S 12 KA 507/08

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 507/08
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Vertragsarzt kann seine Praxis mit Hilfe angestellter Ärzte über § 104 Abs. 4b SGB V vergrößern und erweitern. Diese Praxis, so wie sie mit den angestellten Ärzten besteht, fällt in den Schutzbereich des § 103 Abs. 4 SGB V. Ein Praxisnachfolger hat deshalb einen Anspruch auf Übertragung der Genehmigung der Anstellung eines Arztes entsprechend dem Anspruch auf Nachbesetzung nach § 103 Abs. 4b Satz 2 SGB V.
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten und der Beigeladenen zu 1) zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Genehmigung der Einstellung einer Ärztin gemäß § 95 Abs. 9 SGB V i.V.m. § 32b Ärzte-ZV auch mit der Maßgabe erteilt werden kann, dass die Genehmigung im Falle der Praxisnachfolge fortgilt, wenn der Praxisnachfolger einen entsprechenden Antrag stellt.

Die Beigeladene zu 1) ist eine Gemeinschaftspraxis mit Praxissitz in A-Stadt. Sie besteht aus drei HNO-Ärzten, die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind.

Die Beigeladene zu 1) beantragte am 19.07.2007 die Genehmigung der Anstellung der HNO-Ärztin Frau Dr. med. C. Sie trug vor, sie übernehme zum 01.09.2007 den Vertragsarztsitz von Frau Dr. med. und werde diese zeitgleich mit dem Verzicht in einem Umfang von 31 Stunden pro Woche anstellen. Sie legte einen Dienst- und Arbeitsvertrag mit Frau Dr. med. C vor. Die Beigeladene zu 1) ergänzte unter Datum vom 30.07.2007 ihren Antrag dahingehend, dass die Genehmigung mit der Maßgabe erteilt werde, dass diese im Falle der Praxisnachfolge fortgelte, wenn der Praxisnachfolger einen entsprechenden Antrag stelle.

Die klagende Kassenärztliche Vereinigung Hessen teilte unter Datum vom 16.08.2007 mit, sie halte die Ergänzung des Antrages für nicht genehmigungsfähig, da die Arztstelle von dem Bestehen der Zulassung abhänge.

Der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen gab mit Beschluss vom 21.08.2007 dem Antrag der Beigeladenen zu 1) zur Beschäftigung der HNO-Ärztin Dr. med. C als angestellte Ärztin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 31 Stunden gemäß § 95 Abs. 9 SGB V i.V.m. § 32b Ärzte-ZV statt mit der Maßgabe, dass die Genehmigung im Falle der Praxisnachfolge fortgelte, wenn der Praxisnachfolger einen entsprechenden Antrag stelle.

Hiergegen legte die Klägerin unter Hinweis auf ihre bisherigen Ausführungen am 30.10.2007 Widerspruch ein.

Die Beigeladene zu 1) erwiderte hierauf unter Datum vom 13.11.2007, es seien keine materiell-rechtlichen Gründe ersichtlich, welche eine Einschränkung des Genehmigungsantrages auf Anstellung von Frau C auf den lediglich ursprünglichen Anstellungsantrag rechtfertigen würde. Es fehle an einer entsprechenden gesetzlichen Einschränkung. Unter Gleichstellungsgesichtspunkten könne nicht von einer unzulässigen Antragsergänzung ausgegangen werden. Es seien gleiche Maßstäbe wie für die Praxisnachfolge in einem Vertragsarztsitz anzulegen. Auch sei eine Regelung, welche eine erneute Zulassungserteilung vorsehe, wie dies beispielsweise in § 25 Abs. 3 der Bedarfsplanungsrichtlinien geregelt sei, nicht vorgesehen. In § 103 Abs. 4b SGB V sei sogar niedergelegt, dass die Nachbesetzung der Stelle eines nach § 95 Abs. 9 Satz 1 SGB V angestellten Arztes möglich sei, auch wenn Zulassungsbeschränkungen angeordnet seien. Dies verdeutliche nochmals, dass eine ausdrücklich dauerhafte Anstellungsgenehmigung vom Gesetzgeber erwünscht sei. Die Einschränkung, dass die Genehmigung im Falle der Praxisnachfolge nicht fortgelte, stelle einen Eingriff in den funktionalen Schutzbereich des Art. 12 GG dar. Die Abhängigkeit vom Bestehen der Zulassung könne nur für sonstige persönliche oder fachliche Voraussetzungen gelten. Bei einer Versagung sei auch von einem Eingriff in Art. 14 GG auszugehen.

Die Klägerin erwiderte unter Datum vom 10.06.2008 hierauf, die Rechtswidrigkeit des Beschlusses des Zulassungsausschusses ergebe sich schon daraus, dass für einen "Übergang" dieser Anstellungsgenehmigung auf den Praxisnachfolger weder das Gesetz noch die Ärzte-Zulassungs-Verordnung eine ausdrückliche Regelung vorsehe. Die Angestelltenstelle ende mit der Aufgabe des Vertragsarztstatus des anstellenden Arztes. Enthielten somit die Nachbesetzungsvorschriften keine Regelung über die gleichzeitige Fortführung der Angestelltenstelle, scheide eine Mitübertragung im Falle der Nachfolgezulassung aus. Ende damit also die Angestelltenstelle mit dem Verzicht des anstellenden Arztes auf seine Zulassung, könne der strittige Zusatz nicht in den Genehmigungsbescheid aufgenommen werden.

Die Beigeladene zu 1) wies unter Datum vom 24.06.2008 weiter auf eine Veröffentlichung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zum Vertragsarztrechtsänderungsgesetz hin. Dort werde auf das Auseinanderdriften von Arbeitsrecht und Vertragsarztrecht im Falle des Betriebsüberganges hingewiesen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung schlage deshalb zur Lösung dieses Widerspruchs den hier vom Zulassungsausschuss befolgten Weg vor. Diese Lösung werde von ihr im Sinne der Einheitlichkeit der Rechtsordnung für zulässig gehalten.

Der Beklagte wies mit Beschluss vom 25.06.2008, der Beigeladenen zu 1) am 14.08.2008 zugestellt, den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück.

Zur Begründung führte er aus, die strittige Fortgeltung der Anstellungsgenehmigung entspreche der wirtschaftlichen Interessenlage der Beteiligten. Wenn der Vertragsarztsitz der anzustellenden Ärztin von der anstellenden Praxis übernommen werde, stelle dies eine nicht unerhebliche Investition der anstellenden Praxis dar, welche den Wert dieser Praxis entsprechend erhöhe. Aus § 613a BGB folge, dass der Nachfolger in die Arbeitgeberpflichten eintreten müsse. Aus dem Gesichtspunkt der Praxisnachfolge spreche sehr viel dafür, dass die Vorstellung des Gesetzgebers dahin gehe, dass die Übernehmer der Praxis mit allen Rechten und Pflichten des Übergebers übernehme, damit in dessen vollständige Rechtsstellung eintrete und aus diesem Grunde auch sozialrechtlich die Vertragsärztliche Zulassung erhalte. Die Genehmigung zur Anstellung eines Arztes sei als Bestandteil der übernommenen Praxis anzusehen.

Hiergegen hat die Klägerin am 12.09.2008 die Klage erhoben, die sie zunächst schriftsätzlich nicht begründet hat.

Der Zulassungsausschuss stellte mit Beschluss vom 16.09.2008 fest, dass die Beschäftigung der HNO-Ärztin Dr. med. C als angestellte Ärztin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 31 Stunden gemäß § 95 Abs. 9 SGB V i.V.m. § 32b Ärzte-ZV beendet worden sei. Der Zulassungsausschuss erteilte mit weiterem Beschluss vom 16.09.2008 Herrn Dr. D die Genehmigung zur Beschäftigung der HNO-Ärztin Dr. med. E bei der Beigeladenen zu 1) mit Wirkung zum 01.10.2008. Den hiergegen eingelegten Widerspruch zog Herr Dr. D mit Schreiben vom 17.12.2008 wieder zurück.

Die Klägerin trägt nunmehr vor, die strittige Genehmigung habe aufgrund der Beendigung bis zum 30.09.2008 gegolten. Der Genehmigung für Frau Dr. med. E sei ein entsprechender Zusatz nicht angefügt worden. Mit Schreiben der Verfahrensbevollmächtigten vom 17.12.2008 an den Zulassungsausschuss sei ein entsprechender Antrag nachgeholt worden. Von daher sei die Fortsetzungsfeststellungsklage wegen einer Wiederholungsgefahr zulässig. Einen "Übergang" der Anstellungsgenehmigung auf den Praxisnachfolger sehe das Gesetz nicht vor. Es sei auch keine Regelung wie für die Praxisnachfolge nach § 103 Abs. 4 SGB V geschaffen worden. Die zivilrechtliche Rechtsnachfolge sei ohne sozialrechtliche Auswirkung. Das Arbeitsverhältnis könne auch gekündigt werden. Auch die KBV sehe ihre Auffassung als umstritten an.

Die Klägerin beantragt,
den Beschluss des Beklagten vom 25.06.2008 insoweit aufzuheben, als unter Ziff. 2. des Bescheidtenors eine Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Auslagen festgesetzt wurde und festzustellen, dass der Beschluss des Beklagten vom 25.06.2008 hinsichtlich der Zurückverweisung des Widerspruchs der Klägerin rechtswidrig gewesen sei.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er ist wegen der fehlenden bzw. verspäteten Klagebegründung der Klage schriftsätzlich nicht entgegengetreten. In der mündlichen Verhandlung hat er die in dem angefochtenen Beschluss dargelegte Rechtsauffassung nochmals erläutert.

Die Beigeladene zu 1) beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie geht weiterhin von der Zulässigkeit des strittigen Zusatzes aus. Die Anstellungsgenehmigung müsse im Falle der Praxisnachfolge fortgelten, da sie quasi als rechtlicher Kernbestand der übernommenen Praxis anzusehen sei, zu deren Weiterführung der Übernehmer eine vertragsärztliche Zulassung erhalte. Die Anstellung präge Praxis und Praxisstruktur mit. In der Regel müsse die Praxis gekauft werden. Der angestellte Arzt könne ein vollkommen eigenes Leistungsspektrum haben.

Die übrigen Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt und sich zum Verfahren schriftsätzlich nicht geäußert.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 15.09.2008 die Beiladung ausgesprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten sowie der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Sie konnte dies trotz Ausbleibens der Beigeladenen zu 8) tun, weil diese ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§§ 110 Abs. 1 Satz 2, 126 SGG).

Die als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässige Klage ist unbegründet. Der Beschluss des Beklagten vom 25.06.2008 ist rechtmäßig und war daher auch nicht insoweit aufzuheben, als unter Ziff. 2. des Bescheidtenors eine Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Auslagen festgesetzt wurde. Der Beklagte hat zu Recht den Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen.

Der Beschluss des Beklagten vom 25.06.2008 ist rechtmäßig.

Ein Vertragsarzt kann seine Praxis mit Hilfe angestellter Ärzte über § 104 Abs. 4b SGB V vergrößern und erweitern. Diese Praxis, so wie sie mit den angestellten Ärzten besteht, fällt in den Schutzbereich des § 103 Abs. 4 SGB V. Ein Praxisnachfolger hat deshalb einen Anspruch auf Übertragung der Genehmigung der Anstellung eines Arztes entsprechend dem Anspruch auf Nachbesetzung nach § 103 Abs. 4b Satz 2 SGB V.

Die Kammer geht dabei davon aus, dass Gegenstand des angefochtenen Beschlusses bzw. der strittigen Klausel die Zusicherung ist, dass die Genehmigung im Falle der Praxisnachfolge nur des Dr. D fortgelte, nicht aber der übrigen Mitglieder der Gemeinschaftspraxis. Soweit insofern Unklarheiten bei der Klägerin in der Vergangenheit bestanden haben, hat der Beklagte dies in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll klargestellt.

Mit diesem Inhalt ist die Fortgeltungsklausel nicht zu beanstanden.

Nach § 103 Abs. 4 SGB V hat, wenn die Zulassung eines Vertragsarztes in einem Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, durch Erreichen der Altersgrenze, Tod, Verzicht oder Entziehung endet und die Praxis von einem Nachfolger fortgeführt werden soll, die Kassenärztliche Vereinigung auf Antrag des Vertragsarztes oder seiner zur Verfügung über die Praxis berechtigten Erben diesen Vertragsarztsitz in den für ihre amtlichen Bekanntmachungen vorgesehenen Blättern unverzüglich auszuschreiben und eine Liste der eingehenden Bewerbungen zu erstellen. Satz 1 gilt auch bei hälftigem Verzicht oder bei hälftiger Entziehung der Zulassung. Dem Zulassungsausschuss sowie dem Vertragsarzt oder seinen Erben ist eine Liste der eingehenden Bewerbungen zur Verfügung zu stellen. Unter mehreren Bewerbern, die die ausgeschriebene Praxis als Nachfolger des bisherigen Vertragsarztes fortführen wollen, hat der Zulassungsausschuss den Nachfolger nach pflichtgemäßem Ermessen auszuwählen. Die wirtschaftlichen Interessen des ausscheidenden Vertragsarztes oder seiner Erben sind nur insoweit zu berücksichtigen, als der Kaufpreis die Höhe des Verkehrswerts der Praxis nicht übersteigt.

§ 103 Abs. 4 SGB V, der mit der Einführung der Bedarfsplanung durch das Gesundheitsstrukturgesetz im Jahre 1992 in das SGB V eingefügt wurde, regelt die Wiederbesetzung von Vertragsarztsitzen in gesperrten Planungsregionen. Der Grund für die Anordnung der Zulassungsbeschränkungen ist unerheblich. Die Nachfolgezulassung gilt auch bei aus Gründen der Unterversorgung angeordneten Zulassungsbeschränkungen. Nach der Konzeption des Gesetzes ist die Nachbesetzung von Vertragsarztsitzen in überversorgten Planungsbereichen unerwünscht und wird die Fortschreibung der Überversorgung nur in Kauf genommen, weil andernfalls ein ausscheidender Vertragsarzt bzw. seine Erben keine Möglichkeit hätten, die Praxis zu verwerten.

Nach den Beratungen im Gesundheitsausschuss soll damit den verfassungsrechtlichen Voraussetzungen zur Konkretisierung des sozialpflichtigen Eigentums Rechnung getragen werden. Trotz Überversorgung in einem bestimmten Gebiet ermögliche es die Vorschrift, eine Vertragsarztpraxis zum Verkehrswert zu veräußern. Es müsse aber berücksichtigt werden, dass das Eigentum an einer Vertragsarztpraxis maßgeblich von der öffentlich-rechtlichen Zulassung geprägt werde. Der Gesetzgeber sei nicht gehalten gewesen, wertsteigernde oder wertbegründende Entscheidungen des Staates dem Inhaber des Eigentumsrechtes als eigenen Verdienst anzurechnen. Die Regelung stelle eine Abwägung zwischen dem Eigentumsrecht des niedergelassenen Arztes und seiner Erben vor dem Hintergrund eines gesperrten Bezirks dar. Bis 1998 (gemeint ist die Bedarfszulassung nach dem bis 2006 geltenden § 102) habe man sich dafür entschieden, dass der Eigentumsaspekt trotz Sperrung zu berücksichtigen sei. Dies werde dadurch deutlich, dass der Verkehrswert bei der Vergabe berücksichtigt worden sei (vgl. Bericht des Ausschusses für Gesundheit (15. Ausschuss), BT-Drs. 12/3937 (Teil A III c ee)).

Das Gesetz geht von einer Unterscheidung zwischen dem – öffentlich-rechtlichen - Vertragsarztsitz und der – zivilrechtlich verkehrsfähigen - ärztlichen Praxis aus, wobei eine Kassenpraxis nur verkauft werden kann, wenn der Käufer auch eine Zulassung erhält. Maßgeblicher Schutzzweck der Norm ist daher, dem praxisaufgebenden Arzt bzw. dessen Erben die Realisierung der zivilrechtlich verkehrsfähigen ärztlichen Praxis zu ermöglich. Praxis in diesem Sinne ist aber die Praxis, wie sie von dem die Praxis aufgebenden Vertragsarzt geführt wurde. Soweit der Vertragsarzt Ärzte angestellt hat, gehören diese Ärzte zu seiner Praxis, da auch durch sie Art und Umfang der Versorgung mitgeprägt werden.

Mit der Zulassung der Anstellung von Ärzten hat der Gesetzgeber seit dem Gesundheitsstrukturgesetz weitere "unternehmerische" Elemente in das Vertragsarztrecht eingefügt. Die Möglichkeiten zur Anstellung von Ärzten nach § 95 Abs. 9 u. 9a SGB V modifizieren den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung (§ 32 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV). Zur Übereinstimmung mit dem Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung rechnen die Bundesmantelverträge die Leistungen Dritter dem anstellenden Vertragsarzt als eigene Leistung zu. Persönliche Leistungen sind u. a. auch ärztliche Leistungen durch genehmigte Assistenten und angestellte Ärzte gemäß § 32 b Ärzte-ZV, soweit sie dem Praxisinhaber als Eigenleistungen zugeordnet werden können. Dem Praxisinhaber werden die ärztlichen selbständigen Leistungen des angestellten Arztes zugerechnet, auch wenn sie in der Betriebsstätte oder Nebenbetriebsstätte der Praxis in Abwesenheit des Vertragsarztes erbracht werden. Dasselbe gilt für fachärztliche Leistungen eines angestellten Arztes eines anderen Fachgebiets, auch wenn der Praxisinhaber sie nicht selbst miterbracht oder beaufsichtigt hat (§ 15 Abs. 1 BMV-Ä/§ 14 Abs. 1 EKV-Ä). Wird eine besondere Fachkunde verlangt, so reicht es aus, dass nur der angestellte Arzt die Voraussetzungen erfüllt (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 3 BMV-Ä/§ 39 Abs. 1 Satz 3 EKV-Ä).

Das Gesundheitsstrukturgesetz sah zunächst die bedarfsplanungsrechtliche Anrechnung nach §101 Abs. 1 Satz 5 SGB V a. F. ohne Beschränkung des Leistungsvolumens vor. Mit dem 2. GKV-NOG wählte der Gesetzgeber durch Einfügen der Nr. 5 in § 101 Abs. 1 Satz 1 SGB V eine ausschließliche Steuerung über die Begrenzung des Praxisumfanges, die auch für nicht gesperrte Planungsbereiche galt. Diese budgetartige Deckelung löste die Einbeziehung der angestellten Ärzte in die Bedarfsplanung ab. Noch offene Planungsbereiche sollten nicht mit angestellten und in die Bedarfsplanung einbezogenen Ärzten besetzt werden, um niederlassungswilligen Ärzten nicht die Chance für eine eigene Zulassung zu nehmen. Außerdem machte nach Ansicht des Gesetzgebers die ausnahmslose Leistungsbegrenzung deutlich, dass durch die Anstellung eines Arztes - ebenso wie durch die Beschäftigung eines Weiterbildungsassistenten - sich der Charakter der Tätigkeit des Praxisinhabers als die eines Freiberuflers nicht ändere. Auch die vom angestellten Arzt ausgeführte ärztliche Tätigkeit stehe unter der persönlichen Aufsicht des Praxisinhabers und werde von diesem medizinisch verantwortet. Sie gewinne dadurch nicht den Charakter einer gewerblichen Tätigkeit, sondern bleibe auch unter Zugrundelegung der steuerrechtlichen Anforderungen an eine freiberufliche Tätigkeit eigenverantwortliche Ausübung der Heilkunde durch den Praxisinhaber (vgl. Gesundheitsausschuss, BT-Drs. 13/7264, S. 111 ff. (zu Art. 1 Nr. 27 c neu).

Das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz, was weiterhin aktuell geltendes Recht ist, hob die zahlenmäßige Beschränkung auf einen ganztags oder höchstens zwei halbtags beschäftigte Ärzte auf und überließ es dem Verordnungsgeber, dies zu regeln. In ungesperrten Planungsbereichen ist, da sie auf die Bedarfsplanung angerechnet werden, ihre Anstellung ohne Leistungsbegrenzung möglich. In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auf die Anstellung dieser Ärzte § 32 Abs. 3 Ärzte-ZV nicht anzuwenden ist, der die Vergrößerung des Praxisumfangs bei der Beschäftigung von Assistenten verbiete. In gesperrten Planungsbereichen gilt weiterhin eine Leistungsbegrenzung (§ 95 Abs. 9 Satz 2 i.V.m. § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V), weshalb Fachgebietsidentität zwischen Vertragsarzt und angestelltem Arzt bestehen muss. Der Verordnungsgeber hob die Ermächtigung an den Gemeinsamen Bundesausschuss auf, da der Konkretisierungsauftrag in § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V für den verbleibenden Bereich der Anstellung mit einer Leistungsbegrenzung ausreichend sei. Er strich aber die zahlenmäßige Beschränkung in § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V. Der Vertragsarzt kann daher auch mehrere Teilzeitkräfte anstellen (vgl. BT-Drs. 16/2474, S. 22 f.). Im Ergebnis kommt die Anstellung in einem gesperrten Planungsbereich einem sog. Job-Sharing zwischen Vertragsärzten nahe (vgl. § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB V). In nicht gesperrten Planungsbereichen kann aber nunmehr eine Anstellung mit entsprechender Praxisvergrößerung erfolgen, so dass nicht mehr eine Gemeinschaftspraxis ökonomisch vorteilhafter sein muss. Das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz kombiniert insofern die durch das GSG und 2. GKV-NOG eingeführten Regelungsmodelle zur Bedarfsplanung.

Das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz fügte aber weiter § 103 Abs. 4b in das SGB V ein. In Anlehnung an die Regelung in § 103 Abs. 4a SGB V, die einem Vertragsarzt ermöglicht, in einem Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, auf seinen Vertragsarztsitz zu verzichten, um als angestellter Arzt in einem medizinischen Versorgungszentrum tätig zu werden, wird – soweit die übrigen Voraussetzungen vorliegen – die entsprechende angestellte Tätigkeit in einer Vertragsarztpraxis ermöglicht (Satz 1). Außerdem erhält der Vertragsarzt ebenso wie das medizinische Versorgungszentrum die Möglichkeit, trotz Zulassungsbeschränkungen die Stelle eines nach § 95 Abs. 9 Satz 1 angestellten Arztes nachzubesetzen (Satz 2) (vgl. BTDrs. 16/2474, S. 25, Zu Nummer 10 (§ 103 Abs. 4b)).

Diese Vorschrift ist im Kontext der generellen Erweiterung der Anstellungsmöglichkeiten zu sehen (vgl. § 95 Abs. 9, § 32b Abs. 1 Ärzte-ZV). Mit dem Recht auf Nachbesetzung (§ 103 Abs. 4b Satz 2 SGB V) hat der vertragsärztliche Praxisinhaber die Möglichkeit, sich den Vertragsarztsitz nicht nur vertraglich, sondern auch sozialrechtlich zu sichern. Lediglich eine Rückumwandlung der Arztstelle im Angestelltenverhältnis in eine Vertragsarztpraxis ist aber ausgeschlossen (vgl. Orlowski/Halbe/Karch, Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG), 2007, S.72 f.; Bäune, in: Bäune/Meschke/Rothfuß, Kommentar zur Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte (Ärzte-ZV, Zahnärzte-ZV). 2008, § 32b, Rdnr. 21). Auch wird eine Nachfolgezulassung nach Abs. 4 ausdrücklichen ausgeschlossen (§ 104 Abs. 4 b Satz 1, 2. Halbsatz SGB V). Das bedeutet, dass der vormalige Vertragsarztsitz vollständig und auf Dauer in dem Vertragsarztsitz des übernehmenden Vertragsarztes aufgeht. Damit hat der Gesetzgeber neben den beiden geschilderten Varianten eine dritte Variante geschaffen. In den Fällen des § 103 Abs. 4b SGB V wird in gesperrten Bereichen ein Vertragsarztsitz übernommen für die Anstellung eines Arztes, der weiterhin in der Bedarfsplanung berücksichtigt wird. Insofern ist die Anstellung des Arztes bedarfsplanungskonform. Der den Praxissitz übernehmende Arzt wird diesen in der Regel nur durch Kauf der Praxis oder entsprechende Zugeständnisse bei der Anstellung erhalten. Diese Investition wäre dann mit Beendigung der Zulassung vollends abzuschreiben und könnte, ebenso wie der Ausbau der Vertragsarztpraxis für zwei oder mehrere Behandler, nicht an einen Nachfolger übergeben werden. Für entscheidend hält die Kammer aber, dass der Vertragsarzt nach den dargestellten Regelungen seine Praxis mit Hilfe angestellter Ärzte über § 104 Abs. 4b SGB V vergrößern und erweitern kann und dass diese Praxis, so wie sie mit den angestellten Ärzten besteht, in den Schutzbereich des § 103 Abs. 4 SGB V fällt. Diese Praxis mit angestellten Ärzten gehört zu dem nach § 103 Abs. 4 SGB V auszuschreibenden "Vertragsarztsitz" (so auch Bäune, aaO., Rdnr. 20). Ansonsten könnte die Praxis in gesperrten Planungsbereichen in der zuvor geführten Weise nicht fortgeführt werden.

Soweit der Gesetzgeber bisher eine ausdrückliche Regelung unterlassen hat, folgt hieraus aber für die Kammer lediglich, dass die Genehmigung der Anstellung eines Arztes nicht bereits mit der Praxisnachfolge auf den Nachfolger automatisch übergeht. Soweit es sich bei der Genehmigung einer Anstellung um einen statusähnlichen Akt handelt, läge dies nahe, würde aber dem Grundsatz widersprechen, dass die Anstellung arztbezogen zu erfolgen hat. Der die Praxis übernehmende Vertragsarzt hat aber einen Anspruch auf Übertragung der Genehmigung entsprechend dem Anspruch auf Nachbesetzung nach § 103 Abs. 4b Satz 2 SGB V. Dies ist auch insofern mit der Statusnachfolge nach § 103 Abs. 4 SGB V konform, als dadurch erst die Fortführung der alten Praxis in vollem Umfang ermöglicht wird. § 103 Abs. 4b Satz 2 SGB V ordnet, ebenso wie § 103 Abs. 4 SGB V, das Ziel eines Abbaus von Überversorgung den nach Art. 14 Abs. 1 GG schützenswerten Verwertungsinteressen (anders aber Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, 2008, § 16, Rdnr. 47) unter, da andernfalls die Aufrechterhaltung der bisherigen Praxis von der Zufälligkeit des Fortbestehens des Anstellungsverhältnisses abhängen würde.

Der Anspruch auf Genehmigung der Arztanstellung auch seitens des Praxisnachfolgers ist die Folge des Umstands, dass die Genehmigung der Arztanstellung auch in Gemeinschaftspraxen nur arztbezogen erfolgen kann (vgl. Bonvie, Bindung des Vertragsarztsitzes an das Unternehmen "Arztpraxis", GesR 2008, S. 505 ff., 506 f.). Scheidet der Vertragsarzt aus der Gemeinschaftspraxis aus, so nimmt er die Genehmigung der Arztanstellung, unabhängig von der arbeitsrechtlichen Vertragsgestaltung, mit. Im Falle des Ausscheidens dieses Gesellschafters aufgrund der Bindung an den Vertragsarztsitz dieses Gesellschafters kann die Nachbesetzung nach § 103 Abs. 4 SGB V nur einheitlich erfolgen, d. h. der Nachfolger dieses Vertragsarztes übernimmt auch die Anstellungsgenehmigung (so Bonvie, aaO., S. 507). Der in die Angestelltenstelle umgewandelte Vertragsarztsitz kann, ebenso wenig wie er in eine Vertragsarztzulassung "rückverwandelt" werden kann, auch nicht innerhalb der Gesellschafter der Gemeinschaftspraxis weitergegeben werden. Insofern ist er vom Status der Vertragsarztzulassung nicht abkoppelbar. Es ist daher auch kein Grund ersichtlich, weshalb nach Beendigung der Vertragsarztzulassung ein Nachfolger keine Genehmigung erhalten sollte und der in eine Angestelltenstelle umgewandelte frühere Vertragsarztsitz auch bedarfsplanungsrechtlich erlöschen sollte. Lediglich durch die "unternehmerische" Entscheidung des Vertragsarztes oder seines Nachfolgers, diese Angestelltenstelle auf Dauer nicht mehr zu besetzen, erlischt diese Angestelltenstelle. Insofern folgt gerade aus dem zutreffenden Ansatz der Klägerin, die Arztstelle hänge von dem Bestehen der Zulassung ab, dass auch der Nachfolger einen Anspruch auf Genehmigung der Arztanstellung hat.

Hieraus folgt, dass die Fortgeltungsklausel lediglich deklaratorisch wiederholt, was geltende Rechtslage ist. Aus diesem Grund war sie nicht zu beanstanden und ist der angefochtene Beschluss des Beklagten rechtmäßig. Von daher war auch die jetzt noch angefochtene Kostenentscheidung nicht zu beanstanden.

Nach allem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1. VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
Saved