L 7 AL 3874/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 AL 4697/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AL 3874/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 29. Mai 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung von Insolvenzgeld (Insg) im Zeitraum 1. Juni bis 31. August 2006.

Der am 1948 geborene Kläger war bereits seit dem Jahr 1982 in der kaufmännischen Leitung der Einzelfirma B. Geba Haus beschäftigt. Durch notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrag vom 12. Mai 2003 wurde die GEBA Haus Produktions-GmbH (im Folgenden: GEBA GmbH) gegründet, deren Unternehmensgegenstand die Herstellung und Montage von Fertighäusern, Zimmerer- und Holzbauarbeiten sowie der Handel mit diesen Erzeugnissen und artverwandten Waren war. Das Stammkapital der Gesellschaft belief sich nach dem Gesellschaftsvertrag auf 42.000 EUR und wurde von 14 Gesellschaftern, darunter dem Kläger, jeweils mit einem Anteil von jeweils 3.000 EUR erbracht. Nach dem Gesellschaftsvertrag hatten Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen zu ergehen, wobei nach Geschäftsanteilen abgestimmt wurde (§ 6 des Gesellschaftsvertrages). Nach § 15 des Gesellschaftsvertrages bedurften alle das Gesellschaftsverhältnis betreffenden Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern oder zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform, soweit nicht kraft Gesetzes eine anderweitige Form vorgeschrieben ist.

Für die GEBA GmbH wurden zwei Geschäftsführer bestellt, der Kläger, der den kaufmännischen Bereich leitete, sowie Herr Reinhold Sch., der technischer Leiter war. Beide Geschäftsführer gehörten zum Kreis der Gesellschafter.

Am 25. Juli 2003 wurde von der Gesellschafterversammlung der GEBA GmbH ein Beschluss über "Vereinbarungen mit selbständig tätigen Gesellschafter-Geschäftsführern" getroffen, in welchen unter Anderem festgelegt wurde, dass der Geschäftsführer einzelvertretungsbefugt und von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreit ist.

Weiter heißt es unter Anderem:

" Die Geschäftsführungsbefugnis erstreckt sich auf alle Geschäfte, Maßnahmen und Willenserklärungen, die der gewöhnliche Geschäftsbetrieb der Gesellschaft im Innen- und Außenverhältnis mit sich bringt, mit der Maßgabe, dass darüber hinausgehend ein Beschluss der Gesellschafterversammlung erforderlich ist.

Die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung sind nur wirksam, wenn die selbständig tätigen Gesellschafter-Geschäftsführer zustimmen (Sperrminorität)."

Im Weiteren führte der Gesellschafterbeschluss auf, für welche Maßnahmen eine Zustimmung der Gesellschafterversammlung erforderlich war.

In dem zwischen dem Kläger und der GEBA GmbH geschlossenen schriftlichen Geschäftsführeranstellungsvertrag vom 31. Juli 2003 war ebenfalls vereinbart, dass der Kläger alleinvertretungsbefugt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist (§ 2 Ziffer 2.1 des Vertrages) und die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers im Sinne der arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften wahrnimmt (§ 2 Ziffer 2.3). An bestimmte Arbeitszeiten war der Kläger nicht gebunden (§ 3). An Bezügen waren eine feste Vergütung pro Kalendermonat in Höhe von 500,- EUR sowie eine umsatzabhängige Vergütung vereinbart (§ 4). Zudem hatte der Kläger Anspruch auf einen Jahresurlaub von sechs Wochen, dessen Zeitpunkt er unter Berücksichtigung der Belange der GmbH selbst bestimmen konnte (§ 5).

Aufgrund notariellen Vertrages vom 19. Mai 2004 wurde die GEBA GmbH - unter Verlegung des Sitzes der Gesellschaft - umfirmiert in ALF Holz- und Fertigbau GmbH (im Folgenden: ALF GmbH). Durch weiteren notariellen Vertrag vom 25. Januar 2006 wurde das Stammkapital der Gesellschaft auf 192.000 EUR erhöht. Die Anteile der Geschäftsführer, also des Klägers und des Herrn Sch., beliefen sich auf 28.000 EUR‚ die der übrigen Gesellschafter lagen darunter. Der Kläger war seit Beginn seiner Tätigkeit als Geschäftsführer nicht als Beschäftigter zur Sozialversicherung angemeldet; Beiträge zur Sozialversicherung wurden für ihn nicht abgeführt.

Nachdem die ALF GmbH in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war, fand am 25. März 2006 eine Gesellschafterversammlung statt. Im Protokoll hierzu heißt es u.a.:

"Auf Grundlage der gemachten Ausführungen durch die Geschäftsführung sowie Herrn M. von der LAW Unternehmensberatung beschließen die Gesellschafter nachfolgende Punkte:

Der derzeitige Geschäftsführer Herr K. wird abberufen und scheidet zum 1. April 2006 aus. Die anschließende Tätigkeit für die ALF Holz- und Fertigbau GmbH erfolgen im Rahmen einer freien Mitarbeiterschaft ... Die Tätigkeiten der nun frei gewordenen kaufmännischen Geschäftsführung werden vorab interimsmäßig durch die LAW Unternehmungsberatungs GmbH, hier Herr S., vorgenommen "

Zudem wurde die Installierung eines dreiköpfigen beratenden Beirats beschlossen, dem der Steuerberater Kö., Diplom-Wirtschaftsjurist S. und der Betriebswirt M. angehörten. Ferner wurde der Geschäftsführer legitimiert, einen Geschäftsführervertrag mit sich selber abzuschließen unter Anderem mit einem monatlichen Grundgehalt von 3.150,- EUR und einer monatlichen Risikoprämie von 1.000,- EUR.

Das Protokoll über die Sitzung vom 25. März 2006 wurde vom Kläger nicht unterzeichnet. Dieser war in der Folgezeit zunächst weiter für die ALF GmbH tätig. Mit Schreiben vom 8. Mai 2006 kündigte die ALF GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer Sch., sodann das "Arbeitsverhältnis" des Klägers zum 31. Dezember 2006 und stellte ihn mit sofortiger Wirkung vom "Arbeitsverhältnis" frei.

Die Abberufung des Klägers als Gesellschafter wurde am 2. Juni 2006 in das Handelsregister beim Amtsgericht Ulm als zuständigem Registergericht eingetragen.

Am 1. September 2006 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der ALF GmbH eröffnet. Am 8. September 2006 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Insg. Im Antragsformular gab er an, das Netto-Arbeitsentgelt habe sich in der Zeit vom 1. Mai bis zum 31. August 2006 auf 2.256,23 EUR monatlich belaufen (brutto 3.150,- EUR) und es sei keine, auch keine teilweise Zahlung erfolgt. Im Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH gab der Kläger unter dem 15. September 2006 an, er habe neben Herrn Sch. die Gesellschaft bis 31. März 2006 nach außen vertreten und sei dabei alleinvertretungsberechtigt gewesen (Ziff. 1.7). Er habe eine Sperrminortät inne gehabt (Ziff. 1.9) und sei bezüglich Zeit, Ort und Art der Beschäftigung keinem Weisungsrecht der Gesellschaft unterworfen gewesen (Ziff. 2.5). Bis einschließlich 31. März 2006 habe er seine Tätigkeit in der Gesellschaft frei bestimmen und gestalten können (Ziff. 2.7). Seinen Urlaub habe er sich nicht genehmigen lassen müssen (Ziff. 2.13). Zu seinen bisherigen beruflichen Tätigkeiten gab der Kläger an, für die B. GEBA Haus von 1982 bis 2003 als kaufmännischer Leiter tätig gewesen zu sein, davon ab 1998 selbständig.

Der Insolvenzgeldantrag wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 24. Oktober 2006 mit der Begründung abgelehnt, der Kläger sei kein Arbeitnehmer i.S. des § 183 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), auch nicht nach seiner Abberufung als Geschäftsführer. Den dagegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, er sei jedenfalls ab dem 1. April 2006 im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses tätig gewesen und habe Weisungen in Bezug auf Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung unterlegen, insbesondere seitens Herrn S. und Herrn M. von der LAW Unternehmensberatung GmbH (im Folgenden: LAW GmbH).

In der schriftlichen Auskunft vom 7. November 2006 führte der Insolvenzverwalter Ge. (SKP Partnerschaftsgesellschaft) aus, die letzte Zahlung des Geschäftsführergehalts an den Kläger sei für den Monat März 2006 zum 12. Mai 2006 erfolgt. Die Lohn- und Gehaltsabrechnungen seien vom Kläger selbst erstellt worden. Gehaltszahlungen auf der Basis als Arbeitnehmer unter Abzug und Abführung der jeweiligen Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung seien zugunsten und an den Kläger ab April 2006 nicht erfolgt.

Der Widerspruch des Klägers wurde daraufhin von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 1. Dezember 2006 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei weder bis zu seiner Abberufung als Geschäftsführer Arbeitnehmer gewesen noch sei danach ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis entstanden. Wie in der Gesellschafterversammlung vom 25. März 2006 beschlossen worden sei, sollte die weitere Tätigkeit des Klägers nach dem Ausscheiden als Geschäftsführer zum 1. April 2006 im Rahmen einer freien Mitarbeiterschaft erfolgen. Bei dem im Jahr 2003 geschlossenen Geschäftsführeranstellungsvertrag handele es sich um einen Dienstvertrag i.S. eines freien Dienstverhältnisses nach § 611 BGB und nicht um einen Arbeitsvertrag. Selbst wenn zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden haben sollte, lebe dieses nach Beendigung des Anstellungsvertrages als Geschäftsführer nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung nicht wieder auf. Im Abschluss eines Geschäftsführerdienstvertrages sei die konkludente Aufhebung eines bisherigen Arbeitsverhältnisses zu sehen (Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 24. November 2005 - 2 AZR 614/04 -).

Am 5. Dezember 2006 hat der Kläger dagegen Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben und zur Begründung ausgeführt, er sei bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die ALF GmbH deren Arbeitnehmer gewesen und habe daher Anspruch auf InsG im Insolvenzgeldzeitraum. Nach den Vorstellungen der Herren M. und S. von der LAW GmbH habe seine weitere Tätigkeit zwar im Rahmen einer freien Mitarbeiterschaft erfolgen sollen. Eine solche Vereinbarung sei jedoch in der Folgezeit zwischen ihm und der Insolvenzschuldnerin nicht getroffen worden. Vielmehr sei er als Arbeitnehmer eingesetzt worden. Er habe bereits unmittelbar nach seiner Abberufung die Tätigkeit als Arbeitnehmer aufgenommen. Er sei vom 26. März 2006 bis zu seiner Freistellung am 8. Mai 2006 durch die Insolvenzschuldnerin täglich im Betrieb in Merklingen gewesen und dabei vollständig in den Betrieb und den Betriebsablauf eingegliedert gewesen. Er habe nach Anweisung von Herrn S. Tätigkeiten im Bereich der Vorbereitung, Erstellung und Durchführung von Zahlungsaufträgen durchgeführt. Nach Anweisung der Geschäftsleitung sowie der Herren M. und S. sei er zudem mit dem Aufbau einer Einkaufsabteilung beschäftigt gewesen. Durch die tatsächliche Weiterbeschäftigung ab dem 26. März 2006 sei stillschweigend ein neues abhängiges, sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis entstanden. Daraus, dass für diese Arbeitnehmertätigkeit keine Gehaltszahlungen geleistet wurden, könne kein Indiz gegen das Vorliegen einer solchen Tätigkeit hergeleitet werden. Dass ein solches Arbeitsverhältnis begründet worden sei, werde auch durch den Wortlaut des Kündigungsschreibens vom 8. Mai 2006 deutlich, in welchem von der Kündigung eines "Arbeitsverhältnisses" gesprochen werde. Auch der Insolvenzverwalter habe im Schreiben vom 1. September 2006 die mit der Kündigung ausgesprochene Freistellung von der "Arbeitsleistung" bestätigt.

Die Beklagte ist der Klage unter Bezugnahme auf die ergangenen Bescheide entgegen getreten.

Das SG hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 29. Mai 2008 den Kläger informatorisch angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Sch. und S ... Wegen der Einzelheiten wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift Bezug genommen.

Durch Urteil vom 29. Mai 2008 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei für die ALF GmbH nicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses und damit nicht als Arbeitnehmer tätig geworden. Ein Beschäftigungsverhältnis habe weder vor dem 25. März 2006 noch danach bestanden.

Für die Zeit vor dem 25. März 2006 könne aus den gesellschaftsvertraglichen Regelungen allein noch nicht hergeleitet werden, dass der Kläger für die ALF GmbH nicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses tätig geworden sei. Der Kläger habe zunächst über einen Anteil von 7,14 %‚ seit der Kapitalerhöhung im Jahr 2006 von 14,58 % an der GmbH verfügt, während Beschlüsse dem Gesellschaftsvertrag zufolge mit einfacher Mehrheit gefasst werden konnten. Eine Sperrminorität zu Gunsten des Klägers habe der Gesellschaftsvertrag nicht begründet. Die weiteren Umstände schlössen jedoch für die Zeit vor dem 25. März 2006 die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses aus. Der Kläger sei als kaufmännischer Leiter für die ALF GmbH tätig geworden. Darin sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ein wesentliches Indiz gegen das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses zu sehen. Zudem habe er Alleinvertretungsmacht besessen und sei von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit gewesen. Auch die Regelungen im Geschäftsführeranstellungsvertrag sprächen gegen das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses. Danach habe der Kläger die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers im Sinne der arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften wahrgenommen, sei nicht an bestimmte Arbeitszeiten gebunden gewesen und habe seinen Urlaub nicht genehmigen lassen, sondern lediglich die Belange der GmbH berücksichtigen müssen. Auch sei der Gesellschafterbeschluss vom Juli 2003 über die Einräumung einer Sperrminorität des Klägers mit der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses kaum zu vereinbaren. Insoweit komme es nicht darauf an, ob und unter welchen Voraussetzungen ein solcher Gesellschafterbeschluss ohne ausdrückliche Änderung des Gesellschaftsvertrages wirksam sei. Maßgeblich sei vielmehr, dass dieser Beschluss tatsächlich die Tätigkeit des Klägers jedenfalls bis zum 25. März 2006 geprägt habe. Dementsprechend habe der Kläger in der mündlichen Verhandlung gerade zur Begründung für seine Auffassung, er sei bis zum 25. März 2006 kein Arbeitnehmer gewesen, auf die eingeräumte Sperrminorität hingewiesen.

Eine wesentliche Änderung sei auch in der Zeit ab dem 25. März 2006 nicht eingetreten. Insbesondere habe der Beschluss über die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer - unabhängig von der Frage seiner Wirksamkeit - nicht zum Entstehen eines Beschäftigungsverhältnisses geführt. Die Stellung als Vertretungsorgan einer juristischen Person sei von dem dieser Stellung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis, regelmäßig einem Anstellungsvertrag, zu unterscheiden. Die Abberufung als Vertretungsorgan führe daher nicht automatisch zum Ende des Anstellungsvertrages; dieser bestehe vielmehr bis zu seinem Ablauf bzw. dem Wirksamwerden einer Kündigung fort. Dies gelte zum einen für die privatrechtliche Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen nach einer Abberufung ein Arbeitsverhältnis entstehen könne, sei aber auch bei der öffentlich-rechtlichen Frage zu berücksichtigen, ob ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne der Vorschriften über die Sozialversicherung bestehe. Es müssten daher, falls bis zur Abberufung kein Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnis vorgelegen habe, besondere Umstände vorliegen, die die Annahme rechtfertigten, die weitere Tätigkeit erfolge nunmehr im Rahmen eines Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnisses.

Dabei könne offen bleiben, ob der Gesellschafterbeschluss vom 25. März 2006 wirksam gewesen sei. Hierzu hätten die Zeugen Sch. und S. in der mündlichen Verhandlung glaubhaft angegeben, der Kläger habe zunächst geltend gemacht, seine Abberufung sei unwirksam. Auch sei eine Eintragung der Abberufung in das Handelsregister zunächst nicht erfolgt. Selbst wenn aber die Wirksamkeit der Abberufung unterstellt würde, lägen keine besonderen Umstände vor, aus denen auf die Entstehung eines Beschäftigungsverhältnisses geschlossen werden könne. Vielmehr sei die Tätigkeit des Klägers für die ALF GmbH weiterhin auf der Grundlage des im Jahr 2003 geschlossenen Anstellungsvertrages erfolgt, auf den sich auch die zum 31. Dezember 2006 ausgesprochene Kündigung vom 8. Mai 2006 bezogen habe. Eine neue vertragliche Vereinbarung sei auch nach dem Vortrag des Klägers nicht zustande gekommen, weder schriftlich noch mündlich. Von einer relevanten Weisungsunterworfenheit des Klägers in der Zeit ab dem 25. März 2006, insbesondere gegenüber dem Zeugen S. und Herrn M. könne nach den glaubhaften Ausführungen der Zeugen Sch. und S. nicht ausgegangen werden. Der Zeuge S. habe insoweit betont, dass die LAW GmbH für die ALF GmbH nicht im operativen Geschäft, sondern lediglich beratend tätig gewesen sei und dass er dementsprechend im Rahmen seiner Tätigkeit über keine Weisungsbefugnis, weder gegenüber dem Kläger noch gegenüber anderen Mitarbeitern der ALF GmbH verfügt habe. Keine ausschlaggebende Bedeutung komme insoweit dem Umstand zu, dass es im Kündigungsschreiben vom 8. Mai 2006 heiße, das "Arbeitsverhältnis" des Klägers werde gekündigt. Die Bezeichnung eines freien Dienstvertrages als Arbeitsverhältnis sei unzutreffend, könne aber unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zur rückwirkenden Begründung eines Arbeitsverhältnisses führen. Schließlich könne auch nicht für die Zeit nach Zugang der Kündigung vom 8. Mai 2006 vom Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses ausgegangen werden. Eine regelmäßige Arbeitsleistung habe der Kläger nach den Angaben des Zeugen Sch., die vom Kläger nicht in Frage gestellt worden seien, nicht mehr erbracht, was gegen eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation spreche. Zudem sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass diese Tätigkeit auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages erfolgt sei. Nachvollziehbar erscheine insoweit die Einschätzung des Zeugen Sch., der Kläger sei insoweit auf Grund seiner Verpflichtung als Gesellschafter tätig geworden.

Gegen das dem Kläger am 19. Juni 2008 zugestellte Urteil richtet sich die am 18. Juli 2008 zum Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung, mit welcher der Kläger das bisherige Vorbringen wiederholt und vertieft hat. Ergänzend wird ausgeführt, nach der Rechtsprechung des BSG sei bei Geschäftsführern, die zwar zugleich Gesellschafter seien, jedoch weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine so genannte Sperrminorität verfügten, im Regelfall von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Eine hiervon abweichende Beurteilung komme nur dann in Betracht, wenn besondere Umstände des Einzelfalls den Schluss zuließen, es liege keine Weisungsgebundenheit vor. Solche besonderen Umstände seien indessen vorliegend nicht gegeben. Zwar habe die kaufmännische Leitung durch den Kläger im Wesentlichen die Buchhaltung und Lohnbuchhaltung umfasst. Die wesentlichen wirtschaftlichen Entscheidungen für die ALF GmbH seien jedoch stets in enger Abstimmung mit dem anderen Geschäftsführer, Herrn Sch. sowie einem anfänglich tätigen weiteren Geschäftsführer, Herrn Albrecht, getroffen worden. In vielen Fällen - in wichtigen Fällen stets - seien die Entscheidungen auch mit den anderen Gesellschaftern abgestimmt worden. Für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit sprächen auch nicht notwendig das Vorliegen einer Alleinvertretungsbefugnis, die Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot und der Umstand, dass er nach dem Gesellschafterbeschluss vom 25. Juli 2003 die Rechte und Pflichten eines Arbeitgeber wahrnehmen sollte. Denn maßgeblich sei insoweit die Bindung an das das willensbildende Organ, also in der Regel die Gesamtheit der Gesellschafter. Diese Bindung habe sich auch nicht durch den Gesellschafterbeschluss vom 25. Juli 2003 geändert, durch welchen ihm, Herrn Sch. sowie Herrn Albrecht eine Sperrminorität eingeräumt worden sei. Der die Sperrminorität begründende Beschluss sei als Satzungsänderung bereits formnichtig nach § 125 BGB, weshalb eine solche Sperrminorität nie wirksam entstanden sei. Seine in der mündlichen Verhandlung vor dem SG geäußerte Auffassung, wegen der Sperrminorität selbständig gewesen zu sein, habe auf der Statusfeststellung des Arbeitsamts Ulm vom 6. August 2003 beruht, wonach Herr Sch. selbständig sei. Da mit diesem identische vertragliche Vereinbarungen wie mit ihm selbst getroffen worden seien, sei er davon ausgegangen, auch selbständig gewesen zu sein in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer. Dass er keine selbständige Tätigkeit im Betrieb innegehabt habe, werde schließlich dadurch deutlich, dass seine Abberufung als Geschäftsführer ohne seine Mitwirkung habe durchgesetzt werden können.

Was die Zeit nach seiner Abberufung als Geschäftsführer betreffe, so sei das SG zu Unrecht davon ausgegangen, die Weiterbeschäftigung nach dem 25. März 2006 sei auf der Grundlage des im Jahre 2003 geschlossenen Anstellungsvertrages erfolgt. Zutreffend sei, dass keine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung zwischen der Insolvenzschuldnerin und ihm für den Zeitraum nach dem 25. März 2006 geschlossen worden sei. Aufgrund seiner tatsächlichen Weiterbeschäftigung sei jedoch stillschweigend ein neues abhängiges, sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis begründet worden. Das SG habe es versäumt, weitere Feststellungen zur Weisungsabhängigkeit in dieser Tätigkeit gegenüber der LAW GmbH und insbesondere gegenüber Herrn S. zu treffen. Entgegen dessen Aussage, nicht in das operative Geschäft der ALF GmbH eingegriffen und keinem der Mitarbeiter Weisungen erteilt zu haben, könne dieser als Interimsgeschäftsführer betrachtet werden. Denn nicht nur die LAW GmbH habe gegenüber der Insolvenzschuldnerin Rechnungen gestellt, auch Herr S. habe persönlich eine Vergütung von der Insolvenzschulderin verlangt und erhalten. Zudem habe das SG nicht die Diskrepanzen zwischen den Aussagen der Zeugen Sch. und S. gewürdigt.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger ergänzend ausgeführt, bei der Höhe des beanspruchten Insg wegen ausgefallenen Arbeitsentgelts habe er sich orientiert an dem Gesellschafterbeschluss vom 25. März 2006 und der darin dem Geschäftsführer, Herrn Sch., zugestandenen Vergütung. Auch zwei oder drei andere Mitarbeiter hätten dieses Gehalt in der Folgezeit bekommen. Mit ihm sei eine entsprechende Vereinbarung allerdings nicht geschlossen worden. Vor der Abberufung habe er ein Geschäftsführergehalt von 4800,- EUR brutto erhalten. Nach der Abberufung sei er zunächst nur sporadisch für die ALF GmbH tätig geworden, ab Mitte Juli 2006 habe man ihn jedoch wieder gebraucht, um die Insolvenzunterlagen zusammenzustellen. Herr Sch. habe kein Insg bekommen, zwei oder drei Angestellte der ALF GmbH hätten es aber erhalten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 29. Mai 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Dezember 2006 zu verurteilen, ihm Insolvenzgeld für die Zeit vom 1. Juni bis 31. August 2006 nach einem Arbeitsentgelt von 3.150,- EUR brutto monatlich zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das ergangene Urteil für zutreffend. Zur Berufungsbegründung führt sie aus, mit seinem Vorbringen, eine Sperrminorität sei nie wirksam entstanden, zudem sprächen die Regelungen im Gesellschafteranstellungsvertrag für eine abhängige Beschäftigung, setze sich der Kläger in Widerspruch zu seinem eigenen bisherigen Vortrag. Insbesondere habe der Kläger bisher nicht bestritten, während seiner Geschäftsführertätigkeit nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden zu haben. Dem entsprächen auch die früheren Angaben des Klägers im Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH. Dies umso mehr, als dem Kläger als früherem Leiter der Buchhaltung und ehemaligem Steuerbevollmächtigten mit Sicherheit bekannt gewesen sei, welche Kriterien bei der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung einer Tätigkeit von Bedeutung seien. Diese Einschätzung habe der Kläger auch durch seine Aussage in der mündlichen Verhandlung vor dem SG nochmals bestätigt, wonach er der Auffassung sei, selbständig gewesen zu sein, solange er noch der Geschäftsführer der GmbH gewesen sei. Ob die Sperrminorität formwirksam vereinbart bzw. vom Kläger in Anspruch genommen worden sei, sei nicht entscheidend.

Die stillschweigende Begründung eines Arbeitsverhältnisses nach der Abberufung als Geschäftsführer sei nicht vorstellbar, da die GmbH lediglich an einer freien Mitarbeit interessiert gewesen sei. Dies gehe klar aus dem Kündigungsschreiben vom 8. Mai 2006 hervor. Zudem sei der Kläger mit sofortiger Wirkung freigestellt worden und habe danach nach der Aussage des Zeugen Sch. nur noch stundenweise gearbeitet. Von einer arbeitnehmertypischen Weisungsunterworfenheit könne daher nicht die Rede sein.

Der Berichterstatter des Senats hat am 30. Oktober 2008 einen Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstands mit den Beteiligten durchgeführt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Klageakten des SG und die Berufungsakten des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 151 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist auch statthaft gemäß § 143 SGG, da der Beschwerdewert von 750,- EUR gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der ab 1. April 2008 geltenden Fassung (BGBl. I S. 444) überschritten ist.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 24. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Dezember 2006 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Insg für die Zeit vom 1. Juni bis 31. August 2006, da die Voraussetzungen des § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden und hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente (Job-AQTIV-Gesetz vom 10. Dezember 2001, BGBl. I S. 3443) nicht erfüllt sind.

Nach dieser Vorschrift haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insg, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei

1. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers, 2. Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder 3. vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich man gels Masse nicht in Betracht kommt, (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben.

Insolvenzzeitpunkt im Sinne des § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III als maßgeblicher Ausgangspunkt der Berechnung eines möglichen Anspruches ist der 1. September 2006 als Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der ALF GmbH durch Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - Ulm.

Der Insg-Zeitraum umfasst die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses, die dem Insolvenzereignis vorausgehen. Dies ist vorliegend der Zeitraum vom 1. Juni bis 31. August 2006, in welchem der Geschäftsführeranstellungsvertrag mit dem Kläger zwar durch Schreiben der ALF GmbH vom 8. Mai 2006 gekündigt worden war, allerdings (erst) mit Wirkung zum 31. Dezember 2006. Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Insg, weil er im Insg-Zeitraum, der für die Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft allein maßgebend ist, nicht als Arbeitnehmer tätig war (Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, K § 183 Rdnr. 30).

Allerdings war die Stellung des Klägers als Geschäftsführer für die ALF GmbH nach der Überzeugung des Senats bereits vor Beginn des Insg-Zeitraums infolge der Nichtanfechtung des Abberufungsbeschlusses vom 25. März 2006 wirksam beendet. Den Gesellschaftern stand es nach § 38 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) jederzeit frei, den Kläger als Geschäftsführer ohne Vorliegen von Gründen abzuberufen, da nach dieser Regelung die Bestellung der Geschäftsführer zu jeder Zeit widerruflich ist. Allerdings ergibt sich aus § 38 Abs. 2 Satz 1 GmbHG, dass im Gesellschaftsvertrag die Zulässigkeit des Widerrufs auf den Fall beschränkt werden kann, dass ein wichtiger Grund vorliegt, wovon indessen im Gesellschaftsvertrag vom 19. Mai 2004 kein Gebrauch gemacht wurde. Damit konnte die Abberufung mit konstitutiver Wirkung durch Beschluss der Gesellschafterversammlung erfolgen, für welchen nach § 6 Ziff. 6.4 des Gesellschaftsvertrages die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügte. Diese Regelung, wonach die Beschlussfassung mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen erfolgt, soweit nicht das Gesetz zwingend eine andere Mehrheit vorschreibt, ist rechtlich unbedenklich. Denn das (GmbH-) Gesetz schreibt für den Fall der Abberufung eines GmbH-Geschäftsführers keine besondere (qualifizierte) Mehrheit vor (vgl. auch Brandenburgisches Oberlandesgericht (OLG), Urteil vom 30. Januar 2008 - 7 U 59/07 - (juris) m.w.N.).

Es ist auch im Übrigen weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Abberufungsbeschluss vom 25. März 2006 aus anderen Gründen unwirksam oder rechtswidrig ist. Dass der Kläger sich offenbar weigerte, den Beschluss zu unterschreiben bzw. diesen (zunächst) zu akzeptieren, vermag hieran nichts zu ändern. Denn er muss den Gesellschafterbeschluss gegen sich gelten lassen, da er diesen nicht angefochten hat. Der Bundesgerichtshof (BGH) geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Gesellschafterbeschlüsse endgültig verbindlich sind, wenn sie nicht von einem Gesellschafter innerhalb einer am Leitbild des § 246 Aktiengesetz - und der dortigen Monatsfrist - orientierten kurzen Frist angefochten werden (BGH GmbHR 99, 714 m.w.N.; vgl. auch OLG Nürnberg, Urteil vom 22. Dezember 2000 - 6 U 1604/00 -, NZG 2001, 810). Damit ist der Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 25. März 2006, welcher dem Kläger als bei der Versammlung Anwesendem an diesem Tag zugegangen ist, jedenfalls vor Beginn des Insg-Zeitraums am 1. Juni 2006 diesem gegenüber wirksam geworden. Die Eintragung der Abberufung als Geschäftsführer in das Handelsregister (vgl. § 39 Abs. 1 GmbHG) am 2. Juni 2006 ist für die Wirksamkeit der Abberufung ohne Bedeutung. Denn diese ist keine Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Abberufung; die Anmeldepflicht hat lediglich deklaratorische Bedeutung (Wiesner in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, Aktiengesellschaft, 2. Aufl. 1999, § 20 Rdnr. 65 bis 67).

Endete damit die Geschäftsführertätigkeit des Klägers vor Beginn des Insg-Zeitraums, so bedarf keiner Erörterung, wie dessen Stellung nach den von der Rechtsprechung des BSG entwickelten Grundsätzen zur Arbeitnehmereigenschaft bei Gesellschafter-Geschäftsführern (BSG SozR 3-4100 § 168 Nr. 5 und 18; BSG SozR 3-4100 § 141b Nr. 17; BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 30/04 R -, ZIP 2006, 678; Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R - SozR 4-2400 § 7 Nr. 7 und Urteile vom 4. Juli 2007 - B 11a AL 5/06 R - SozR 4-2400 § 7 Nr. 8 und - B 11a AL 5/06 R - (juris)) bei - unterstelltem - Fortbestand seiner Geschäftsführerstellung innerhalb des Insg-Zeitraums einzustufen wäre. Auch in diesem Fall ist der Senat der Auffassung, dass nicht von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen wäre.

Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III sind Personen versicherungspflichtig, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Die Beschäftigung wird in § 7 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV), der gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB IV auch für die Arbeitsförderung gilt, gesetzlich definiert. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Arbeitnehmer ist hiernach, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Erforderlich ist insbesondere eine Eingliederung in den Betrieb und die Unterordnung unter ein Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung umfassendes Weisungsrecht des Arbeitgebers (BSGE 38, 53, 57 = SozR 4600 § 56 Nr. 1; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 1; BSG, Urteil vom 24. Januar 2007, a.a.O.). Demgegenüber ist die selbständige Tätigkeit in erster Linie durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (s. zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung, Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 = SozR 3-2400 § 7 Nr 11).

Nach diesen Grundsätzen ist auch zu beurteilen, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH zu dieser in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht. Eine Abhängigkeit gegenüber der Gesellschaft ist danach nicht bereits durch die Stellung des Geschäftsführers als Gesellschafter ausgeschlossen. Beim am Stammkapital der Gesellschaft beteiligten Geschäftsführer ist der Umfang der Beteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenen Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal. Bei Fremdgeschäftsführern, die nicht am Gesellschaftskapital beteiligt sind, hat das BSG dementsprechend regelmäßig eine abhängige Beschäftigung angenommen, soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die eine Weisungsgebundenheit im Einzelfall ausnahmsweise aufheben (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; SozR 4-2400 § 7 Nr. 1). Vergleichbares muss nach der Rechtsprechung des BSG auch bei Geschäftsführern gelten, die zwar zugleich Gesellschafter sind, jedoch weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine so genannte Sperrminorität verfügen (SozR 4-2400 § 7 Nr. 1; vgl. auch BSG, Urteile vom 14. Dezember 1999 - B 2 U 48/98 R - und vom 4. Juli 2007, a.a.O.). Auch für diesen Personenkreis ist im Regelfall von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Eine hiervon abweichende Beurteilung kommt wiederum nur dann in Betracht, wenn besondere Umstände des Einzelfalls den Schluss zulassen, es liege keine Weisungsgebundenheit vor.

Hiervon ausgehend war ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis des Klägers in Ausübung seiner Gesellschafter-Geschäftsführertätigkeit schon mit Blick darauf zu verneinen, dass ihm durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 25. Juli 2003 eine Sperrminorität in der Weise eingeräumt worden war, dass Beschlüsse der Gesellschafterversammlung nur mit seiner Zustimmung Wirksamkeit erlangten. Dass diese Beschlussfassung als Änderung des Gesellschaftsvertrages der notariellen Beurkundung bedurft hätte (§ 2 Abs. 1 GmbHG) und daher formunwirksam war (§ 125 BGB), ist unschädlich. Ob eine Tätigkeit abhängig beschäftigt oder selbstständig verrichtet wird, entscheidet sich nach dem Gesamtbild, d.h. letztlich danach, welche Tätigkeitsmerkmale überwiegen. Hierbei ist auch die vertragliche Ausgestaltung zu beachten. Weicht diese jedoch von den tatsächlichen Verhältnissen ab, haben diese ausschlaggebende Bedeutung (BSGE 13, 130, 132 = SozR Nr 20 zu § 165 RVO; BSGE 36, 7, 8 = SozR Nr. 73 zu § 165 RVO; vgl. auch Bayerisches LSG, Urteil vom 28. September 2006 - L 10 AL 383/03 - (juris)). Hiervon ausgehend dürften die "Vereinbarungen mit selbständig tätigen Gesellschafter-Geschäftsführern" vom 25. Juli 2003 trotz deren (möglicher) Formunwirksamkeit prägend gewesen sein für das Verhältnis zwischen der ALF GmbH und dem Kläger und diesem eine arbeitgeberähnliche, selbständige Stellung verschafft und gesichert haben. Für eine solche selbständige, nicht weisungsgebundene Stellung und gegen eine Arbeitnehmertätigkeit sprechen zudem einige weitere Indizien wie die Alleinvertretungsbefugnis des Klägers im Außenverhältnis, die Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot, die fehlende Bindung an feste Arbeitszeiten und die Befreiung vom Erfordernis, sich Urlaub genehmigen lassen zu müssen. Von Gewicht ist insoweit auch die Beteiligung des Klägers am unternehmerischen Risiko der GmbH, die ihren Ausdruck fand in der Vereinbarung eines - niedrigen - Grundgehalts von monatlich 500,- EUR und einer im Übrigen umsatzabhängigen Vergütung von 5 v.H. des Nettoumsatzes. Schließlich kommt diesbezüglich auch der Selbsteinschätzung des Klägers Indizwirkung zu, die aus seinen Angaben vom 15. September 2006 im Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Gesellschafter-Geschäftsführern deutlich wird. Insoweit ist nicht nur von Belang, dass der Kläger das Vorliegen einer Weisungsgebundenheit verneint (Ziff. 2.5), sondern auch unter Ziff. 1.9 das Vorliegen einer Sperrminorität bejaht hat, was nahe legt, dass er von deren wirksamer Einräumung ausging, wie er dies auch noch in der mündlichen Verhandlung vor dem SG bekräftigt hat.

Der Kläger war auch nach seiner Abberufung als Geschäftsführer aus den vom SG zutreffend dargestellten Gründen nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit der ALF GmbH tätig, sondern allein und weiterhin auf der Grundlage des Geschäftsführeranstellungsvertrags vom 31. Juli 2003. Hinsichtlich der Rechtsstellung eines Vertretungsorgans einer juristischen Person ist zu unterscheiden zwischen dem Organisationsakt der Bestellung und dem der Bestellung zugrunde liegenden Vertrag. Endet die Organstellung, so besteht das Anstellungsverhältnis bis zu seinem Ablauf oder seiner Kündigung fort. Der Verlust der Organstellung führt nicht automatisch zur Beendigung des Anstellungsverhältnisses (BAG in ständiger Rechtsprechung, s. Beschlüsse vom 18. Dezember 1996 - 5 AZB 25/96 -, BAGE 85, 46 und vom 21. Februar 1994 - 2 AZB 28/93 - AP Nr. 17 zu § 5 ArbGG 1979 = EzA § 2 ArbGG 1979 Nr. 28 m.w.N.).

Eine im Insg-Zeitraum wirksam gewordene Kündigung des Anstellungsvertrages liegt nicht vor. Die durch den anderen Geschäftsführer, Herrn Sch., schriftlich unter dem 8. Mai 2006 ausgesprochene ordentliche Kündigung erfolgte (erst) mit Wirkung zum 31. Dezember 2006. Unabhängig davon dürfte diese Kündigung auch unwirksam gewesen sein. Denn die Kündigung des Anstellungsverhältnisses eines GmbH-Geschäftsführers kann - wie dessen Abberufung - nur durch die Gesellschafterversammlung erfolgen (OLG Nürnberg, Urteil vom 22. Dezember 2000, a.a.O.). Hieran fehlt es, es sei denn, man wollte den Beschluss vom 25. März 2006, den Kläger als Geschäftsführer abzuberufen, zugleich als Kündigung des Anstellungsvertrages auslegen. Dagegen spricht aber wiederum die "nachgereichte" Kündigung des Anstellungsvertrages unter Wahrung der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist.

Nach dem somit während des gesamten Insg-Zeitraums fortbestehenden Anstellungsvertrags war der Kläger nicht zur Ableistung weisungsgebundener Arbeit verpflichtet. In diesem Vertrag ist ein freier Dienstvertrag nach §§ 611 ff. BGB zu sehen, in dem die beiderseitigen Rechte und Pflichten einschließlich der dem Geschäftsführer geschuldeten Vergütung vereinbart wurden. Das Dienstverhältnis war insbesondere nicht auf die Ausübung einer abhängigen Beschäftigung gerichtet, was - neben der Einräumung der Alleinvertretungsbefugnis und der Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot - auch darin deutlich wird, dass unter § 2 Ziff. 2.3. vereinbart war, dass der Geschäftsführer die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers im Sinne der arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften wahrnimmt. Die Abberufung änderte insofern den Vertragsinhalt nicht. Sie führte nicht dazu, dass der Kläger zu einem abhängig beschäftigten Angestellten wurde (vgl. auch BSG, Urteil vom 11. April 1984 - 12 RK 45/83 - SozR 4100 § 168 Nr. 17). Gleiches gilt für die Wortwahl des Kündigungsschreibens vom 8. Mai 2006 ("Arbeitsverhältnis").

Auch die weiteren Umstände bis zur (endgültigen) Freistellung des Klägers zum 8. Mai 2006 haben nicht zur Entstehung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses geführt. Schon der Gesellschafterbeschluss vom 25. März 2006, wonach die Tätigkeit des Klägers für die ALF GmbH nach seiner Abberufung als Geschäftsführer zum 1. April 2006 "im Rahmen einer freien Mitarbeiterschaft" erfolgen sollte, spricht gegen einen Rechtsbindungswillen der GmbH, gerichtet auf Eingehung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses mit dem Kläger. Hiergegen spricht übrigens auch der Umstand, dass die ALF GmbH zu diesem Zeitpunkt bereits in großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckte - diese waren auch der Hintergrund der Abberufung des Klägers - und von daher nicht ohne Weiteres angenommen werden kann, dass seitens der GmbH der rechtsgeschäftliche Wille zur Eingehung (weiterer) Beschäftigungsverhältnisse vorhanden war. Unter diesen Umständen kann auch nicht der Abschluss eines stillschweigenden bzw. konkludenten Beschäftigungsverhältnisses mit dem Kläger angenommen werden, denn auch hierfür hätte es entsprechender Willensäußerungen bedurft, die nicht erkennbar sind. Das Fehlen übereinstimmender Willenserklärungen wird ganz deutlich an der Höhe des vom Kläger beanspruchten Insg wegen ausgefallenen Arbeitsentgelts. Insoweit hat sich der Kläger, wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingeräumt hat, einseitig, also ohne Vereinbarung oder Absprache mit einem legitimierten Vertreter der ALF GmbH, an dem Betrag von 3.150,- EUR brutto orientiert, welcher dem Geschäftsführer von der Gesellschafterversammlung am 25. März 2006 zugestanden wurde.

Allein der Umstand, dass die LAW GmbH mit der Erarbeitung eines Sanierungskonzepts beauftragt wurde und deren Mitarbeiter, insbesondere der Zeuge S., bei der ALF GmbH eingesetzt wurden, führt nicht zum Abschluss eines (konkludenten) Beschäftigungsverhältnisses mit dem Kläger. Dies umso mehr, als, wie die Zeugen Sch. und S. im Kern übereinstimmend vor dem SG ausgesagt haben, der Kläger bis zur Freistellung am 8. Mai 2006 seinen Aufgabenbereich im Wesentlichen behalten hat und keiner umfassenden Weisungsbefugnis unterlag, weder gegenüber Mitarbeitern der LAW GmbH, deren Tätigkeit sich im Wesentlichen auf den beratenden, nicht operativen Bereich beschränkte noch gegenüber anderen Personen. Nichts anderes ist erkennbar für die Tätigkeit des Klägers im Juli 2006, als es ihm nach seinen Angaben oblag, die Unterlagen für das bevorstehende Insolvenzverfahren zusammenzustellen.

Der Kläger hat somit für den gesamten Zeitraum vom 1. Juni bis 31. August 2006 mangels Arbeitnehmerstellung keinen Anspruch auf Insg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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