Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 Ka 1376/87
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. August 1987 abgeändert und der Bescheid des Beklagten vom 6. Dezember 1982 in der Fassung des Bescheides vom 22. Juni 1984 sowie die Bescheide des Beklagten vom 7. März 1983 und 6. Juni 1983 und diese in der Fassung des Beschlusses des Beklagten vom 15. August 1985 aufgehoben.
II. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Der Beklagte hat dem Kläger 1/2 der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um RVO-Honorarkürzungen in den Quartalen II bis IV/82.
Der Kläger ist seit 1980 Gynäkologe, zur kassenärztlichen Versorgung zugelassen und in M. niedergelassen.
Mit Prüfungsbescheid des Prüfungsausschusses vom 6. Dezember 1982 wurde das Honorar des Klägers im Quartal II/82 um 4.603,88 DM gekürzt, dies bedeutet einen Abzug von 12,86 DM pro Fall. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein.
Mit Prüfungsbescheid des Prüfungsausschusses vom 7. März 1983 wurde das Honorar des Klägers im Quartal III/82 um insgesamt 5.348,00 DM gekürzt, dies bedeutet in 382 Fällen einen Abzug von 14,00 DM pro Fall. Gegen diesen Prüfungsbescheid legte der Kläger Widerspruch ein. Schließlich wurde mit Prüfungsbescheid des Prüfungsausschusses vom 6. Juni 1983 das Honorar des Klägers im Quartal IV/82 um 2.499,00 DM gekürzt, was in 357 Fällen einen Abzug von 7,00 DM pro Fall bedeutete. Auch hier legte der Kläger Widerspruch ein. Der Prüfungsausschuß half mit Bescheid vom 22. Juni 1984 dem Widerspruch des Klägers gegen die Kürzung im Quartal II/82 insoweit ab, als er eine Reduzierung der Kürzung auf 8,61 DM pro Fall vornahm, was zu einer Gesamtkürzung von nunmehr 3.280,38 DM führte. Die Abhilfe wurde unter anderem damit begründet, daß der Kläger am ärztlichen Notdienst teilnehme, die Betreuung eines Altersheimes in F. betreibe bzw. Abrasionen in der eigenen Praxis durchführe. Zudem sei der Bereitschaftsdienst, anders in den Quartalen III und IV/82, bisher nicht genügend berücksichtigt worden.
Auf der Grundlage eines Prüfberichts des Frauenarztes Dr. med. A. B. aus G. wies der Beklagte mit Beschluss vom 15. August 1985 die Widersprüche des Klägers zurück mit der Maßgabe, daß hinsichtlich des Quartals II/82 entsprechend dem weiteren Bescheid vom 22. Juni 1984 zu verfahren sei. Der Beklagte legte bei seiner Entscheidung zugrunde, daß der Kläger im Quartal II/82 das Gesamthonorar gegenüber seiner Fachgruppe um 253 % mittlerer Abweichung überschritt und auch hinsichtlich der Beratungen und bei den Besuchen und den Sonderleistungen bzw. bei den Laborleistungen weit über 100 % mittlerer Abweichung gegenüber seiner Fachgruppe liegt. Im Quartal II/82 wie auch in den weiter strittigen Quartalen wies der Kläger einen etwas überdurchschnittlichen Rentneranteil gegenüber seiner Fachgruppe auf, wobei er im Durchschnitt weniger Patienten betreute als seine zum Vergleich herangezogene Fachgruppe. Im Quartal III/82 lagen die Überschreitungen sowohl beim Gesamthonorar als auch bei den Beratungen und bei den Besuchen über 300 % mittlerer Abweichung im Vergleich zu der Fachgruppe, bei den Sonderleistungen und Laborleistungen war eine mittlere Abweichung von über 100 % festzustellen. In diesem Quartal wies der Kläger sowohl bei den Mitgliedern als auch bei den Rentnern erheblich geringere Krankenhauseinweisungen gegenüber seiner Fachgruppe auf. Weiterhin war zu verzeichnen, daß in diesem Quartal die Au-Fälle überdurchschnittlich hoch gegenüber der Fachgruppe lagen, jedoch die Tage je Au-Fall weit unter dem Durchschnitt der Fachgruppe. Im Quartal IV/82 waren wiederum sowohl beim Gesamthonorar als auch bei den Beratungen und bei den Besuchen zumeist weit über 200 % mittlerer Abweichung gegenüber der Fachgruppe festzustellen und bei den Sonderleistungen und Laborleistungen über 100 %. Bei den Krankenhauseinweisungen lag der Kläger sowohl bei den Mitgliedern als bei den Rentner weit unter dem Durchschnitt seiner Fachgruppe; bei den Au-Fällen verhielt es sich wie im Vorquartal. Aufgrund dieser Statistik stellte der Beklagte ein offensichtliches Mißverhältnis zu den Durchschnittswerten der Fachgruppe fest, mit dem Ergebnis, daß der Kläger seine Mehraufwendungen nicht in dieser Höhe allein auf Besonderheiten seiner Praxis zurückführen könne, sondern daß der Kläger somit unwirtschaftlich behandele. Die vom Kläger geltend gemachten Besonderheiten seiner Praxis würden nicht ohne weiteres zu einer Kostensteigerung in dem Umfange, wie zu verzeichnen sei, beitragen. Die geltend gemachte Teilnahme am Notfalldienst und die damit verbundene hohe Zahl von Notfallscheinen müßte eher zu einer Kostensenkung führen, da hier nur eine Teilbehandlung stattfinde und nicht eine Behandlung über das gesamte Quartal hinweg. Zudem sei diese Tatsache berücksichtigt worden, indem im Quartal III/82 und IV/82 die Notfälle und Vertretungsfälle nicht mit in die Honorarabänderungsmaßnahmen einbezogen worden seien. Zudem habe jedoch die Überprüfung ergeben, daß sowohl auf dem diagnostischen als auch auf dem therapeutischen Sektor der Kläger nicht gezielt und differenziert genug vorgehe. Die Behandlungsweise des Klägers erinnere vielmehr an die von der Klinik her gewöhnte Routine, ohne Beschränkung auf das Maß des Notwendigen und Zweckmäßigen. Dies zeige sich vor allem darin, daß routinemäßig in wiederkehrender Reihenfolge gleichzeitig Leistungen nach den Gebührenordnungsnummern Pl. 65, 1070, 1075, 4060 und 4705 geltend gemacht würden, ohne daß diese Leistungen in den meisten Fällen eine entsprechende Begründung durch die Diagnoseangaben erführen. Hier verfahre der Kläger zu großzügig, insbesondere was die Anwendung der Nr. 65 BMÄ anbelange. Als eine weitere Auffälligkeit sei die Beratungstätigkeit des Klägers zu bezeichnen, denn die sich teilweise zeigende Vielzahl von Beratungen im Einzelfall finde nicht immer eine hinreichende Begründung durch die Diagnoseangaben. Es entstehe vielmehr der Eindruck, daß die Beratungstätigkeit und die damit verbundene Frequenz nicht unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit gesehen werden. Hinsichtlich seiner Besuchstätigkeit wurde von dem Beklagten festgestellt, daß auch die Besuche nicht immer eine hinreichende Begründung durch die Diagnoseangaben erführen bzw. Besuche durchgeführt würden, für die keine Notwendigkeit gesehen werden könne. Dies treffe insbesondere auf zu häufige Wiederholungsbesuche nach ambulanten Abrasionen zu. Als eine gewisse Besonderheit gegenüber seiner Fachgruppe wurde von dem Beklagten der erhöhte Rentneranteil des Klägers gesehen, jedoch seien die Mehraufwendungen letztlich nicht auf diese Besonderheit zurückzuführen. Zudem seien dem Kläger Abrechnungsfehler vorzuwerfen, die auch nicht alleine dadurch zu erklären seien, daß der Kläger insbesondere in den Anfangsquartalen des Jahres 1982 anfangs Schwierigkeiten hatte. Der Beklagte kam schließlich zu dem Ergebnis, daß die hier vorliegenden Mehraufwendungen in der festgestellten Höhe nicht allein aus Besonderheiten der Praxis resultierten, sondern vielmehr im wesentlichen durch eine zu großzügige Behandlungsweise unter Außerachtlassung der gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen ausgelöst werde. Im übrigen sei der Kläger auch hinsichtlich seiner Praxis und seiner Tätigkeit mit der zum Vergleich herangezogenen Fachgruppe zu vergleichen. Sein Patientengut resultiere im wesentlichen aus dem üblichen Klientel, was seine Fachkollegen auch zu versorgen hätten. Zudem weise der Kläger keine besondere Ausrichtung bezüglich von besonderen Behandlungs- oder Untersuchungsmaßnahmen auf.
Gegen diesen Beschluss hat der Kläger vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main am 11. September 1985 Klage erhoben. In der Klagebegründung hat er im wesentlichen geltend gemacht, daß von dem Beklagten Sonderleistungen beanstandet würden, die zum Teil in einer Frequenz erbracht worden seien, die alleine eine Hochrechnung auf die Gesamtfallzahl nicht erlaube. Zum anderen kürze der Beschluss Leistungen, deren statistische Unwirtschaftlichkeit weder vermutet noch nachgewiesen werden könnte. Dies gelte auch für die Besuchsleistungen, da weniger als die Hälfte der Kassenärzte der Fachgruppe Besuchsleistungen ausführten, so daß es zu keinem stichhaltigen Vergleich kommen könne.
Mit Urteil vom 12. August 1987 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main die Klage abgewiesen. In der Begründung hat das Sozialgericht die Bescheide des Beklagten als rechtmäßig angesehen, da der Kläger mit seiner Gesamthonoraranforderung den Durchschnitt seiner Fachgruppe um mehr als 200 % des Betrages der mittleren Abweichung überschreite und somit mit einem offensichtlichen Mißverhältnis im Vergleich zu seiner Fachgruppe stehe. Der Beklagte sei befugt gewesen, den Vergleich hinsichtlich des Gesamtfallwertes vorzunehmen und nicht, wie der Kläger behaupte, auf dem Bereich der Sonderleistungen zu beschränken, da den Statistiken zu entnehmen sei, daß gerade auch bei den Beratungen, Besuchen und Laborleistungen neben den Sonderleistungen Überschreitungen von mehr als 100 % und bis zu 400 % mittlerer Abweichung festzustellen seien. Daran ändere sich auch nichts, daß der Kläger geringere Fallzahlen gegenüber seiner Fachgruppe aufzuweisen habe. Praxisbesonderheiten, die im übrigen vom Kläger mit Ausnahme des Notfallvertretungsdienstes nicht vorgebracht worden seien, würden hierbei auch nicht zu einer Rechtfertigung der Mehraufwendungen führen.
Gegen das am 13. November 1987 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 14. Dezember 1987 beim Hessischen Landessozialgericht. In der Begründung bemängelt der Kläger vor allem, daß im Rahmen der Gesamthonorarforderungen die Kürzungen vorgenommen worden seien, was nicht gerechtfertigt sei, da einzelne Leistungsgruppen unterdurchschnittlich bzw. im Normbereich abgerechnet würden und andere überdurchschnittlich über dem Normbereich lägen. Dies treffe zum Beispiel im Quartal II/82 für allgemeine Leistungen, physikalisch-medizinische Leistungen und sonstige Kosten zu und gelte vergleichbar auch im Quartal III/82. Völlig unberücksichtigt habe das Sozialgericht als auch der Beklagte gelassen, daß die Tätigkeit des Klägers einer Landarztpraxis gleichzustellen sei und sich auch auf den ambulanten operativen Sektor erstrecke nach einer ambulanten Behandlung. Dies drücke sich vor allem in der Hausbesuchsfrequenz, die im Vergleich zur Fachgruppe nicht sachgerecht bewertet worden sei, aus. Im übrigen sei auch die errechnete Honorarkürzung ermessensfehlerhaft zustande gekommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. August 1987 sowie die Bescheide des Beklagten vom 6. Dezember 1982 in der Fassung des Bescheids vom 22. Juni 1984, die Bescheide des Beklagten vom 7. März 1983 und diese alle in der Fassung des Beschlusses vom 15. August 1985 aufzuheben.
Der Beklagte und die Beigeladenen beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf den Inhalt der Gerichtsakte, die beide Inhalt und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig und statthaft (§§ 143, 150, 151 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).
Die Berufung des Klägers ist auch insoweit erfolgreich, als das Urteil der Vorinstanz und die Bescheide des Beklagten vom 6. Dezember 1982 in der Fassung des Beschlusses vom 22. Juni 1984 sowie die Bescheide vom 7. März 1983 und vom 6. Juni 1983 in der Fassung des Beschlusses des Beklagten vom 15. August 1985 aufgehoben werden mußten und der Beklagte verurteilt wird, über die Widersprüche des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Eine abschließende Entscheidung in diesem Rechtsstreit unter Einbeziehung der von dem Kläger angefochtenen Bescheide der Prüfungsinstanzen konnte der Senat nicht treffen. Der Antrag des Klägers umfaßt für diesen Rechtsstreit auch das Begehren, den Beklagten zu verpflichten, über die Widersprüche unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut einen Bescheid zu erlassen. Die angefochtenen vorgenannten Bescheide des Beklagten sind rechtswidrig, weil sie den besonderen Anforderungen an einen Honorarkürzungsbescheid nicht entsprechen. Das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. August 1987 hat diesen Umstand nicht berücksichtigt und es war daher insoweit aufzuheben.
Die kassenärztliche Tätigkeit für die RVO-Kassen ist dem Wirtschaftlichkeitsgebot der ärztlichen Versorgung unterworfen (§ 182 Abs. 2 und §§ 368 g und e RVO). Der Beklagte hat darüber zu wachen, ob diesem Wirtschaftlichkeitsgebot durch die Honoraranforderungen des Klägers Genüge getan wurde (§ 368 n Abs. 5 i.V.m. den §§ 33 und 34 Bundesmantelvertrag Ärzte). Die Entscheidungen, die der Beklagte innerhalb seiner Prüfungsinstanzen trifft, sind Verwaltungsakte, die gerichtlich überprüfbar sind, jedoch insofern nur eingeschränkt, als den Prüfungsinstanzen bei der Überprüfung des Wirtschaftlichkeitsgebotes bei Honoraranforderungen ein Beurteilungsspielraum zusteht (ständige Rechtsprechung des BSG u.a. in BSGE 38, 282, 289 m.w.N.). Die Kontrolle des Gerichts beschränkt sich daher darauf, ob das Verwaltungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, ob dem Verwaltungsakt ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die Verwaltung die durch Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "Wirtschaftlichkeit” ermittelten Grenzen eingehalten hat, so daß die Beurteilungsmaßstäbe für die Gerichte erkennbar und nachvollziehbar sind (ständige Rechtsprechung des BSG u.a. Entscheidung des BSG vom 9. Juni 1982 – 6 RKA 1/81; Entscheidung vom 22. Mai 1984 – 6 RKA 21/82 m.w.N.). Hierbei ist Maßstab für die Nachvollziehbarkeit der Begründung des Verwaltungsaktes der § 35 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 SGB X (BSG Entscheidung vom 22. Mai 1984 – 6 RKa 21/82).
Der Begriff der Wirtschaftlichkeit, wie er in der kassenärztlichen Versorgung verwendet wird, ist in der Reichsversicherungsordnung definiert (siehe hierzu § 182 Abs. 2 sowie § 363 e RVO). Der Kassenarzt hat danach grundsätzlich den Anspruch des Versicherten auf ärztliche Versorgung mit den ihm geeignet erscheinenden Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu befriedigen; es gilt der Grundsatz der Freiheit des Arztes in der Wahl seiner Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (BSG in SozR 2200 § 368 n RVO Nr. 19). Auf der anderen Seite muß jedoch nach dem Gebot der Wirtschaftlichkeit vom Arzt gefordert werden, daß er zu Lasten der Kostenträger nichts Überflüssiges veranlaßt, indem er Untersuchungs- und Behandlungsmethoden durchführt, die das Maß des Zweckmäßigen, Notwendigen und Ausreichenden sprengen; der Arzt wird daher bei seiner Versorgung nicht am Erfolg, sondern am Umfang seiner ärztlichen Bemühungen gemessen.
Die Überprüfung der Einhaltung der wirtschaftlichen Kriterien für eine ärztliche Versorgung erfolgt durch die Prüfungsinstanzen des Beklagten nicht anhand einzelner Behandlungsfälle, wenn der durchschnittliche Aufwand eines Arztes für einen Behandlungsfall in einem offensichtlichen Mißverhältnis zu den Durchschnittswerten der Fachgruppe dieses Arztes steht. In diesem Fall spricht der erste Anschein für eine unwirtschaftliche Behandlungsweise des Kassenarztes (Entscheidung des BSG vom 25. Mai 1984 – 6 RKa 17/82 für ständige Rechtsprechung des BSG). Diese Vermutung kann nur dann entkräftet werden und ist dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn die Fallwertüberschreitung auf Besonderheiten der Praxis zurückzuführen ist und diese nicht selbst auf der unwirtschaftlichen Behandlungsweise beruhen, die Praxisbesonderheit also mit dem Gebot der Wirtschaftlichkeit im Einklang steht (BSGE 46, 136, 137 sowie Entscheidungen vom 23. Mai 1984 – 6 RKa 17/82 und vom 22. Mai 1984 – 6 RKA 21/82). Das hierbei von den Prüfungsinstanzen herangezogene statistische Vergleichsverfahren – im allgemeinen das Verfahren nach arithmetischen Durchschnittszahlen, wie auch im vorliegenden Fall – ist dabei von der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG und von dem erkennenden Senat stets als nicht nur zulässig, sondern als praktikabel akzeptiert worden (unter anderem Entscheidung des BSG vom 8. Mai 1985 – 6 RKa 24/83 m.w.N.). Liegen danach den Mehraufwand rechtfertigende Umstände nicht vor, so ist es den Prüfungsinstanzen gestattet, im Rahmen einer ungefähren Richtigkeit den Grad der Unwirtschaftlichkeit zu schätzen, wobei ihnen auch hier ein Beurteilungsspielraum zusteht (BSGE 46, 136, 138 und Entscheidung des BSG vom 9. Juni 1982 – 6 RKa 1/81). Hierbei gelten aber selbstverständlich auch die Grundsätze, die einer Kontrolle durch das Gericht unterliegen, wie die vollständige Ermittlung des Sachverhalts und die Vermeidung sachfremder Erwägungen und anderes mehr. Der Gesetzgeber hat durch die Regelung über die Besetzung des Prüfungs- und Beschwerdeausschusses (§ 368 n Abs. 5 RVO) zu erkennen gegeben, daß bei der Überwachung der Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung vor allem die medizinische Fachkunde und die damit verbundene ärztliche Berufserfahrung bedeutsam sein soll. Damit ist den Prüfungsinstanzen durch den Gesetzgeber eine Verantwortung übertragen worden, die auch einen gerichtlich nicht voll überprüfbaren Bereich abdeckt; dies findet allein schon seine Berechtigung in der Zusammensetzung der Prüfgremien (BSGE 52, 193, 195).
Im vorliegenden Fall wird der Anschein der Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Klägers aufgrund seiner im offensichtlichen Mißverhältnis zur Fachgruppe stehenden Gesamtfallkosten nicht oder nur unzureichend von der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der vom Kläger geltend gemachten Praxisbesonderheiten geprüft. Der Beklagte hat zunächst zu Recht die Fallkosten des Klägers mit den durchschnittlichen Fallkosten seiner Fachgruppe verglichen. Der Vergleich mit der Fachgruppe der Frauenärzte liegt im Rahmen seines Ermessensspielraums. Die Bildung engerer Vergleichsgruppen unter Berücksichtigung der Praxisbesonderheiten des Klägers wäre zwar denkbar, ist aber nicht notwendig, sofern die Besonderheiten in der Praxis des Klägers überhaupt Berücksichtigung finden (BSG Entscheidung vom 23. Mai 1984 – 6 RKa 1/83). Die Aussage des Anscheinsbeweises wird relativiert, soweit bei der geprüften Praxis besondere Umstände vorliegen, die die Homogenität der zu vergleichenden Praxen stören, also typische Gegebenheiten der Fachgruppe nicht typisch für die überprüfte Praxis des Arztes sind (BSG Entscheidung vom 23. Mai 1984 – 6 RKa 17/82; Baader "Praxisumstände ” in SGB 1985, 446 f.; BSG vom 27. Januar 1987 – 6 RKa 16/86). Die Gleichartigkeit der verglichenen Leistungsbedingungen ist von dem Beklagten von Amts wegen zu prüfen (§ 20 SGB X). Der Beklagte hat hierbei in zulässiger Weise die Besonderheiten der Praxis des Klägers zunächst teilweise nicht in der Form berücksichtigt, daß er engere Vergleichsgruppen bildete sondern indem er die überdurchschnittlichen Gesamtfallkosten des Klägers unter dem Gesichtspunkt vorhandener Praxisbesonderheiten zum Teil prüfte. Zu einer Bildung einer spezielleren, einengenden Vergleichsgruppe aufgrund z.B. der Mosaikstatistik bestand kein Anlaß. Der Beklagte hat daher seinen Beurteilungsspielraum bei der Auswahl der Vergleichsgruppe der Frauenärzte nicht verletzt. Darüber hinaus hat er seinen Beurteilungsspielraum auch nicht bei seiner gesamtwirtschaftlichen Betrachtungsweise der Praxisstruktur des Klägers verletzt. Es bleibt dem Beklagten innerhalb seines Beurteilungsspielraumes unbenommen, zunächst die gesamtwirtschaftliche Situation der Praxis zu prüfen, bevor dann anhand einzelner Leistungsbereiche eine detailliertere Prüfung erfolgt, wie das der Beklagte unter anderem bei den Beratungen, bei den Besuchen und bei den Sonderleistungen getan hat. Hierbei hat der Beklagte zunächst zu Recht ein offensichtliches Mißverhältnis bei den Gesamtfallkosten im Vergleich zur Fachgruppe des Klägers festgestellt, wie zum Teil auch von dem Beklagten Praxisbesonderheiten wie Teilnahme am Notfallvertretungsdienst, erhöhter Rentneranteil und schwerere Behandlungsfälle berücksichtigt wurden. Insoweit war die Vermutung der unwirtschaftlichen Behandlungsweise des Klägers korrekt von dem Beklagten bestätigt worden. Hierbei hat der Beklagte vor allem rechtsfehlerfrei darauf verwiesen, daß sich die Praxis des Klägers in der Frage der großzügigen Indikationsstellung, der Verkennung der Gebührenziffer 65 BMÄ, bei teilweisen Abrechnungsfehlern und bei fehlenden Diagnosenangaben als unwirtschaftlich herausstelle. Dies ist für das Gericht schlüssig und nachvollziehbar von dem Beklagten dargelegt worden. Hierbei hat der Beklagte auch zu Recht darauf verwiesen, daß die berücksichtigten Praxisbesonderheiten – wie oben erwähnt – nicht letztlich ursächlich für den Mehraufwand im Vergleich zu der Fachgruppe des Klägers waren, sondern mehr darin begründet liegen, daß die Praxisführung die bereits genannten Fehler beinhaltet.
Der Beklagte hat aber hinsichtlich der Praxisbesonderheiten von seinem Beurteilungsspielraum insofern einen fehlerhaften Gebrauch gemacht, als er in dieser Frage den Sachverhalt nicht vollständig aufgeklärt hat. Es ist festzustellen, daß in dem angefochtenen Beschluss des Beklagten vom 15. August 1985 der Beklagte recht allgemein von Praxisbesonderheiten des Klägers spricht, ohne aber im einzelnen über die bereits genannten Praxisbesonderheiten hinaus darauf einzugehen, welche Praxisbesonderheiten darüber hinaus noch gemeint sind. Der Beklagte war in diesem Zusammenhang nicht von der Pflicht entbunden, von Amts wegen aufzuklären, ob und inwiefern die Praxis des Klägers nach Ausrichtung, Behandlungsweise oder Krankengut weitere Besonderheiten gegenüber dem Durchschnitt der Fachkollegen aufweist, wodurch unter anderem der erhöhte Aufwand bei dem Beratungs- und Besuchsleistungen gerechtfertigt sein könnte. Diese Praxisbesonderheit könnte unter anderem in diesem Zusammenhang darin liegen, daß der Kläger eine kleinstädtische Praxis betreibt, die nicht in einem Ballungsgebiet von Großstädten liegt, sondern mehr im ländlichen Bereich. Darauf hat der Kläger auch hingewiesen. Diese Tatsache hätte den Beklagten veranlassen müssen, gerade auf dem Leistungsbereich der Besuche und der Beratungen weitere Ermittlungen durchzuführen. Ist nämlich die Behauptung des Klägers zutreffend, er versorge überwiegend ein Patientengut im ländlichen Bereich, was insbesondere zu einer erhöhten Besuchstätigkeit führen müßte, so ist dies als Praxisbesonderheit der Praxis des Klägers zu berücksichtigen. Es wäre daher denkbar, daß diese Praxisbesonderheit dazu führt, daß die Besuchsleistungen mit dem Gebot der wirtschaftlichen Behandlungsweise unter Berücksichtigung der besonderen Umstände im Einklang steht. Ohne diese erforderliche Ermittlung des Beklagten ist aber die Entscheidung des Beklagten in dem angefochtenen Beschluss für den Senat nicht nachvollziehbar. Der Beklagte hat die Transparenz seiner Entscheidung auch hinsichtlich dieser eventuellen Praxisbesonderheit herzustellen. Letztlich wird diese Überprüfung zunächst nur der Beklagte aufgrund der größeren Fachkunde und der hierbei eingebrachten beruflichen Erfahrung vornehmen können. Die vom Senat aufgezeigten Umstände sind hierbei zu berücksichtigen.
In diesem Zusammenhang ist auch die Pflicht des Beklagten herauszustellen, den Sachverhalt von Amts wegen auch dahingehend aufzuklären, ob und inwieweit sonst ein Mehraufwand durch Einsparungen in anderen Bereichen ausgeglichen werden kann oder vom Kläger ausgeglichen wird. Dieser Prüfung durfte sich die Prüfungsinstanz nicht ohne weiteres mit der Begründung entziehen, der Arzt habe den ursächlichen Zusammenhang zwischen Mehraufwand und Minderaufwand nicht schlüssig dargelegt. Dem Beklagten ist ein weiter Beurteilungsspielraum eingeräumt. Je größer dieser Spielraum ist, umso größer ist die Aufgabenstellung des Beklagten, diesen Spielraum auch bei seiner Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Behandlung eines Arztes zu nutzen. Der Beklagte ist in die Pflicht genommen, die mögliche Relevanz der Minderaufwendung im Verhältnis zu den Mehraufwendungen von sich aus zu prüfen. Er kann sich dieser Pflicht zu konkreten Tatsachenermittlung nicht durch allgemeine Erwägungen, wie im Beschluss vom 15. August 1985 geschehen, entziehen (BSG Urteil vom 22. Mai 1985 – 6 RKA 21/82). In dem angefochtenen Beschluss ist von dieser Verpflichtung des Beklagten im Rahmen seines eingeräumtem Beurteilungsspielraums wenig zu erkennen, wobei Umfang und Form der Beurteilung nicht festgeschrieben ist; es muß eben nur für die Gerichte erkennbar sein, daß die Einwände des Klägers in die Beurteilung der Beklagten eingeflossen sind und überprüft wurden. In diesem Zusammenhang fällt auf, daß in fast allen Quartalen, die im vorliegenden Rechtsstreit überprüft wurden, der Kläger weitaus geringere Krankenhausüberweisungen aufweist, als der Durchschnitt seiner Fachgruppe. Dem Kläger kann nicht abschließend der Vorwurf einer unwirtschaftlichen Behandlungsweise gemacht werden, wenn er in Rahmen seines Fachgebiets in zulässiger Weise Leistungen erbringt, die zwar zu einem Mehraufwand in seiner Praxis führen, der Mehraufwand aber durch einen Minderaufwand außerhalb seiner Praxis nachweisbar entweder durch eine diesbezügliche Praxisstruktur oder durch Praxisbesonderheiten ausgeglichen wird. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang auch auf Einsparung auf dem Sektor der physikalisch-medizinischen Leistungen hingewiesen. Hierauf ist der Beklagte nicht eingegangen. Es ist sicherlich korrekt, daß bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise eines Arztes vom typischen Tätigkeitsbereich seiner Fachgruppe ausgegangen wird. Die vom Kläger und auch teilweise von dem Beklagten herausgestellten Praxisbesonderheiten können jedoch bei bestimmten Leistungen und Leistungssparten Abweichungen vom durchschnittlichen Aufwand der Fachgruppe rechtfertigen, wenn sie in dem für die Vergleichswerte maßgebenden örtlichen Gebiet nicht praxistypisch sind und wenn sie außerdem gesamtwirtschaftlich nicht zu einer Kostenmehrung führen (BSG Urteil vom 22. Mai 1984 – 6 RKa 21/82). Dies gilt im übrigen auch für die vom Kläger zu Recht genannten teilweise niedrigen Fallzahlen gegenüber dem Durchschnitt seiner Fachgruppe. Auch der Umfang der Arzneimittelverordnungen kann den Schluß auf eine vorrangig der Diagnostik zugewendete Praxisführung zulassen; auch dies ist von dem Beklagten nicht abschließend im vorliegenden Fall untersucht worden.
Wird der Beklagte abschließend den Sachverhalt vollständig ermittelt haben, und wird er dann zu dem Ergebnis möglicherweise kommen, daß der Kläger unwirtschaftliche Leistungen erbracht hat, dann hat der Beklagte im übrigen die Höhe der Mehrkosten rechnerisch zu ermitteln. Ist hierbei eine genaue Berechnung nicht möglich oder mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden, kann er dies im Wege der Schätzung ermitteln (BSGE 46, 136, 138). Auch hierbei steht dem Beklagten ein Beurteilungsspielraum zu, wie bereits zuvor erwähnt.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, da keine der in § 160 Abs. 2 SGG genannten Gründe vorliegen.
II. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Der Beklagte hat dem Kläger 1/2 der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um RVO-Honorarkürzungen in den Quartalen II bis IV/82.
Der Kläger ist seit 1980 Gynäkologe, zur kassenärztlichen Versorgung zugelassen und in M. niedergelassen.
Mit Prüfungsbescheid des Prüfungsausschusses vom 6. Dezember 1982 wurde das Honorar des Klägers im Quartal II/82 um 4.603,88 DM gekürzt, dies bedeutet einen Abzug von 12,86 DM pro Fall. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein.
Mit Prüfungsbescheid des Prüfungsausschusses vom 7. März 1983 wurde das Honorar des Klägers im Quartal III/82 um insgesamt 5.348,00 DM gekürzt, dies bedeutet in 382 Fällen einen Abzug von 14,00 DM pro Fall. Gegen diesen Prüfungsbescheid legte der Kläger Widerspruch ein. Schließlich wurde mit Prüfungsbescheid des Prüfungsausschusses vom 6. Juni 1983 das Honorar des Klägers im Quartal IV/82 um 2.499,00 DM gekürzt, was in 357 Fällen einen Abzug von 7,00 DM pro Fall bedeutete. Auch hier legte der Kläger Widerspruch ein. Der Prüfungsausschuß half mit Bescheid vom 22. Juni 1984 dem Widerspruch des Klägers gegen die Kürzung im Quartal II/82 insoweit ab, als er eine Reduzierung der Kürzung auf 8,61 DM pro Fall vornahm, was zu einer Gesamtkürzung von nunmehr 3.280,38 DM führte. Die Abhilfe wurde unter anderem damit begründet, daß der Kläger am ärztlichen Notdienst teilnehme, die Betreuung eines Altersheimes in F. betreibe bzw. Abrasionen in der eigenen Praxis durchführe. Zudem sei der Bereitschaftsdienst, anders in den Quartalen III und IV/82, bisher nicht genügend berücksichtigt worden.
Auf der Grundlage eines Prüfberichts des Frauenarztes Dr. med. A. B. aus G. wies der Beklagte mit Beschluss vom 15. August 1985 die Widersprüche des Klägers zurück mit der Maßgabe, daß hinsichtlich des Quartals II/82 entsprechend dem weiteren Bescheid vom 22. Juni 1984 zu verfahren sei. Der Beklagte legte bei seiner Entscheidung zugrunde, daß der Kläger im Quartal II/82 das Gesamthonorar gegenüber seiner Fachgruppe um 253 % mittlerer Abweichung überschritt und auch hinsichtlich der Beratungen und bei den Besuchen und den Sonderleistungen bzw. bei den Laborleistungen weit über 100 % mittlerer Abweichung gegenüber seiner Fachgruppe liegt. Im Quartal II/82 wie auch in den weiter strittigen Quartalen wies der Kläger einen etwas überdurchschnittlichen Rentneranteil gegenüber seiner Fachgruppe auf, wobei er im Durchschnitt weniger Patienten betreute als seine zum Vergleich herangezogene Fachgruppe. Im Quartal III/82 lagen die Überschreitungen sowohl beim Gesamthonorar als auch bei den Beratungen und bei den Besuchen über 300 % mittlerer Abweichung im Vergleich zu der Fachgruppe, bei den Sonderleistungen und Laborleistungen war eine mittlere Abweichung von über 100 % festzustellen. In diesem Quartal wies der Kläger sowohl bei den Mitgliedern als auch bei den Rentnern erheblich geringere Krankenhauseinweisungen gegenüber seiner Fachgruppe auf. Weiterhin war zu verzeichnen, daß in diesem Quartal die Au-Fälle überdurchschnittlich hoch gegenüber der Fachgruppe lagen, jedoch die Tage je Au-Fall weit unter dem Durchschnitt der Fachgruppe. Im Quartal IV/82 waren wiederum sowohl beim Gesamthonorar als auch bei den Beratungen und bei den Besuchen zumeist weit über 200 % mittlerer Abweichung gegenüber der Fachgruppe festzustellen und bei den Sonderleistungen und Laborleistungen über 100 %. Bei den Krankenhauseinweisungen lag der Kläger sowohl bei den Mitgliedern als bei den Rentner weit unter dem Durchschnitt seiner Fachgruppe; bei den Au-Fällen verhielt es sich wie im Vorquartal. Aufgrund dieser Statistik stellte der Beklagte ein offensichtliches Mißverhältnis zu den Durchschnittswerten der Fachgruppe fest, mit dem Ergebnis, daß der Kläger seine Mehraufwendungen nicht in dieser Höhe allein auf Besonderheiten seiner Praxis zurückführen könne, sondern daß der Kläger somit unwirtschaftlich behandele. Die vom Kläger geltend gemachten Besonderheiten seiner Praxis würden nicht ohne weiteres zu einer Kostensteigerung in dem Umfange, wie zu verzeichnen sei, beitragen. Die geltend gemachte Teilnahme am Notfalldienst und die damit verbundene hohe Zahl von Notfallscheinen müßte eher zu einer Kostensenkung führen, da hier nur eine Teilbehandlung stattfinde und nicht eine Behandlung über das gesamte Quartal hinweg. Zudem sei diese Tatsache berücksichtigt worden, indem im Quartal III/82 und IV/82 die Notfälle und Vertretungsfälle nicht mit in die Honorarabänderungsmaßnahmen einbezogen worden seien. Zudem habe jedoch die Überprüfung ergeben, daß sowohl auf dem diagnostischen als auch auf dem therapeutischen Sektor der Kläger nicht gezielt und differenziert genug vorgehe. Die Behandlungsweise des Klägers erinnere vielmehr an die von der Klinik her gewöhnte Routine, ohne Beschränkung auf das Maß des Notwendigen und Zweckmäßigen. Dies zeige sich vor allem darin, daß routinemäßig in wiederkehrender Reihenfolge gleichzeitig Leistungen nach den Gebührenordnungsnummern Pl. 65, 1070, 1075, 4060 und 4705 geltend gemacht würden, ohne daß diese Leistungen in den meisten Fällen eine entsprechende Begründung durch die Diagnoseangaben erführen. Hier verfahre der Kläger zu großzügig, insbesondere was die Anwendung der Nr. 65 BMÄ anbelange. Als eine weitere Auffälligkeit sei die Beratungstätigkeit des Klägers zu bezeichnen, denn die sich teilweise zeigende Vielzahl von Beratungen im Einzelfall finde nicht immer eine hinreichende Begründung durch die Diagnoseangaben. Es entstehe vielmehr der Eindruck, daß die Beratungstätigkeit und die damit verbundene Frequenz nicht unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit gesehen werden. Hinsichtlich seiner Besuchstätigkeit wurde von dem Beklagten festgestellt, daß auch die Besuche nicht immer eine hinreichende Begründung durch die Diagnoseangaben erführen bzw. Besuche durchgeführt würden, für die keine Notwendigkeit gesehen werden könne. Dies treffe insbesondere auf zu häufige Wiederholungsbesuche nach ambulanten Abrasionen zu. Als eine gewisse Besonderheit gegenüber seiner Fachgruppe wurde von dem Beklagten der erhöhte Rentneranteil des Klägers gesehen, jedoch seien die Mehraufwendungen letztlich nicht auf diese Besonderheit zurückzuführen. Zudem seien dem Kläger Abrechnungsfehler vorzuwerfen, die auch nicht alleine dadurch zu erklären seien, daß der Kläger insbesondere in den Anfangsquartalen des Jahres 1982 anfangs Schwierigkeiten hatte. Der Beklagte kam schließlich zu dem Ergebnis, daß die hier vorliegenden Mehraufwendungen in der festgestellten Höhe nicht allein aus Besonderheiten der Praxis resultierten, sondern vielmehr im wesentlichen durch eine zu großzügige Behandlungsweise unter Außerachtlassung der gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen ausgelöst werde. Im übrigen sei der Kläger auch hinsichtlich seiner Praxis und seiner Tätigkeit mit der zum Vergleich herangezogenen Fachgruppe zu vergleichen. Sein Patientengut resultiere im wesentlichen aus dem üblichen Klientel, was seine Fachkollegen auch zu versorgen hätten. Zudem weise der Kläger keine besondere Ausrichtung bezüglich von besonderen Behandlungs- oder Untersuchungsmaßnahmen auf.
Gegen diesen Beschluss hat der Kläger vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main am 11. September 1985 Klage erhoben. In der Klagebegründung hat er im wesentlichen geltend gemacht, daß von dem Beklagten Sonderleistungen beanstandet würden, die zum Teil in einer Frequenz erbracht worden seien, die alleine eine Hochrechnung auf die Gesamtfallzahl nicht erlaube. Zum anderen kürze der Beschluss Leistungen, deren statistische Unwirtschaftlichkeit weder vermutet noch nachgewiesen werden könnte. Dies gelte auch für die Besuchsleistungen, da weniger als die Hälfte der Kassenärzte der Fachgruppe Besuchsleistungen ausführten, so daß es zu keinem stichhaltigen Vergleich kommen könne.
Mit Urteil vom 12. August 1987 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main die Klage abgewiesen. In der Begründung hat das Sozialgericht die Bescheide des Beklagten als rechtmäßig angesehen, da der Kläger mit seiner Gesamthonoraranforderung den Durchschnitt seiner Fachgruppe um mehr als 200 % des Betrages der mittleren Abweichung überschreite und somit mit einem offensichtlichen Mißverhältnis im Vergleich zu seiner Fachgruppe stehe. Der Beklagte sei befugt gewesen, den Vergleich hinsichtlich des Gesamtfallwertes vorzunehmen und nicht, wie der Kläger behaupte, auf dem Bereich der Sonderleistungen zu beschränken, da den Statistiken zu entnehmen sei, daß gerade auch bei den Beratungen, Besuchen und Laborleistungen neben den Sonderleistungen Überschreitungen von mehr als 100 % und bis zu 400 % mittlerer Abweichung festzustellen seien. Daran ändere sich auch nichts, daß der Kläger geringere Fallzahlen gegenüber seiner Fachgruppe aufzuweisen habe. Praxisbesonderheiten, die im übrigen vom Kläger mit Ausnahme des Notfallvertretungsdienstes nicht vorgebracht worden seien, würden hierbei auch nicht zu einer Rechtfertigung der Mehraufwendungen führen.
Gegen das am 13. November 1987 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 14. Dezember 1987 beim Hessischen Landessozialgericht. In der Begründung bemängelt der Kläger vor allem, daß im Rahmen der Gesamthonorarforderungen die Kürzungen vorgenommen worden seien, was nicht gerechtfertigt sei, da einzelne Leistungsgruppen unterdurchschnittlich bzw. im Normbereich abgerechnet würden und andere überdurchschnittlich über dem Normbereich lägen. Dies treffe zum Beispiel im Quartal II/82 für allgemeine Leistungen, physikalisch-medizinische Leistungen und sonstige Kosten zu und gelte vergleichbar auch im Quartal III/82. Völlig unberücksichtigt habe das Sozialgericht als auch der Beklagte gelassen, daß die Tätigkeit des Klägers einer Landarztpraxis gleichzustellen sei und sich auch auf den ambulanten operativen Sektor erstrecke nach einer ambulanten Behandlung. Dies drücke sich vor allem in der Hausbesuchsfrequenz, die im Vergleich zur Fachgruppe nicht sachgerecht bewertet worden sei, aus. Im übrigen sei auch die errechnete Honorarkürzung ermessensfehlerhaft zustande gekommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. August 1987 sowie die Bescheide des Beklagten vom 6. Dezember 1982 in der Fassung des Bescheids vom 22. Juni 1984, die Bescheide des Beklagten vom 7. März 1983 und diese alle in der Fassung des Beschlusses vom 15. August 1985 aufzuheben.
Der Beklagte und die Beigeladenen beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf den Inhalt der Gerichtsakte, die beide Inhalt und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig und statthaft (§§ 143, 150, 151 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).
Die Berufung des Klägers ist auch insoweit erfolgreich, als das Urteil der Vorinstanz und die Bescheide des Beklagten vom 6. Dezember 1982 in der Fassung des Beschlusses vom 22. Juni 1984 sowie die Bescheide vom 7. März 1983 und vom 6. Juni 1983 in der Fassung des Beschlusses des Beklagten vom 15. August 1985 aufgehoben werden mußten und der Beklagte verurteilt wird, über die Widersprüche des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Eine abschließende Entscheidung in diesem Rechtsstreit unter Einbeziehung der von dem Kläger angefochtenen Bescheide der Prüfungsinstanzen konnte der Senat nicht treffen. Der Antrag des Klägers umfaßt für diesen Rechtsstreit auch das Begehren, den Beklagten zu verpflichten, über die Widersprüche unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut einen Bescheid zu erlassen. Die angefochtenen vorgenannten Bescheide des Beklagten sind rechtswidrig, weil sie den besonderen Anforderungen an einen Honorarkürzungsbescheid nicht entsprechen. Das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. August 1987 hat diesen Umstand nicht berücksichtigt und es war daher insoweit aufzuheben.
Die kassenärztliche Tätigkeit für die RVO-Kassen ist dem Wirtschaftlichkeitsgebot der ärztlichen Versorgung unterworfen (§ 182 Abs. 2 und §§ 368 g und e RVO). Der Beklagte hat darüber zu wachen, ob diesem Wirtschaftlichkeitsgebot durch die Honoraranforderungen des Klägers Genüge getan wurde (§ 368 n Abs. 5 i.V.m. den §§ 33 und 34 Bundesmantelvertrag Ärzte). Die Entscheidungen, die der Beklagte innerhalb seiner Prüfungsinstanzen trifft, sind Verwaltungsakte, die gerichtlich überprüfbar sind, jedoch insofern nur eingeschränkt, als den Prüfungsinstanzen bei der Überprüfung des Wirtschaftlichkeitsgebotes bei Honoraranforderungen ein Beurteilungsspielraum zusteht (ständige Rechtsprechung des BSG u.a. in BSGE 38, 282, 289 m.w.N.). Die Kontrolle des Gerichts beschränkt sich daher darauf, ob das Verwaltungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, ob dem Verwaltungsakt ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die Verwaltung die durch Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "Wirtschaftlichkeit” ermittelten Grenzen eingehalten hat, so daß die Beurteilungsmaßstäbe für die Gerichte erkennbar und nachvollziehbar sind (ständige Rechtsprechung des BSG u.a. Entscheidung des BSG vom 9. Juni 1982 – 6 RKA 1/81; Entscheidung vom 22. Mai 1984 – 6 RKA 21/82 m.w.N.). Hierbei ist Maßstab für die Nachvollziehbarkeit der Begründung des Verwaltungsaktes der § 35 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 SGB X (BSG Entscheidung vom 22. Mai 1984 – 6 RKa 21/82).
Der Begriff der Wirtschaftlichkeit, wie er in der kassenärztlichen Versorgung verwendet wird, ist in der Reichsversicherungsordnung definiert (siehe hierzu § 182 Abs. 2 sowie § 363 e RVO). Der Kassenarzt hat danach grundsätzlich den Anspruch des Versicherten auf ärztliche Versorgung mit den ihm geeignet erscheinenden Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu befriedigen; es gilt der Grundsatz der Freiheit des Arztes in der Wahl seiner Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (BSG in SozR 2200 § 368 n RVO Nr. 19). Auf der anderen Seite muß jedoch nach dem Gebot der Wirtschaftlichkeit vom Arzt gefordert werden, daß er zu Lasten der Kostenträger nichts Überflüssiges veranlaßt, indem er Untersuchungs- und Behandlungsmethoden durchführt, die das Maß des Zweckmäßigen, Notwendigen und Ausreichenden sprengen; der Arzt wird daher bei seiner Versorgung nicht am Erfolg, sondern am Umfang seiner ärztlichen Bemühungen gemessen.
Die Überprüfung der Einhaltung der wirtschaftlichen Kriterien für eine ärztliche Versorgung erfolgt durch die Prüfungsinstanzen des Beklagten nicht anhand einzelner Behandlungsfälle, wenn der durchschnittliche Aufwand eines Arztes für einen Behandlungsfall in einem offensichtlichen Mißverhältnis zu den Durchschnittswerten der Fachgruppe dieses Arztes steht. In diesem Fall spricht der erste Anschein für eine unwirtschaftliche Behandlungsweise des Kassenarztes (Entscheidung des BSG vom 25. Mai 1984 – 6 RKa 17/82 für ständige Rechtsprechung des BSG). Diese Vermutung kann nur dann entkräftet werden und ist dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn die Fallwertüberschreitung auf Besonderheiten der Praxis zurückzuführen ist und diese nicht selbst auf der unwirtschaftlichen Behandlungsweise beruhen, die Praxisbesonderheit also mit dem Gebot der Wirtschaftlichkeit im Einklang steht (BSGE 46, 136, 137 sowie Entscheidungen vom 23. Mai 1984 – 6 RKa 17/82 und vom 22. Mai 1984 – 6 RKA 21/82). Das hierbei von den Prüfungsinstanzen herangezogene statistische Vergleichsverfahren – im allgemeinen das Verfahren nach arithmetischen Durchschnittszahlen, wie auch im vorliegenden Fall – ist dabei von der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG und von dem erkennenden Senat stets als nicht nur zulässig, sondern als praktikabel akzeptiert worden (unter anderem Entscheidung des BSG vom 8. Mai 1985 – 6 RKa 24/83 m.w.N.). Liegen danach den Mehraufwand rechtfertigende Umstände nicht vor, so ist es den Prüfungsinstanzen gestattet, im Rahmen einer ungefähren Richtigkeit den Grad der Unwirtschaftlichkeit zu schätzen, wobei ihnen auch hier ein Beurteilungsspielraum zusteht (BSGE 46, 136, 138 und Entscheidung des BSG vom 9. Juni 1982 – 6 RKa 1/81). Hierbei gelten aber selbstverständlich auch die Grundsätze, die einer Kontrolle durch das Gericht unterliegen, wie die vollständige Ermittlung des Sachverhalts und die Vermeidung sachfremder Erwägungen und anderes mehr. Der Gesetzgeber hat durch die Regelung über die Besetzung des Prüfungs- und Beschwerdeausschusses (§ 368 n Abs. 5 RVO) zu erkennen gegeben, daß bei der Überwachung der Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung vor allem die medizinische Fachkunde und die damit verbundene ärztliche Berufserfahrung bedeutsam sein soll. Damit ist den Prüfungsinstanzen durch den Gesetzgeber eine Verantwortung übertragen worden, die auch einen gerichtlich nicht voll überprüfbaren Bereich abdeckt; dies findet allein schon seine Berechtigung in der Zusammensetzung der Prüfgremien (BSGE 52, 193, 195).
Im vorliegenden Fall wird der Anschein der Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Klägers aufgrund seiner im offensichtlichen Mißverhältnis zur Fachgruppe stehenden Gesamtfallkosten nicht oder nur unzureichend von der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der vom Kläger geltend gemachten Praxisbesonderheiten geprüft. Der Beklagte hat zunächst zu Recht die Fallkosten des Klägers mit den durchschnittlichen Fallkosten seiner Fachgruppe verglichen. Der Vergleich mit der Fachgruppe der Frauenärzte liegt im Rahmen seines Ermessensspielraums. Die Bildung engerer Vergleichsgruppen unter Berücksichtigung der Praxisbesonderheiten des Klägers wäre zwar denkbar, ist aber nicht notwendig, sofern die Besonderheiten in der Praxis des Klägers überhaupt Berücksichtigung finden (BSG Entscheidung vom 23. Mai 1984 – 6 RKa 1/83). Die Aussage des Anscheinsbeweises wird relativiert, soweit bei der geprüften Praxis besondere Umstände vorliegen, die die Homogenität der zu vergleichenden Praxen stören, also typische Gegebenheiten der Fachgruppe nicht typisch für die überprüfte Praxis des Arztes sind (BSG Entscheidung vom 23. Mai 1984 – 6 RKa 17/82; Baader "Praxisumstände ” in SGB 1985, 446 f.; BSG vom 27. Januar 1987 – 6 RKa 16/86). Die Gleichartigkeit der verglichenen Leistungsbedingungen ist von dem Beklagten von Amts wegen zu prüfen (§ 20 SGB X). Der Beklagte hat hierbei in zulässiger Weise die Besonderheiten der Praxis des Klägers zunächst teilweise nicht in der Form berücksichtigt, daß er engere Vergleichsgruppen bildete sondern indem er die überdurchschnittlichen Gesamtfallkosten des Klägers unter dem Gesichtspunkt vorhandener Praxisbesonderheiten zum Teil prüfte. Zu einer Bildung einer spezielleren, einengenden Vergleichsgruppe aufgrund z.B. der Mosaikstatistik bestand kein Anlaß. Der Beklagte hat daher seinen Beurteilungsspielraum bei der Auswahl der Vergleichsgruppe der Frauenärzte nicht verletzt. Darüber hinaus hat er seinen Beurteilungsspielraum auch nicht bei seiner gesamtwirtschaftlichen Betrachtungsweise der Praxisstruktur des Klägers verletzt. Es bleibt dem Beklagten innerhalb seines Beurteilungsspielraumes unbenommen, zunächst die gesamtwirtschaftliche Situation der Praxis zu prüfen, bevor dann anhand einzelner Leistungsbereiche eine detailliertere Prüfung erfolgt, wie das der Beklagte unter anderem bei den Beratungen, bei den Besuchen und bei den Sonderleistungen getan hat. Hierbei hat der Beklagte zunächst zu Recht ein offensichtliches Mißverhältnis bei den Gesamtfallkosten im Vergleich zur Fachgruppe des Klägers festgestellt, wie zum Teil auch von dem Beklagten Praxisbesonderheiten wie Teilnahme am Notfallvertretungsdienst, erhöhter Rentneranteil und schwerere Behandlungsfälle berücksichtigt wurden. Insoweit war die Vermutung der unwirtschaftlichen Behandlungsweise des Klägers korrekt von dem Beklagten bestätigt worden. Hierbei hat der Beklagte vor allem rechtsfehlerfrei darauf verwiesen, daß sich die Praxis des Klägers in der Frage der großzügigen Indikationsstellung, der Verkennung der Gebührenziffer 65 BMÄ, bei teilweisen Abrechnungsfehlern und bei fehlenden Diagnosenangaben als unwirtschaftlich herausstelle. Dies ist für das Gericht schlüssig und nachvollziehbar von dem Beklagten dargelegt worden. Hierbei hat der Beklagte auch zu Recht darauf verwiesen, daß die berücksichtigten Praxisbesonderheiten – wie oben erwähnt – nicht letztlich ursächlich für den Mehraufwand im Vergleich zu der Fachgruppe des Klägers waren, sondern mehr darin begründet liegen, daß die Praxisführung die bereits genannten Fehler beinhaltet.
Der Beklagte hat aber hinsichtlich der Praxisbesonderheiten von seinem Beurteilungsspielraum insofern einen fehlerhaften Gebrauch gemacht, als er in dieser Frage den Sachverhalt nicht vollständig aufgeklärt hat. Es ist festzustellen, daß in dem angefochtenen Beschluss des Beklagten vom 15. August 1985 der Beklagte recht allgemein von Praxisbesonderheiten des Klägers spricht, ohne aber im einzelnen über die bereits genannten Praxisbesonderheiten hinaus darauf einzugehen, welche Praxisbesonderheiten darüber hinaus noch gemeint sind. Der Beklagte war in diesem Zusammenhang nicht von der Pflicht entbunden, von Amts wegen aufzuklären, ob und inwiefern die Praxis des Klägers nach Ausrichtung, Behandlungsweise oder Krankengut weitere Besonderheiten gegenüber dem Durchschnitt der Fachkollegen aufweist, wodurch unter anderem der erhöhte Aufwand bei dem Beratungs- und Besuchsleistungen gerechtfertigt sein könnte. Diese Praxisbesonderheit könnte unter anderem in diesem Zusammenhang darin liegen, daß der Kläger eine kleinstädtische Praxis betreibt, die nicht in einem Ballungsgebiet von Großstädten liegt, sondern mehr im ländlichen Bereich. Darauf hat der Kläger auch hingewiesen. Diese Tatsache hätte den Beklagten veranlassen müssen, gerade auf dem Leistungsbereich der Besuche und der Beratungen weitere Ermittlungen durchzuführen. Ist nämlich die Behauptung des Klägers zutreffend, er versorge überwiegend ein Patientengut im ländlichen Bereich, was insbesondere zu einer erhöhten Besuchstätigkeit führen müßte, so ist dies als Praxisbesonderheit der Praxis des Klägers zu berücksichtigen. Es wäre daher denkbar, daß diese Praxisbesonderheit dazu führt, daß die Besuchsleistungen mit dem Gebot der wirtschaftlichen Behandlungsweise unter Berücksichtigung der besonderen Umstände im Einklang steht. Ohne diese erforderliche Ermittlung des Beklagten ist aber die Entscheidung des Beklagten in dem angefochtenen Beschluss für den Senat nicht nachvollziehbar. Der Beklagte hat die Transparenz seiner Entscheidung auch hinsichtlich dieser eventuellen Praxisbesonderheit herzustellen. Letztlich wird diese Überprüfung zunächst nur der Beklagte aufgrund der größeren Fachkunde und der hierbei eingebrachten beruflichen Erfahrung vornehmen können. Die vom Senat aufgezeigten Umstände sind hierbei zu berücksichtigen.
In diesem Zusammenhang ist auch die Pflicht des Beklagten herauszustellen, den Sachverhalt von Amts wegen auch dahingehend aufzuklären, ob und inwieweit sonst ein Mehraufwand durch Einsparungen in anderen Bereichen ausgeglichen werden kann oder vom Kläger ausgeglichen wird. Dieser Prüfung durfte sich die Prüfungsinstanz nicht ohne weiteres mit der Begründung entziehen, der Arzt habe den ursächlichen Zusammenhang zwischen Mehraufwand und Minderaufwand nicht schlüssig dargelegt. Dem Beklagten ist ein weiter Beurteilungsspielraum eingeräumt. Je größer dieser Spielraum ist, umso größer ist die Aufgabenstellung des Beklagten, diesen Spielraum auch bei seiner Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Behandlung eines Arztes zu nutzen. Der Beklagte ist in die Pflicht genommen, die mögliche Relevanz der Minderaufwendung im Verhältnis zu den Mehraufwendungen von sich aus zu prüfen. Er kann sich dieser Pflicht zu konkreten Tatsachenermittlung nicht durch allgemeine Erwägungen, wie im Beschluss vom 15. August 1985 geschehen, entziehen (BSG Urteil vom 22. Mai 1985 – 6 RKA 21/82). In dem angefochtenen Beschluss ist von dieser Verpflichtung des Beklagten im Rahmen seines eingeräumtem Beurteilungsspielraums wenig zu erkennen, wobei Umfang und Form der Beurteilung nicht festgeschrieben ist; es muß eben nur für die Gerichte erkennbar sein, daß die Einwände des Klägers in die Beurteilung der Beklagten eingeflossen sind und überprüft wurden. In diesem Zusammenhang fällt auf, daß in fast allen Quartalen, die im vorliegenden Rechtsstreit überprüft wurden, der Kläger weitaus geringere Krankenhausüberweisungen aufweist, als der Durchschnitt seiner Fachgruppe. Dem Kläger kann nicht abschließend der Vorwurf einer unwirtschaftlichen Behandlungsweise gemacht werden, wenn er in Rahmen seines Fachgebiets in zulässiger Weise Leistungen erbringt, die zwar zu einem Mehraufwand in seiner Praxis führen, der Mehraufwand aber durch einen Minderaufwand außerhalb seiner Praxis nachweisbar entweder durch eine diesbezügliche Praxisstruktur oder durch Praxisbesonderheiten ausgeglichen wird. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang auch auf Einsparung auf dem Sektor der physikalisch-medizinischen Leistungen hingewiesen. Hierauf ist der Beklagte nicht eingegangen. Es ist sicherlich korrekt, daß bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise eines Arztes vom typischen Tätigkeitsbereich seiner Fachgruppe ausgegangen wird. Die vom Kläger und auch teilweise von dem Beklagten herausgestellten Praxisbesonderheiten können jedoch bei bestimmten Leistungen und Leistungssparten Abweichungen vom durchschnittlichen Aufwand der Fachgruppe rechtfertigen, wenn sie in dem für die Vergleichswerte maßgebenden örtlichen Gebiet nicht praxistypisch sind und wenn sie außerdem gesamtwirtschaftlich nicht zu einer Kostenmehrung führen (BSG Urteil vom 22. Mai 1984 – 6 RKa 21/82). Dies gilt im übrigen auch für die vom Kläger zu Recht genannten teilweise niedrigen Fallzahlen gegenüber dem Durchschnitt seiner Fachgruppe. Auch der Umfang der Arzneimittelverordnungen kann den Schluß auf eine vorrangig der Diagnostik zugewendete Praxisführung zulassen; auch dies ist von dem Beklagten nicht abschließend im vorliegenden Fall untersucht worden.
Wird der Beklagte abschließend den Sachverhalt vollständig ermittelt haben, und wird er dann zu dem Ergebnis möglicherweise kommen, daß der Kläger unwirtschaftliche Leistungen erbracht hat, dann hat der Beklagte im übrigen die Höhe der Mehrkosten rechnerisch zu ermitteln. Ist hierbei eine genaue Berechnung nicht möglich oder mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden, kann er dies im Wege der Schätzung ermitteln (BSGE 46, 136, 138). Auch hierbei steht dem Beklagten ein Beurteilungsspielraum zu, wie bereits zuvor erwähnt.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, da keine der in § 160 Abs. 2 SGG genannten Gründe vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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