch auf Alg verloren gehen darf. Der Gesetzgeber ist jedoch bereits nicht gehalten, Vorkehrungen gegen das Erlöschen eines bereits erworbenen Anspruchs auf Alg während einer Elternzeit zu treffen, wenn eine Mutter von der Ausübung einer ihr rechtlich erlaubten versicherungspflichtigen Beschäftigung aufgrund der eigenen Lebensplanung für die Zeit der Kindererziehung absieht. Erst recht kann die Verpflichtung des Gesetzgebers nicht so weit gehen, dass wegen der Erziehung eines Kindes keine Einschnitte bezüglich der Höhe des Alg erfolgen dürfen (vgl. BSG, Urteile vom 29.05.2008 a.a.O.).

Die Bemessung des Alg-Anspruchs der Klägerin richtet sich damit gemäß § 133 Abs. 4 SGB III nach dem tariflichen Entgelt derjenigen Beschäftigung, auf die das Arbeitsamt seine Vermittlungsbemühungen in erster Linie zu erstrecken hat. Die Beklagte hat zutreffend die Vermittlungsbemühungen nicht auf die Tätigkeit einer Ingenieurin Chemische Technik, sondern auf eine Tätigkeit in der Werbebranche gerichtet. Zwar hat die Klägerin gewünscht, als Ingenieurin vermittelt zu werden, doch ist insoweit insbesondere zu beachten, dass die Klägerin zu keiner Zeit nach Abschluss ihres Studiums im Jahr 1993 als Ingenieurin tätig war. Zwischen Beendigung des Studiums und Beginn der Arbeitslosigkeit im Dezember 2004 liegen über elf Jahre. Während dieser Zeit war es ihr auch nicht möglich, die Weiterentwicklungen in ihrem erlernten Beruf aktiv zu verfolgen und zu begleiten. Auf der anderen Seite war die Klägerin insgesamt etwa fünf Jahre als Atelier- und Produktionsassistentin beschäftigt. Die Chancen auf Vermittlung einer Tätigkeit im Bereich Marketing sind deshalb als besser einzustufen. Aus dem Umstand, dass für Berufe in der Werbebranche schlechtere Zukunftsaussichten als für Tätigkeiten im Ingenieurswesen bestehen, ergibt sich keine andere Beurteilung, denn der Tatsache, dass die Klägerin über keinerlei Berufserfahrung als Ingenieurin verfügt und die Ausbildung schon vor elf Jahren abgeschlossen hat, ist überragendes Gewicht beizumessen. Dies wird auch nicht dadurch widerlegt, dass ein Personaldienstleister mit der Klägerin Kontakt aufgenommen hat. Zum einen handelt es sich hierbei um keinen Arbeitgeber der chemischen Industrie, sondern, wie sich aus der Firmierung ergibt, um einen Personaldienstleister mit dem Schwerpunkt auf der Vermittlung von Personal für CAD-Arbeitsplätze. Zum anderen bedeutet Interesse - worauf die Beklagte zu Recht hinweist - nicht, dass tatsächlich Vermittlungschancen bestehen. Maßgeblich auszuwirken vermag sich auch nicht, dass der Klägerin keine Tätigkeit in der Werbebranche vermittelt wurde, denn auf der anderen Seite ist es auch nicht gelungen, ihr einen Arbeitsplatz als Ingenieurin anzubieten. Auch etwaige Eigenbemühungen der Klägerin haben zu keinem Arbeitsplatz als Ingenieurin geführt.

Die Beklagte hat die Klägerin schließlich auch zu Recht in die Gehaltsgruppe G 3 ab dem vierten Tätigkeitsjahr nach dem vom 01.06.2004 bis 31.03.2005 gültigen Tarifvertrag der Druckindustrie eingestuft. Diese Stufe erfasst Personen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung und mindestens drei Jahren Berufserfahrung oder der abgeschlossenen Berufsausbildung gleichzusetzenden Kenntnissen und mindestens dreijähriger Berufserfahrung. Zu beachten ist insoweit, dass die Klägerin etwa fünf Jahre in diesem Beruf tätig war. Durch das Studium hatte sie der abgeschlossenen Berufsausbildung gleichzusetzende Kenntnisse und sie hatte auch über drei Jahre Berufserfahrung. Die Eingruppierung in die Stufe G 4 hätte zur Voraussetzung, dass neben der abgeschlossenen Berufsausbildung oder dieser gleichzusetzender Tätigkeit erweiterte Kenntnisse oder Berufserfahrung vorliegt. Dies ist hier nicht der Fall, zumal die Klägerin zweieinhalb Jahre nach Beginn der Tätigkeit im August 1993 vom 17.03.1996 bis 27.04.1999 die erste Elternzeit nahm und sich daran nocheinmal eine zweieinhalbjährige Tätigkeit anschloss, bevor die zweite Elternzeit begann. Vom Erwerb erweiterter Kenntnisse ist deshalb angesichts der Dauer der Tätigkeit, zumal diese auch noch unterbrochen wurde, nicht auszugehen. Ein Indiz für eine höhere Eingruppierung stellt auch nicht das relativ hohe Gehalt dar, das die Klägerin zuletzt bezog, denn ausschlaggebend hierfür dürfte die Tatsache gewesen sein, dass die Klägerin bei einem Familienangehörigen beschäftigt war.

Unter Zugrundelegung des vom 01.06.2004 bis 31.03.2005 gültigen Tarifvertrags und Herunterrechnung auf die von der Klägerin gewünschte Arbeitszeit von 21 Stunden wöchentlich hat die Beklagte auch im Übrigen in nicht zu beanstandender Weise in den Änderungsbescheiden vom 22.08.2006 das wöchentliche Bemessungsentgelt auf 357,49 EUR und den wöchentlichen Leistungsbetrag auf 164,08 EUR bzw. den ab 01.01.2005 geltenden täglichen Leistungssatz auf 23,80 EUR festgesetzt (bezüglich der Einzelheiten wird auf die Berechnung Bl. 108 der Verwaltungsakte verwiesen).

Auf die Berufung der Beklagten war das Urteil des SG vom 18.06.2007 deshalb aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Beklagte erst im Rahmen des Klageverfahrens mit Änderungsbescheiden vom 22.08.2006 den korrekten Tarifvertrag zugrunde gelegt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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