Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 5 Ar 316/84
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 Ar 1448/86
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Soweit der Arbeitslose sich mit Hilfe der ihm zur Verfügung stehenden Mittel letztlich erfolglos um die Durchsetzung eines von der Bundesanstalt zur Anrechnung gebrachten Anspruchs bemüht hat, konnte er diese Leistung i.S. des § 138 Abs. 1 Nr. 1 AFG nicht beanspruchen.
Bei der Anrechnung von Unterhaltsansprüchen gehört zu einem vollständig begründeten Bescheid auch, daß in diesem erkennbar ist, welche Beträge im einzelnen angerechnet wurden und auf welcher Grundlage die Berechnung erfolgt ist.
Bei der Anrechnung von Unterhaltsansprüchen gehört zu einem vollständig begründeten Bescheid auch, daß in diesem erkennbar ist, welche Beträge im einzelnen angerechnet wurden und auf welcher Grundlage die Berechnung erfolgt ist.
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 24. September 1986 aufgehoben und die Bescheide der Beklagten vom 16. Dezember 1983, vom 2. Januar 1984, vom 5. Juni 1984, vom 29. Juni 1984, vom 27. Juli 1984 und vom 3. August 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 1984 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, die Arbeitslosenhilfe in der Zeit vom 28. November 1983 bis 18. August 1984 ohne die Anrechnung von Einkommen des Vaters des Klägers zu zahlen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Es geht in dem Rechtsstreit um die Höhe der dem Kläger vom 28. November 1983 bis 18. August 1984 gewährten Arbeitslosenhilfe hinsichtlich eines angerechneten Unterhaltsanspruches gegen den Vater des Klägers in Höhe von wöchentlich DM 11,75 bzw. DM 11,56.
Der 1932 geborene Kläger hat u.a. von März bis Oktober 1976 als Maschinist, von Oktober 1976 bis März 1979 und von Juli 1979 bis November 1980 als Kraftfahrer gearbeitet. Im Anschluß bezog er Arbeitslosengeld bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 21. November 1981 und sodann Anschlußarbeitslosenhilfe bis zur Arbeitsaufnahme am 25. Mai 1983. Von Mai 1983 bis Oktober 1983 und noch einmal kurzfristig vom 14. bis 26. November 1983 arbeitete der Kläger wiederum als Kraftfahrer. Vom 7. Oktober bis 14. November 1983 bezog der Kläger erneut Arbeitslosenhilfe. Im Fragebogen zur Arbeitslosenhilfe vom 1. November 1983 findet sich mit grünem Kugelschreiber an der Spalte bezüglich des Netto-Gesamteinkommens der Eltern der folgende Vermerk:
"Lt. AN ist in der LAErklärung vorhanden, daß seit ca. 30 Jahren kein Kontakt zu Eltern besteht – m.d.B. um Anforderung von Amts wegen!”
Am 28. November 1983 beantragte der Kläger Arbeitslosenhilfe. Dem Antrag gab die Beklagte mit Bescheid vom 16. Dezember 1983 statt, rechnete jedoch wöchentlich einen Betrag von DM 57,90 an, so daß bei einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von DM 550,– ein Betrag von DM 170,10 pro Woche an den Kläger ausgezahlt wurde. Hiergegen hat der Kläger am 4. Januar 1984 Widerspruch eingelegt, da nach seiner Berechnung nach der Leistungstabelle bei Leistungsgruppe "C” ein Betrag von DM 228,–zustünde. Er bat um Aufklärung der Differenz. Mit Schreiben vom 27. April 1984 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß er nach seinen eigenen Angaben monatliche Mieteinnahme von DM 200,– erziele (wöchentlich DM 46,15). Ferner sei vom Einkommen seines Vaters, das monatlich DM 1.888,80 netto betrage, nach Abzug diverser Freibeträge ein wöchentlicher Betrag von DM 11,75 angerechnet worden.
Mit Bescheid vom 2. Januar 1984 setzte die Beklagte die Arbeitslosenhilfe ab diesem Tag auf DM 169,50 pro Woche wegen Änderung der Leistungsverordnung fest. Mit Bescheid vom 5. Juni 1984 erhöhte die Beklagte den wöchentlichen Anrechnungsbetrag auf DM 68,98 ab 22. Mai 1984, verringerte ihn auf den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 29. Juni 1984 jedoch auf DM 57,71, ebenfalls ab 22. Mai 1984. Aus der zugrundeliegenden Berechnung ergibt sich, daß als Unterhaltsanspruch nunmehr ein Betrag von DM 11,56 wöchentlich enthalten war.
Der Kläger teilte mit Schreiben vom 13. September 1984 zur Ergänzung der Widersprüche mit, daß er zwischenzeitlich beim Familiengericht Kassel gegen seinen Vater auf Unterhalt geklagt habe. Er vertrat die Auffassung, daß eine Anrechnung des Einkommens seines Vaters solange nicht in Betracht komme, bis feststehe, daß er tatsächlich einen Unterhaltsanspruch gegen seinen Vater habe.
Der Kläger hatte allerdings zunächst nur Prozeßkostenhilfe-Antrag gestellt – die persönliche Erklärung des Klägers datiert vom 11. Mai 1984 – und die Klage unter der Bedingung der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe erhoben. Nachdem der Kläger ab 20. August 1984 in Arbeit war, lehnte das Familiengericht Kassel mit Beschluss vom 7. September 1984 (73 F 1467/84) die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe ab, da keine hinreichende Erfolgsaussicht bestehe. Mit der Klage verlange der Kläger Unterhalt ab Klageerhebung, eine solche sei aber bisher mangels Klagezustellung (die ja erst nach PKH-Bewilligung erfolgt wäre) nicht erfolgt. Seit 20. August 1984 sei der Kläger nicht mehr unterhaltsbedürftig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 1984 wies die Beklagte die Widersprüche des Klägers zurück und führte aus, nach § 1601 BGB seien Verwandte in gerader Linie verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. In der Praxis werde von einem vermuteten monatlichen Bedarf des Unterhaltspflichtigen von monatlich DM 1.410,– und je DM 200,– für einen weiteren zu unterhaltenden Angehörigen vermutet. Für die einzuhaltende Diät seien monatlich weitere DM 75,– zu berücksichtigen. Bei einem monatlichen Einkommen des Vaters von DM 1.888,80 verblieben somit DM 203,80, wovon ein Viertel (50,95 DM) als anzurechnendes Einkommen anzusehen seien (= wöchentlich DM 11,75).
Am 8. Oktober 1984 hat der Kläger Klage erhoben mit dem Ziel, die angefochtenen Bescheide zu ändern und die Arbeitslosenhilfe ohne die Anrechnung eines Unterhaltsanspruches gegen seinen Vater (DM 11,75 wöchentlich) zu zahlen. Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte habe von dem ihr nach § 140 AFG zustehenden Ermessen keinen Gebrauch gemacht, schon deshalb seien die angefochtenen Bescheide rechtswidrig. Im übrigen habe sich aus den Bewilligungsbescheiden nicht ergeben, in welcher Höhe er sich Leistungen von Seiten Dritter auf seine Arbeitslosenhilfe habe anrechnen lassen müsse. Erst auf das Widerspruchsschreiben vom 2. Januar 1984 sei von der Beklagten erstmals mit Schreiben vom 27. April 1984 mitgeteilt worden, daß ein Unterhaltsanspruch des Klägers gegen seinen Vater bestehen solle und in Höhe von DM 11,75 wöchentlich angerechnet worden sei. Dieses Schreiben sei am 4. Mai 1984 von den Prozeßbevollmächtigten an den Kläger gesandt worden und dieser habe unverzüglich seine Rechtsanwälte mit der Durchsetzung seines Unterhaltsanspruches beauftragt. Mit Schreiben vom 17. Mai 1984 habe der von seinen Eltern beauftragte Rechtsanwalt S. jegliche Unterhaltsverpflichtung abgelehnt, bereits deshalb scheide jegliche Unterhaltsverpflichtung aus. Er habe alles versucht, einen ihm eventuell zustehenden Unterhaltsanspruch gegenüber seinem Vater durchzusetzen und auch eine Klage vor dem Familiengericht anhängig gemacht. Die Klage habe jedoch keine hinreichende Erfolgsaussicht gehabt, da er ab 20. August 1984 wieder in Arbeit stehe und somit nicht mehr unterhaltsbedürftig sei. Der Kläger hat die Vernehmung seiner Eltern als Zeugen über die Frage ihrer unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit beantragt.
Die Beklagte hat vorgetragen, sie sei erst am 17. September 1984 davon unterrichtet worden, daß der Kläger rechtliche Schritte bezüglich des Unterhaltsanspruches gegen seinen Vater unternommen habe. Zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger jedoch nicht mehr im Leistungsbezug gestanden, so daß ein Vorgehen gemäß § 140 AFG nicht mehr in Betracht gekommen sei. Bei den Eltern des Klägers sei die Beklagte von einem Gesamtbedarf von DM 1.837,85 monatlich ausgegangen. Da die im Schreiben von Rechtsanwalt S. vom 17. Mai 1984 angeführten Aufwendungen des Klägers deutlich darunter lägen, habe kein Anlaß für eine Neuberechnung vorgelegen.
Mit Urteil vom 24. September 1986 hat das Sozialgericht Kassel (S-5/Ar-316/84) die Klage im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe im streitigen Zeitraum einen Unterhaltsanspruch gegen seinen Vater in Höhe von ca. DM 50,–monatlich gehabt. Der Kläger sei außerstande gewesen, sich selbst zu unterhalten. Der Vater des Klägers habe eine Rente von monatlich DM 1.888,80 bezogen, von der auch seine Ehefrau noch habe unterhalten werden müssen. Dem Vater sei jedoch auch unter Berücksichtigung der im Schreiben seines Rechtsanwaltes vom 17. Mai 1984 aufgeführten Verbindlichkeiten soviel verblieben, daß er ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts in der Lage gewesen sei, dem Kläger monatlich DM 50,– zu zahlen. Bei der Beurteilung des angemessenen Unterhalts sei die Kammer von einer bescheidenen Lebensführung der Eltern des Klägers ausgegangen. Unter diesen Umständen sei die beantragte Zeugenvernehmung der Eltern nicht erforderlich gewesen. Die Zahlung einer höheren Arbeitslosenhilfe komme auch nicht nach § 140 AFG in Betracht. Es handele sich dabei um eine Ermessensvorschrift. Es stelle keinen Ermessensfehler dar, wenn die Beklagte die Anwendung des § 140 AFG davon abhängig mache, daß sich der Arbeitslose um die Durchsetzung seiner Unterhaltsansprüche bemühe und das Arbeitsamt davon in Kenntnis setze (Urteil des HLSG vom 13. Juni 1977 – L-1/Ar-52/76 –). Der Kläger habe die Beklagte erst nach Ablauf des streitigen Zeitraums über die von ihm unternommenen Schritte informiert.
Gegen das ihm am 10. Oktober 1986 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29. Oktober 1986 Berufung eingelegt.
Der Kläger trägt vor, ein erheblicher Verfahrensmangel liege vor, da das Sozialgericht die Eltern des Klägers nicht als Zeugen gehört habe, obwohl diese benannt worden seien. In dem Schreiben vom 17. Mai 1984 habe Rechtsanwalt S. darauf hingewiesen, daß die Eltern des Klägers wegen ihres Gesundheitszustandes und ihres Alters erhebliche Mehraufwendungen hätten, die bei der Unterhaltsverpflichtung berücksichtigt werden müßten. Um die behaupteten Mehraufwendungen der Eltern zu prüfen, hätte das Sozialgericht Beweis erheben müssen. Dadurch sei sein (des Klägers) Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Inzwischen seien seine Eltern verstorben. Die vom Vater behauptete Zahlung von monatlich DM 450,– an einen Sohn wegen Betreuungsleistungen betreffe den Bruder W. des Klägers. Dieser möge hierzu als Zeuge gehört werden. Er, der Kläger, habe sich auch selbst um Arbeit bemüht. Zum Beleg dafür werde eine Ablichtung eines Schreibens der Deutschen Bundesbahn vom 18. März 1983 vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 24. September 1986 aufzuheben, die Bescheide der Beklagten vom 16. Dezember 1983, vom 2. Januar 1984, vom 5. Juni 1984, vom 29. Juni 1984, vom 27. Juli 1984 und vom 3. August 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 1984 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 28. November 1983 bis 18. August 1984 Arbeitslosenhilfe ohne Anrechnung von Einkommen seines Vaters zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, die Berufung sei unzulässig, da es sich um einen Höhenstreit handele. Es liege auch kein Verfahrensmangel vor. Aus der unterbliebenen Zeugenvernehmung der Eltern des Klägers resultiere kein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs. Das Gericht habe sich auch nicht gedrängt fühlen müssen, weitere Ermittlungen anzustellen, da aufgrund des Schreibens des Rechtsanwaltes S. vom 17. Mai 1984 nach Lage der Sache ausgeschlossen gewesen sei, daß eine Beweisaufnahme sachdienlich gewesen sei. Es hatte dem Kläger oblegen, frühzeitig seinen Unterhaltsanspruch im Zivilrechtsweg geltend zu machen. Es könne nicht zu Lasten der Beklagten gehen, daß Unterhalt für die Vergangenheit nur unter bestimmten Voraussetzungen verlangt werden könne. Alle Hauptvermittler der Beklagten würden die gemeldeten Bewerber unter Berücksichtigung ihres Gesundheitszustandes und der Lage des Arbeitsmarktes in ihre Vermittlungstätigkeit einbeziehen. Da der Kläger über keinen Berufsabschluß verfüge, hätten ihm auch keine berufsfremden Arbeiten angeboten werden können. Wesentlich schlechter bezahlte Tätigkeiten seien dem Kläger nicht angeboten worden. Der Kläger habe vorgetragen, daß er sich auch selbst um Arbeit bemüht habe. Dies werde dadurch bestätigt, daß der Kläger die Arbeit im August 1984 aufgrund eigener Bemühungen gefunden habe. Damit hätten die Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch gegen seinen Vater vorgelegen. Der Senat hat die Akten des Familiengerichts Kassel 73 F 734/82 und 73 F 1467/84 beigezogen.
Der Senat hat das persönliche Erscheinen des Klägers zum Termin am 19. Juli 1989 angeordnet und ihn über den Umfang seiner Arbeitssuche befragt. Auf das Protokoll wird Bezug genommen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten, der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Berufung ist zulässig.
Die als sogenannter Höhenstreit nach § 147 SGG eigentlich unzulässige Berufung, die auch nicht vom Sozialgericht im Urteil zugelassen wurde, ist dennoch zulässig, da der Kläger einen wesentlichen Verfahrensmangel gerügt hat und dieser auch vorliegt, § 150 Nr. 2 SGG.
Als Verfahrensmangel im Sinne von § 150 Nr. 2 SGG ist nur ein Verstoß gegen eine Vorschrift anzusehen, die das gerichtliche Verfahren regelt. Der Mangel kann sich demnach nicht auf den sachlichen Inhalt des Urteils beziehen, sondern allein auf das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 3. Aufl. § 150 Anm. 15).
Der Kläger hat zu Recht gerügt, daß das Sozialgericht die Vernehmung seiner Eltern als Zeugen abgelehnt hat. Darin liegt zwar im eigentlichen Sinne keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör des Klägers, sondern ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz nach § 103 SGG. Dies ist hinsichtlich der Wirksamkeit der erhobenen Verfahrensrüge unbeachtlich, da nicht die Verletzung einer bestimmten Gesetzesvorschrift gerügt werden muß, sondern sich aus der Rüge der vorgetragenen Tatsachen ergeben muß, welche Verfahrensvorschrift als verletzt angesehen wird (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 3. Auflage, § 150 Rdnr. 19). Insoweit hat der Kläger ausreichend gerügt, daß die angebotenen Zeugen (seine Eltern) nicht gehört wurden, obwohl sich daraus deren erhöhter Eigenbedarf ergeben hätte. Das Sozialgericht hätte sich zu der angebotenen Zeugenvernehmung auch gedrängt fühlen müssen, da es nach seiner rechtlichen Auffassung entscheidend darauf ankam, welchen Eigenbedarf die Eltern des Klägers hatten. Der allgemeine Hinweis auf eine bescheidene Lebensführung der Eltern ersetzt die Feststellung des Eigenbedarfs nicht, zumal der die Eltern des Klägers vertretende Rechtsanwalt S. im vorgelegten Schreiben vom 17. Mai 1984 ganz erhebliche Beträge genannt hat, die die Leistungsfähigkeit hätte verringern oder ausschließen können, wie etwa zusätzliche Betreuungskosten (DM 250,– pro Monat), häufige Pkw-Fahrten zu Ärzten, Diätkosten (DM 200,– pro Monat), zusätzliche Kosten für Arzneimittel (DM 200,– pro Monat). Der Verfahrensmangel ist auch wesentlich, da auf ihm die Entscheidung beruht. Bei Vernehmung der Eltern hätte die Möglichkeit bestanden, daß ein höherer Eigenbedarf – wie schriftlich von ihrem Rechtsanwalt dargelegt – festgestellt wird, wodurch ein Unterhaltsanspruch des Klägers ausgeschlossen wäre.
Die Berufung ist auch in vollem Umfang begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 24. September 1986 ist rechtsfehlerhaft und war deshalb aufzuheben.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 16. Dezember 1983, vom 2. Januar 1984, vom 5. Juni 1984, vom 29. Juni 1984, vom 27. Juli 1984 und vom 3. August 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 1984 sind rechtswidrig und waren deshalb zu ändern.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung der Arbeitslosenhilfe ohne Anrechnung von Einkommen seines Vaters nach §§ 134, 137, 138 AFG.
Dabei konnte sich der Senat unter Berücksichtigung des Streitgegenstandes auf die Überprüfung beschränken, ob die Beklagte einen Unterhaltsanspruch des Klägers gegen seinen Vater in der streitbefangenen Zeit in Höhe von DM 11,75 bzw. DM 11,56 wöchentlich von der gewährten Arbeitslosenhilfe in Abzug bringen durfte.
Nach § 138 Abs. 1 Nr. 1 AFG sind im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung als Einkommen zu berücksichtigen, Einkommen des Arbeitslosen einschließlich der Leistungen, die er von Dritten erhält oder beanspruchen kann, soweit es nicht nach § 115 anzurechnen ist. Tatsächlich erhalten hat der Kläger keine Leistungen von seinem Vater. Nach Auffassung des erkennenden Senats konnte der Kläger aber auch keine Leistungen von seinem Vater i.S. des § 138 Abs. 1 Nr. 1 AFG beanspruchen. Dabei konnte ein Unterhaltsanspruch nach § 1601 BGB in Frage kommen, da Verwandte in gerader Linie verpflichtet sind, einander Unterhalt zu gewähren. Der erkennende Senat hat den Kläger auch als unterhaltsberechtigt angesehen, da er außerstande war, sich selbst zu unterhalten, § 1602 Abs. 1 BGB. Die von der Beklagten bewilligte und geleistete Arbeitslosenhilfe hatte dabei außer Betracht zu bleiben, da sie gegenüber einem Unterhaltsanspruch subsidiär ist (Hennig-Kühl-Heuer, AFG-Kommentar, Stand April 1989, § 137, 3). Über eigene Einnahmen verfügte der Kläger im streitbefangenen Zeitraum nicht. Zur Überzeugung des erkennenden Senats steht aber auch fest, daß der Kläger keine Möglichkeit gehabt hat, sich und seine Familie durch eigene Erwerbsarbeit zu unterhalten. Der Kläger hat im Termin am 19. Juli 1989 in glaubhafter Weise dargelegt, auf welche Weise und in welchem Umfang er sich neben den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes selbst um Arbeit bemüht hat. Das muß auch im Sinne der strengen Anforderungen der zivilgerichtlichen Unterhaltsrechtsprechung als ausreichend angesehen werden zum Nachweis, daß der Kläger in der streitbefangenen Zeit sich nicht selbst unterhalten konnte. So hat er nach seinen Angaben 5 bis 10 Annoncen in der Hessischen Allgemeinen veröffentlicht und erhebliche Fahrten bis nach Nord- und Süddeutschland unternommen, um auf Großbaustellen direkt nach einer Arbeit zu fragen. Da er sich auch bereit gefunden hat, neben einer Tätigkeit als Kraftfahrer und Maschinist, unangenehmere Arbeiten, wie etwa im Kanalbau, auszuführen, muß auch die angestrebte Einsatzbreite als ausreichend angesehen werden. So haben die intensiven Bemühungen des Klägers nach seinen Darlegungen schließlich als Kombination einer Vorsprache bei einem Arbeitgeber, Aufnahme in eine Warteliste und Reaktion dieses Arbeitgebers auf eine Annonce des Klägers schließlich zu dem erwünschten Erfolg geführt. Unter Berücksichtigung der besonderen prozessualen Situation, daß der Kläger durch dieses Vorbringen seinen geltend gemachten Anspruch offenbar bewußt selbst gefährdete – der Kläger war sachkundig durch einen Gewerkschaftssekretär vertreten – sein glaubwürdiges Auftreten in der mündlichen Verhandlung und den erfolgreichen Ausgang der Arbeitssuche, ist der erkennende Senat von der Richtigkeit der gemachten Angaben überzeugt, obwohl der Kläger keine Belege für seine Angaben nachweisen konnte.
Der erkennende Senat hielt es nicht für erforderlich, die Leistungsfähigkeit des Vaters des Klägers i.S. von § 1603 Abs. 1 BGB nachzuprüfen, da eine Berücksichtigung des Einkommens des Vaters des Klägers aus anderen Gründen zu entfallen hatte.
Soweit in § 138 Abs. 1 Nr. 1 AFG solche Leistungen dem Einkommen des Arbeitslosen zugerechnet werden, die er von Dritten beanspruchen kann, muß dies dahin verstanden werden, daß es auch die Möglichkeit der Realisierung eines solchen Anspruchs geben muß. Eine rein fiktive Anrechnung von Einkommen i.S. des § 138 Abs. 1 Nr. 1 AFG mag dann berechtigt sein, wenn der Arbeitslose sich um die Durchsetzung eines Unterhaltsanspruchs überhaupt nicht bemüht, sich also nur passiv verhält. Wenn der Arbeitslose sich jedoch mit Hilfe aller ihm zur Verfügung stehenden Mittel letztlich erfolglos um die Durchsetzung des von der Beklagten angerechneten Anspruchs bemüht hat, ist nach Auffassung des Senats der Nachweis erbracht, daß er diese Leistungen i.S. des § 138 Abs. 1 Nr. 1 AFG gerade nicht beanspruchen konnte. Dies ist im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse gegeben. Zum einen kannte der Kläger das aktuelle Einkommen seines Vaters und einen evtl. von diesem geltend gemachten besonderen Bedarf nicht, da die Beklagte auf die Bitte des Klägers hin den Einkommensnachweis des Vaters des Klägers unmittelbar bei jenem anforderte. Bei der früheren Arbeitslosenhilfebewilligung im November 1982 war Einkommen des Vaters nicht berücksichtigt worden. Die Beklagte unterrichtete den Kläger weder vor Erlaß des Bescheids vom 16. Dezember 1983 noch im Bescheid selbst, wozu sie nach § 35 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB 10 verpflichtet gewesen wäre, von der nunmehr erfolgten Berücksichtigung von Einkommen des Vaters. Der Bescheid war so abgefaßt, daß der Kläger noch nicht einmal mittelbar von der erfolgten Einkommensanrechnung Kenntnis erhielt. Dementsprechend baten die Bevollmächtigten des Klägers mit am 4. Januar 1984 eingelegten Widerspruch auch um Aufklärung, warum der Kläger nicht den sich aus der Leistungsverordnung ergebenden Leistungssatz erhalte. Erst mit am 30. April 1984 zur Post gegebenen Schreiben vom 27. April 1984 informierte die Beklagte den Kläger darüber, daß sein Vater ein monatliches Nettoeinkommen von DM 1.888,80 habe und hiervon nach Abzug diverser Freibeträge – die nicht näher bezeichnet und beziffert waren – ein wöchentlicher Betrag von DM 11,75 in Anrechnung komme. Bis zu diesem Zeitpunkt war es dem Kläger mangels Information durch die Beklagte nicht zumutbar, einen Unterhaltsanspruch gegen seinen Vater geltend zu machen, zumal mangels Kenntnis von der erfolgten Anrechnung keine Veranlassung hierin bestand. Ab Anfang Mai hat der Kläger dann alles Erforderliche in die Wege geleitet, um nunmehr den von der Beklagten behaupteten Unterhaltsanspruch durchzusetzen. Er hat einen Rechtsanwalt aufgesucht und dort bereits am 11. Mai 1984 die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse unterzeichnet. Sein Rechtsanwalt hat an den Vater des Klägers am 10. Mai 1984 ein Schreiben offenbar mit der Bitte um Auskunft und Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs gerichtet, das vom Rechtsanwalt des Vaters mit Schreiben vom 17. Mai 1984 beantwortet wurde, indem u.a. wegen erhöhter Aufwendungen ein Anspruch des Klägers verneint wurde. Es ist auch unter Berücksichtigung der ungünstigen finanziellen Situation des Klägers nicht zu beanstanden, daß er zunächst bei dem Familiengericht lediglich einen Antrag auf Prozeßkostenhilfe eingebracht und die Klage auf Unterhalt zunächst nur als Entwurf vorgelegt hat mit dem Hinweis, daß die Klage erst bei positivem Ausgang des Prozeßkostenhilfeverfahrens erhoben werden sollte. Dies führte zu einer Verringerung des Kostenrisikos des Klägers für den Fall, daß der Prozeßkostenhilfeantrag abgelehnt werden sollte. Daß der Kläger zum Zeitpunkt der Entscheidung über seinen Prozeßkostenhilfeantrag (7. September 1984) bereits wieder in Arbeit stand (ab 20. August 1984), führte letztlich zur Ablehnung des Antrags und war außerhalb des Einflußbereichs des Klägers. Einen möglicherweise bestehenden Anspruch auf Unterhalt konnte der Kläger mit den ihm zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln auch bei Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens im streitbefangenen Zeitraum nicht durchsetzen. Damit konnte er es im Sinne von § 138 Abs. 1 Nr. 1 AFG nicht beanspruchen. Eine nur theoretisch errechenbare Möglichkeit, die nicht auch praktisch durchsetzbar ist, hat keinen Einfluß auf die finanzielle Lage des Arbeitslosen und wirkt sich damit auf die Bedürftigkeit nicht aus.
Die Auslegung des § 138 Abs. 1 Nr. 1 AFG im oben gezeigten Umfang verbietet sich nicht durch die Vorschrift des § 140 Abs. 1 Satz 1 AFG. Auch diese Vorschrift ist dahin auszulegen, daß nur solche Ansprüche erfaßt werden, bei denen eine tatsächliche Möglichkeit der Realisierung besteht. Nicht durchsetzbare bzw. nur fiktive Ansprüche führen jedenfalls in Fällen der oben gezeigten Art überhaupt nicht zur Anrechnung, so daß dann kein Raum für eine sog. "Gleichwohlgewährung” gegeben ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen worden, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Es geht in dem Rechtsstreit um die Höhe der dem Kläger vom 28. November 1983 bis 18. August 1984 gewährten Arbeitslosenhilfe hinsichtlich eines angerechneten Unterhaltsanspruches gegen den Vater des Klägers in Höhe von wöchentlich DM 11,75 bzw. DM 11,56.
Der 1932 geborene Kläger hat u.a. von März bis Oktober 1976 als Maschinist, von Oktober 1976 bis März 1979 und von Juli 1979 bis November 1980 als Kraftfahrer gearbeitet. Im Anschluß bezog er Arbeitslosengeld bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 21. November 1981 und sodann Anschlußarbeitslosenhilfe bis zur Arbeitsaufnahme am 25. Mai 1983. Von Mai 1983 bis Oktober 1983 und noch einmal kurzfristig vom 14. bis 26. November 1983 arbeitete der Kläger wiederum als Kraftfahrer. Vom 7. Oktober bis 14. November 1983 bezog der Kläger erneut Arbeitslosenhilfe. Im Fragebogen zur Arbeitslosenhilfe vom 1. November 1983 findet sich mit grünem Kugelschreiber an der Spalte bezüglich des Netto-Gesamteinkommens der Eltern der folgende Vermerk:
"Lt. AN ist in der LAErklärung vorhanden, daß seit ca. 30 Jahren kein Kontakt zu Eltern besteht – m.d.B. um Anforderung von Amts wegen!”
Am 28. November 1983 beantragte der Kläger Arbeitslosenhilfe. Dem Antrag gab die Beklagte mit Bescheid vom 16. Dezember 1983 statt, rechnete jedoch wöchentlich einen Betrag von DM 57,90 an, so daß bei einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von DM 550,– ein Betrag von DM 170,10 pro Woche an den Kläger ausgezahlt wurde. Hiergegen hat der Kläger am 4. Januar 1984 Widerspruch eingelegt, da nach seiner Berechnung nach der Leistungstabelle bei Leistungsgruppe "C” ein Betrag von DM 228,–zustünde. Er bat um Aufklärung der Differenz. Mit Schreiben vom 27. April 1984 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß er nach seinen eigenen Angaben monatliche Mieteinnahme von DM 200,– erziele (wöchentlich DM 46,15). Ferner sei vom Einkommen seines Vaters, das monatlich DM 1.888,80 netto betrage, nach Abzug diverser Freibeträge ein wöchentlicher Betrag von DM 11,75 angerechnet worden.
Mit Bescheid vom 2. Januar 1984 setzte die Beklagte die Arbeitslosenhilfe ab diesem Tag auf DM 169,50 pro Woche wegen Änderung der Leistungsverordnung fest. Mit Bescheid vom 5. Juni 1984 erhöhte die Beklagte den wöchentlichen Anrechnungsbetrag auf DM 68,98 ab 22. Mai 1984, verringerte ihn auf den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 29. Juni 1984 jedoch auf DM 57,71, ebenfalls ab 22. Mai 1984. Aus der zugrundeliegenden Berechnung ergibt sich, daß als Unterhaltsanspruch nunmehr ein Betrag von DM 11,56 wöchentlich enthalten war.
Der Kläger teilte mit Schreiben vom 13. September 1984 zur Ergänzung der Widersprüche mit, daß er zwischenzeitlich beim Familiengericht Kassel gegen seinen Vater auf Unterhalt geklagt habe. Er vertrat die Auffassung, daß eine Anrechnung des Einkommens seines Vaters solange nicht in Betracht komme, bis feststehe, daß er tatsächlich einen Unterhaltsanspruch gegen seinen Vater habe.
Der Kläger hatte allerdings zunächst nur Prozeßkostenhilfe-Antrag gestellt – die persönliche Erklärung des Klägers datiert vom 11. Mai 1984 – und die Klage unter der Bedingung der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe erhoben. Nachdem der Kläger ab 20. August 1984 in Arbeit war, lehnte das Familiengericht Kassel mit Beschluss vom 7. September 1984 (73 F 1467/84) die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe ab, da keine hinreichende Erfolgsaussicht bestehe. Mit der Klage verlange der Kläger Unterhalt ab Klageerhebung, eine solche sei aber bisher mangels Klagezustellung (die ja erst nach PKH-Bewilligung erfolgt wäre) nicht erfolgt. Seit 20. August 1984 sei der Kläger nicht mehr unterhaltsbedürftig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 1984 wies die Beklagte die Widersprüche des Klägers zurück und führte aus, nach § 1601 BGB seien Verwandte in gerader Linie verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. In der Praxis werde von einem vermuteten monatlichen Bedarf des Unterhaltspflichtigen von monatlich DM 1.410,– und je DM 200,– für einen weiteren zu unterhaltenden Angehörigen vermutet. Für die einzuhaltende Diät seien monatlich weitere DM 75,– zu berücksichtigen. Bei einem monatlichen Einkommen des Vaters von DM 1.888,80 verblieben somit DM 203,80, wovon ein Viertel (50,95 DM) als anzurechnendes Einkommen anzusehen seien (= wöchentlich DM 11,75).
Am 8. Oktober 1984 hat der Kläger Klage erhoben mit dem Ziel, die angefochtenen Bescheide zu ändern und die Arbeitslosenhilfe ohne die Anrechnung eines Unterhaltsanspruches gegen seinen Vater (DM 11,75 wöchentlich) zu zahlen. Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte habe von dem ihr nach § 140 AFG zustehenden Ermessen keinen Gebrauch gemacht, schon deshalb seien die angefochtenen Bescheide rechtswidrig. Im übrigen habe sich aus den Bewilligungsbescheiden nicht ergeben, in welcher Höhe er sich Leistungen von Seiten Dritter auf seine Arbeitslosenhilfe habe anrechnen lassen müsse. Erst auf das Widerspruchsschreiben vom 2. Januar 1984 sei von der Beklagten erstmals mit Schreiben vom 27. April 1984 mitgeteilt worden, daß ein Unterhaltsanspruch des Klägers gegen seinen Vater bestehen solle und in Höhe von DM 11,75 wöchentlich angerechnet worden sei. Dieses Schreiben sei am 4. Mai 1984 von den Prozeßbevollmächtigten an den Kläger gesandt worden und dieser habe unverzüglich seine Rechtsanwälte mit der Durchsetzung seines Unterhaltsanspruches beauftragt. Mit Schreiben vom 17. Mai 1984 habe der von seinen Eltern beauftragte Rechtsanwalt S. jegliche Unterhaltsverpflichtung abgelehnt, bereits deshalb scheide jegliche Unterhaltsverpflichtung aus. Er habe alles versucht, einen ihm eventuell zustehenden Unterhaltsanspruch gegenüber seinem Vater durchzusetzen und auch eine Klage vor dem Familiengericht anhängig gemacht. Die Klage habe jedoch keine hinreichende Erfolgsaussicht gehabt, da er ab 20. August 1984 wieder in Arbeit stehe und somit nicht mehr unterhaltsbedürftig sei. Der Kläger hat die Vernehmung seiner Eltern als Zeugen über die Frage ihrer unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit beantragt.
Die Beklagte hat vorgetragen, sie sei erst am 17. September 1984 davon unterrichtet worden, daß der Kläger rechtliche Schritte bezüglich des Unterhaltsanspruches gegen seinen Vater unternommen habe. Zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger jedoch nicht mehr im Leistungsbezug gestanden, so daß ein Vorgehen gemäß § 140 AFG nicht mehr in Betracht gekommen sei. Bei den Eltern des Klägers sei die Beklagte von einem Gesamtbedarf von DM 1.837,85 monatlich ausgegangen. Da die im Schreiben von Rechtsanwalt S. vom 17. Mai 1984 angeführten Aufwendungen des Klägers deutlich darunter lägen, habe kein Anlaß für eine Neuberechnung vorgelegen.
Mit Urteil vom 24. September 1986 hat das Sozialgericht Kassel (S-5/Ar-316/84) die Klage im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe im streitigen Zeitraum einen Unterhaltsanspruch gegen seinen Vater in Höhe von ca. DM 50,–monatlich gehabt. Der Kläger sei außerstande gewesen, sich selbst zu unterhalten. Der Vater des Klägers habe eine Rente von monatlich DM 1.888,80 bezogen, von der auch seine Ehefrau noch habe unterhalten werden müssen. Dem Vater sei jedoch auch unter Berücksichtigung der im Schreiben seines Rechtsanwaltes vom 17. Mai 1984 aufgeführten Verbindlichkeiten soviel verblieben, daß er ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts in der Lage gewesen sei, dem Kläger monatlich DM 50,– zu zahlen. Bei der Beurteilung des angemessenen Unterhalts sei die Kammer von einer bescheidenen Lebensführung der Eltern des Klägers ausgegangen. Unter diesen Umständen sei die beantragte Zeugenvernehmung der Eltern nicht erforderlich gewesen. Die Zahlung einer höheren Arbeitslosenhilfe komme auch nicht nach § 140 AFG in Betracht. Es handele sich dabei um eine Ermessensvorschrift. Es stelle keinen Ermessensfehler dar, wenn die Beklagte die Anwendung des § 140 AFG davon abhängig mache, daß sich der Arbeitslose um die Durchsetzung seiner Unterhaltsansprüche bemühe und das Arbeitsamt davon in Kenntnis setze (Urteil des HLSG vom 13. Juni 1977 – L-1/Ar-52/76 –). Der Kläger habe die Beklagte erst nach Ablauf des streitigen Zeitraums über die von ihm unternommenen Schritte informiert.
Gegen das ihm am 10. Oktober 1986 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29. Oktober 1986 Berufung eingelegt.
Der Kläger trägt vor, ein erheblicher Verfahrensmangel liege vor, da das Sozialgericht die Eltern des Klägers nicht als Zeugen gehört habe, obwohl diese benannt worden seien. In dem Schreiben vom 17. Mai 1984 habe Rechtsanwalt S. darauf hingewiesen, daß die Eltern des Klägers wegen ihres Gesundheitszustandes und ihres Alters erhebliche Mehraufwendungen hätten, die bei der Unterhaltsverpflichtung berücksichtigt werden müßten. Um die behaupteten Mehraufwendungen der Eltern zu prüfen, hätte das Sozialgericht Beweis erheben müssen. Dadurch sei sein (des Klägers) Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Inzwischen seien seine Eltern verstorben. Die vom Vater behauptete Zahlung von monatlich DM 450,– an einen Sohn wegen Betreuungsleistungen betreffe den Bruder W. des Klägers. Dieser möge hierzu als Zeuge gehört werden. Er, der Kläger, habe sich auch selbst um Arbeit bemüht. Zum Beleg dafür werde eine Ablichtung eines Schreibens der Deutschen Bundesbahn vom 18. März 1983 vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 24. September 1986 aufzuheben, die Bescheide der Beklagten vom 16. Dezember 1983, vom 2. Januar 1984, vom 5. Juni 1984, vom 29. Juni 1984, vom 27. Juli 1984 und vom 3. August 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 1984 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 28. November 1983 bis 18. August 1984 Arbeitslosenhilfe ohne Anrechnung von Einkommen seines Vaters zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, die Berufung sei unzulässig, da es sich um einen Höhenstreit handele. Es liege auch kein Verfahrensmangel vor. Aus der unterbliebenen Zeugenvernehmung der Eltern des Klägers resultiere kein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs. Das Gericht habe sich auch nicht gedrängt fühlen müssen, weitere Ermittlungen anzustellen, da aufgrund des Schreibens des Rechtsanwaltes S. vom 17. Mai 1984 nach Lage der Sache ausgeschlossen gewesen sei, daß eine Beweisaufnahme sachdienlich gewesen sei. Es hatte dem Kläger oblegen, frühzeitig seinen Unterhaltsanspruch im Zivilrechtsweg geltend zu machen. Es könne nicht zu Lasten der Beklagten gehen, daß Unterhalt für die Vergangenheit nur unter bestimmten Voraussetzungen verlangt werden könne. Alle Hauptvermittler der Beklagten würden die gemeldeten Bewerber unter Berücksichtigung ihres Gesundheitszustandes und der Lage des Arbeitsmarktes in ihre Vermittlungstätigkeit einbeziehen. Da der Kläger über keinen Berufsabschluß verfüge, hätten ihm auch keine berufsfremden Arbeiten angeboten werden können. Wesentlich schlechter bezahlte Tätigkeiten seien dem Kläger nicht angeboten worden. Der Kläger habe vorgetragen, daß er sich auch selbst um Arbeit bemüht habe. Dies werde dadurch bestätigt, daß der Kläger die Arbeit im August 1984 aufgrund eigener Bemühungen gefunden habe. Damit hätten die Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch gegen seinen Vater vorgelegen. Der Senat hat die Akten des Familiengerichts Kassel 73 F 734/82 und 73 F 1467/84 beigezogen.
Der Senat hat das persönliche Erscheinen des Klägers zum Termin am 19. Juli 1989 angeordnet und ihn über den Umfang seiner Arbeitssuche befragt. Auf das Protokoll wird Bezug genommen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten, der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Berufung ist zulässig.
Die als sogenannter Höhenstreit nach § 147 SGG eigentlich unzulässige Berufung, die auch nicht vom Sozialgericht im Urteil zugelassen wurde, ist dennoch zulässig, da der Kläger einen wesentlichen Verfahrensmangel gerügt hat und dieser auch vorliegt, § 150 Nr. 2 SGG.
Als Verfahrensmangel im Sinne von § 150 Nr. 2 SGG ist nur ein Verstoß gegen eine Vorschrift anzusehen, die das gerichtliche Verfahren regelt. Der Mangel kann sich demnach nicht auf den sachlichen Inhalt des Urteils beziehen, sondern allein auf das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 3. Aufl. § 150 Anm. 15).
Der Kläger hat zu Recht gerügt, daß das Sozialgericht die Vernehmung seiner Eltern als Zeugen abgelehnt hat. Darin liegt zwar im eigentlichen Sinne keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör des Klägers, sondern ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz nach § 103 SGG. Dies ist hinsichtlich der Wirksamkeit der erhobenen Verfahrensrüge unbeachtlich, da nicht die Verletzung einer bestimmten Gesetzesvorschrift gerügt werden muß, sondern sich aus der Rüge der vorgetragenen Tatsachen ergeben muß, welche Verfahrensvorschrift als verletzt angesehen wird (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 3. Auflage, § 150 Rdnr. 19). Insoweit hat der Kläger ausreichend gerügt, daß die angebotenen Zeugen (seine Eltern) nicht gehört wurden, obwohl sich daraus deren erhöhter Eigenbedarf ergeben hätte. Das Sozialgericht hätte sich zu der angebotenen Zeugenvernehmung auch gedrängt fühlen müssen, da es nach seiner rechtlichen Auffassung entscheidend darauf ankam, welchen Eigenbedarf die Eltern des Klägers hatten. Der allgemeine Hinweis auf eine bescheidene Lebensführung der Eltern ersetzt die Feststellung des Eigenbedarfs nicht, zumal der die Eltern des Klägers vertretende Rechtsanwalt S. im vorgelegten Schreiben vom 17. Mai 1984 ganz erhebliche Beträge genannt hat, die die Leistungsfähigkeit hätte verringern oder ausschließen können, wie etwa zusätzliche Betreuungskosten (DM 250,– pro Monat), häufige Pkw-Fahrten zu Ärzten, Diätkosten (DM 200,– pro Monat), zusätzliche Kosten für Arzneimittel (DM 200,– pro Monat). Der Verfahrensmangel ist auch wesentlich, da auf ihm die Entscheidung beruht. Bei Vernehmung der Eltern hätte die Möglichkeit bestanden, daß ein höherer Eigenbedarf – wie schriftlich von ihrem Rechtsanwalt dargelegt – festgestellt wird, wodurch ein Unterhaltsanspruch des Klägers ausgeschlossen wäre.
Die Berufung ist auch in vollem Umfang begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 24. September 1986 ist rechtsfehlerhaft und war deshalb aufzuheben.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 16. Dezember 1983, vom 2. Januar 1984, vom 5. Juni 1984, vom 29. Juni 1984, vom 27. Juli 1984 und vom 3. August 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 1984 sind rechtswidrig und waren deshalb zu ändern.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung der Arbeitslosenhilfe ohne Anrechnung von Einkommen seines Vaters nach §§ 134, 137, 138 AFG.
Dabei konnte sich der Senat unter Berücksichtigung des Streitgegenstandes auf die Überprüfung beschränken, ob die Beklagte einen Unterhaltsanspruch des Klägers gegen seinen Vater in der streitbefangenen Zeit in Höhe von DM 11,75 bzw. DM 11,56 wöchentlich von der gewährten Arbeitslosenhilfe in Abzug bringen durfte.
Nach § 138 Abs. 1 Nr. 1 AFG sind im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung als Einkommen zu berücksichtigen, Einkommen des Arbeitslosen einschließlich der Leistungen, die er von Dritten erhält oder beanspruchen kann, soweit es nicht nach § 115 anzurechnen ist. Tatsächlich erhalten hat der Kläger keine Leistungen von seinem Vater. Nach Auffassung des erkennenden Senats konnte der Kläger aber auch keine Leistungen von seinem Vater i.S. des § 138 Abs. 1 Nr. 1 AFG beanspruchen. Dabei konnte ein Unterhaltsanspruch nach § 1601 BGB in Frage kommen, da Verwandte in gerader Linie verpflichtet sind, einander Unterhalt zu gewähren. Der erkennende Senat hat den Kläger auch als unterhaltsberechtigt angesehen, da er außerstande war, sich selbst zu unterhalten, § 1602 Abs. 1 BGB. Die von der Beklagten bewilligte und geleistete Arbeitslosenhilfe hatte dabei außer Betracht zu bleiben, da sie gegenüber einem Unterhaltsanspruch subsidiär ist (Hennig-Kühl-Heuer, AFG-Kommentar, Stand April 1989, § 137, 3). Über eigene Einnahmen verfügte der Kläger im streitbefangenen Zeitraum nicht. Zur Überzeugung des erkennenden Senats steht aber auch fest, daß der Kläger keine Möglichkeit gehabt hat, sich und seine Familie durch eigene Erwerbsarbeit zu unterhalten. Der Kläger hat im Termin am 19. Juli 1989 in glaubhafter Weise dargelegt, auf welche Weise und in welchem Umfang er sich neben den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes selbst um Arbeit bemüht hat. Das muß auch im Sinne der strengen Anforderungen der zivilgerichtlichen Unterhaltsrechtsprechung als ausreichend angesehen werden zum Nachweis, daß der Kläger in der streitbefangenen Zeit sich nicht selbst unterhalten konnte. So hat er nach seinen Angaben 5 bis 10 Annoncen in der Hessischen Allgemeinen veröffentlicht und erhebliche Fahrten bis nach Nord- und Süddeutschland unternommen, um auf Großbaustellen direkt nach einer Arbeit zu fragen. Da er sich auch bereit gefunden hat, neben einer Tätigkeit als Kraftfahrer und Maschinist, unangenehmere Arbeiten, wie etwa im Kanalbau, auszuführen, muß auch die angestrebte Einsatzbreite als ausreichend angesehen werden. So haben die intensiven Bemühungen des Klägers nach seinen Darlegungen schließlich als Kombination einer Vorsprache bei einem Arbeitgeber, Aufnahme in eine Warteliste und Reaktion dieses Arbeitgebers auf eine Annonce des Klägers schließlich zu dem erwünschten Erfolg geführt. Unter Berücksichtigung der besonderen prozessualen Situation, daß der Kläger durch dieses Vorbringen seinen geltend gemachten Anspruch offenbar bewußt selbst gefährdete – der Kläger war sachkundig durch einen Gewerkschaftssekretär vertreten – sein glaubwürdiges Auftreten in der mündlichen Verhandlung und den erfolgreichen Ausgang der Arbeitssuche, ist der erkennende Senat von der Richtigkeit der gemachten Angaben überzeugt, obwohl der Kläger keine Belege für seine Angaben nachweisen konnte.
Der erkennende Senat hielt es nicht für erforderlich, die Leistungsfähigkeit des Vaters des Klägers i.S. von § 1603 Abs. 1 BGB nachzuprüfen, da eine Berücksichtigung des Einkommens des Vaters des Klägers aus anderen Gründen zu entfallen hatte.
Soweit in § 138 Abs. 1 Nr. 1 AFG solche Leistungen dem Einkommen des Arbeitslosen zugerechnet werden, die er von Dritten beanspruchen kann, muß dies dahin verstanden werden, daß es auch die Möglichkeit der Realisierung eines solchen Anspruchs geben muß. Eine rein fiktive Anrechnung von Einkommen i.S. des § 138 Abs. 1 Nr. 1 AFG mag dann berechtigt sein, wenn der Arbeitslose sich um die Durchsetzung eines Unterhaltsanspruchs überhaupt nicht bemüht, sich also nur passiv verhält. Wenn der Arbeitslose sich jedoch mit Hilfe aller ihm zur Verfügung stehenden Mittel letztlich erfolglos um die Durchsetzung des von der Beklagten angerechneten Anspruchs bemüht hat, ist nach Auffassung des Senats der Nachweis erbracht, daß er diese Leistungen i.S. des § 138 Abs. 1 Nr. 1 AFG gerade nicht beanspruchen konnte. Dies ist im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse gegeben. Zum einen kannte der Kläger das aktuelle Einkommen seines Vaters und einen evtl. von diesem geltend gemachten besonderen Bedarf nicht, da die Beklagte auf die Bitte des Klägers hin den Einkommensnachweis des Vaters des Klägers unmittelbar bei jenem anforderte. Bei der früheren Arbeitslosenhilfebewilligung im November 1982 war Einkommen des Vaters nicht berücksichtigt worden. Die Beklagte unterrichtete den Kläger weder vor Erlaß des Bescheids vom 16. Dezember 1983 noch im Bescheid selbst, wozu sie nach § 35 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB 10 verpflichtet gewesen wäre, von der nunmehr erfolgten Berücksichtigung von Einkommen des Vaters. Der Bescheid war so abgefaßt, daß der Kläger noch nicht einmal mittelbar von der erfolgten Einkommensanrechnung Kenntnis erhielt. Dementsprechend baten die Bevollmächtigten des Klägers mit am 4. Januar 1984 eingelegten Widerspruch auch um Aufklärung, warum der Kläger nicht den sich aus der Leistungsverordnung ergebenden Leistungssatz erhalte. Erst mit am 30. April 1984 zur Post gegebenen Schreiben vom 27. April 1984 informierte die Beklagte den Kläger darüber, daß sein Vater ein monatliches Nettoeinkommen von DM 1.888,80 habe und hiervon nach Abzug diverser Freibeträge – die nicht näher bezeichnet und beziffert waren – ein wöchentlicher Betrag von DM 11,75 in Anrechnung komme. Bis zu diesem Zeitpunkt war es dem Kläger mangels Information durch die Beklagte nicht zumutbar, einen Unterhaltsanspruch gegen seinen Vater geltend zu machen, zumal mangels Kenntnis von der erfolgten Anrechnung keine Veranlassung hierin bestand. Ab Anfang Mai hat der Kläger dann alles Erforderliche in die Wege geleitet, um nunmehr den von der Beklagten behaupteten Unterhaltsanspruch durchzusetzen. Er hat einen Rechtsanwalt aufgesucht und dort bereits am 11. Mai 1984 die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse unterzeichnet. Sein Rechtsanwalt hat an den Vater des Klägers am 10. Mai 1984 ein Schreiben offenbar mit der Bitte um Auskunft und Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs gerichtet, das vom Rechtsanwalt des Vaters mit Schreiben vom 17. Mai 1984 beantwortet wurde, indem u.a. wegen erhöhter Aufwendungen ein Anspruch des Klägers verneint wurde. Es ist auch unter Berücksichtigung der ungünstigen finanziellen Situation des Klägers nicht zu beanstanden, daß er zunächst bei dem Familiengericht lediglich einen Antrag auf Prozeßkostenhilfe eingebracht und die Klage auf Unterhalt zunächst nur als Entwurf vorgelegt hat mit dem Hinweis, daß die Klage erst bei positivem Ausgang des Prozeßkostenhilfeverfahrens erhoben werden sollte. Dies führte zu einer Verringerung des Kostenrisikos des Klägers für den Fall, daß der Prozeßkostenhilfeantrag abgelehnt werden sollte. Daß der Kläger zum Zeitpunkt der Entscheidung über seinen Prozeßkostenhilfeantrag (7. September 1984) bereits wieder in Arbeit stand (ab 20. August 1984), führte letztlich zur Ablehnung des Antrags und war außerhalb des Einflußbereichs des Klägers. Einen möglicherweise bestehenden Anspruch auf Unterhalt konnte der Kläger mit den ihm zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln auch bei Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens im streitbefangenen Zeitraum nicht durchsetzen. Damit konnte er es im Sinne von § 138 Abs. 1 Nr. 1 AFG nicht beanspruchen. Eine nur theoretisch errechenbare Möglichkeit, die nicht auch praktisch durchsetzbar ist, hat keinen Einfluß auf die finanzielle Lage des Arbeitslosen und wirkt sich damit auf die Bedürftigkeit nicht aus.
Die Auslegung des § 138 Abs. 1 Nr. 1 AFG im oben gezeigten Umfang verbietet sich nicht durch die Vorschrift des § 140 Abs. 1 Satz 1 AFG. Auch diese Vorschrift ist dahin auszulegen, daß nur solche Ansprüche erfaßt werden, bei denen eine tatsächliche Möglichkeit der Realisierung besteht. Nicht durchsetzbare bzw. nur fiktive Ansprüche führen jedenfalls in Fällen der oben gezeigten Art überhaupt nicht zur Anrechnung, so daß dann kein Raum für eine sog. "Gleichwohlgewährung” gegeben ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen worden, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
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