Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 1337/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 921/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. Januar 2008 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Anerkennung einer Enzephalopathie als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1317 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der 1946 geborene Kläger war seit 1978 als Maschinist und Glätter in einem Estrichlegerbetrieb tätig.
Mit Schreiben vom 10. Dezember 1998 teilte die Krankenkasse des Klägers der Württembergischen Bau-Berufsgenossenschaft, einer der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten (künftig: die Beklagte) mit, dass beim Kläger Arbeitsunfähigkeit seit 22. April 1998 wegen multisensorischer neurootologischer Funktionsstörung mit peripherer und zentraler Gleichgewichtsstörung, quälendem Tinnitus rechts, Cervikocephalgien, schwerem Erschöpfungszustand mit starker Leistungseinbuße bestehe. Frau Dr. C. habe den Verdacht der Lösungsmittelschädigung geäußert. Es stelle sich daher die Frage, ob der Kläger Anspruch auf eine BG-Rente habe, da er seinen Beruf nicht mehr ausüben könne. Beigefügt war das Vorerkrankungsverzeichnis. Die darüber hinaus geltend gemachten Berufskrankheiten wegen Erkrankungen im Bereich der Wirbelsäule sind nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 10. Dezember 1998 die Feststellung seiner Erkrankung als BK und übersandte in Anlage den Befundbericht der HNO-Ärztin Dr. C. vom 20. August 1998 sowie den Rehabilitations-Entlassungsbericht vom Oktober 1998 (Diagnosen: multisensorische neurootologische Funktionsstörung mit peripherer und zentraler Gleichgewichtsfunktionsstörung, kompensierter Tinnitus aurium rechts, Cervicocephalgien, nervöser Erschöpfungszustand mit multiplen vegetativen Beschwerden, stat.-myal. Lumbalsyndrom). Der Beschäftigungsbetrieb übersandte unter dem 25. Januar 1999 die Unternehmeranzeige über eine BK.
Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten nahm unter dem 17. März 1999 Stellung zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen der fraglichen BK. Zur BK 1317 der Anlage zur BKV führte Dipl.-Ing. S. aus, von 1969 bis 1978 sei der Kläger nicht in Kontakt mit organischen Lösungsmitteln gewesen. Während seiner Zeit im Estrichlegebetrieb habe der Kläger neben Kontakt mit Zement, Sand und Wasser nach eigenen Angaben gelegentlich auch Risse oder Fugen verharzen müssen (Silikal R 61), daneben ca. 1 mal pro Woche 1 bis 3 Stunden mit Silatex Haftbrücke, Silatex 3 oder Köratac DF 841 gearbeitet. Lösmittelhaltig seien die Arbeitsstoffe Silikal R61 und Köratac DF 841. Repräsentative Messungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen hätten gezeigt, dass die Grenz- bzw. Schichtmittelwerte eingehalten werden, da nur gelegentlich und kurzzeitig insbesondere mit Köratac DF 841 umgegangen worden sei. Von einer Gesundheitsgefährdung durch die genannten Stoffe im Sinne der BK 1317 sei nicht auszugehen. Beigefügt waren die Sicherheitsdatenblätter der genannten Stoffe. Die staatliche Gewerbeärztin schlug die Anerkennung einer BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV nicht zur Anerkennung vor (Stellungnahme vom 20. April 1999).
Mit Bescheid vom 27. September 1999 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV ab.
Dagegen erhob der Kläger durch seine Bevollmächtigten Widerspruch ohne Begründung., der mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 1999 zurückgewiesen wurde.
Dagegen hat der Kläger am 12. Januar 2000 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben mit der Begründung, seine individuelle Arbeitsplatzsituation sei nur unzureichend erfasst worden. Das SG hat der Beklagten daraufhin aufgegeben, zu den arbeitstechnischen Gegebenheiten präzise Stellung zu nehmen, insbesondere zu den Grenzwerten, von denen der Technische Aufsichtsdienst ausgegangen sei. Der Technische Aufsichtsdienst hat daraufhin Messungen bei der Verarbeitung des Quellschweißmittels Köratac DF 841 durchgeführt und mit Bericht vom 22. Januar 2001 mitgeteilt, die Auswertung einer Worst-Case Messung habe für Cyclohexanon einen Messwert unter 1 mg/m³ ergeben das entspreche einer dauerhaft sicheren Einhaltung des spezifischen Grenzwertes. Bei einem zweiten, zusätzlich gemessenen Inhaltsstoff des Klebers (Tetrahydrofuran) sei ebenfalls unter Worst-Case Bedingungen der Grenzwert eingehalten worden. Beigefügt war der Analysebericht 2000 4811 vom 3. Januar 2001. Auf Einwände des Klägers hat der TAD unter dem 13. August 2001 und 7. Februar 2002 erneut Stellung genommen und zuletzt angenommen, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV erfüllt sind. Auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten hat das SG sodann mit Beschluss vom 21. Februar 2002 das Ruhen des Verfahrens zur Durchführung medizinischer Ermittlungen angeordnet.
Die Beklagte nahm daraufhin weitere Ermittlungen auf (Beiziehung von Krankheitsberichten der Ärzte für HNO-Erkrankungen Dres O. und D. [Bericht vom 13. August 2002; rezidivierender peripherer Vertigo, chronischer Tinnitus aurium beidseits, beginnende Hochtonschwerhörigkeit beidseits, HWS-Syndrom]; des Arztes für Radiologie Dr. H. [Bericht vom 14. August 2002; pathologischer Befund der Hirn-SPECT-Untersuchung vom Oktober 1999 ohne Möglichkeit der Zuordnung der geschädigten Hirnareale zu einem speziellen Gift]; der HNO-Ärztin Dr. C. [Schreiben vom 14. August 2002]; Unterlagen von Dr. B. ohne Anschreiben übersandt).
Am 13. März 2003 hat der Kläger das ruhende Verfahren wieder angerufen (Az: S 9 U 1337/03). Nach Schriftwechsel der Beteiligten über die Frage der Notwendigkeit einer Begutachtung nach ambulanter Untersuchung hat das SG sich nicht dem Vorschlag des Klägers angeschlossen, einen von ihm benannten Gutachter von Amts wegen mit der Untersuchung des Klägers zu beauftragen, sondern hat Prof. Dr. A. (Neurotoxikologe, Berlin) mit Verfügung vom 4. August 2004 beauftragt. Auf die Einbestellung durch den Gutachter ist der Kläger nicht zur Untersuchung erschienen, ohne das vom SG geforderte Attest vorzulegen, das bestätigt, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist, nach Berlin zu reisen, um sich der Untersuchung zu unterziehen. Auch den zweiten Untersuchungstermin hat der Kläger nicht wahrgenommen. Daraufhin hat das SG Prof. Dr. A. von der Bestellung als Gutachter entbunden.
Mit Bescheid vom 17. Juli 2003 hat die Beklagte das Bestehen einer BK nach den Nrn. 1302 und 1310 der Anlage zur BKV abgelehnt und den Hinweis erteilt, dieser Bescheid sei nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits geworden.
Auf Antrag des Klägers hat das SG mit Verfügung vom 26. Januar 2006 Prof. Dr. K. zum Sachverständigen bestellt. Unter dem 3. Juli 2007 hat Prof. Dr. K. das Gutachten erstellt. Darin hat er ausgeführt, dass die Ergebnisse der SPECT-Untersuchung nicht als Nachweis einer Toxikation verwertet werden könnten, da die Befunde unspezifisch seien und darüber hinaus nicht bekannt sei, mit welchen Aufgaben sich der Kläger bei der Untersuchung habe mental befassen müssen. Nach dem von ihm veranlassten neuropsychologischen Zusatzgutachten des Dr. V. sei eine Enzephalopathie Typ IIA nachgewiesen worden, die sich spät (etwa 10 Jahre nach Expositionsende) manifestiert habe. Die Auffälligkeiten im Symptomvalidierungstest als Prüfung der Anstrengungsbereitschaft würden nicht als Ausdruck einer Aggravation bewertet, sondern auf die unzureichenden deutschen Sprachkenntnisse und die unbewusst schnell abnehmende kognitive Leistungsfähigkeit zurückgeführt. Aktuell bestehe keine Polyneuropathie, könnte aber in früheren Jahren nach der Symptomschilderung des Klägers bestanden haben. Das gesamte Beschwerdebild sei seit etwa 1995 durch massive Kopfschmerzen, Schwindel, Erbrechen, Muskel- und Gelenkschmerzen, Magen- und Darmbeschwerden und vor allem durch einen schweren Leistungsabfall und eine schnell eintretende Ermüdbarkeit geprägt. Diese Symptome seien nicht typisch für eine nur mittelschwere hirnorganische Enzephalopathie. Die Symptomatik decke sich vielmehr mit einem Beschwerdebild, das unter dem Oberbegriff der Multisystemerkrankung zusammengefasst werde. Darunter würden sich Beschwerdebilder mit diffuser Symptomatik und unklarer Pathogenese verbergen. Die beim Kläger vorliegende langjährige Schadstoffexposition und das HWS-Trauma stellten Initialereignisse zur Auslösung einer Multisystemerkrankung dar. Eine BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV bestehe seit mindestens 1995. Die MdE belaufe sich auf 20 v.H. Dem Gutachten beigefügt hat Prof. Dr. K. das neuropsychologische Zusatzgutachten der Dr. V., Universitätsklinik H. und das nervenfachärztliche Zusatzgutachten von Dr. M ...
Die Beklagte hat mit Bezugsschreiben vom 22. November 2007 die beratungsärztliche Stellungnahme des Prof. Dr. L., Neurologische Klinik E., vom 7. November 2007 vorgelegt und darauf hingewiesen, dass es sich bei Prof. Dr. K. wohl um einen Chemiker handle, der nicht die Qualifikation besitze, medizinische Fragestellungen zu beantworten. In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme hat Prof. Dr. L. ausgeführt, allein die diametrale Entwicklung der in der Vergangenheit vermuteten Polyneuropathie und der nunmehr behaupteten Enzephalopathie, die erst nach jahrelanger Latenz aufgetreten sei, mache die von Prof. Dr. K. gezogenen Schlussfolgerungen unglaubwürdig. Angreifbar sei vor allem die neuropsychologische Testung, die über die Auffälligkeiten im Symptomvalidierungstest hinweggehe. Warum diese Auffälligkeiten sprachbedingt sein sollen, sei nicht erklärt, auch nicht der Umstand, dass andere, sprachabhängige Verfahren nicht beeinträchtigt worden seien. Darüber hinaus sei die Testung unvollständig gewesen und entspreche nicht den empfohlenen Standards.
Mit Urteil vom 22. Januar 2008 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben, festgestellt, dass beim Kläger eine Enzephalopathie als Folge einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV vorliegt und die Klage im Übrigen abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist aufgeführt, auch der Bescheid vom 17. Juli 2003 sei in entsprechender Anwendung des § 96 SGG Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits geworden. Die Berufskrankheiten lägen aber nicht vor, da die arbeitstechnischen Voraussetzungen nach den Ermittlungen der Beklagten nicht erfüllt seien. Allerdings liege nach dem schlüssigen Gutachten von Prof. Dr. K. und dem Zusatzgutachten von Dr. V. zur Überzeugung der Kammer eine Enzephalopathie Grad IIA vor, so dass eine BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV zu bejahen sei. Die Argumente von Prof. Dr. L. hat das SG als nicht überzeugend bewertet.
Gegen das ihr am 30. Januar 2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 26. Februar 2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, es fehle der mit an Sicherheit grenzende Nachweis des Vorliegens einer Enzephalopathie. Selbst wenn beim Kläger die von Dr. V. beschriebene hirnorganisch bedingte Minderung der Hirnleistungsfähigkeit vorliegen würde, sei damit noch nicht eine Erkrankung in Gestalt einer Enzephalopathie nachgewiesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. Januar 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat am 7. Mai 2008 Dr. H., Arzt für Neurologie, mit der Erstellung eines Gutachtens nach ambulanter Untersuchung beauftragt. Der Kläger hat daraufhin durch seinen Bevollmächtigten mitteilen lassen, ihm sei aufgrund seines Gesundheitszustands eine Zusammenhangsbegutachtung nicht zumutbar. Es genüge die ergänzende Befragung von Prof. Dr. K ... Daraufhin hat das Gericht den Gutachtensauftrag geändert und ein Gutachten nach Aktenlage in Auftrag gegeben.
Dieses Gutachten ist am 10. September 2008 erstellt worden. Darin hat Dr. H. ausgeführt, Prof. Dr. K. habe sich nicht mit der Frage beschäftigt, wie die vom Kläger geltend gemachte Verschlimmerung ab 2004 zu bewerten sei. Denn wenn die Exposition im Jahr 1998 geendet habe, bilde sich eine Enzephalopathie meist langsam zurück oder bleibe in schlimmeren Fällen konstant. Eine Progredienz gehöre aber zu den großen Seltenheiten und dies gebe es nur bei schweren Enzephalopathien. Darüber hinaus sei mit Prof. Dr. L. zu bemängeln, dass die Frage einer verminderten Mitarbeit des Klägers nicht ausreichend bedacht worden sei. Zudem sei, wie Prof. Dr. L. bemerkt habe, keine Gedächtnisstörung nachgewiesen worden, was eben auch keinen Hinweis auf eine Enzephalopathie erlaube.
Mit Schriftsatz vom 3. November 2008 hat der Bevollmächtigte des Klägers der Verwertung des Gutachtens von Dr. H. widersprochen, da dieser entscheidend auf die Stellungnahme des Prof. Dr. L. beziehe, die allerdings unter Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen zustande gekommen sei. Der Kläger habe einer Begutachtung durch Prof. Dr. L. zu keinem Zeitpunkt zugestimmt.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten, der Gerichtsakten des SG Stuttgart (Az.: S 9 U 151/00 und S 9 U 1337/03) sowie die Akten des Landessozialgerichts verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG) ist begründet. Eine toxische Enzephalopathie oder ein anderes Krankheitsbild, das Ausdruck einer BK sein könnte, ist nicht nachgewiesen, so dass das angefochtene Urteil aufzuheben war.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist lediglich der Anspruch des Klägers auf Feststellung einer BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV, da nur insoweit von der Beklagten Berufung eingelegt wurde und das erstinstanzliche Urteil vom 27. Januar 2008 hinsichtlich der BK Nr. 1302 und 1310 der Anlage zur BKV in Rechtskraft erwachsen ist.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente.
Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [(SGB VII)]. Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII).
In Nr. 1317 der Anlage zur BKV sind als Berufskrankheiten aufgeführt Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische.
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22).
Für die Gewährung einer Rente wegen einer BK ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Sowohl hinsichtlich der haftungsbegründenden als auch hinsichtlich der haftungsausfüllenden Kausalität genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit. Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286), d.h. es müssen die für einen ursächlichen Zusammenhang sprechenden Umstände deutlich überwiegen. Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112; BSG Urt. vom 28.03.2003 B 2 U 33/03 R).
Die Voraussetzungen für die Feststellung einer BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV liegen nicht vor, da das Bestehen einer Enzephalopathie nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit und daher nicht mit der erforderlichen Vollbeweis nachgewiesen ist.
Das Krankheitsbild einer leichten, durch Lösemittel verursachten Polyneuropathie ist charakterisiert durch verstärkte Müdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, eingeschränktes Kurzzeitgedächtnis und erhöhte Reizbarkeit. Mittels neurologischer Testung kann kein Nachweis von Leistungsdefiziten erbracht werden. Eine Enzephalopathie mittelschwerer Ausprägung (Schweregrad II, Typ A) ist durch starke Müdigkeit, emotionale Labilität, Antriebsstörungen, Veränderung von Stimmung und Motivation und eine andauernde Beeinträchtigung der Persönlichkeit gekennzeichnet. Testungen lassen den Nachweis leichter kognitiver Leistungsminderungen (Kurzzeitgedächtnis, psychomotorische Geschwindigkeit und Aufmerksamkeit) zu (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003 S. 336).
Unter Berücksichtigung dieser Krankheitsbeschreibungen vermag die von Prof. Dr. K. gezogene Schlussfolgerung, die von ihm durchgeführte Untersuchung bzw. die durchgeführten Zusatzuntersuchungen hätten den Nachweis einer Enzephalopathie erbracht, nicht zu überzeugen.
Soweit Prof. Dr. K. davon ausgeht, aufgrund der vielfältigen Beschwerdesymptomatik, die der Kläger jedenfalls seit 1995 schildert, ist auch das Bestehen einer Enzephalopathie IIA seit mindestens 1995 nachgewiesen, steht dem entgegen, dass bis zur Untersuchung durch Dr. V. im Jahr 2005 keiner der konsultierten Ärzte, auch nicht der Nervenärzte, diese Erkrankung diagnostiziert oder Symptome beschrieben hat, die einer Enzephalopathie zuzuordnen wären.
Weder Dr. C. noch Dr. H. haben in ihren Berichten aus dem Jahr 1998 und 1999 Anhaltspunkte für das Bestehen einer Enzephalopathie mitgeteilt. Neben Störungen im Bereich des HNO-Gebiets, die Dr. C. formuliert hat, hat Dr. H. eine unauffällige Gesamtdurchblutung des gesamten zentralen Nervensystems beschrieben, wobei ein von ihm festgestellter pathologischer Befund der Hirn-SPECT-Untersuchung vom Oktober 1999 nicht die Möglichkeit gegeben hat, die geschädigten Hirnareale einem speziellen Gift zuzuordnen. Bei der Untersuchung des Klägers durch die Ärztliche Untersuchungsstelle Stuttgart der damaligen Landesversicherungsanstalt Württemberg ist bis auf eine Hörminderung rechts kein auffälliger neurologischer Befund beschrieben worden. Im psychiatrischen Befund wird lediglich eine leichte depressive Verstimmung ohne Anhalt für ein höhergradiges hirnorganisches Psychosyndrom mitgeteilt. Die von Dr. B. im Dezember 1999 mitgeteilten Auffälligkeiten können ebenfalls nicht dem Krankheitsbild der Enzephalopathie zugeordnet werden, da sie unspezifisch und ohne zeitlichen Bezug aufgeführt worden sind. Lediglich Dr. S., Facharzt für Allgemeinmedizin, hat in seinem Befundbericht für die LVA Württemberg vom 10. März 2000 unter den Diagnosen eine chronisch-toxische Enzephalopathie aufgeführt, ohne jedoch auch insoweit die zur Validierung dieser Diagnose erforderlichen Testverfahren durchgeführt zu haben.
Allerdings ist der Senat auch nicht davon überzeugt, dass im Zeitpunkt der Begutachtung durch Prof. Dr. K. bzw. Dr. V. tatsächlich eine Enzephalopathie vorgelegen hat. Dies ist weder durch die anamnestischen Erhebungen durch Prof. Dr. K. noch durch die von Dr. V. durchgeführte Zusatzuntersuchung nachgewiesen.
Es ist schon nicht der Nachweis erbracht, dass die für eine Enzephalopathie Typ IIA erforderlichen Krankheitsmerkmale (starke Müdigkeit, emotionale Labilität, Antriebsstörungen, Veränderung von Stimmung und Motivation, andauernde Beeinträchtigung der Persönlichkeit) vorliegen. Neben einer ständigen Müdigkeit und Schwäche, die der Kläger schon 1997 geklagt und auch gegenüber Dr. M., Prof. Dr. K. und Dr. V. 2006 wiederholt hat, hat er anamnestisch im Wesentlichen Ganzkörperschmerzen, Magen- und Darmbeschwerden geklagt, die sich jedoch nicht einer Enzephalopathie zuordnen lassen. Insbesondere die für die Annahme einer Enzephalopathie wesentliche Gedächtnisschwäche ist durch die Tests nicht bestätigt worden.
Darüber hinaus haben auch die neuropsychologischen Testungen durch Dr. V. keinen Nachweis einer Enzephalopathie erbracht.
Dr. V. ist zuzugestehen, dass im Rahmen der von ihr durchgeführten Testverfahren - allerdings auch nur teilweise - unterdurchschnittliche bzw. auffällige Ergebnisse erzielt worden sind (während die weit überwiegende Zahl der Tests mit einem jedenfalls durchschnittlichen Ergebnis zu bewerten war). Daraus allein kann jedoch noch nicht der Schluss auf eine Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit gezogen werden. Denn dieser Schluss ist erst zulässig, wenn durch Symptomvalidierungstests ausgeschlossen ist, dass Verhaltensweisen, die der bewussten Steuerung des Probanden zugänglich sind, die Ergebnisse verfälschen. Diesbezüglich ist das Gutachten von Dr. V. angreifbar und daher zur Überzeugung des Senats nicht geeignet, für den Nachweis einer Enzephalopathie zu dienen. Dr. V. hat in ihrer abschließenden Beurteilung den auffälligen Ergebnissen der Symptomvalidierungstests deshalb keine Bedeutung beigemessen, weil nach ihrer Auffassung die mangelnde Sprachkenntnis des Klägers die Ergebnisse nicht zu verwerten erlaubt. Sie hat allerdings nicht dazu Stellung genommen, warum die mangelnden Sprachkenntnisse des Klägers bei den durchgeführten Testverfahren, die ebenfalls sprachabhängig sind, nicht zu auffälligen Ergebnissen geführt haben. So ist z.B. die Fähigkeit des Klägers erhalten, eine aus 15 Items bestehende Wortliste gut zu erlernen und 30 Minuten später wiederzugeben. Auch das Wiedererkennen der Wortliste hat dem erwarteten Leistungsniveau Gleichaltriger entsprochen. Dahingegen hat das zu Beginn der Untersuchung durchgeführte Verfahren zur Überprüfung der Anstrengungsbereitschaft auffällige Ergebnisse geliefert, ohne dass Dr. V. diesen Umstand bei der Gesamtbewertung berücksichtigt hätte. Denn - entgegen ihrer eigenen Testergebnisse - hat sie in der Bewertung und Diskussion der Ergebnisse (S. 7 ihres Zusatzgutachtens) ausgeführt, man könne gerade keine mangelnde Anstrengungsbereitschaft konstatieren, da ansonsten auch das Ergebnis des Wortlistenlernens auffällig hätte sein müssen. Diese Schlussfolgerung steht in eindeutigem Widerspruch zu ihren eigenen, zuvor durch Testungen ermittelten Beurteilung der Anstrengungsbereitschaft des Klägers. Darüber hinaus sind die durchgeführten Testungen nicht vollständig geführt worden, um tatsächlich den Nachweis einer Enzephalopathie führen zu können. Letztlich hat dies auch Prof. Dr. K. konstatiert, in dem er auf Seite 14 seines Gutachtens ausführt, der Einsatz von Verfahren zur Symptomvalidierung können sinnvoll nur im Kontext einer umfassenden Untersuchung durchgeführt werden. Offenbar hat er eine solche nicht als vorgenommen angesehen, da ansonsten auch entsprechende Validierungstests hätten umfassend durchgeführt werden können. Ebenso hat Dr. V., auch wenn die beim Kläger bestehende depressive Verstimmung im Untersuchungszeitpunkt keinen pathologischen Wert erreicht haben sollte, nicht berücksichtigt, dass auch eine solche depressive Stimmungslage Auswirkungen auf die Testergebnisse haben kann.
In der Gesamtschau liefert das Zusatzgutachten von Dr. V. daher keine ausreichende Grundlage einer für den Kläger positiven Beurteilung.
Da Prof. Dr. K. seine eigene Beurteilung und Schlussfolgerung entscheidend auf die Ausführungen von Dr. V. gestützt hat, vermögen sie auch deshalb nicht zu überzeugen. Darüber hinaus hat Prof. Dr. K. letztlich den Komplex der beim Kläger bestehenden Krankheitssymptome selbst einer "Multisystemerkrankung" (sollte eine solche Bezeichnung überhaupt dem gängigen medizinischen Wortgebrauch entsprechen, was Dr. H. bestritten hat) zugeschrieben, die in ihrer Ätiologie ungeklärt ist. Zudem hat Prof. Dr. K. konstatiert, dass das vielfältige Beschwerdebild des Klägers keinesfalls ausschließlich auf eine Belastung mit Lösemitteln zurückgeführt werden kann. Soweit er aus der Vielfalt der Symptome dann - unterstützt durch Dr. V. - diejenigen "herauszieht", die ihm geeignet erscheinen, Ausdruck einer toxischen Enzephalopathie zu sein, überzeugt diese Vorgehensweise nicht. Insbesondere dann nicht, wenn seine weitere Argumentation (Blatt 38 des Gutachtens) zugrunde gelegt wird, wonach von einer chronischen Multisystemerkrankung auszugehen sei, die durch eine langjährige Schadstoffexposition und ein HWS-Trauma (ein solches ist allerdings nicht aktenkundig, lediglich degenerative Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule) als Initialereignisse ausgelöst worden sei. Nicht zuletzt ist durch die durchgeführten Testungen nicht nachgewiesen, dass die für eine Enzephalopathie Typ IIA erforderlichen Leistungsminderungen überhaupt bestehen.
Auch Dr. H. hat bei der Bewertung der aktenkundigen Befunde zutreffend darauf abgestellt, dass es sich bei den Symptomen, von denen der Kläger berichtet bzw. berichtet hat, um unspezifische Symptome handelt, die allein schon deshalb nicht ohne weitere gesicherte diagnostische Verfahren dem Krankheitsbild einer Enzephalopathie zugeordnet werden können. Darüber hinaus haben er und Prof. Dr. L. zutreffend darauf hingewiesen, dass Untersuchungen zur Differentialdiagnostik, z.B. eine Kernspintomographie oder ein Computertomogramm, nicht in die Wege geleitet worden sind.
Da auch eine Polyneuropathie nicht nachgewiesen ist, ist nicht von einem Krankheitsbild im Sinne der BK Nr. 1317 der Anlage zur BKV auszugehen.
Soweit der Bevollmächtigte des Klägers der Verwertung der Stellungnahme von Prof. Dr. L. und der darauf auch Bezug nehmenden Sachverständigengutachtens von Dr. H. widersprochen hat, weil die Stellungnahme von Prof. Dr. L. unter Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen zustande gekommen sei, liegen die Voraussetzungen für ein Beweisverwertungsverbot tatsächlich nicht vor, so dass der Senat beide Stellungnahmen in seine Beweiswürdigung einbezogen hat.
Der Bevollmächtigte des Klägers stellt mit seinem Vorbringen offenbar auf die Vorschrift des § 200 Abs. 2 SGB VII ab. Danach soll vor Erteilung eines Gutachtensauftrags der Unfallversicherungsträger dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen; der Betroffene ist außerdem auf sein Widerspruchsrecht nach § 76 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) hinzuweisen und über den Zweck des Gutachtens zu informieren.
Voraussetzung für die Anwendung des § 200 Abs. 2 SGB VII ist daher zwingend, dass es sich bei der vom Versicherungsträger in Auftrag gegebenen Stellungnahme um ein Gutachten handelt. In seiner Entscheidung vom 5. Februar 2008 (B 2 U 8/07 R = SozR 4-2700 § 200 Nr. 1) hat das BSG Abgrenzungskriterien formuliert, um den Anwendungsbereich des § 200 Abs. 2 SGB VII auch für das gerichtliche Verfahren bestimmen zu können.
Danach liegt ein Gutachten im Sinne des § 200 Abs. 2 SGB VII vor, wenn ein solches angefordert oder ausweislich einer Selbstbezeichnung "Gutachten" erstellt und übersandt oder abgerechnet worden ist. Unabhängig von dieser rein äußerlichen Bezeichnung ist zur weiteren Unterscheidung vom Bezugspunkt der schriftlichen Äußerung des Sachverständigen auszugehen. Enthält sie vornehmlich eine eigenständige Bewertung der verfahrensentscheidenden Tatsachenfragen, z.B. des Ursachenzusammenhangs, ist es ein Gutachten. Setzt sich die schriftliche Äußerung des Sachverständigen im Wesentlichen mit dem eingeholten Gerichtsgutachten auseinander, insbesondere im Hinblick auf deren Schlüssigkeit, Überzeugungskraft und Beurteilungsgrundlage, ist es nur eine beratende Stellungnahme und in der Konsequenz § 200 Abs. 2 SGB VII nicht anwendbar.
Die mit "beratungsärztlicher Stellungnahme" überschriebene Stellungnahme von Prof. Dr. L. hat sich auch ihrem Inhalt nach allein mit der Überzeugungskraft des Gutachtens von Prof. Dr. K. bzw. des neuropsychologischen Zusatzgutachtens von Dr. V. auseinandergesetzt und dessen Schlüssigkeit und Beurteilungsgrundlage, nämlich die Vorbefunde und die Ergebnisse der testpsychologischen Untersuchung, bewertet. Es handelt sich daher erkennbar nicht um ein Sachverständigengutachten, das unter Verstoß gegen § 200 Abs. 2 SGB VII zustande gekommen wäre und das ein Beweisverwertungsverbot nach sich ziehen würde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Anerkennung einer Enzephalopathie als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1317 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der 1946 geborene Kläger war seit 1978 als Maschinist und Glätter in einem Estrichlegerbetrieb tätig.
Mit Schreiben vom 10. Dezember 1998 teilte die Krankenkasse des Klägers der Württembergischen Bau-Berufsgenossenschaft, einer der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten (künftig: die Beklagte) mit, dass beim Kläger Arbeitsunfähigkeit seit 22. April 1998 wegen multisensorischer neurootologischer Funktionsstörung mit peripherer und zentraler Gleichgewichtsstörung, quälendem Tinnitus rechts, Cervikocephalgien, schwerem Erschöpfungszustand mit starker Leistungseinbuße bestehe. Frau Dr. C. habe den Verdacht der Lösungsmittelschädigung geäußert. Es stelle sich daher die Frage, ob der Kläger Anspruch auf eine BG-Rente habe, da er seinen Beruf nicht mehr ausüben könne. Beigefügt war das Vorerkrankungsverzeichnis. Die darüber hinaus geltend gemachten Berufskrankheiten wegen Erkrankungen im Bereich der Wirbelsäule sind nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 10. Dezember 1998 die Feststellung seiner Erkrankung als BK und übersandte in Anlage den Befundbericht der HNO-Ärztin Dr. C. vom 20. August 1998 sowie den Rehabilitations-Entlassungsbericht vom Oktober 1998 (Diagnosen: multisensorische neurootologische Funktionsstörung mit peripherer und zentraler Gleichgewichtsfunktionsstörung, kompensierter Tinnitus aurium rechts, Cervicocephalgien, nervöser Erschöpfungszustand mit multiplen vegetativen Beschwerden, stat.-myal. Lumbalsyndrom). Der Beschäftigungsbetrieb übersandte unter dem 25. Januar 1999 die Unternehmeranzeige über eine BK.
Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten nahm unter dem 17. März 1999 Stellung zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen der fraglichen BK. Zur BK 1317 der Anlage zur BKV führte Dipl.-Ing. S. aus, von 1969 bis 1978 sei der Kläger nicht in Kontakt mit organischen Lösungsmitteln gewesen. Während seiner Zeit im Estrichlegebetrieb habe der Kläger neben Kontakt mit Zement, Sand und Wasser nach eigenen Angaben gelegentlich auch Risse oder Fugen verharzen müssen (Silikal R 61), daneben ca. 1 mal pro Woche 1 bis 3 Stunden mit Silatex Haftbrücke, Silatex 3 oder Köratac DF 841 gearbeitet. Lösmittelhaltig seien die Arbeitsstoffe Silikal R61 und Köratac DF 841. Repräsentative Messungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen hätten gezeigt, dass die Grenz- bzw. Schichtmittelwerte eingehalten werden, da nur gelegentlich und kurzzeitig insbesondere mit Köratac DF 841 umgegangen worden sei. Von einer Gesundheitsgefährdung durch die genannten Stoffe im Sinne der BK 1317 sei nicht auszugehen. Beigefügt waren die Sicherheitsdatenblätter der genannten Stoffe. Die staatliche Gewerbeärztin schlug die Anerkennung einer BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV nicht zur Anerkennung vor (Stellungnahme vom 20. April 1999).
Mit Bescheid vom 27. September 1999 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV ab.
Dagegen erhob der Kläger durch seine Bevollmächtigten Widerspruch ohne Begründung., der mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 1999 zurückgewiesen wurde.
Dagegen hat der Kläger am 12. Januar 2000 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben mit der Begründung, seine individuelle Arbeitsplatzsituation sei nur unzureichend erfasst worden. Das SG hat der Beklagten daraufhin aufgegeben, zu den arbeitstechnischen Gegebenheiten präzise Stellung zu nehmen, insbesondere zu den Grenzwerten, von denen der Technische Aufsichtsdienst ausgegangen sei. Der Technische Aufsichtsdienst hat daraufhin Messungen bei der Verarbeitung des Quellschweißmittels Köratac DF 841 durchgeführt und mit Bericht vom 22. Januar 2001 mitgeteilt, die Auswertung einer Worst-Case Messung habe für Cyclohexanon einen Messwert unter 1 mg/m³ ergeben das entspreche einer dauerhaft sicheren Einhaltung des spezifischen Grenzwertes. Bei einem zweiten, zusätzlich gemessenen Inhaltsstoff des Klebers (Tetrahydrofuran) sei ebenfalls unter Worst-Case Bedingungen der Grenzwert eingehalten worden. Beigefügt war der Analysebericht 2000 4811 vom 3. Januar 2001. Auf Einwände des Klägers hat der TAD unter dem 13. August 2001 und 7. Februar 2002 erneut Stellung genommen und zuletzt angenommen, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV erfüllt sind. Auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten hat das SG sodann mit Beschluss vom 21. Februar 2002 das Ruhen des Verfahrens zur Durchführung medizinischer Ermittlungen angeordnet.
Die Beklagte nahm daraufhin weitere Ermittlungen auf (Beiziehung von Krankheitsberichten der Ärzte für HNO-Erkrankungen Dres O. und D. [Bericht vom 13. August 2002; rezidivierender peripherer Vertigo, chronischer Tinnitus aurium beidseits, beginnende Hochtonschwerhörigkeit beidseits, HWS-Syndrom]; des Arztes für Radiologie Dr. H. [Bericht vom 14. August 2002; pathologischer Befund der Hirn-SPECT-Untersuchung vom Oktober 1999 ohne Möglichkeit der Zuordnung der geschädigten Hirnareale zu einem speziellen Gift]; der HNO-Ärztin Dr. C. [Schreiben vom 14. August 2002]; Unterlagen von Dr. B. ohne Anschreiben übersandt).
Am 13. März 2003 hat der Kläger das ruhende Verfahren wieder angerufen (Az: S 9 U 1337/03). Nach Schriftwechsel der Beteiligten über die Frage der Notwendigkeit einer Begutachtung nach ambulanter Untersuchung hat das SG sich nicht dem Vorschlag des Klägers angeschlossen, einen von ihm benannten Gutachter von Amts wegen mit der Untersuchung des Klägers zu beauftragen, sondern hat Prof. Dr. A. (Neurotoxikologe, Berlin) mit Verfügung vom 4. August 2004 beauftragt. Auf die Einbestellung durch den Gutachter ist der Kläger nicht zur Untersuchung erschienen, ohne das vom SG geforderte Attest vorzulegen, das bestätigt, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist, nach Berlin zu reisen, um sich der Untersuchung zu unterziehen. Auch den zweiten Untersuchungstermin hat der Kläger nicht wahrgenommen. Daraufhin hat das SG Prof. Dr. A. von der Bestellung als Gutachter entbunden.
Mit Bescheid vom 17. Juli 2003 hat die Beklagte das Bestehen einer BK nach den Nrn. 1302 und 1310 der Anlage zur BKV abgelehnt und den Hinweis erteilt, dieser Bescheid sei nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits geworden.
Auf Antrag des Klägers hat das SG mit Verfügung vom 26. Januar 2006 Prof. Dr. K. zum Sachverständigen bestellt. Unter dem 3. Juli 2007 hat Prof. Dr. K. das Gutachten erstellt. Darin hat er ausgeführt, dass die Ergebnisse der SPECT-Untersuchung nicht als Nachweis einer Toxikation verwertet werden könnten, da die Befunde unspezifisch seien und darüber hinaus nicht bekannt sei, mit welchen Aufgaben sich der Kläger bei der Untersuchung habe mental befassen müssen. Nach dem von ihm veranlassten neuropsychologischen Zusatzgutachten des Dr. V. sei eine Enzephalopathie Typ IIA nachgewiesen worden, die sich spät (etwa 10 Jahre nach Expositionsende) manifestiert habe. Die Auffälligkeiten im Symptomvalidierungstest als Prüfung der Anstrengungsbereitschaft würden nicht als Ausdruck einer Aggravation bewertet, sondern auf die unzureichenden deutschen Sprachkenntnisse und die unbewusst schnell abnehmende kognitive Leistungsfähigkeit zurückgeführt. Aktuell bestehe keine Polyneuropathie, könnte aber in früheren Jahren nach der Symptomschilderung des Klägers bestanden haben. Das gesamte Beschwerdebild sei seit etwa 1995 durch massive Kopfschmerzen, Schwindel, Erbrechen, Muskel- und Gelenkschmerzen, Magen- und Darmbeschwerden und vor allem durch einen schweren Leistungsabfall und eine schnell eintretende Ermüdbarkeit geprägt. Diese Symptome seien nicht typisch für eine nur mittelschwere hirnorganische Enzephalopathie. Die Symptomatik decke sich vielmehr mit einem Beschwerdebild, das unter dem Oberbegriff der Multisystemerkrankung zusammengefasst werde. Darunter würden sich Beschwerdebilder mit diffuser Symptomatik und unklarer Pathogenese verbergen. Die beim Kläger vorliegende langjährige Schadstoffexposition und das HWS-Trauma stellten Initialereignisse zur Auslösung einer Multisystemerkrankung dar. Eine BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV bestehe seit mindestens 1995. Die MdE belaufe sich auf 20 v.H. Dem Gutachten beigefügt hat Prof. Dr. K. das neuropsychologische Zusatzgutachten der Dr. V., Universitätsklinik H. und das nervenfachärztliche Zusatzgutachten von Dr. M ...
Die Beklagte hat mit Bezugsschreiben vom 22. November 2007 die beratungsärztliche Stellungnahme des Prof. Dr. L., Neurologische Klinik E., vom 7. November 2007 vorgelegt und darauf hingewiesen, dass es sich bei Prof. Dr. K. wohl um einen Chemiker handle, der nicht die Qualifikation besitze, medizinische Fragestellungen zu beantworten. In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme hat Prof. Dr. L. ausgeführt, allein die diametrale Entwicklung der in der Vergangenheit vermuteten Polyneuropathie und der nunmehr behaupteten Enzephalopathie, die erst nach jahrelanger Latenz aufgetreten sei, mache die von Prof. Dr. K. gezogenen Schlussfolgerungen unglaubwürdig. Angreifbar sei vor allem die neuropsychologische Testung, die über die Auffälligkeiten im Symptomvalidierungstest hinweggehe. Warum diese Auffälligkeiten sprachbedingt sein sollen, sei nicht erklärt, auch nicht der Umstand, dass andere, sprachabhängige Verfahren nicht beeinträchtigt worden seien. Darüber hinaus sei die Testung unvollständig gewesen und entspreche nicht den empfohlenen Standards.
Mit Urteil vom 22. Januar 2008 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben, festgestellt, dass beim Kläger eine Enzephalopathie als Folge einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV vorliegt und die Klage im Übrigen abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist aufgeführt, auch der Bescheid vom 17. Juli 2003 sei in entsprechender Anwendung des § 96 SGG Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits geworden. Die Berufskrankheiten lägen aber nicht vor, da die arbeitstechnischen Voraussetzungen nach den Ermittlungen der Beklagten nicht erfüllt seien. Allerdings liege nach dem schlüssigen Gutachten von Prof. Dr. K. und dem Zusatzgutachten von Dr. V. zur Überzeugung der Kammer eine Enzephalopathie Grad IIA vor, so dass eine BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV zu bejahen sei. Die Argumente von Prof. Dr. L. hat das SG als nicht überzeugend bewertet.
Gegen das ihr am 30. Januar 2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 26. Februar 2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, es fehle der mit an Sicherheit grenzende Nachweis des Vorliegens einer Enzephalopathie. Selbst wenn beim Kläger die von Dr. V. beschriebene hirnorganisch bedingte Minderung der Hirnleistungsfähigkeit vorliegen würde, sei damit noch nicht eine Erkrankung in Gestalt einer Enzephalopathie nachgewiesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. Januar 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat am 7. Mai 2008 Dr. H., Arzt für Neurologie, mit der Erstellung eines Gutachtens nach ambulanter Untersuchung beauftragt. Der Kläger hat daraufhin durch seinen Bevollmächtigten mitteilen lassen, ihm sei aufgrund seines Gesundheitszustands eine Zusammenhangsbegutachtung nicht zumutbar. Es genüge die ergänzende Befragung von Prof. Dr. K ... Daraufhin hat das Gericht den Gutachtensauftrag geändert und ein Gutachten nach Aktenlage in Auftrag gegeben.
Dieses Gutachten ist am 10. September 2008 erstellt worden. Darin hat Dr. H. ausgeführt, Prof. Dr. K. habe sich nicht mit der Frage beschäftigt, wie die vom Kläger geltend gemachte Verschlimmerung ab 2004 zu bewerten sei. Denn wenn die Exposition im Jahr 1998 geendet habe, bilde sich eine Enzephalopathie meist langsam zurück oder bleibe in schlimmeren Fällen konstant. Eine Progredienz gehöre aber zu den großen Seltenheiten und dies gebe es nur bei schweren Enzephalopathien. Darüber hinaus sei mit Prof. Dr. L. zu bemängeln, dass die Frage einer verminderten Mitarbeit des Klägers nicht ausreichend bedacht worden sei. Zudem sei, wie Prof. Dr. L. bemerkt habe, keine Gedächtnisstörung nachgewiesen worden, was eben auch keinen Hinweis auf eine Enzephalopathie erlaube.
Mit Schriftsatz vom 3. November 2008 hat der Bevollmächtigte des Klägers der Verwertung des Gutachtens von Dr. H. widersprochen, da dieser entscheidend auf die Stellungnahme des Prof. Dr. L. beziehe, die allerdings unter Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen zustande gekommen sei. Der Kläger habe einer Begutachtung durch Prof. Dr. L. zu keinem Zeitpunkt zugestimmt.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten, der Gerichtsakten des SG Stuttgart (Az.: S 9 U 151/00 und S 9 U 1337/03) sowie die Akten des Landessozialgerichts verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG) ist begründet. Eine toxische Enzephalopathie oder ein anderes Krankheitsbild, das Ausdruck einer BK sein könnte, ist nicht nachgewiesen, so dass das angefochtene Urteil aufzuheben war.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist lediglich der Anspruch des Klägers auf Feststellung einer BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV, da nur insoweit von der Beklagten Berufung eingelegt wurde und das erstinstanzliche Urteil vom 27. Januar 2008 hinsichtlich der BK Nr. 1302 und 1310 der Anlage zur BKV in Rechtskraft erwachsen ist.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente.
Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [(SGB VII)]. Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII).
In Nr. 1317 der Anlage zur BKV sind als Berufskrankheiten aufgeführt Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische.
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22).
Für die Gewährung einer Rente wegen einer BK ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Sowohl hinsichtlich der haftungsbegründenden als auch hinsichtlich der haftungsausfüllenden Kausalität genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit. Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286), d.h. es müssen die für einen ursächlichen Zusammenhang sprechenden Umstände deutlich überwiegen. Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112; BSG Urt. vom 28.03.2003 B 2 U 33/03 R).
Die Voraussetzungen für die Feststellung einer BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV liegen nicht vor, da das Bestehen einer Enzephalopathie nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit und daher nicht mit der erforderlichen Vollbeweis nachgewiesen ist.
Das Krankheitsbild einer leichten, durch Lösemittel verursachten Polyneuropathie ist charakterisiert durch verstärkte Müdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, eingeschränktes Kurzzeitgedächtnis und erhöhte Reizbarkeit. Mittels neurologischer Testung kann kein Nachweis von Leistungsdefiziten erbracht werden. Eine Enzephalopathie mittelschwerer Ausprägung (Schweregrad II, Typ A) ist durch starke Müdigkeit, emotionale Labilität, Antriebsstörungen, Veränderung von Stimmung und Motivation und eine andauernde Beeinträchtigung der Persönlichkeit gekennzeichnet. Testungen lassen den Nachweis leichter kognitiver Leistungsminderungen (Kurzzeitgedächtnis, psychomotorische Geschwindigkeit und Aufmerksamkeit) zu (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003 S. 336).
Unter Berücksichtigung dieser Krankheitsbeschreibungen vermag die von Prof. Dr. K. gezogene Schlussfolgerung, die von ihm durchgeführte Untersuchung bzw. die durchgeführten Zusatzuntersuchungen hätten den Nachweis einer Enzephalopathie erbracht, nicht zu überzeugen.
Soweit Prof. Dr. K. davon ausgeht, aufgrund der vielfältigen Beschwerdesymptomatik, die der Kläger jedenfalls seit 1995 schildert, ist auch das Bestehen einer Enzephalopathie IIA seit mindestens 1995 nachgewiesen, steht dem entgegen, dass bis zur Untersuchung durch Dr. V. im Jahr 2005 keiner der konsultierten Ärzte, auch nicht der Nervenärzte, diese Erkrankung diagnostiziert oder Symptome beschrieben hat, die einer Enzephalopathie zuzuordnen wären.
Weder Dr. C. noch Dr. H. haben in ihren Berichten aus dem Jahr 1998 und 1999 Anhaltspunkte für das Bestehen einer Enzephalopathie mitgeteilt. Neben Störungen im Bereich des HNO-Gebiets, die Dr. C. formuliert hat, hat Dr. H. eine unauffällige Gesamtdurchblutung des gesamten zentralen Nervensystems beschrieben, wobei ein von ihm festgestellter pathologischer Befund der Hirn-SPECT-Untersuchung vom Oktober 1999 nicht die Möglichkeit gegeben hat, die geschädigten Hirnareale einem speziellen Gift zuzuordnen. Bei der Untersuchung des Klägers durch die Ärztliche Untersuchungsstelle Stuttgart der damaligen Landesversicherungsanstalt Württemberg ist bis auf eine Hörminderung rechts kein auffälliger neurologischer Befund beschrieben worden. Im psychiatrischen Befund wird lediglich eine leichte depressive Verstimmung ohne Anhalt für ein höhergradiges hirnorganisches Psychosyndrom mitgeteilt. Die von Dr. B. im Dezember 1999 mitgeteilten Auffälligkeiten können ebenfalls nicht dem Krankheitsbild der Enzephalopathie zugeordnet werden, da sie unspezifisch und ohne zeitlichen Bezug aufgeführt worden sind. Lediglich Dr. S., Facharzt für Allgemeinmedizin, hat in seinem Befundbericht für die LVA Württemberg vom 10. März 2000 unter den Diagnosen eine chronisch-toxische Enzephalopathie aufgeführt, ohne jedoch auch insoweit die zur Validierung dieser Diagnose erforderlichen Testverfahren durchgeführt zu haben.
Allerdings ist der Senat auch nicht davon überzeugt, dass im Zeitpunkt der Begutachtung durch Prof. Dr. K. bzw. Dr. V. tatsächlich eine Enzephalopathie vorgelegen hat. Dies ist weder durch die anamnestischen Erhebungen durch Prof. Dr. K. noch durch die von Dr. V. durchgeführte Zusatzuntersuchung nachgewiesen.
Es ist schon nicht der Nachweis erbracht, dass die für eine Enzephalopathie Typ IIA erforderlichen Krankheitsmerkmale (starke Müdigkeit, emotionale Labilität, Antriebsstörungen, Veränderung von Stimmung und Motivation, andauernde Beeinträchtigung der Persönlichkeit) vorliegen. Neben einer ständigen Müdigkeit und Schwäche, die der Kläger schon 1997 geklagt und auch gegenüber Dr. M., Prof. Dr. K. und Dr. V. 2006 wiederholt hat, hat er anamnestisch im Wesentlichen Ganzkörperschmerzen, Magen- und Darmbeschwerden geklagt, die sich jedoch nicht einer Enzephalopathie zuordnen lassen. Insbesondere die für die Annahme einer Enzephalopathie wesentliche Gedächtnisschwäche ist durch die Tests nicht bestätigt worden.
Darüber hinaus haben auch die neuropsychologischen Testungen durch Dr. V. keinen Nachweis einer Enzephalopathie erbracht.
Dr. V. ist zuzugestehen, dass im Rahmen der von ihr durchgeführten Testverfahren - allerdings auch nur teilweise - unterdurchschnittliche bzw. auffällige Ergebnisse erzielt worden sind (während die weit überwiegende Zahl der Tests mit einem jedenfalls durchschnittlichen Ergebnis zu bewerten war). Daraus allein kann jedoch noch nicht der Schluss auf eine Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit gezogen werden. Denn dieser Schluss ist erst zulässig, wenn durch Symptomvalidierungstests ausgeschlossen ist, dass Verhaltensweisen, die der bewussten Steuerung des Probanden zugänglich sind, die Ergebnisse verfälschen. Diesbezüglich ist das Gutachten von Dr. V. angreifbar und daher zur Überzeugung des Senats nicht geeignet, für den Nachweis einer Enzephalopathie zu dienen. Dr. V. hat in ihrer abschließenden Beurteilung den auffälligen Ergebnissen der Symptomvalidierungstests deshalb keine Bedeutung beigemessen, weil nach ihrer Auffassung die mangelnde Sprachkenntnis des Klägers die Ergebnisse nicht zu verwerten erlaubt. Sie hat allerdings nicht dazu Stellung genommen, warum die mangelnden Sprachkenntnisse des Klägers bei den durchgeführten Testverfahren, die ebenfalls sprachabhängig sind, nicht zu auffälligen Ergebnissen geführt haben. So ist z.B. die Fähigkeit des Klägers erhalten, eine aus 15 Items bestehende Wortliste gut zu erlernen und 30 Minuten später wiederzugeben. Auch das Wiedererkennen der Wortliste hat dem erwarteten Leistungsniveau Gleichaltriger entsprochen. Dahingegen hat das zu Beginn der Untersuchung durchgeführte Verfahren zur Überprüfung der Anstrengungsbereitschaft auffällige Ergebnisse geliefert, ohne dass Dr. V. diesen Umstand bei der Gesamtbewertung berücksichtigt hätte. Denn - entgegen ihrer eigenen Testergebnisse - hat sie in der Bewertung und Diskussion der Ergebnisse (S. 7 ihres Zusatzgutachtens) ausgeführt, man könne gerade keine mangelnde Anstrengungsbereitschaft konstatieren, da ansonsten auch das Ergebnis des Wortlistenlernens auffällig hätte sein müssen. Diese Schlussfolgerung steht in eindeutigem Widerspruch zu ihren eigenen, zuvor durch Testungen ermittelten Beurteilung der Anstrengungsbereitschaft des Klägers. Darüber hinaus sind die durchgeführten Testungen nicht vollständig geführt worden, um tatsächlich den Nachweis einer Enzephalopathie führen zu können. Letztlich hat dies auch Prof. Dr. K. konstatiert, in dem er auf Seite 14 seines Gutachtens ausführt, der Einsatz von Verfahren zur Symptomvalidierung können sinnvoll nur im Kontext einer umfassenden Untersuchung durchgeführt werden. Offenbar hat er eine solche nicht als vorgenommen angesehen, da ansonsten auch entsprechende Validierungstests hätten umfassend durchgeführt werden können. Ebenso hat Dr. V., auch wenn die beim Kläger bestehende depressive Verstimmung im Untersuchungszeitpunkt keinen pathologischen Wert erreicht haben sollte, nicht berücksichtigt, dass auch eine solche depressive Stimmungslage Auswirkungen auf die Testergebnisse haben kann.
In der Gesamtschau liefert das Zusatzgutachten von Dr. V. daher keine ausreichende Grundlage einer für den Kläger positiven Beurteilung.
Da Prof. Dr. K. seine eigene Beurteilung und Schlussfolgerung entscheidend auf die Ausführungen von Dr. V. gestützt hat, vermögen sie auch deshalb nicht zu überzeugen. Darüber hinaus hat Prof. Dr. K. letztlich den Komplex der beim Kläger bestehenden Krankheitssymptome selbst einer "Multisystemerkrankung" (sollte eine solche Bezeichnung überhaupt dem gängigen medizinischen Wortgebrauch entsprechen, was Dr. H. bestritten hat) zugeschrieben, die in ihrer Ätiologie ungeklärt ist. Zudem hat Prof. Dr. K. konstatiert, dass das vielfältige Beschwerdebild des Klägers keinesfalls ausschließlich auf eine Belastung mit Lösemitteln zurückgeführt werden kann. Soweit er aus der Vielfalt der Symptome dann - unterstützt durch Dr. V. - diejenigen "herauszieht", die ihm geeignet erscheinen, Ausdruck einer toxischen Enzephalopathie zu sein, überzeugt diese Vorgehensweise nicht. Insbesondere dann nicht, wenn seine weitere Argumentation (Blatt 38 des Gutachtens) zugrunde gelegt wird, wonach von einer chronischen Multisystemerkrankung auszugehen sei, die durch eine langjährige Schadstoffexposition und ein HWS-Trauma (ein solches ist allerdings nicht aktenkundig, lediglich degenerative Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule) als Initialereignisse ausgelöst worden sei. Nicht zuletzt ist durch die durchgeführten Testungen nicht nachgewiesen, dass die für eine Enzephalopathie Typ IIA erforderlichen Leistungsminderungen überhaupt bestehen.
Auch Dr. H. hat bei der Bewertung der aktenkundigen Befunde zutreffend darauf abgestellt, dass es sich bei den Symptomen, von denen der Kläger berichtet bzw. berichtet hat, um unspezifische Symptome handelt, die allein schon deshalb nicht ohne weitere gesicherte diagnostische Verfahren dem Krankheitsbild einer Enzephalopathie zugeordnet werden können. Darüber hinaus haben er und Prof. Dr. L. zutreffend darauf hingewiesen, dass Untersuchungen zur Differentialdiagnostik, z.B. eine Kernspintomographie oder ein Computertomogramm, nicht in die Wege geleitet worden sind.
Da auch eine Polyneuropathie nicht nachgewiesen ist, ist nicht von einem Krankheitsbild im Sinne der BK Nr. 1317 der Anlage zur BKV auszugehen.
Soweit der Bevollmächtigte des Klägers der Verwertung der Stellungnahme von Prof. Dr. L. und der darauf auch Bezug nehmenden Sachverständigengutachtens von Dr. H. widersprochen hat, weil die Stellungnahme von Prof. Dr. L. unter Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen zustande gekommen sei, liegen die Voraussetzungen für ein Beweisverwertungsverbot tatsächlich nicht vor, so dass der Senat beide Stellungnahmen in seine Beweiswürdigung einbezogen hat.
Der Bevollmächtigte des Klägers stellt mit seinem Vorbringen offenbar auf die Vorschrift des § 200 Abs. 2 SGB VII ab. Danach soll vor Erteilung eines Gutachtensauftrags der Unfallversicherungsträger dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen; der Betroffene ist außerdem auf sein Widerspruchsrecht nach § 76 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) hinzuweisen und über den Zweck des Gutachtens zu informieren.
Voraussetzung für die Anwendung des § 200 Abs. 2 SGB VII ist daher zwingend, dass es sich bei der vom Versicherungsträger in Auftrag gegebenen Stellungnahme um ein Gutachten handelt. In seiner Entscheidung vom 5. Februar 2008 (B 2 U 8/07 R = SozR 4-2700 § 200 Nr. 1) hat das BSG Abgrenzungskriterien formuliert, um den Anwendungsbereich des § 200 Abs. 2 SGB VII auch für das gerichtliche Verfahren bestimmen zu können.
Danach liegt ein Gutachten im Sinne des § 200 Abs. 2 SGB VII vor, wenn ein solches angefordert oder ausweislich einer Selbstbezeichnung "Gutachten" erstellt und übersandt oder abgerechnet worden ist. Unabhängig von dieser rein äußerlichen Bezeichnung ist zur weiteren Unterscheidung vom Bezugspunkt der schriftlichen Äußerung des Sachverständigen auszugehen. Enthält sie vornehmlich eine eigenständige Bewertung der verfahrensentscheidenden Tatsachenfragen, z.B. des Ursachenzusammenhangs, ist es ein Gutachten. Setzt sich die schriftliche Äußerung des Sachverständigen im Wesentlichen mit dem eingeholten Gerichtsgutachten auseinander, insbesondere im Hinblick auf deren Schlüssigkeit, Überzeugungskraft und Beurteilungsgrundlage, ist es nur eine beratende Stellungnahme und in der Konsequenz § 200 Abs. 2 SGB VII nicht anwendbar.
Die mit "beratungsärztlicher Stellungnahme" überschriebene Stellungnahme von Prof. Dr. L. hat sich auch ihrem Inhalt nach allein mit der Überzeugungskraft des Gutachtens von Prof. Dr. K. bzw. des neuropsychologischen Zusatzgutachtens von Dr. V. auseinandergesetzt und dessen Schlüssigkeit und Beurteilungsgrundlage, nämlich die Vorbefunde und die Ergebnisse der testpsychologischen Untersuchung, bewertet. Es handelt sich daher erkennbar nicht um ein Sachverständigengutachten, das unter Verstoß gegen § 200 Abs. 2 SGB VII zustande gekommen wäre und das ein Beweisverwertungsverbot nach sich ziehen würde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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