L 1 U 1825/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 1854/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 1825/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 16. Februar 2007 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren.

Tatbestand:

Im Streit steht ein Anspruch des Klägers auf Verletztenrente insbesondere wegen psychischer Folgen des Wegeunfalls vom 4. Februar 2003.

Der 1957 geborene Kläger, der im Bauhof der Stadt A. als Kraftfahrer beschäftigt war, erlitt am 4. Februar 2003 einen Unfall, als auf sein an einer Ampel stehendes Fahrzeug (der Kläger war als Fahrer angeschnallt) ein anderes Fahrzeug auffuhr. Der Kläger erlitt eine Commotio cerebri, eine Halswirbelsäulen (HWS-) Distorsion I. Grades und eine Lendenprellung (Unfallanzeige des Arbeitgebers bzw. Durchgangsarztbericht Prof. Dr. H. vom 4. Februar 2003). Er war nach dem Unfall kurze Zeit (Angaben schwanken zwischen 10 und 30 Minuten) bewusstlos. Mit Hals-Nasen-Ohrenarztbericht vom 11. März 2003 berichteten Dres. Z./P. über rezidivierenden Drehschwindel seit 2 Wochen und einen Verdacht auf benignen paroxsysmalen Lagerungsschwindel bei HWS-Trauma. Wegen fortbestehenden Beschwerden wurde am 26. März 2003 eine neurologische und elektroencephalographische Untersuchung durchgeführt, die keine Anhaltspunkte für eine über eine Gehirnerschütterung hinausgehende Schädelhirnverletzung und auch nicht für eine Läsion cervikaler Nervenwurzeln oder des Halsmarks ergab (Bericht Dr. P., Ostalbklinikum A. vom 8. April 2003). Mit Bericht vom 2. Mai 2003 führte Prof. Dr. H., Ostalbklinikum A., aus, es bestehe ein chronifiziertes Schmerzsyndrom sowie ein Muskelhartspann, die symptomatische Schmerztherapie werde fortgeführt.

Ab 10. Juni 2003 befand sich der Kläger in der psychosomatischen Klinik des Ostalbklinikums in stationärer Behandlung. Im Bericht vom 9. Juli 2003 wurden als Diagnosen eine somatoforme Schmerzstörung, ausgehend von dem Unfalltrauma, sowie eine mittelgradige depressive Episode aufgeführt. Nach Ende der stationären Behandlung nahm der Kläger eine ambulante Schmerztherapie auf.

Ab 11. Dezember 2003 war der Kläger in einer klinisch-stationären Maßnahme im Interdisziplinären Schmerzzentrum der Fachklinik E ... Diese teilten im Zwischenbericht vom 14. Januar 2004 mit, es bestehe eine chronische Schmerzstörung in Verbindung mit sowohl psychischen Faktoren als auch einem medizinischen Krankheitsfaktor (analog ICD10 F 45.4, anhaltende somatoforme Schmerzstörung) sowie Angst und depressive Störung gemischt (F 41.2). Eine im April 2004 begonnene Belastungserprobung hat der Kläger nach kurzer Zeit wegen Schmerzen abgebrochen.

Im Auftrag der Beklagten erstellte Prof. Dr. S. unter dem 8. September 2004 einen Befundbericht mit gutachterlicher Stellungnahme, in die auch das Ergebnis des psychologischen Zusatzgutachtens der Dipl.-Psychologin M. eingeflossen ist. In seinem Bericht führte Prof. Dr. S. aus, nach umfangreicher Untersuchung seien Befunde auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet, mit Ausnahme eines ausschweifenden Beschwerdevortrags, nicht zu erheben. Bei der in den Vorberichten aufgeführten somatoformen Schmerzstörung handle es sich nicht um eine Krankheit, sondern um eine auffällige Verhaltensweise, die keine Entschädigungsansprüche begründe. Der Kläger sei bestrebt, durch sein Verhalten die Krankenrolle weiter zu behalten. Die am 20. September 2004 durchgeführte elektrophysiologische Untersuchung ergab ein unfallunabhängiges, beidseitiges Sulcus-ulnaris-Syndrom.

Mit Bescheid vom 16. November 2004 erkannte die Beklagte den Unfall vom 4. Februar 2003 als Arbeitsunfall an und lehnte die Gewährung einer Verletztenrente ab. Grundlage der Entscheidung war die Beurteilung von Prof. Dr. S ... Zugleich stellte die Beklagte auf dieser Grundlage fest, dass ein Anspruch auf Heilbehandlung nur bis 11. Februar 2003 bestanden habe. Die danach bestehende Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit sei durch unfallunabhängige Gesundheitsstörungen bedingt. Als Unfallfolgen wurden anerkannt eine reversible Hirnfunktionsstörung (Commotio cerebri), inzwischen folgenlos ausgeheilt und eine folgenlos ausgeheilte HWS-Distorsion I. Grades. Mit Bescheid vom 20. November 2004 wurde ab 19. November 2004 Verletztengeld entzogen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2005 wurde der Widerspruch gegen die Versagung einer Verletztenrente zurückgewiesen.

Dagegen hat der Kläger am 24. Juni 2005 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben (Az.: S 11 U 1854/05); die weiter anhängig gemachten Verfahren S 11 U 1851/05 und S 11 U 1853/05 wurden im Termin zur mündlichen Verhandlung am 16. Februar 2007 von den Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt.

Der Kläger hat vorgebracht, noch immer unter massivsten Beschwerden durch den Unfall zu leiden und nicht arbeitsfähig zu sein. Das SG hat die Behandlungsunterlagen bzw. Krankenakte des Klägers bei den behandelnden Ärzten und Kliniken beigezogen. Im Auftrag des SG hat am 19. Mai 2006 Dr. A., Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, ein nervenärztliches Gutachten erstattet. Diese hat eine posttraumatische Belastungsstörung und eine somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert. Eine posttraumatische Belastungsstörung sei auch vor dem Hintergrund des nur recht geringen Traumas durch den Auffahrunfall zu bejahen, da auch ein alltäglicher Unfall im Straßenverkehr traumatisierend wirken könne. Die durchgeführten Testungen hätten darüber hinaus eindeutig ergeben, dass der Kläger nicht simuliere. Beide Erkrankungen seien ursächlich auf den Unfall zurückzuführen. Der Beurteilung durch Dr. S. sei nicht zu folgen, da der psychopathologische Befund zu kurz gehalten worden, eine sorgfältige Symptomabfragung nicht erfolgt sei und er sich lediglich auf inkonsistente Testergebnisse verlassen habe. Eine MdE um 50 v.H. sei für die posttraumatische Belastungsstörung, eine MdE um 10 bis 20 v.H. für die somatoforme Schmerzstörung anzunehmen.

Die Beklagte hat daraufhin die beratungsärztlichen Stellungnahmen des Prof. Dr. S. vom 21. September 2006 und 7. November 2006 und von Dr. O. vom 16. Oktober 2006 vorgelegt.

Mit Urteil vom 16. Februar 2007 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger wegen der Unfallfolgen eine Verletztenrente nach einer MdE um 40 v.H. zu bewilligen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass auch psychische Gesundheitsstörungen nach einem Arbeitsunfall in vielfältiger Weise auftreten könnten. Die Kammer sei der Überzeugung, dass eine posttraumatische Belastungsstörung, die ursächlich auf dem Unfall beruhe, im Vollbeweis gesichert sei. Dabei hat sich das SG im Wesentlichen auf das Gutachten der Dr. A. gestützt und weiter ausgeführt, dass der Auffahrunfall heftig genug gewesen sei, um in seiner gesamten Darstellung psychische Unfallfolgen zu verursachen. Auch habe kein Hinweis auf psychische Auffälligkeiten schon vor dem Unfall erhoben werden können. Des Weiteren sei schon zeitnah nach dem Unfall eine psychiatrische Behandlung aufgenommen worden. Nach den maßgeblichen Bewertungsgrundsätzen in der gesetzlichen Unfallversicherung seien die Unfallfolgen mit einer MdE um 40 v.H. zu bewerten.

Gegen das ihr am 19. März 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11. April 2007 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgebracht, die diagnostischen Voraussetzungen für eine posttraumatische Belastungsstörung lägen nicht vor. Auch die somatoforme Schmerzstörung bestehe nicht, vielmehr sei von Simulation auszugehen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 16. Februar 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt des erstinstanzlichen Urteils.

Im Auftrag des Gerichts hat Oberarzt Dr. K., Münsterklinik Z., das psychiatrisch-psychotherapeutische Gutachten vom 6. Mai 2008 erstellt. Zusammenfassend hat dieser ausgeführt, beim Kläger liege eine chronische depressive Störung mittelgradiger Ausprägung und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung vor, die mit Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 4. Februar 2003 zurückzuführen seien. Die Erwerbsfähigkeit sei zwischen 50 und 60 v.H. gemindert. Die Beklagte hat die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. O. vom 8. Dezember 2008 vorgelegt.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist unbegründet. Dem Kläger steht wegen psychischer Unfallfolgen eine Verletztenrente nach einer MdE um 40 v.H. zu.

Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten (versicherte Tätigkeiten). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 SGB VII).

Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22). Als Folge eines Unfalls sind Gesundheitsstörungen nur zu berücksichtigen, wenn das Unfallereignis wie auch das Vorliegen der konkreten Beeinträchtigung bzw. Gesundheitsstörung jeweils bewiesen und die Beeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen ist. Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der hierbei eingetretenen Schädigung und der Gesundheitsstörung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich.

Der Kläger hat am 4. Februar 2003 einen versicherten Arbeitsunfall erlitten, was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist. Dabei hat er als Gesundheitserstschaden eine Gehirnerschütterung sowie eine HWS-Distorsion I. Grades erlitten. Beide Erkrankungen sind jedoch folgenlos ausgeheilt.

Nach Maßgabe des Gutachtens von Oberarzt Dr. K. sowie unter Berücksichtigung der aktenkundigen ärztlichen Beurteilungen der Ärzte des Ostalbklinikums sowie der Klinik E. steht für den Senat des Weiteren fest, dass der Kläger unter einer rezidivierenden depressiven Störung mittelschwerer Ausprägung, resultierend aus einer Anpassungsstörung, sowie einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung leidet und dass diese Erkrankungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit - zumindest mittelbar - auf den Unfall vom 4. Februar 2003 zurückzuführen sind. Die Auffassung von Prof. Dr. S., dass keine Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet vorliegen, vermochte hingegen den Senat nicht zu überzeugen.

Zur Frage psychischer Unfallfolgen hat das BSG in seiner Entscheidung vom 9. Mai 2006 (Az.: B 2 U 1/05 R) ausgeführt, dass psychische Gesundheitsstörungen nach einem Arbeitsunfall in vielfältiger Weise auftreten können. Sie können unmittelbare Folge eines Schädel-Hirn-Traumas mit hirnorganischer Wesensänderung sein, sie können aber auch ohne physische Verletzungen, entstehen. Weiter können sie die Folge eines erlittenen Körperschadens sein, sie können sich aber auch erst in Folge der Behandlung des gesundheitlichen Erstschadens herausbilden. Wie auch bei der Feststellung organischer Verletzungsfolgen ist Voraussetzung für die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge und die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund von ihnen deshalb auch hier zunächst die Feststellung der konkreten Gesundheitsstörungen, die bei dem Verletzten vorliegen und seine Erwerbsfähigkeit mindern (BSG Urteil vom 29. Januar 1986 - 9b RU 56/84; vgl. BSG Urteil vom 19. August 2003 - B 2 U 50/02 R -). Das BSG hat in der genannten Entscheidung weiter klargestellt, dass die Gesundheitsstörung aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen muss, damit die Feststellung nachvollziehbar ist (z.B. ICD-10 = Zehnte Revision der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der WHO aus dem Jahre 1989, vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) ins Deutsche übertragen, herausgegeben und weiterentwickelt; DSM-IV = Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen der Amerikanischen psychiatrischen Vereinigung aus dem Jahre 1994, deutsche Bearbeitung herausgegeben von Saß/Wittchen/Zaudig, 3. Auflage 2001). Begründete Abweichungen von diesen Diagnosesystemen aufgrund ihres Alters und des zwischenzeitlichen wissenschaftlichen Fortschritts sind damit nicht ausgeschlossen.

Nach dem ICD 10 GM 2007 F. 45.4 ist bei einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung die vorherrschende Beschwerde ein andauernder, schwerer und quälender Schmerz, der durch einen physiologischen Prozess oder eine körperliche Störung nicht vollständig erklärt werden kann. Er tritt in Verbindung mit emotionalen Konflikten und psychosozialen Belastungen auf, die schwerwiegend genug sein sollten, um als entscheidende ursächliche Faktoren gelten zu können. Die Folge ist meist eine beträchtlich gesteigerte persönliche oder medizinische Hilfebedürftigkeit und Unterstützung. Schmerzzustände mit vermutlich psychogenem Ursprung, die im Verlauf depressiver Störungen oder einer Schizophrenie auftreten, sollten nicht berücksichtigt werden.

Die Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung wurde bereits kurz nach dem Unfall in der psychosomatischen Klinik des Ostalbklinikums gestellt. Im Bericht vom 9. Juli 2003 wurden eine somatoforme Schmerzstörung, ausgehend von dem Unfalltrauma, sowie eine mittelgradige depressive Episode aufgeführt. Vergleichbar äußerten sich die Ärzte im interdisziplinären Schmerzzentrum der Fachklinik E., wonach beim Kläger ein deutliches myofasziales Schmerzsyndrom der autochthonen Nackenmuskulatur bestehe.

Auch OA Dr. K. hat in seinem Gutachten schlüssig und überzeugend dargestellt, dass beim Kläger eine somatoforme Schmerzstörung vorliegt. Er hat in einer Gesamtwürdigung der Krankheitsentwicklung nachvollziehbar dargestellt, dass zeitnah nach dem Unfall zwar möglicherweise eher von einer Anpassungsstörung mit protrahierter depressiver Reaktion auszugehen war. Diese hat sich jedoch hin zu einer rezidivierenden depressiven Störung mittelschwerer Ausprägung bei nicht unerheblicher Chronifizierung entwickelt. Weiter führt er aus, dass zwar grundsätzlich auch im Rahmen der depressiven Störung eine Somatisierung abgebildet werden kann, d.h. Schmerzerleben erst und nur als Folge der depressiven Erkrankung auftritt. Doch sind Schmerzen und Beschwerden des Klägers schon vor einem sehr frühen Zeitpunkt der Krankheitsentwicklung an dokumentiert, zeitlich deutlich vor der erstmaligen Diagnose einer depressiven Erkrankung. Die vom Kläger geklagten Schmerzen, denen ein objektives Korrelat fehlt, stellen daher in ihrer erheblichen Ausprägung ein eigenes Krankheitsbild dar, das als anhaltende somatoforme Schmerzstörung zu definieren ist. Mit dieser Beurteilung hat OA Dr. K. die im ICD 10 F 45.4 aufgeführten Definitionskriterien einer somatoformen Schmerzstörung und insbesondere die für die Feststellung einer somatoformen Schmerzstörung notwendige Abgrenzung von Schmerzuständen mit vermutlich psychogenem Ursprung, die im Verlauf depressiver Störungen auftreten, beachtet.

Der Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung und nicht einer chronischen Schmerzerkrankung mit depressiver Reaktion stimmt letztlich auch der Beratungsarzt der Beklagten Dr. O. in seiner Stellungnahme vom 8. Dezember 2008 (S. 7) zu, worin er ausführt, dass eine chronische Schmerzkrankheit ausgeschlossen werden könne, da beim Kläger keine Hinweise dafür vorhanden seien, dass ein organpathologischer Schaden als Grundlage einer chronischen Schmerzerkrankung vorliege. Deshalb, so Dr. O. weiter, ist als Ursache der geklagten Beschwerden mit chronischen Schmerzen nur eine chronische somatoforme Schmerzstörung diagnostizierbar.

Auch die von OA Dr. K. sowie den behandelnden Ärzten des Klägers festgestellte, als eigenständiges Krankheitsbild zu definierende rezidivierende depressive Störung mittelschwerer Ausprägung kommt nach Auffassung von Dr. O. "durchaus in Betracht" (S. 8 3. Absatz der Stellungnahme vom 8. Dezember 2008). Dass beim Kläger eine mittelschwere depressive Reaktion tatsächlich vorliegt, hat zur Überzeugung des Senats Dr. K. in seinem Gutachten zweifelsfrei durch eine ausführliche Befragung des Klägers und die von ihm durchgeführten Tests herausgearbeitet.

Der Kläger ist antriebs- und interesselos, er sitzt den ganzen Tag untätig zu Hause herum, kann sich mit nichts beschäftigen, hat sich aus dem Freundes- und Familienleben gänzlich zurückgezogen. Selbst Mahlzeiten mit seiner Frau und dem Sohn nimmt er nicht mehr gemeinsam ein, Familienfeste und andere soziale Kontakte werden vollständig gemieden, auch Spaziergänge oder gar Urlaubsreisen sind ihm nicht mehr möglich. Der Kläger leidet darüber hinaus unter einer sehr geringen Frustrationstoleranz und leichter Reizbarkeit, die sich auch gegenüber den engsten Familienmitgliedern in Zornausbrüchen und gereizten Reaktionen äußert. Der Kläger erlebt sich auch selbst als völlig verändert, Autofahren, selbst als Beifahrer, vermeidet er so weit als möglich. Hingegen hat er früher als Kraftfahrer gerne und viele Fahrten unternommen, war stolz auf seinen Beruf, auch auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit im städtischen Bauhof. Er war leistungswillig sowie leistungsfähig und hatte kaum Krankheitstage. Diese Einschränkungen im täglichen Leben belegen eindrücklich die psychische Situation des Klägers und das Vorhandensein einer depressiven Erkrankung, was sich letztlich auch aus den von Dr. K. durchgeführten Tests ergeben hat.

Es bestehen darüber hinaus keine Anhaltspunkte für eine Simulation der Beschwerden. Dies hat schon Dr. A. im Rahmen ihres Gutachtens deutlich gemacht. Auch OA Dr. K. konnte in der Begutachtungssituation deutlich die Defizite der individuellen Bewältigungsstrategien des Klägers, sein Leiden und die Unfähigkeit, mit den Unfallfolgen kompetent umzugehen, herausarbeiten. Auch Dr. A. hat in ihrer Untersuchung eine Simulation ausschließen können. Soweit der Beratungsarzt Prof. Dr. S. unter Berücksichtigung der Beurteilung der Dipl.-Psychologin Mehren ausgeführt hat, dass nach umfangreicher Untersuchung Befunde auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet, mit Ausnahme eines ausschweifenden Beschwerdevortrags, nicht zu erheben gewesen seien und es sich bei der in den Vorberichten aufgeführten somatoformen Schmerzstörung nicht um eine Krankheit, sondern um eine (bewusstseinsnah gestaltete) auffällige Verhaltensweise handle, die keine Entschädigungsansprüche begründe, vermochte dem der Senat nicht zu folgen.

Prof. Dr. S. stellt sich mit seiner Auffassung gegen die im ICD10 aufgeführten Diagnosesysteme, in dem er die dort aufgeführte und definierte somatoforme Schmerzstörung nicht als Krankheit akzeptiert. Die vom BSG für ein Abweichen von den anerkannten Diagnosesystemen geforderten neuen Erkenntnisse hat er nicht mitgeteilt. Soweit er, gestützt auf die Beurteilung der Dipl.-Psychologin M. weiter ausgeführt hat, die Untersuchungsergebnisse belegten, dass der Kläger simuliere, vermochte auch dies den Senat nicht zu überzeugen. Denn damit hat er letztlich nur die Bewertung der Dipl.-Psychologin Mehren übernommen, die diese Annahme zur Erklärung teilweise inkongruenter Testergebnisse herangezogen hat, ohne psychopathologische Erkenntnisse (selbstunsichere Persönlichkeitsstruktur des Klägers mit fehlender Fähigkeit zur Bewältigung von Schmerzen und damit verbundenen Einschränkungen, vgl. z.B. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003 S. 228) zur Auslegung dieser Testergebnisse heranzuziehen und z.B. die depressive Erkrankung des Klägers, die ebenfalls von Einfluss auf das Ergebnis von Testverfahren sein kann, bei der Auswertung zu berücksichtigen. Darüber hinaus war, verneint man mit Prof. Dr. S. die Existenz einer somatoformen Schmerzkrankheit, jedes inkongruente Testergebnis in der Konsequenz logischerweise nur als Ausdruck einer Simulation, Aggravation oder einer anderen bewusstseinsnahen Ausgestaltung des Beschwerdevortrags zu interpretieren, da ein organisches Korrelat der geklagten Beschwerden definitionsgemäß bei einer somatoformen Schmerzstörung fehlt.

Nicht hingegen liegt nach den schlüssigen Ausführungen von Dr. K., insoweit auch in Übereinstimmung mit den Beratungsärzten der Beklagten, die von Dr. A. und dem SG angenommene posttraumatische Belastungsstörung vor. Diese würde nach der Definition des ICD 10 u.a. ein diese Störung auslösendes Geschehen von außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophalem Ausmaß bedingen, das bei nahezu jedem eine tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde. Schon der Auffahrunfall selbst, auch wenn der Kläger nach dem Unfall kurzzeitig bewusstlos war, war nicht von derartiger Dramatik, dass er als außergewöhnlich bedrohend oder als von katastrophalem Ausmaß bezeichnet werden könnte. Auch die nachfolgende Behandlung (der Kläger wurde zeitnah vom Rettungswagen in ein nahegelegenes Krankenhaus gefahren, die Behandlung der organisch fassbaren Verletzungen war komplikationslos) war nicht dergestalt, dass sie Verzweiflung oder tiefgreifende Ängste auszulösen in der Lage war.

Sowohl die depressive Störung auch die somatoforme Schmerzstörung sind mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich auf den Unfall vom 4. Februar 2003 zurückzuführen.

Da Verschulden bei der Prüfung eines Versicherungsfalles in der gesetzlichen Unfallversicherung unbeachtlich ist, weil verbotswidriges Handeln einen Versicherungsfall nicht ausschließt (§ 7 Abs. 2 SGB VII), erfolgt im Sozialrecht diese Unterscheidung und Zurechnung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung. Nach dieser werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt (stRspr vgl. zuletzt BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).

Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung (vgl. zuletzt BSG vom 9. Mai 2006 a.a.O) folgende Grundsätze herausgearbeitet:

Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben) (BSG SozR Nr. 69 zu § 542 a.F. RVO; BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO; vgl. Krasney in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. 3, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand Januar 2006, § 8 RdNr. 314, Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, Kap 1.3.6.1, S 80 f.). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts (BSGE 12, 242, 245 = SozR Nr 27 zu § 542 RVO; BSG SozR Nr 6 zu § 589 RVO). Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden (BSGE 62, 220, 222 f = SozR 2200 § 589 Nr. 10; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 75; BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 jeweils RdNr. 11). Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSGE 62, 220, 222 f = SozR 2200 § 589 Nr. 10; BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen. Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache bzw dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein (vgl. BSGE 38, 127, 129 = SozR 2200 § 548 Nr. 4; BSG SozR 4-2200 § 589 Nr. 1).

Für die Feststellung dieses Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (stRspr BSGE 19, 52 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr 15 zu § 1263 aF RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG SozR Nr 41 zu § 128 SGG; BSG SozR Nr 20 zu § 542 aF RVO; BSGE 19, 52 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO; BSG SozR 3-1300 § 48 Nr 67; Schönberger/Mehrtens/Valentin aaO, Kap 1.8.2, S 119 f; Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, § 128 RdNr 3c). Diese Grundlagen der Theorie der wesentlichen Bedingung gelten für alle als Unfallfolgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen und damit auch für psychische Störungen. Die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge und die Gewährung einer Verletztenrente für sie ist ebenso wie für andere Gesundheitsstörungen möglich. Denn auch psychische Reaktionen können rechtlich wesentlich durch ein Unfallereignis verursacht werden (vgl. zusammenfassend BSG vom 9. Mai 2006 a.a.O. unter Verweis auf Reichsversicherungsamt, AN 1926, 480; BSG vom 18. Dezember 1962, BSGE 18, 173, 175 = SozR Nr. 61 zu § 542 RVO; BSG vom 29. Januar 1986 - 9b RU 56/84 -; BSG vom 18. Dezember 1986, BSGE 61, 113 = SozR 2200 § 1252 Nr. 6; BSG vom 18. Januar 1990 - 8 RKnU 1/89 -; vgl im Übrigen Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Kap 5.1, S 227 ff; ebenso zum sozialen Entschädigungsrecht BSGE 19, 275, 277 f = SozR Nr. 174 zu § 162 SGG).

Die nach der Rechtsprechung auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes durchzuführende Beurteilung des Einzelfalls hat in Würdigung des konkreten Versicherten zu erfolgen und darf nicht von einem fiktiven Durchschnittsmenschen ausgehen. Daher schließt auch eine "abnorme seelische Bereitschaft" die Annahme einer psychischen Reaktion als Unfallfolge nicht per se aus (BSGE 18, 173, 176 = SozR Nr. 61 zu § 542 RVO; BSG vom 29. Januar 1986 - 9b RU 56/84 -; BSG vom 5. August 1987 - 9b RU 36/86 - SozR 2200 § 581 Nr. 26). Andererseits liegt es auch auf der Hand, dass wunschbedingte Vorstellungen seitens des Versicherten nach einem Unfall, z.B. allgemein nach einem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben ("Unfall als Regressionsangebot") oder konkret auf eine Verletztenrente, einen wesentlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den bestehenden psychischen Gesundheitsstörungen nicht zu begründen vermögen. Soweit diese Vorstellungen neben das als naturwissenschaftliche Ursache der bestehenden psychischen Gesundheitsstörungen anzusehende Unfallereignis treten, sind sie als konkurrierende Ursache zu würdigen und können ggf. der Bejahung eines wesentlichen Ursachenzusammenhangs zwischen der versicherten Ursache Unfallereignis und den psychischen Gesundheitsstörungen entgegenstehen (BSGE 18, 173, 176 = SozR Nr 61 zu § 542 RVO; BSG vom 29. Januar 1986 - 9b RU 56/84 -; BSG vom 5. August 1987 - 9b RU 36/86 - SozR 2200 § 581 Nr 26; vgl zum sozialen Entschädigungsrecht BSGE 19, 275, 278 = Nr 174 zu § 162 SGG; zum Zivilrecht: BGHZ 137, 142, 148 ff), hindern jedoch nicht schon die Bejahung psychischer Folgen des Unfalls.

Der Kläger hatte als Gesundheitserstschaden durch Unfall eine Gehirnerschütterung sowie HWS- Distorsion erlitten. Beide Erkrankungen sind inzwischen folgenlos ausgeheilt. Mittelbar hat sich aus diesen organischen Erkrankungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zunächst eine Anpassungsstörung, auf deren Boden eine depressive Reaktion sowie eine somatoforme Schmerzstörung als weiteres Krankheitsbild, entwickelt.

An einer rechtlich wesentlichen Verursachung dieser Erkrankungen durch den Unfall bzw. den durch den Unfall unmittelbar verursachten Gesundheitserstschaden besteht nach Auffassung des Senats kein Zweifel.

Aus den anamnestischen Angaben des Klägers wird deutlich, dass er selbst die Veränderung seiner Persönlichkeit und seiner Entfaltungsmöglichkeiten ausschließlich auf den Unfall und die seitdem für ihn spürbaren Schmerzen und die damit verbundenen Beeinträchtigungen zurückführt. Es liegen darüber hinaus keine Anhaltspunkte für sonstige Verursachungsfaktoren vor. Weder bestanden im familiären oder beruflichen Umfeld Spannungen oder Problemfelder, noch war der Kläger bereits zuvor durch psychische Erkrankungen oder somatische Reaktionen auffällig. Es bestehen daher auch keinerlei Anknüpfungstatsachen dafür, dass eine seelische Erkrankung, wenn möglicherweise auch unerkannt, vorbestanden hat, die nur gelegentlich des Unfalls aktiviert worden wäre. Auch wenn aus dem zeitlichen Ablauf (Unfall und zeitnah danach erste psychische Auffälligkeiten) sicherlich kein alleiniger Schluss auf die Ursächlichkeit des Unfalls für die Erkrankung gezogen werden kann, da dies im Ergebnis zu einer Beweislastumkehr führen würde, spricht in der Gesamtschau des konkreten Falls unter Berücksichtigung der oben aufgeführten weiteren Faktoren jedoch auch der zeitliche Ablauf der Krankheitsentwicklung für die wesentliche Verursachung der psychischen Beschwerden durch das Unfallereignis.

Soweit Dr. O. in seiner Stellungnahme vom 8. Dezember 2008 ausgeführt hat, es handle sich bei den auch von ihm bestätigten Reaktionen um "psychogene Reaktionen ohne organische Grundlage mit Verursachung durch Unfallfolgen", so dass "aus diesem Grunde ...es nicht möglich sei, die psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen zu bezeichnen" verkennt er, dass es für die Anerkennung psychischer Unfallfolgen nicht darauf ankommt, ob für diese (noch) ein organisches Korrelat besteht oder nicht, solange diese psychischen Erkrankungen nur – ggf. auch nur mittelbar – auf das Unfallereignis als wesentliche Ursache zurückzuführen sind. Der Senat teilt seine Auffassung weiter nicht, dass allein aus dem Umstand, dass statistisch im 5. Lebensjahrzehnt eines Menschen eine depressive Störung am häufigsten auftritt, auf eine schicksalhafte Erkrankung geschlossen werden könne. Diese Vermutung entbehrt jeder Grundlage und berücksichtigt nicht die Notwendigkeit der individuellen Beurteilung eines jeden Versicherten.

Für die Bewertung einer unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urt. vom 26. Juni 1985 - 2 RU 60/84 -, in: SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23 m.w.N.; BSG, Urt. vom 19. Dezember 2000 - B 2 U 49/99 R -, in: HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Beschluss vom 22. August 1989, - 2 BU 101/89 -, in: HVBG-Info 1989 S. 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.

Nach den anerkannten Erfahrungssätzen in der unfallversicherungsrechtlichen Literatur und Rechtsprechung (vgl. nur Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit a.a.O. S. 246) ist eine abnorme Persönlichkeitsentwicklung, akute Belastungsreaktion, Anpassungsbeeinträchtigung, psychoreaktive Störung mit finaler Ausrichtung mit einer MdE zwischen 0 und 10, eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (manche Phobien, pathologische Entwicklungsstörungen) mit einer MdE zwischen 20 und 40 zu bewerten.

Nach Maßgabe dieser Erfahrungssätze erachtet der Senat die vom SG im Ergebnis getroffene Bewertung der gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers mit einer Gesamt-MdE von 40 für zutreffend und angemessen. Denn die für eine MdE von 50 und mehr erforderlichen schweren Störungen mit erheblichen sozialen Anpassungsschwierigkeiten (nach schwerer Zwangskrankheit) liegen beim Kläger nicht vor.

Soweit OA Dr. K. eine höhere Bewertung vorgeschlagen hat, hat er seiner Beurteilung Erfahrungssätze aus dem Recht der schwerbehinderten Menschen zugrunde gelegt, die nicht ohne Weiteres auf das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung übertragen werden können. Darüber hinaus wäre dem Senat eine über eine MdE von 40 hinausgehende Feststellung mangels einer vom Kläger eingelegten Anschlussberufung auch nicht möglich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da im Ergebnis der Urteilsspruch des SG bestätigt wird, auch wenn der erkennende Senat das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht als erwiesen ansieht, allerdings die Feststellung der Unfallfolge nicht im Urteilstenor erfolgt ist und damit auch keine Abänderung zu erfolgen hatte, hatte eine Kostenteilung zu unterbleiben.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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