L 7 B 613/08 AS-ER

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 5 AS 3666/08 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 B 613/08 AS-ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Nachweis für die Bekanntgabe eines Meldetermins
Der Grundsicherungsträger muss im Zweifel nachweisen, dass dem Leistungsempfänger eine Meldeaufforderung gemäß § 59 SGB II iVm § 309 Abs. 1 Satz 1 SGB III bekannt gegeben wurde.
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 31. Juli 2008 geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20.06.2008 und die Aufhebung der Vollziehung dieses Bescheides wird angeordnet. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt und Rechtsanwältin X , ... beigeordnet. Derzeit sind keine Raten aus Einkommen oder Vermögen zu zahlen.
III. Die Antragsgegnerin hat 1/10 der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Gründe:

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Antragsteller) begehrt im Wege des einstweiligen bzw. vorläufigen Rechtsschutzes, ab 01.07.2008 höhere Leistungen der Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der am ... 1987 geborene Antragsteller beantragte erstmals 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Damals wohnte er in einer Wohnung mit seiner Mutter, die Witwenrente und Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von damals 1.042,00 EUR bezog. Die Antragsgegnerin bewilligte dem Antragsteller im November 2005 erstmals laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

Zum 01.09.2007 zog die Mutter ohne den Antragsteller nach M ... Er selbst bezog in Wohngemeinschaft mit W. eine 70 qm große Dreizimmerwohnung, für die beide eine Grundmiete von 160,00 EUR, eine Vorauszahlung Betriebskosten von 77,00 EUR und für Heizung und Warmwasser 78,00 EUR, zusammen 315,00 EUR zu zahlen hatten. Am 08.01.2008 erklärte die Mutter des Antragstellers, dass sie das Geld (Kindergeld?) an ihren Sohn weiterleite. Am 08.02.2008 sprach der Antragsteller bei der Antragsgegnerin vor und teilte mit, dass sowohl seine Mutter als auch er umgezogen seien. Meldebescheinigungen könnten nicht vorgelegt werden, jedoch die Personalausweise in Kopie und die neuen Mietverträge. Ihm wurde mitgeteilt, dass noch eine Angemessenheits- und Notwendigkeitsbescheinigung des Umzugs benötigt werde sowie die Anmeldebescheinigung von ihm und seiner Mutter. Sodann wurden dem Antragsteller mit Bescheid vom 12.02.2008 die auf 80 % abgesenkte Regelleistung bewilligt, allerdings keine Kosten der Unterkunft. Außerdem wurden – wie bereits in der Vergangenheit – Minderungsbeträge wegen Sanktionen festgesetzt.

Auf seinen Weiterbewilligungsantrag gewährte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Bescheid vom 19.06.2008 für Juni 2008 Leistungen in Höhe von 278,00 EUR und vom 01.07.2008 bis 30.11.2008 monatliche Leistungen in Höhe von 282,00 EUR. Weil er trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen zu dem Meldetermin am 27.02.2008 ohne wichtigen Grund nicht erschienen sei, wurde gestützt auf § 31 Abs. 2 und Abs. 6 SGB II mit Bescheid vom 20.06.2008 eine Absenkung des Arbeitslosengeldes II in Höhe von 35,00 EUR verfügt. Die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung vom 12.06.2008 wurde insoweit für den Zeitraum 01.07.2008 bis 30.09.2008 gemäß § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben.

Im Namen des Antragstellers wandte sich ein Mitarbeiter der T. e. V. mit einem Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X zum Bescheid vom 12.02.2008 an die Antragsgegnerin. Der Antragsteller lebe bereits seit September 2007 allein, da seine Mutter damals umgezogen sei. Da D. sein Lebensmittelpunkt sei, sei der Antragsteller hier geblieben und lebe als eigene Bedarfsgemeinschaft in einer Wohngemeinschaft. Seit September 2007 erhalte er keine Unterstützung für die Kosten der Unterkunft und zahle die Miete aus eigener Kraft von seiner Regelleistung. Auf Grund der finanziellen Situation seien Mietrückstände entstanden, die zur fristlosen Kündigung durch den Vermieter geführt hätten. Der Verein habe bereits Kontakt zum Vermieter aufgenommen und dieser sei zur Rücknahme der Kündigung bereit, wenn die Rückstände möglichst bald ausgeglichen würden. Die Überprüfung lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 22.07.2008 ab. Dagegen hat der Antragsteller am 13.08.2008 Widerspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden ist.

Am 18.07.2008 hat die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers beim Sozialgericht Dresden Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes und von Prozesskostenhilfe gestellt. Der Antragsteller begehre die Fortzahlung von Leistungen nach dem SGB II. Der letzte Bescheid habe einen Leistungszeitraum bis 30.06.2008 gehabt. Er habe zweimal noch im Juni 2008 einen Fortzahlungsantrag gestellt. Dennoch habe die Antragsgegnerin seit zwei Monaten keinerlei Leistungen bezahlt, ohne einen Grund genannt zu haben. Der Antragsteller habe keinerlei eigenes Vermögen, das er für den Lebensunterhalt einsetzen könne.

Dem gegenüber hat die Antragsgegnerin auf den Bewilligungsbescheid vom 19.06.2008 verwiesen, mit dem dem Antragsteller abgesenkte Regelleistungen nach § 20 Abs. 2a SGB II gewährt worden seien. Er sei ohne eine entsprechende Angemessenheits- und Notwendigkeitsbescheinigung im September 2007 in eine eigene Wohnung umgezogen, so dass nach § 22 Abs. 2a SGB II ein Anspruch auf Gewährung der Unterkunftskosten nicht bestehe. Auf Grund des Sanktionsbescheides vom 20.06.2008 sei der Bewilligungsbescheid vom 19.06.2008 für den Zeitraum 01.07.2008 bis 30.09.2008 teilweise aufgehoben worden. Beide Bescheide seien zwischenzeitlich bestandskräftig, da ein eingelegter Widerspruch nicht bekannt sei. Die Leistungen seien – wie auch in den vorangegangenen Bewilligungsabschnitten – auf das der Antragsgegnerin bekannte Konto des Antragstellers ausgezahlt worden. Einen darüber hinausgehenden Leistungsanspruch habe er bisher nicht nachgewiesen.

Nach fruchtlosem Ablauf der mit gerichtlicher Verfügung vom 25.06.2008 gewährten Stellungnahmefrist bis 30.07.2008 lehnte das Sozialgericht Dresden mit Beschluss vom 31.07.2008 den Antrag ebenso wie die Gewährung von Prozesskostenhilfe ab. Es bestehe bereits kein Anordnungsgrund, denn der Antragsteller habe ausweislich des Akteninhalts bereits alle ihm zustehenden Leistungen erhalten. Auch wenn die vorgenommene Leistungsabsenkung rechtswidrig sein solle, wofür Anhaltspunkte fehlten, bestünde jedenfalls kein Anordnungsgrund. Zum Einen sei der Absenkungsbescheid – soweit ersichtlich – bestandskräftig, zum Anderen stehe dem Antragsteller auch nach der Absenkung der Leistungen um 10 % das das Existenzminimum zur Verfügung.

Mit Schreiben vom 11.08.2008 replizierte die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers auf die Erwiderung der Antragsgegnerin und machte geltend, dass es nicht auf den Bescheiderlass ankomme, sondern darauf, ob sie die bewilligten Leistungen auch ausgezahlt habe. Das sei vor Einreichung des gerichtlichen Verfahrens nicht geschehen. Das dem Antragsteller zustehende Arbeitslosengeld II (Alg II) sei zu spät ausgezahlt worden, so dass die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens notwendig geworden sei. Er habe vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens keine Leistungen erhalten, so dass ein Anordnungsanspruch bestehe. Davon abgesehen, stünden ihm wesentlich höhere Leistungen zu. Der Sanktionsbescheid vom 20.06.2008 sei dem Antragsteller nicht zugegangen. Er habe ihn erst am 29.07.2008 als Duplikat erhalten und es sei bereits Widerspruch dagegen eingelegt worden. Auch der Bescheid vom 19.06.2008 sei dem Antragsteller nicht zugegangen, sondern er habe ihn auch erst am 29.07.2008 erhalten und dagegen sei ebenfalls Widerspruch eingelegt worden, da die Antragsgegnerin die Übernahme der Unterkunftskosten verweigere und zu Unrecht Einkommen bedarfsmindernd anrechne. Die Entscheidung, die Kosten der Unterkunft nicht zu übernehmen, sei rechtswidrig. Der Antragsteller habe eine eigene Wohnung beziehen müssen, weil seine Mutter D. verlassen und sich geweigert habe, weiterhin mit ihm zusammen in einer Wohnung zu leben. Die Mitbewohnerin sei zwischenzeitlich aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen, so dass der Antragsteller die Miete allein finanzieren müsse. Zum Anordnungsgrund wurde ausgeführt, dass der Antragsteller wirtschaftlich dringend auf die Zahlung der Leistungen angewiesen sei, weil er bereits Mietschulden habe.

Nachdem die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers erklärt hatte, dass ein Beschluss vom 31.07.2008 bei ihr nicht vorliege, hat das Sozialgericht ihr den Beschluss vom 31.07.2008 am 28.08.2008 zugestellt.

Mit Schreiben vom 12.08.2008 hat die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 22.07.2008, 19.06.2008 und 20.06.2008 Widerspruch eingelegt.

Am 01.09.2008 hat die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers Beschwerde erhoben und beantragt, dem Antragsteller Prozesskostenhilfe unter ihrer Beiordnung zu gewähren. Der Antragsteller macht geltend, ihm sei nur ein Bruchteil der Leistungen bewilligt worden, die ihm zustünden. Gegen die Bescheide vom 19.06.2008 und 20.06.2008 sei Widerspruch eingelegt worden. Ihm stehe der volle Regelbedarf nach § 20 Abs. 2 SGB II zu. Der Umzug sei dringend erforderlich gewesen, weil das Verhältnis zur Mutter zerrüttet gewesen sei. Der Antragsteller habe auch mehrfach in der Vergangenheit bei Pflegefamilien gelebt. Er sei ortsgebunden. Er übe eine ehrenamtliche Tätigkeit bei der T e. V. in D. aus. Auch habe er regelmäßige Termine mit seinem Bewährungshelfer wahrzunehmen und Arbeitsstunden in der D. abzuleisten. Zu Unrecht übernehme die Antragsgegnerin keine Unterkunftskosten. Der Antragsteller habe die Wohnung zusammen mit seiner Freundin bewohnt, die im Mai 2008 ausgezogen sei, weil die Beziehung beendet gewesen sei. Er habe sich bereits um eine neue angemessene Wohnung gekümmert. Zwar möge es sein, dass ein Bewilligungsbescheid am 19.06.2008 erlassen worden sei, jedoch sei das dem Antragsteller zustehende Alg II zu spät ausgezahlt worden. Da der Antragsteller schon Mietschulden habe, sei er wirtschaftlich dringend auf die Leistungen der Antragsgegnerin angewiesen. Er sei weder imstande die Miete zu zahlen noch seinen Lebensunterhalt auch nur annähernd zu bestreiten. Die Antragsgegnerin verkenne, dass vordergründig die Höhe etwa getätigter Zahlungen im Streit stehe. Notwendige Unterkunftskosten würden nicht anerkannt, so dass diese unstreitig nicht von den bewilligten Leistungen umfasst seien. Der Antragsteller habe mittlerweile derart hohe Mietschulden, dass er eine Schuldenberatung aufgesucht habe.

Die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 31.07.2008 aufzuheben und dem Antrag auf Gewährung von höheren Leistungen nach dem SGB II stattzugeben

und

dem Antragsteller Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Unterzeichnerin zu gewähren.

Die Antragsgegnerin ist der Beschwerde entgegengetreten und trägt vor, ausweislich des Bescheides vom 12.02.2008 habe der Bewilligungszeitraum bis zum 31.05.2008 gereicht, so dass nicht nachvollziehbar sei, dass der vorangegangene Leistungszeitraum bis zum 30.06.2008 gegangen sein solle. Der erst am 19.06.2008 gestellte Fortzahlungsantrag sei verspätet gestellt worden, womit eine vorherige Leistungserbringung ausgeschlossen gewesen sei. Dies könne dahinstehen, weil zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die Leistungen erbracht gewesen seien. Am 30.04.2008 seien 278,00 EUR für Mai 2008 per Postverrechnungsscheck gezahlt worden, am 20.06.2008 für Juni 2008 und am 30.06.2008 247,00 EUR für Juli 2008. Die Zahlungen für Juni und Juli seien auf das im Folgeantrag angegebene Konto des Antragstellers überwiesen worden, so dass ein Rechtsschutzinteresse nicht bestanden habe. Über die Widersprüche des Antragstellers auch gegen die vermeintlich nicht zugegangenen Bescheide vom 19.08.2008 und 20.08.2008 sei noch nicht entschieden.

Auf Anforderung des Senats hat die Antragsgegnerin VERBIS-Ausdrucke zum Nachweis der Einladungen des Antragstellers zum Termin übersandt. Ein Entwurfausdruck zur Einladung liege nicht vor. Der Eintrag im Programm erfolge automatisch, wenn die Einladung mit Rechtsfolgenbelehrung ausgedruckt werde; Ausdruck und Versand erfolgten zentral über Nürnberg. Es erscheine zweifelhaft, dass der Antragsteller die streitgegenständlichen Einladungen und Bescheide nicht erhalten habe. Die Einladung zum 05.03.2008 habe er erhalten, ansonsten hätte er den Termin nicht absagen können. Ferner hat die Antragsgegner eine Rechtsfolgenbelehrung sowie ein Einladungsschreiben an den Antragsteller für den 05.08.2008 übersandt.

Der Senat hat die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers mehrfach darauf hingewiesen, dass der Vortrag glaubhaft zu machen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

Die nach §§ 172, 176 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 31.07.2008 ist überwiegend unbegründet und nur im tenorierten Umfang begründet.

Hierbei ist zu unterscheiden zwischen dem Begehren, die Antragsgegnerin vorläufig zu verpflichten, dem Antragsteller zusätzlich zur vollen Regelleistung die Kosten der Unterkunft zu gewähren, und dem Begehren, vorläufig keine Kürzung der bewilligten Regelleistung infolge Sanktion hinnehmen zu müssen. Während für Ersteres der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG statthaft ist, ist für Letzteres der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs nach § 86b Abs. 1 SGG zu stellen. Der von der rechtskundigen Prozessbevollmächtigten des Antragstellers ausdrücklich gestellte Antrag auf vorläufige Verpflichtung zur Gewährung höherer Leistungen nach dem SGB II steht einer am umfassenden Rechtsschutzbegehren des Antragstellers orientierten Auslegung durch den Senat nicht entgegen (vgl. § 123 SGG).

Das Sozialgericht hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG können die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit auf Antrag schon vor Klageerhebung (§ 86b Abs. 3 SGG) eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dazu sind gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sowohl der geltend gemachte materielle Rechtsanspruch (Anordnungsanspruch) als auch der Grund, weshalb die Anordnung so dringlich ist, dass dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache gesichert oder geregelt werden muss (Anordnungsgrund), glaubhaft zu machen. Außerdem kann das Gericht dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang – wenn auch nur auf beschränkte Zeit und unter dem Vorbehalte der Entscheidung in der Hauptsache – das gewähren, was er nur im Hauptsacheverfahren erreichen kann.

Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn nach summarischer Prüfung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass dem Antragsteller ein Rechtsanspruch auf die begehrte Leistung zusteht und er deshalb im Hauptsacheverfahren mit seinem Begehren Erfolg haben würde. Die summarische Prüfung kann sich insbesondere bei schwierigen Fragen auch auf Rechtsfragen beziehen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 86b RdNr. 16c), wobei dann die Interessen- und Folgenabwägung stärkeres Gewicht gewinnt (Binder in: Hk-SGG, 2. Aufl. 2006, § 86b Rn. 42). Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn sich aus den glaubhaft gemachten Tatsachen ergibt, dass es die individuelle Interessenlage des Antragstellers – unter Umständen auch unter Berücksichtigung der Interessen des Antragsgegners, der Allgemeinheit oder unmittelbar betroffener Dritter – unzumutbar erscheinen lässt, ihn zur Durchsetzung seines Anspruchs auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen (Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl. 1998, RdNr. 154-156 m. w. N.; ähnlich: Krodel, NZS 2002, 234 ff.). Ob die Anordnung derart dringlich ist, beurteilt sich insbesondere danach, ob sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen, ebenso schwer wiegenden Gründen nötig erscheint. Dazu müssen Tatsachen vorliegen bzw. glaubhaft gemacht sein, die darauf schließen lassen, dass der Eintritt des wesentlichen Nachteils im Sinne einer objektiven und konkreten Gefahr unmittelbar bevorsteht (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., § 86b RdNr. 27a). Dabei wird der Sachverhalt gemäß § 103 SGG von Amts wegen unter Heranziehung der Beteiligten ermittelt, soweit dies unter Berücksichtigung der Eilbedürftigkeit des Rechtsschutzbegehrens geboten ist (Krodel, NZS 2002, 234 ff.; Finkelnburg/Jank, a. a. O., RdNr. 152, 338; jeweils m. w. N.).

Der Antragsteller hat weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Dem Antragsteller steht insbesondere kein Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu. Nach § 22 Abs. 2a SGB II werden einer Person, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, Leistungen für Unterkunft und Heizung im Falle eines Umzugs nur erbracht, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der erst 20jährige Antragsteller hätte also vor dem Auszug aus der gemeinsam mit seiner Mutter bewohnten Wohnung die entsprechende Zusicherung des kommunalen Leistungsträgers einholen müssen. Dies hat er nicht getan, was er auch nicht behauptet hat. Zwar kann gemäß § 22 Abs. 2a Satz 3 SGB II vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, diese einzuholen. Es ist vorliegend von der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers aber weder vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht worden, dass Umstände vorgelegen haben könnten, wonach es dem Antragsteller nicht zuzumuten gewesen sein könnte, vor Abschluss des Mietvertrages mit der W. GmbH am 13.09.2007 sich an die Antragsgegnerin zu wenden und die Zusicherung für den Umzug einzuholen.

Unabhängig davon ist nicht ersichtlich und auch nicht im Ansatz vorgetragen worden, dass im Falle des Antragstellers möglicherweise die Voraussetzungen des § 22 Abs. 2a Satz 3 SGB II vorgelegen haben könnten. Nach dieser Vorschrift ist der kommunale Träger zur Zusicherung von Leistungen für Unterkunft und Heizung bei einem unter 26-Jährigen verpflichtet, wenn der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann (1.), der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist (2.) oder ein sonstiger ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt (3.). Dass im Falle des Antragstellers schwerwiegende Gründe i. S. d. § 22 Abs. 2a Satz 3 SGB II für den Bezug einer eigenen Wohnung vorgelegen haben könnten, ist nicht dargetan. Zu den tatsächlichen Umständen, die zu dem Umzug des Antragstellers im September 2007 geführt haben, hat die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers nur pauschal behauptet, das Verhältnis zur Mutter des Antragstellers sei zerrüttet und sie habe sich geweigert, mit ihm zusammen zu leben. Diese durch nichts belegten Behauptungen sind vor dem Hintergrund, dass die Mutter laut Erklärung vom 08.01.2008 Geld an den Antragsteller weitergeleitet hat, nicht nachvollziehbar; trotz Aufforderung des Senats hat die Prozessbevollmächtigte dieses Vorbringen auch nicht glaubhaft gemacht. Aus den vorliegenden Angaben ergibt sich vielmehr, dass der Antragsteller – wie auch vorgetragen – in D. bleiben wollte, so dass sich die Frage, ob er mit seiner Mutter nach M. zieht, für ihn offenbar gar nicht gestellt hat. Dass er hierfür Gründe hatte und ob ggf. die ihm auferlegten Bewährungsauflagen für einen Verbleib in D. sprachen, ist eine Frage der persönlichen Lebensgestaltung. Da der Antragsteller aber im Leistungsbezug der Antragsgegnerin stand und steht, hätte vorher in Absprache mit der Antragsgegnerin geklärt werden müssen, ob er für eine eigene Wohnung Leistungen erhalten würde. Dies hat der Antragsteller versäumt, ohne dass ein wichtiger Grund hierfür ersichtlich ist. Derzeit ist jedenfalls nicht erkennbar, dass die Voraussetzungen dafür vorliegen könnten, unter denen die Antragsgegnerin nach § 22 Abs. 2a Satz 3 und Satz 4 SGB II ausnahmsweise verpflichtet sein könnte, dem Antragsteller Leistungen für Unterkunft und Heizung zu gewähren.

Auch soweit der Antragsteller geltend macht, ihm stehe die Regelleistung nach § 20 SGB II ungekürzt zu, ist hierfür nichts ersichtlich. Gemäß § 20 Abs. 2a SGB II erhalten Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des kommunalen Trägers nach § 22 Abs. 2a SGB II umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres 80 vom Hundert der Regelleistung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II. Da der Antragsteller am 11.12.2008 21 Jahre alt wurde und im September 2007 umgezogen ist, ohne vorher die Zustimmung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Abs. 2a SGB II eingeholt zu haben, liegen die Voraussetzungen für eine Absenkung der Regelleistung nach jener Vorschrift vor. Unabhängig von den tatsächlichen Aufwendungen, die der Antragsteller hat, bzw. ungeachtet der vertraglichen Verpflichtungen, die er ohne entsprechende Rücksprache mit der Antragsgegnerin eingegangen ist, hat er demzufolge nach § 20 Abs. 2a SGB II nur Anspruch auf 80 % der Regelleistung.

Darüber hinaus hat die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers auch keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Ihr Vortrag zum Anordnungsgrund beschränkt sich darauf, zu behaupten, dass beim Antragsteller Mietschulden aufgelaufen seien und dass er seinen täglichen Lebensunterhalt nicht annähernd bestreiten könne. Der Aufforderung des Senats, ihren diesbezüglichen Vortrag glaubhaft zu machen, ist die Prozessbevollmächtigte nicht nachgekommen. Insbesondere wurden keine Belege dafür vorgelegt, dass tatsächlich Mietrückstände bestehen, obwohl davon auszugehen ist, dass in einem solchen Fall Zahlungsaufforderungen des Vermieters bzw. Mahnungen oder Ähnliches vorliegen.

Da der Antragsteller allgemein die Gewährung höherer Leistungen begehrt, richtet sich der vorliegende Rechtsschutzantrag schließlich auch gegen die Absenkung der mit Bescheid vom 19.06.2008 bewilligten Leistungen infolge einer Sanktion gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 SGB II. Insoweit ist sein Rechtsschutzbegehren als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des mit Schreiben vom 12.08.2008 erhobenen Widerspruchs gegen jenen Bescheid auszulegen. Dies hat das Sozialgericht verkannt und insoweit den Antrag zu Unrecht abgelehnt.

Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 SGG können die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit auf Antrag, der auch schon vor Klageerhebung zulässig ist, die aufschiebende Wirkung in den Fällen ganz oder teilweise anordnen, in denen gemäß § 86a Abs. 2 SGG Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben. Dabei entscheidet das Gericht aufgrund einer Interessenabwägung, bei der auch die in § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG aufgestellten Kriterien herangezogen werden können (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/u. a., a. a. O., § 86b RdNr. 12b m. w. N.). Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist begründet, wenn das private Interesse des Antragstellers, den Vollzug des angefochtenen Bescheides bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen (privates Aussetzungsinteresse), das öffentliche Interesse am Sofortvollzug (öffentliches Vollzugsinteresse) überwiegt. Die Interessenabwägung orientiert sich an den Erfolgaussichten des Hauptsacheverfahrens. Denn wenn sich schon nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen und allein nötigen summarischen Prüfung ergibt, dass der Bescheid offensichtlich rechtmäßig ist, besteht kein überwiegendes Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung einstweilen verschont zu bleiben. Andernfalls ordnet das Gericht nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG die aufschiebende Wirkung an, weil am Vollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes in der Regel kein öffentliches Interesse besteht. Hierfür ist der Sachverhalt gemäß § 103 SGG von Amts wegen unter Heranziehung der Beteiligten zu ermitteln, soweit dies mit Rücksicht auf die Eilbedürftigkeit geboten ist. Daneben sind aber auch alle sonstigen Umstände des Einzelfalls, die für und gegen die sofortige Vollziehbarkeit sprechen, gegeneinander abzuwägen, nämlich das besondere Vollzugsinteresse im Einzelfall und der Umfang der drohenden Rechtsbeeinträchtigung. Insbesondere bei offenem Ausgang des Hauptsacherechtsbehelfs ist eine Folgenabwägung zwischen den Auswirkungen, die der Sofortvollzug eines rechtswidrigen Bescheides einerseits und die Vollzugsaussetzung eines rechtmäßigen Bescheides andererseits mit sich bringen würden vorzunehmen. Je geringer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, umso gewichtiger müssen die gegen den Sofortvollzug sprechenden Umstände sein. In den Fällen, in denen – wie hier – kraft Gesetzes die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs entfällt, bleibt es grundsätzlich beim vom Gesetzgeber gewollten Sofortvollzug, wenn der Ausgang des Hauptsacheverfahrens völlig offen ist und das entgegenstehende Aussetzungsinteresse nicht überwiegt (so auch SächsLSG, Beschluss vom 02.04.2008 – L 2 B 141/08 –; vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/u. a., a. a. O., § 86b RdNr. 12a ff.; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4. Aufl., S. 176, jeweils m. w. N.). Denn Rücknahme- und Aufhebungsbescheide nach §§ 45, 48 SGB X zu früheren Bewilligungen sind Entscheidungen über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende i. S. d. § 39 Nr. 1 SGB II (vgl. Beschluss des Senats vom 03.11.2008 – L 7 B 154/07 AS-ER – m. w. N.).

Anders als das Sozialgericht offenbar meint, ist es daher im Unterschied zur Entscheidung nach § 86b Abs. 2 SGG unerheblich, ob ein Anordnungsgrund, also eine besondere Dringlichkeit der gerichtlichen Entscheidung gegeben ist. Vielmehr hat der Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG schon dann Erfolg, wenn sich der angegriffene Bescheid als voraussichtlich rechtswidrig erweist. Da bereits mit Bescheid vom 19.06.2008 Leistungen an den Antragsteller bewilligt worden waren, genügt die Außervollzugsetzung des gemäß § 39 Nr. 1 SGB II sofort vollziehbaren Aufhebungsbescheides vom 20.06.2008, um dem geltend gemachten Anspruch auf höhere Leistungen insoweit – in Höhe von jeweils 35,00 EUR für die Monate Juli bis September 2008 – zum Erfolg zu verhelfen.

An der Rechtmäßigkeit der im Bescheid vom 20.06.2008 verfügten Absenkung der dem Antragsteller zustehenden und zuvor bewilligten Leistungen wegen Sanktion nach § 31 Abs. 2 SGB II bestehen erhebliche Zweifel, die durch die Stellungnahme der Antragsgegnerin im vorliegenden Eilverfahren nicht ausgeräumt wurden. Voraussetzung für eine Sanktionsentscheidung nach jener Vorschrift ist, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen einer Meldeaufforderung nicht folgt und hierfür keinen wichtigen Grund nachweist. Dies setzt indes mindestens voraus, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige über den Meldetermin, den Meldeort und den Meldezweck informiert ist, ihm also eine hinreichend bestimmte Aufforderung zur Meldung gemäß § 59 SGB II i. V. m. § 309 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) bekannt gegeben wurde (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16.01.2008 – L 28 B 2119/07 AS ER; LSG NRW, Beschluss vom 13.07.2007, – L 20 B 114/07 AS – beide Juris). Ob eine Meldaufforderung dem Adressaten überhaupt zugegangen ist, muss indes der zuständige Grundsicherungsträger nachweisen, wenn der Zugang einer derartigen Aufforderung zur Meldung bestritten wird (vgl. LSG Bad.-Württ., Urteil vom 14.03.2008 – L 8 AS 5579/97 – Juris-Dokument). Nach Ansicht des Senats ist unabhängig davon, ob es sich bei der Aufforderung zur Meldung gemäß § 59 SGB II i.V.m. § 309 Abs. 1 Satz 1 SGB III um einen Verwaltungsakt handelt oder nicht (vgl. hierzu Rixen in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 31 RdNr. 26), § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB X jedenfalls entsprechend anzuwenden. Denn wenn die Antragsgegnerin im Zweifel den Zugang eines Sanktionsbescheides nach § 31 SGB II nachweisen muss, so ist derselbe Nachweis auch für den Zugang der Aufforderung zu fordern, deren Nichtbefolgen überhaupt zum Erlass dieses Bescheides geführt hat. Denn schon der bloße Pflichtverstoß ohne wichtigen Grund zieht die Sanktion nach § 31 Abs. 2 SGB II nach sich; Ermessen ist dem Leistungsträger nicht eingeräumt.

Die streitige Meldeaufforderung befindet sich nicht in den Akten der Antragsgegnerin, so dass dem Senat eine inhaltliche Prüfung verwehrt ist. Aus der dem Senat vorliegenden Leistungsakte der Antragsgegnerin, die nach deren Auskunft die einzige und vollständige Originalbehördenakte ist, ergibt sich auch sonst weder, ob und wie ein entsprechender Meldetermin im Zeitraum 22.-27.02.2008 festgelegt wurde, noch dass und wie der Antragsteller über die Rechtsfolgen der Nichtbefolgung belehrt worden wäre. Der Senat kann nur vermuten, dass die damalige Einladung inhaltlich denselben Text enthielt wie der Ausdruck vom 04.12.2008 einer an den Antragsteller gerichteten Einladung für den 05.08.2008. Ferner ist nicht erkennbar, wann die damalige Meldeaufforderung zur Post gegeben und somit versandt worden ist (vgl. auch SächsLSG, Beschluss vom 07.04.2005, – L 3 B 188/02 AL –; BSG, Urteil vom 11.12.2007 B 8/9b SO 12/06 R –, RdNr. 12 und Urteil vom 26.07.2007 – B 13 R 4/06 R –, RdNr. 18; alle Juris). Zwar ist aufgrund der nachgereichten Ausdrucke nachvollziehbar, dass am 22.02.2008 eine Einladung zur Vorsprache am 27.02.2008 um 9:30 Uhr bei S. an den Antragsteller versandt worden sein soll. Der hierzu von der Antragsgegnerin vorgelegte Computerausdruck genügt jedoch nicht, um die Bekanntgabe- und Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auszulösen. Dem vorgelegten Ausdruck lässt sich nur entnehmen, dass die Einladung am 22.02.2008 um 12:42 Uhr am Computer erstellt wurde. Die Antragsgegnerin selbst weiß nur, dass infolge der elektronischen Datenübermittlung die Einladung selbst – wie in anderen Fällen auch – in Nürnberg ausgedruckt und von dort zentral versandt worden sein soll. Ob und wann dies geschehen ist, bleibt offen.

Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 20.06.2008 ergeben sich außerdem, weil der Antragsteller – soweit ersichtlich – nicht gemäß § 24 SGB X vorher zur beabsichtigten Sanktion in Form der teilweisen Aufhebung der Bewilligung angehört worden ist. Damit wurde dem Antragsteller vor Erlass des Bescheides keine Gelegenheit gegeben darzulegen, ob er möglicherweise aus einem wichtigen Grund den Meldetermin am 27.02.2008 nicht wahrgenommen hat. Diese Prüfung muss im noch offenen Widerspruchsverfahren nachgeholt werden. Denn der Aufhebungsbescheid vom 20.06.2008 ist – soweit ersichtlich – auch nicht bestandskräftig geworden. Die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers hat mit Schreiben vom 12.08.2008, bei der Antragsgegnerin am 22.08.2008 eingegangen, Widerspruch eingelegt, nachdem sie bzw. der Antragsteller den Bescheid vom 20.06.2008 als Duplikat erstmals am 29.07.2008 erhalten habe. Es ist derzeit nichts für eine Verfristung des Widerspruchs ersichtlich. Zwar hat die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers lediglich pauschal behauptet, dass dem Antragsteller dieser Bescheid (wie auch der Bewilligungsbescheid vom 19.06.2008) erstmals als Duplikat mit Schreiben vom 29.07.2008 zugegangen sei. Dass der angegriffene Bescheid dem Antragsteller früher, insbesondere schon im Juni 2008 zugegangen wäre, muss gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB X jedoch die Antragsgegnerin nachweisen. Es besteht nämlich weder eine Vermutung für den Zugang eines mit einfachen Brief übersandten Schreibens, noch gelten hierfür die Grundsätze des Anscheinsbeweises (vgl. BSG, Urteil vom 26.07.2007, – B 13 R 4/06 R – a. a. O.). Der Antragsteller muss auch nicht "substantiiert" bestreiten, dass und warum er den Bescheid vom 20.06.2008 nicht erhalten hat, um die Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X zu widerlegen (vgl. BSG, Urteil vom 26.07.2007m – B 13 R 4/06 R – a. a. O. RdNr. 20; LSG Bad.-Württ.Urteil vom 14.03.2008 – L 8 AS 5579/07 – a. a. O. RdNr. 22; Engelmann in: von Wulfen, SGB X 5. Aufl. 2008 , § 37 RdNr. 15 ??).

Da alles gegen die Rechtmäßigkeit des Sanktionsbescheides vom 20.06.2008 spricht, ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen diesen Bescheid anzuordnen. Zusätzlich ist die Aufhebung der Vollziehung gemäß § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG anzuordnen, weil die dem Antragsteller zustehende 80%ige Regelleistung bereits für drei Monate um jeweils 35,00 EUR abgesenkt worden war. Denn es spricht derzeit nichts dafür, dass sich im Laufe des Hauptsacheverfahrens Umstände ergeben, die doch noch zur Rechtmäßigkeit jenes Bescheides führen könnten.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Da die Rechtsverfolgung des Antragstellers aus den dargelegten Gründen jedenfalls teilweise hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und er bedürftig ist, ist Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich der Beschwerdeentscheidung aus § 193 SGG analog, hinsichtlich der Prozesskostenhilfeentscheidung aus § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO. Dabei hat der Senat maßgeblich berücksichtigt, dass der Antragsteller im Hinblick auf den insgesamt geltend gemachten Leistungsanspruch nur in geringem Umfang obsiegt hat.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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