L 16 R 139/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 4 R 4743/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 139/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. November 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist die Gewährung von Versichertenrente wegen voller Erwerbsminderung (EM) für die Zeit ab 1. April 2005.

Die 1959 geborene Klägerin hatte nach ihren Angaben in der früheren Deutschen Demokratischen Republik eine Berufsausbildung als Anlagenfahrerin abgeschlossen. Von 1977 bis zum 30. Juni 2001 war sie - mit Unterbrechungen - als Anlagenfahrerin, Maschinenarbeiterin, Lagerarbeiterin und zuletzt als Raumpflegerin versicherungspflichtig beschäftigt. Seit Juli 2001 ist sie arbeitslos, wobei sie vom 01. Juli 2001 bis 25. Juni 2002 Arbeitslosengeld (Alg) und danach Anschluss-Arbeitslosenhilfe bezog, und zwar - unterbrochen durch eine von der Beklagten gewährte stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme mit Übergangsgeldbezug vom 29. Oktober 2003 bis 19. November 2003 - bis zum 31. Dezember 2004. Seit dem 01. Januar 2005 bezieht die Klägerin Alg II.

Die Klägerin ist als schwerbehinderter Mensch anerkannt mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 60 aufgrund folgender Leiden: Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden der Lenden- und Halswirbelsäule, chronisches Wirbelsäulensyndrom, Gleichgewichtsstörungen, Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen beidseits, seelische Störung, chronische venöse Insuffizienz des Beines, Funktionseinschränkung der Kniegelenke bei degenerativen Gelenkveränderungen und Meniskusschaden, Meniskusresektion links, Beeinträchtigung des Sehvermögens, Funktionsbehinderung der Schultergelenke bei Periarthritis humero scapularis rechts und stattgehabte subcapitale Humerusfraktur links, Schildddrüsenfunktionsstörung, Hämorrhoiden (Widerspruchsbescheid des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin - Versorgungsamt - vom 23. Juni 2008).

Einen ersten Antrag der Klägerin auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom März 2003 hatte die Beklagte nach Einholung eines Gutachtens des Allgemeinmediziners Dr. S vom 11. April 2003, der der Klägerin ein vollschichtiges Restleistungsvermögen für zumindest körperlich leichte Arbeiten bescheinigt hatte, mit Bescheid vom 15. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Dezember 2003 abgelehnt.

Im April 2005 stellte die Klägerin einen neuen EM-Rentenantrag. Sie legte Unterlagen und Berichte ihrer behandelnden Ärzte vor, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Die Beklagte ließ die Klägerin durch den Facharzt für Chirurgie und Sozialmedizin Dipl.-Med. P und den Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde L untersuchen und begutachten. Diese Ärzte stellten in ihren Gutachten vom 19. April 2005 und 3. Mai 2005 noch ein mehr als sechsstündiges tägliches Leistungsvermögen für körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten unter Berücksichtigung der aufgeführten qualitativen Leistungseinschränkungen fest. Mit Bescheid vom 19. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Weder volle bzw. teilweise EM noch teilweise EM bei Berufsunfähigkeit (BU) lägen vor.

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Berlin Befundberichte von den behandelnden Ärzten der Klägerin erstatten lassen, und zwar von den Orthopäden Dres. P/Z vom 14. Februar 2006, von der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. J vom 24. März 2006, von den Fachärzten für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. J vom 13. März 2006 und von dem Augenarzt Dr. T vom 13. März 2006. Das SG hat den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B als Sachverständigen eingesetzt. Dieser Arzt hat in seinem Gutachten vom 2. August 2006 folgende Gesundheitsstörungen der Klägerin mitgeteilt: rezidivierendes Schmerzsyndrom im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule bei degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule mit Bandscheibendegenerationen und rezidivierenden Nervenwurzelreizerscheinungen ohne neurologische Ausfallerscheinungen, Schwindel und Gleichgewichtsstörung im Rahmen einer Somatisierungsstörung, zentrale Gefühlsstörung rechtsseitig, Hör- und Sehminderung beidseits, Schilddrüsenunterfunktion. Die Klägerin könne täglich regelmäßig und vollschichtig noch körperlich leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen, aber auch im Wechsel der Haltungsarten - unter Berücksichtigung der aufgeführten qualitativen Leistungseinschränkungen - sowie einfache geistige Arbeiten ausführen. Die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit sei erhalten.

Mit Urteil vom 16. November 2007 hat das SG die auf Gewährung von Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser EM für die Zeit ab 1. April 2005 gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen EM gemäß § 43 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) in der seit 01. Januar 2001 geltenden Fassung (im Folgenden ohne Zusatz zitiert). Denn sie sei noch in der Lage, körperlich leichte Arbeiten unter Beachtung der gutachterlich festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen sechs Stunden täglich und mehr auszuüben. Die Kammer folge den im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten und insbesondere dem ausführlichen und schlüssigen Gutachten von Dr. B, der der Klägerin noch ein derartiges Leistungsvermögen bescheinigt habe. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung lägen nicht vor. Auch eine teilweise EM bei BU gemäß § 240 SGB VI liege bei der Klägerin nicht vor. Sie genieße keinen qualifizierten Berufsschutz und sei sozial zumutbar auf alle ihrem Leistungsvermögen entsprechenden Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar. Insbesondere komme ein Einsatz als Pförtnerin in Betracht.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin (nur) noch ihr Begehren auf Rente wegen voller EM weiter. Sie trägt vor: Entgegen der Auffassung des SG, das sich dem Gutachten von Dr. B angeschlossen habe, könne sie nicht mehr sechs Stunden und mehr täglich erwerbstätig sein; insbesondere seien die bei ihr vorliegenden Somatisierungsstörungen nicht abgeklärt worden. Auf die Schriftsätze vom 15. Januar 2008 und 21. Februar 2008 nebst den insoweit vorgelegten ärztlichen Attesten und Befunden der behandelnden Ärzte wird Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. November 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 19. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2005 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr für die Zeit ab 01. April 2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Klägerin auch nach der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme nach wie vor nicht für erwerbsgemindert.

Der Senat hat im Berufungsverfahren Befundberichte von den behandelnden Ärzten der Klägerin erstatten lassen, und zwar von den Dres. P/Z vom 11. März 2008, von Dr. J vom 27. März 2008, von dem Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. F vom 10. April 2008, von Dr. T vom 24. April 2008, von Dr. J vom 28. April 2008 und von den Ärzten S vom 22. April 2008.

Der Senat hat den Arzt M mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dieser Arzt hat in seinem Gutachten vom 23. Juli 2008 (Untersuchung am 17. Juli 2008) folgende Gesundheitsstörungen der Klägerin mitgeteilt: phobischer Schwankschwindel, Hörminderung beidseits, Ohrgeräusche, Belastungsbeschwerden in der Wirbelsäule, Reizzustände der Schulter- und Kniegelenke, Fußfehlform, Schilddrüsenerkrankung, klimakterische Beschwerden, Sehbehinderung, Krampfaderleiden. Die Klägerin könne täglich regelmäßig und vollschichtig noch körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten unter Berücksichtigung der aufgeführten qualitativen Leistungseinschränkungen verrichten. Besondere Anforderungen an das Sehvermögen seien auszuschließen. Einfache geistige Arbeiten seien zumutbar. Die Klägerin hat gegen dieses Gutachten Einwände erhoben; auf ihren Schriftsatz vom 19. August 2008 nebst persönlicher Stellungnahme vom 16. August 2008 wird Bezug genommen. Der Arzt M hat sich zu den Einwendungen der Klägerin geäußert; auf seine Stellungnahme vom 10. September 2008 und die ergänzende Äußerung der Klägerin vom 7. Oktober 2008 wird verwiesen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen, wegen der medizinischen Feststellungen auf die zum Verfahren eingeholten Befundberichte und die Sachverständigengutachten von Dr. B und dem Arzt M nebst dessen ergänzender Stellungnahme Bezug genommen.

Die Alg II-Akten des JobCenters Tempelhof-Schöneberg, die Leistungsakte der Agentur für Arbeit Tempelhof-Schöneberg, die Verwaltungsakten der Beklagten (Renten- und Rehabilitationsakten) und die Gerichtsakten (2 Bände) haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Die Berufung der Klägerin, mit der diese nur noch einen Anspruch auf Rente wegen voller EM für die Zeit ab 1. April 2005 unter Verzicht der Geltendmachung eines Anspruches auf Rente wegen teilweiser EM bzw. teilweiser EM bei BU weiter verfolgt, ist nicht begründet. Die Klägerin hat aufgrund ihres im April 2005 gestellten Rentenantrages (vgl. § 99 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB VI) gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen voller EM (§ 43 Abs. 2 SGB VI). Sie ist nicht voll erwerbsgemindert.

Die Vorschrift des § 43 Abs. 2 SGB VI setzt zunächst die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (vgl. §§ 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 SGB VI) sowie das Vorhandensein von drei Jahren mit Pflichtbeträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der EM voraus (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3 SGB VI). Darüber hinaus muss volle EM vorliegen (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI).

Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (vgl. § 43 Abs. 3 SGB VI).

Die Klägerin war und ist in dem streitigen Zeitraum ab 1. April 2005 nicht voll erwerbsgemindert im Sinne von § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI. Denn sie verfügte und verfügt auch derzeit noch über ein vollschichtiges und damit auch ein mindestens sechsstündiges Restleistungsvermögen zumindest für leichte körperliche und einfache geistige Arbeiten, mit dem sie regelmäßig einer vollschichtigen und damit auch mindestens sechsstündigen Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen konnte und kann. Dass die Klägerin über ein derartiges Leistungsvermögen verfügte und auch derzeit noch verfügt, folgt zur Überzeugung des Senats aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere aus den vorliegenden Gutachten der im Verwaltungsverfahren als Sachverständige eingesetzten Ärzte Dipl.-Med. P und L sowie der im Klage- und Berufungsverfahren bestellten Gerichtssachverständigen Dr. B und M. Denn alle diese Ärzte haben der Klägerin übereinstimmend ein derartiges vollschichtiges bzw. mindestens sechsstündiges Restleistungsvermögen bescheinigt, und zwar durchgehend für den gesamten streitigen Zeitraum.

Das vollschichtige bzw. mindestens sechsstündige Restleistungsvermögen der Klägerin war und ist nach den von den Sachverständigen festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen auch nicht derart reduziert, dass es einem Arbeitseinsatz der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter betriebsüblichen Bedingungen entgegenstünde (vgl. § 43 Abs. 3 SGB VI). Die Klägerin kann zwar nach den von den Sachverständigen getroffenen Feststellungen wegen ihrer Leiden jedenfalls nur noch körperlich leichte Arbeiten mit dem regelmäßigen Heben und Tragen von Lasten bis 7 kg (Dr. B) bzw. bis 10 kg (Arzt M), im Wechsel der Haltungsarten und ohne überwiegende Geh- und Stehtätigkeiten verrichten. Ausgeschlossen sind Arbeiten unter erschwerten Expositionsbedingungen (Hitze, Kälte, Staub, Feuchtigkeit und Zugluft), an laufenden Maschinen und unter Zeitdruck, Arbeiten in Nachtschicht, auf Leitern und Gerüsten, Arbeiten mit einseitiger körperlicher Belastung und mit besonderen Anforderungen an das Sehvermögen und das räumliche Auflösungsvermögen sowie Lärmarbeiten ohne Lärmschutz. Zudem sind der Klägerin feinmotorische Arbeiten nicht mehr zumutbar.

Bei Beachtung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen bestand und besteht aber weder eine spezifische Leistungsbehinderung noch lag oder liegt eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 1998 -B 5/4 RA 58/97 R -veröffentlicht in juris). Es lagen und liegen zwar bei der Klägerin Leistungseinschränkungen vor, die teilweise über den Rahmen dessen hinausgehen, was inhaltlich vom Begriff der körperlich leichten Tätigkeiten umfasst wird. Dies gilt besonders hinsichtlich der Notwendigkeit, bestimmte äußere Einwirkungen wie z. B. Hitze und Kälte zu vermeiden (vgl. BSG, Urteil vom 11. Mai 1991 -B 13 RJ 71/97 R -veröffentlicht in juris). Die bei der Klägerin festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen sind aber nicht geeignet, das Feld körperlich leichter Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Denn die vorliegenden Leistungseinschränkungen wie der Ausschluss von Arbeiten in Zwangshaltungen und mit einseitiger körperlicher Belastung, in Hitze, Kälte, Feuchtigkeit und Zugluft, unter Zeitdruck, auf Leitern und Gerüsten, an laufenden Maschinen und mit besonderen Anforderungen an das Sehvermögen zählen nicht zu den ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen und schon gar nicht zu den schweren spezifischen Leistungsbehinderungen (vgl. dazu die auf die Vorlagebeschlüsse des 13. Senats ergangenen Beschlüsse des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996 - GS 1 bis 4/95 - GS 2/95 = SozR-3600 § 44 Nr. 8). Das Gleiche gilt hinsichtlich der eingeschränkten geistigen Fähigkeiten der Klägerin, die keine nennenswerten Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen - dem Ausbildungsniveau der Klägerin entsprechenden -Arbeitsplatz erkennen lassen; nur eine besondere Einschränkung der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit, die nicht vorliegt, könnte aber eine spezifische schwere Leistungsbehinderung darstellen (vgl. BSG SozR-2200 § 1246 Nr. 104, 117). Auch die Beschränkung auf Lastgewichte bis zu 7 kg bzw. bis zu 10 kg erscheint nicht als geeignet, das Feld leichter körperlicher Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Regelmäßig wird zwar bereits die Beschränkung auf 10 kg zu dem Bereich leichter Arbeiten gezählt. Dies reicht aber nicht aus, das Vorliegen eines noch ausreichenden Arbeitsfeldes zu verneinen (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 1997 -B 13 RJ 87/96 -veröffentlicht in juris). Insgesamt betreffen die bei der Klägerin festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen jedenfalls lediglich einen kleinen Teilbereich des allgemeinen Arbeitsmarktes, lassen aber ein weites Feld von Beschäftigungsmöglichkeiten unberührt.

So könnte und kann die Klägerin mit dem ihr verbliebenen Leistungsvermögen etwa noch leichte Bürotätigkeiten verrichten. Das Gleiche gilt für Sortier- und Verpackungstätigkeiten sowie die Tätigkeit einer -einfachen - Pförtnerin. Im Hinblick darauf, dass nach der übereinstimmenden Leistungsbeurteilung der gerichtlichen Sachverständigen jedenfalls für derart leichte Tätigkeiten keine relevanten Einschränkungen bezüglich der Entschluss- und Verantwortungsfähigkeit, der Auffassungsgabe und der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit bestehen, konnte und kann die Klägerin auch noch derart einfache Tätigkeiten nach einer Zeit der Einarbeitung bis zu drei Monaten vollwertig verrichten.

Soweit die Klägerin gegen das Gutachten des Arztes M umfangreiche Einwendungen, insbesondere zur Feststellung der Wegefähigkeit, erhoben hat, sind diese allesamt nicht geeignet, die Überzeugungskraft des von diesem Arzt als Gehilfen des Gerichts erstatteten Sachverständigengutachtens zu erschüttern. Der gerichtliche Sachverständige hat zu den Einwendungen der Klägerin in seiner ergänzenden Äußerung vom 10. September 2008 ausführlich Stellung genommen und die Beanstandungen der Klägerin, die sich im Wesentlichen auf den Verlauf der Untersuchung bezogen haben, glaubhaft entkräftet. Im Übrigen hat die Klägerin keine ärztlichen Befunde bzw. Einschätzungen vorgelegt, die eine abweichende Beurteilung - auch hinsichtlich der Einschätzung ihres Leistungsvermögens durch den Arzt M - hätten rechtfertigen können. Dieser hat zudem seine Beurteilung aus dem Gutachten bekräftigt, dass nach den erhobenen objektiven Befunden die Klägerin in der Lage war und ist, täglich viermal eine Fußstrecke von mehr als 500 Metern in mindestens 20 Minuten zurückzulegen. Die Klägerin war und ist damit auch wegefähig, so dass es auf die Frage, ob sie einen Führerschein und ein Kraftfahrzeug besitzt, nicht ankommt (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 21. März 2006 - B 5 RJ 51/04 R = SozR 4-2600 § 43 Nr. 8 mwN). Sämtliche Gesundheitsstörungen der Klägerin sind von den gerichtlichen Sachverständigen umfassend gewürdigt und die sich hieraus ergebenden objektivierbaren Leistungseinschränkungen nachvollziehbar und schlüssig aus den erhobenen Befunden hergeleitet worden. Wesentliche Verschlechterungen bzw. neue, bislang nicht berücksichtigte Leiden der Klägerin sind nicht vorgebracht worden und auch im Übrigen nicht ersichtlich, so dass die Einholung eines weiteren Gutachtens von Amts wegen nicht angezeigt war. Dass die Klägerin ihr Leistungsvermögen subjektiv anders einschätzt, rechtfertigt keine andere Beurteilung, zumal auch ihre behandelnden Ärzte lediglich die Verrichtung schwerer körperlicher Arbeiten ausgeschlossen haben (Atteste Dr. Z vom 4. Juli 2005 und 13. August 2002, Befundbericht dieses Arztes vom 14. Februar 2006, Befundbericht Dr. J vom 13. März 2006). Der Einschätzung von Dr. F, dass die Klägerin bei alltäglichen Verrichtungen deutlich eingeschränkt sei, kann nicht gefolgt werden, weil eine organische Gleichgewichtsstörung weder von dem Fachgutachter Dr. B noch von dem Arzt M festgestellt werden konnte.

Da nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens somit eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine spezifische schwere Leistungsbehinderung nicht vorlagen und auch nicht vorliegen, war die konkrete Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit nicht erforderlich. Für die Klägerin in Betracht kommende Tätigkeitsfelder sind bereits aufgezeigt worden.

Darauf, ob die Klägerin einen ihrem verbliebenen Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz tatsächlich erhalten hätte oder erhalten kann, kommt es nicht an. Denn die jeweilige Arbeitsmarktlage, die für leistungsgeminderte Arbeitnehmer wie die Klägerin derzeit kaum entsprechende Arbeitsplatzangebote zur Verfügung stellt, ist für die Feststellung von EM - wie der Gesetzgeber klargestellt hat - unerheblich (vgl. § 43 Abs. 3 SGB VI).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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