L 5 KR 5145/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 3392/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 5145/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. August 2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin bei dem R. W. (R.W. - Beigeladener Nr. 3) seit 01.04.1986 eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat.

Die 1959 geborene Klägerin ist gelernte Bäckerin, sie heiratete am 30.08.1985 den Bäckermeister R.W ... Ein Ehevertrag wurde nicht abgeschlossen, zwischen den Eheleuten besteht der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Der Ehe entstammen drei 1986, 1988 und 1991 geborene Kinder. Am 01.04.1986 wurde der Bäckereibetrieb R.W. gegründet, zuvor waren die Eheleute in verschiedenen Angestelltenverhältnissen tätig. 1991 erwarben sie das Gebäude Hauptstraße 100 in Nordheim, die Produktions-, Lager- und Verkaufsräume befinden sich im Erdgeschoss, den ersten Stock bewohnt die Klägerin und ihre Familie, das zweite Obergeschoss ist fremd vermietet. Das Gebäude steht nach eigenen Angaben in gleichwertigem Eigentum der Eheleute W ... Es kostete knapp 1,1 Million DM. Finanziert wurde es durch Eigenkapital in Höhe von 120.000,- DM, der Rest wurde durch Darlehen und Bürgschaften aufgebracht. Ein Drittel der Eigenmittel stammte von der Klägerin, die sich als Darlehensnehmerin auch zur Rückzahlung einiger Kredite verpflichtete, für andere Kredite gab sie Bürgschaften ab (Angaben des R. W. vor dem SG Bl. 48 und 149 SG-Akte).

Die Eheleute W. betrieben die Bäckerei arbeitsteilig. In der vom Ehemann R.W. geführten Produktion ist neben ihm noch ein Bäckergeselle tätig. Die Laden- und Verkaufstätigkeit obliegt der Klägerin, die auch die Aufsicht über die dort tätigen Mitarbeiterinnen, eine Bäckereifachverkäuferin, eine Halbtags- und eine Teilzeitkraft hat. Die Arbeitszeiten beider Eheleute orientieren sich - in der Produktion vorverlagert - an den Öffnungszeiten des Betriebes zwischen 05:30 Uhr und 12:30 Uhr bzw. 14:00 und 18:00 Uhr, Samstags von 5:30 bis 13:00 Uhr sowie Sonntags von 8 bis 11 Uhr. Ihren Arbeitsaufwand gibt die Klägerin für die Zeiten, als die Kinder klein waren, mit durchschnittlich 50 Wochenstunden, im Übrigen mit durchschnittlich 80 Wochenstunden an.

Seit Gründung des Betriebs am 01.04.1986 haben die Eheleute W. den R.W. als Betriebsinhaber ausgegeben, der die gesamten Einnahmen der Bäckerei gegenüber dem Finanzamt als Einnahmen aus Gewerbebetrieb (als Einzelunternehmer) versteuert hat. Die Klägerin besaß bezüglich des Geschäftskontos Vertretungsvollmacht und darüber hinaus mündliche Handlungsvollmacht, sie wurde jedoch von Anfang an gegenüber der Einzugsstelle als Angestellte gemeldet. Für sie wurden durchgehend seit 01.04.1986 Beiträge zur Sozialversicherung entrichtet, auch gegenüber der Unfallversicherung wurde sie als Angestellte gemeldet. Die Klägerin bezog als Gegenleistung für ihre Arbeit in der Bäckerei einen Arbeitslohn, der als solcher auch in der Buchhaltung verbucht, auf ihr privates Konto überwiesen und beim Finanzamt (unbeanstandet) als Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit versteuert wurde.

Unter dem 08.12.2004 beantragte die Klägerin die Einleitung eines Statusfeststellungsverfahrens. Sie sei ab 01.04.1986 als mitarbeitende Ehegattin in der Bäckerei und Konditorei R.W. tätig und dabei nicht an Zeit, Ort und Art ihrer weisungsfreien Tätigkeit gebunden. Sie habe für die Firma mehrere Darlehen übernommen, sei Miteigentümerin des Betriebsgebäudes und des Umlaufvermögens und habe aufgrund ihrer Vollmachten und Branchenkenntnisse die Mitverantwortung in der Firma. In dem beigefügten Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung gab sie an, ihre Tätigkeit betreffe die Firmenleitung, sie arbeite nach Bedarf und erhalte ein regelmäßiges monatliches Arbeitsentgelt von 1.800 EUR brutto. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag bestehe nicht, sie sei in den Betrieb eingegliedert und übe die Tätigkeit tatsächlich aus, andernfalls müsste eine fremde Arbeitskraft eingestellt werden. An Weisungen des Betriebsinhabers sei sie nicht gebunden, sie könne ihre Tätigkeit frei bestimmen und gestalten und verfüge auch über besondere Fachkenntnisse. Die Mitarbeit sei aufgrund familienhafter Rücksichtnahmen durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt. Urlaub werde nach betrieblichen Erfordernissen genommen, bei Arbeitsunfähigkeit werde das Arbeitsentgelt mindestens sechs Wochen fortgezahlt; das Arbeitsentgelt werde regelmäßig gezahlt, es sei jedoch aus betriebswirtschaftlichen Gründen niedriger als der ortsübliche Lohn. Das Arbeitsentgelt, das auf ihr privates Konto überwiesen worden sei, sei als Betriebsausgabe verbucht und hierfür sei Lohnsteuer auch entrichtet worden. Der Betrieb selbst werde in der Rechtsform eines Einzelunternehmens geführt, als Ehefrau sei sie am Zugewinn beteiligt. Ergänzend wurden von der Klägerin die Einkommensteuerbescheide des Finanzamts Heilbronn vom 24.05.2004 bzw. 06.04.2005 für die Jahre 2002 und 2003, eine Bescheinigung der Kreissparkasse Heilbronn über aufgenommene Darlehen der Eheleute W. sowie eine Kopie der Kontovollmacht zugunsten der Klägerin vorgelegt.

Mit Bescheid vom 12.07.2005 stellte die Beklagte fest, dass seit dem Beginn der Tätigkeit der Klägerin ab 01.04.1986 eine Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV vorgelegen habe und damit Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung bestehe. Die Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung seien zu Recht abgeführt worden. Zur Begründung führte die Beklagte aus, ihre Tätigkeit als "Firmenleitung" sei nicht losgelöst vom Betrieb zu sehen. Es handle sich um eine Bäckerei und Konditorei mit fünf Mitarbeitern, davon seien außer der Klägerin drei Mitarbeiter als Vollzeitkräfte und ein Mitarbeiter als Teilzeitkraft beschäftigt. In diesen Betrieb sei die Klägerin eingegliedert, andernfalls müsste eine fremde Arbeitskraft eingestellt werden. Vom Arbeitsentgelt werde Lohnsteuer entrichtet, es werde als Betriebsausgabe gebucht und sei die einzige Haupteinnahmequelle der Klägerin. Sie verfüge zwar über besondere Fachkenntnisse, weil sie den Beruf erlernt und seit 20 Jahren ausgeübt habe, ihr Ehemann als Betriebsinhaber mit der Qualifikation eines Bäckermeisters könne ihr jedoch grundsätzlich Weisungen erteilen. Dass das Weisungsrecht nur in abgeschwächter Form unter Ehegatten ausgeübt werde, stehe der Annahme einer Beschäftigung nicht entgegen. Bei dem Betrieb handle es sich um eine Einzelunternehmung, deren Inhaber ihr Ehemann sei. Sie selber trage kein unternehmerisches Risiko, weswegen eine selbständige Tätigkeit nicht vorliege.

Die Klägerin erhob hiergegen Widerspruch und vertrat die Rechtsauffassung, Arbeitnehmer sei nach § 7 SGB IV nur, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig sei. Persönliche Abhängigkeit erfordere eine Eingliederung in den Betrieb und eine Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers. Sei ein Weisungsrecht nicht vorhanden oder werde von ihm tatsächlich keinerlei Gebrauch gemacht, liege keine abhängige, sondern eine selbständige Tätigkeit vor. Eingliederung in den Betrieb und die Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers seien die zentralen Abgrenzungsmerkmale bei der Prüfung, ob eine abhängige oder eine versicherungsfreie Tätigkeit vorliege. Sämtliche in dem Betrieb anfallenden, auch leitenden Tätigkeiten bewältigten die Klägerin und ihr Ehemann arbeitsteilig. Aus der nach außen hin untergeordneten Stellung der Ehegattin sei nicht auf eine abhängige Beschäftigung zu schließen, wenn die anfallenden Aufgaben zwischen beiden Eheleuten nur gemeinschaftlich, respektive arbeitsteilig erledigt würden (Hinweis auf SG Dortmund vom 22.12.1992 - S 26 Ar 191/91). Hinzu komme, dass das Betriebsgebäude gemeinschaftliches Eigentum der Eheleute W. sei, die Klägerin somit ihr eigenes Vermögen schon in die betriebliche Planung und deren Umsetzung eingebracht habe.

Eine Eingliederung im Sinne der Rechtsprechung liege bei ihr nicht vor, das Merkmal der Eingliederung betreffe ausschließlich das innerbetriebliche Organisationsschema. Auch unterliege sie nicht einem Weisungsrecht ihres Ehemannes, sie arbeite gleichberechtigt mit ihrem Ehemann in einem Familienbetrieb. Der Umstand, dass kein schriftlicher Arbeitsvertrag unterzeichnet worden sei, zeige, dass der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer typische grundsätzliche Interessengegensatz zwischen ihr und ihrem Ehemann nicht vorliege. Gegen eine abhängige Tätigkeit spreche auch die Unangemessenheit des Entgelts von derzeit 1.800 EUR brutto monatlich. Zum einen könne sie damit allein nicht ihren Lebensunterhalt bestreiten, zum anderen belaufe sich der Bruttostundenlohn bei einer 80-Stunden-Woche lediglich auf 5,12 EUR brutto oder umgerechnet ca. 3 EUR netto. Dieses Entgelt reiche nicht an ortsübliche oder tarifliche Sätze auch nur ansatzweise heran. Für eine selbständige Tätigkeit spreche auch der Einsatz nicht unerheblicher finanzieller Mittel im Rahmen der Finanzierung der Geschäftsgründung und der Betriebsausstattung. Hier komme die unternehmerische Selbständigkeit zum Ausdruck. Insgesamt sei im sozialversicherungsrechtlichen Sinne von einer selbständigen Tätigkeit auszugehen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.09.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie hielt im Wesentlichen an der Begründung des Bescheides vom 12.07.2005 fest und vertrat ergänzend die Auffassung, eine kostenlose oder verbilligte Nutzungsüberlassung oder die Gewährung von Krediten oder die Übernahme von Bürgschaften zugunsten des Ehegatten könnten ein Indiz gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sein, weil es in einem solchen Fall an dem für ein Beschäftigungsverhältnis typischen Interessengegensatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer mangeln könne. Maßgebend sei die Würdigung der Gesamtumstände. Die Übernahme von Bürgschaften im Zusammenhang mit Kreditverträgen allein schließe aber das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses nicht aus, wenn nicht noch weitere Aspekte für eine Mitunternehmerschaft sprechen.

Die Klägerin erhob hiergegen am 17.10.2005 Klage bei dem Sozialgericht Heilbronn. Sie wiederholte zur Begründung im Wesentlichen ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren und wies ergänzend darauf hin, dass ihr hoher Arbeitseinsatz für die Bäckerei für einen Arbeitnehmer völlig untypisch sei; nur Selbständige würden sich in einem solch starken Maße engagieren.

Das SG hat die Bundesagentur für Arbeit, die Pflegekasse bei der Beklagten, den R. W. sowie die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg mit Beschluss vom 16.11.2005 zum Verfahren beigeladen. Die Beigeladene zu 4) vertrat die Auffassung, im Falle der Klägerin sprächen einige Merkmale für eine abhängige Beschäftigung, andere dagegen, die Sache sei nicht eindeutig. Der Vorschlag, rückwirkend seit 01.04.1986 keine Versicherungspflicht anzunehmen, sei in jedem Fall abzulehnen. Entscheidend sei, dass die Handlungen der Klägerin im Betrieb ihres Ehemannes stattfänden und dieser für den Betrieb gegenüber Geschäftspartnern und Behörden verantwortlich sei. Außerdem wiege der Umstand, dass 20 Jahre lang Beiträge als Arbeitnehmerin abgeführt worden seien, schwerer als einige Angaben im Feststellungsbogen.

Auch die Beklagte trat der Klage entgegen. Allein die behauptete, im Wesentlichen weisungsfreie Ausführung der Tätigkeit im Familienbetrieb, ergänzt durch die Übernahme von Bürgschaften und Mithaftung bei Darlehen reiche für die rückwirkende Annahme einer selbständigen Tätigkeit nicht aus. Würden gleichgewichtige Merkmale sowohl für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit sowie auch für eine abhängige Beschäftigung sprechen, so dürfte wegen der langjährigen unbeanstandeten Beitragszahlung regelmäßig von einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen sein. Die Klägerin hätte im Übrigen eine Mitunternehmerschaft in den vergangenen 20 Jahre zweifellos durch eine rechtliche Beteiligung an der Firma herstellen können, wenn dies gewollt gewesen wäre. Auch hätte die Möglichkeit bestanden, im Rahmen der vierjährigen Betriebsprüfungen bei Zweifeln sich an die Einzugsstelle zu wenden, um den sozialversicherungsrechtlichen Status klären zu lassen. Solche Zweifel hätten jedoch nicht bestanden, weswegen die Klägerin auch die Notwendigkeit einer rechtsverbindlichen Klärung nicht gesehen habe.

In der mündlichen Verhandlung des SG erklärte die Klägerin, das Eigenkapital für die Anschaffung des Wohn- und Geschäftshauses habe zu etwa zwei Dritteln aus dem Vermögen des Ehemannes, zu einem Drittel aus ihrem Vermögen gestammt. Die Höhe ihrer monatlichen Vergütung bestimme ihr Mann, allerdings nach vorherigem Gespräch mit ihr. Die Abrechnung mit der Krankenversicherung erledige ein Steuerbüro.

Mit Urteil vom 29.08.2006 hob das SG den Bescheid vom 12.07.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.09.2005 auf und stellte fest, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der Firma Bäckerei/Konditorei R. Witwer, Hauptstraße 100, 74226 Nordheim, seit dem 01.04.1986 nicht der Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe. Es führte zur Begründung aus, die Gesamtumstände des Falles sprächen gegen eine abhängige Beschäftigung der Klägerin. Entscheidend sei hierfür insbesondere das übernommene Unternehmerrisiko, die Weisungsfreiheit und das Vorliegen einer Innengesellschaft bürgerlichen Rechts. So habe die Klägerin ein erhebliches Unternehmerrisiko übernommen, das über das bei Ehegatten übliche Maß hinausgehe. Sie habe Eigenkapital für den Kauf des Wohn- und Geschäftshauses von knapp 1,1 Millionen DM eingesetzt und bezüglich des Restes Darlehen bzw. Bürgschaften übernommen. Durch die Mitübernahme der Verbindlichkeiten in dieser Höhe bestehe eine Abhängigkeit vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. Die Klägerin unterliege auch keiner Weisung des R.W., es erfolgten lediglich gegenseitige Absprachen. Als Bäckerin verfüge sie über eine mit der Unternehmensbranche übereinstimmende Ausbildung und entsprechende Fachkenntnisse und leite allein verantwortlich den Verkauf. Dies sei ein Kennzeichen für eine Arbeitsteilung und nicht für ein Über- und Unterordnungsverhältnis. Auch die Höhe ihrer monatlichen Vergütung werde nach vorherigem Gespräch von ihrem Ehemann festgelegt. Mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 80 Stunden verbringe sie mehr Zeit im Unternehmen als der R.W. mit nur 70 Stunden. Zwischen der Klägerin und dem R.W. sei weiterhin eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts in Form einer Innengesellschaft anzunehmen. Eine Innengesellschaft liege vor, wenn sich die Gesellschafter im Innenverhältnis zur Erreichung eines gemeinsamen wirtschaftlichen Zwecks verpflichtet hätten, nach außen im Rechtsverkehr jedoch nicht als Gesellschaft auftreten wollten. Eine solche stillschweigend gegründete Innengesellschaft liege hier vor. Obwohl das Unternehmen nach außen hin als "Bäckerei/Konditorei R. Witwer" firmiere, habe die Klägerin ein Darlehen für die Firmengründung mit übernommen. Sie verfüge auch über eine ausgestellte Vollmacht über das Geschäftskonto sowie über eine mündlich erteilte Handlungsvollmacht. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag, aus dem sich ein entgegenstehender Wille hätte ergeben können, liege nicht vor.

Gegen das ihr am 19.09.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12.10.2006 Berufung eingelegt. Die vom SG für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit angeführten Kriterien überzeugten nicht. Der Umstand, dass die Klägerin Darlehensverträge mit unterzeichnet sowie Bürgschaften übernommen habe, sei zwar arbeitnehmeruntypisch und bringe eine erhöhte Anteilnahme am Geschick der Firma zum Ausdruck, verleihe jedoch keine weitergehenden Einflussmöglichkeiten auf die Geschicke der Firma und schließe damit eine abhängige Beschäftigung grundsätzlich nicht aus. Auch der Umstand, dass die eine oder andere Unternehmensentscheidung nach Rücksprache mit der Klägerin getroffen worden sei, schließe ein modifiziertes Weisungsrecht des Ehemannes der Klägerin grundsätzlich nicht aus. Schließlich könne auch von einer stillschweigend gegründeten Innengesellschaft nicht ausgegangen werden. Zwar fehle eine arbeitsvertragliche Vereinbarung, Voraussetzung für die steuerrechtliche Anerkennung sei aber ebenfalls grundsätzlich, dass ein Arbeitsverhältnis ernsthaft vereinbart und entsprechend der Vereinbarung auch durchgeführt wird. Im Falle der langjährigen, unbeanstandeten Beitragszahlung müsse sich der Sachverhalt für die rückwirkende Annahme einer selbständigen Tätigkeit insgesamt als widerspruchsfrei und nachvollziehbar darstellen. Dies sei hier nicht der Fall. Zu beachten sei auch, dass die Klägerin noch im Jahr 2007 sich gegenüber der Deutschen Rentenversicherung Bund als Ehegattin eines Selbständigen mit abhängigem Beschäftigungsverhältnis bezeichnet habe, auch habe sie am 29.06.2006 einen Erstattungsantrag wegen ihrer Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 20.04. bis 12.05.2006 eingereicht. Ein Erstattungsanspruch bestehe grundsätzlich nur bei Arbeitnehmern.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. August 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und wiederholt im Wesentlichen ihren bisherigen rechtlichen Vortrag.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt und sich im Berufungsverfahren auch nicht geäußert.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft. Der Rechtsstreit geht nicht um eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, sondern um die Feststellung, dass die Klägerin seit 01.04.1986 nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt war.

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet, sie hat zu Recht mit dem Bescheid vom 12.07.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.09.2005 festgestellt, dass die Klägerin bei dem Beigeladenen zu 3) in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis während der gesamten Zeit seit 01.04.1986 gestanden hat. Das entgegenstehende Urteil des SG war deswegen aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin war während des gesamten hier zu beurteilenden Zeitraums ab 01.04.1986 versicherungspflichtige Arbeitnehmerin. Die Frage, ob die Berufung der Beklagten darüber hinaus auch deshalb hätte (teilweise) erfolgreich sein müssen, weil das SG die Klage zu Unrecht bezüglich des Zeitraums vom 1.4.1986 bis 31.12.1999 als zulässig behandelt hat, stellt sich für die Entscheidung über die Begründetheit der Berufung somit nicht. Die vom SG aufgeworfene Problematik des Rechtsschutzbedürfnisses der Klägerin an einer Statusfeststellung für den Zeitraum vor dem 01.01.2000 kann daher unentschieden bleiben, weswegen der Senat sich auch nicht mit der durch Gesetz vom 19.12.2007 (BGBl. I S. 3024) mit Wirkung ab 01.01.2008 in das SGB IV eingefügten Vorschrift des § 26 Abs. 1 Satz 3 SGB IV auseinanderzusetzen braucht, wonach zu Unrecht entrichtete Beiträge nach Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist des § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB IV als zu Recht entrichtete Pflichtbeiträge gelten. Zwar dürfte diese Regelung - mangels gesetzlicher Rückwirkung - bei Statusfeststellungsverfahren, die vor dem 1.1.2008 anhängig geworden sind, nicht zur Anwendung kommen, indes liegt es auf der Hand, dass die Beigeladenen zu 4) im Rahmen eines eventuellen Erstattungsverfahrens bei der bisher in ihrem pflichtgemäßen Ermessen stehenden Entscheidung, ob sie von der Einrede der Verjährung Gebrauch macht (vgl. KassKomm - Seewald, Sozialversicherungsrecht, § 27 SGB IV Rdnr. 17), nunmehr vom Gesetzgeber eine verpflichtende Ermessensrichtlinie vorgegeben wurde, die (von atypischen Ausnahmefällen abgesehen) wiederum zu einer Ermessensreduzierung auf Null führt. Hierauf kommt es - wie eingangs bereits hervorgehoben - für die Entscheidung über die Berufung der Klägerin aber nicht ausschlaggebend an.

Nach § 28h Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) entscheidet die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die nach § 28i Satz 1 SGB IV zuständige Einzugsstelle war hier die Beklagte, weil sie die Krankenversicherung durchgeführt hat. Da sie auf die entsprechende Anfrage der Klägerin ein Verwaltungsverfahren zur Feststellung der Sozialversicherungspflicht einleitete, scheidet das Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV aus, für das die Beigeladene zu 4) zuständig ist. Eine Zuständigkeit der Beigeladenen zu 4) für die Feststellung der Sozialversicherungspflicht, die eine Zuständigkeit der Beklagten für die Entscheidung ausschließt, ergibt sich für den vorliegenden Fall noch nicht aus § 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV, eingefügt mit Wirkung vom 01. Januar 2005 durch Art. 4 Nr. 3 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 2954). Nach dieser Bestimmung hat die Einzugsstelle einen Antrag nach Satz 1 zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a SGB IV) ergibt, dass der Beschäftigte Angehöriger des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist. Nach § 28a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Buchstabe d SGB IV, eingefügt mit Wirkung vom 30. März 2005 durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. d des Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht (Verwaltungsvereinfachungsgesetz) vom 21. März 2005 (BGBl. I, S. 818), müssen die Meldungen für jeden Versicherten insbesondere bei der Anmeldung die Angabe enthalten, ob zum Arbeitgeber eine Beziehung als Ehegatte oder Lebenspartner, seit 01. Januar 2008 auch als Abkömmling (erweitert durch Art. 15 des Gesetzes zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2007, BGBl. I, S. 3024) besteht. Das obligatorische Statusfeststellungsverfahren ist bei Ehegatten damit erst bei Anmeldungen durchzuführen, die ab dem 01. Januar 2005 bei den Einzugsstellen erfolgen. Die Anmeldung bei der Beklagten erfolgte vor dem 01. Januar 2005, nämlich mit Beginn der jetzigen Tätigkeit bei der Klägerin zum 01.04. 1986. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 24 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) und § 20 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI setzt die Versicherungspflicht zur gesetzlichen Kranken-, Arbeitslosen-, Renten- und Pflegeversicherung jeweils ein Beschäftigungsverhältnis voraus. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erfordert das Vorliegen einer Beschäftigung im Rechtssinne, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsleistung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Vornehmlich bei Diensten höherer Art kann dieses auch eingeschränkt und zur "dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein (dazu BSG, Urt. v. 18.12.2001, - B 12 KR 10/01 R -). Höhere Dienste werden im Rahmen abhängiger Beschäftigung geleistet, wenn sie fremdbestimmt bleiben, sie in einer von der anderen Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebs aufgehen (BSG, Urt. v. 19.6.2001, - B 12 KR 44/00 R -). Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben diese den Ausschlag (zu alledem etwa BSG, Urt. v. 19.6.2001, - B 12 KR 44/00 R - m.w.N.; vgl. auch Senatsurteile vom 25.4.2007, - L 5 KR 2056/06 -, vom 14.2.2007, - L 5 R 3363/06 -, vom 1.2.2006, - L 5 KR 3432/05 - und vom 11.10.2006, - L 5 KR 5117/04). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urt. v. 25.1.2006, - B 12 KR 30/04 R -).

Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht dabei grundsätzlich nicht entgegen, dass die Abhängigkeit unter Ehegatten im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt und deshalb das Weisungsrecht möglicherweise mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (Urteil d. BSG v. 17. Dezember 2002 m. H. auf BSG SozR 3 - 4100 § 168 Nr. 11 S. 23 m. w. N.). Die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nicht versicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist nur unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu ziehen (BSGE 3, 30, 39 ff.; 19, 1, 4 ff. = SozR Nr. 31 zu § 165 RVO; BSGE 74, 275, 278 ff. = SozR 3 - 2500 § 5 Nr. 17; BSG SozR 2200 § 165 Nr. 90; SozR 3 - 4100 § 168 Nr. 11 S. 30; und s. auch Urteil v. 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R -). Hierzu hat weiter das BSG in seinem Urteil vom 23. Juni 1994 (12 RK 50/93 in SozR 3 - 2500 § 5 Nr. 17 = BSGE 74, 275) ausgeführt, dass für die Abgrenzung des Ehegattenbeschäftigungsverhältnisses zur familienhaften Mithilfe auf die Rechtsprechung zum Beschäftigungsverhältnis zwischen nahen Verwandten zurückgegriffen werden kann, die durch Urteil des Bundessozialgerichts vom 5. April 1956 ("Meistersohn"-Urteil BSGE 3, 30, 40) eingeleitet und durch eine Reihe weiterer Urteile fortgeführt worden ist (BSGE 12, 153, 156 = SozR Nr. 18 zu § 165 RVO; 17, 1, 3 ff. = SozR Nr. 31 zu § 165 RVO; SozR 2200 § 165 Nr. 90).

Danach hängt die Abgrenzung zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und familienhafter Mithilfe von den gesamten Umständen des Einzelfalles ab. Ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis setzt neben der Eingliederung des Beschäftigten in dem Betrieb und dem ggf. abgeschwächten Weisungsrecht des Arbeitgebers voraus, dass der Beschäftigte ein Entgelt erhält, das einen angemessenen Gegenwert für die geleistete Arbeit darstellt, mithin über einen freien Unterhalt, ein Taschengeld oder eine Anerkennung für Gefälligkeiten hinaus geht. Weitere Abgrenzungskriterien sind nach dieser Rechtsprechung, ob ein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen worden ist, ob das gezahlte Entgelt der Lohnsteuerpflicht unterliegt, als Betriebsausgabe verbucht und dem Angehörigen zur freien Verfügung ausgezahlt wird, und schließlich, ob der Angehörige eine fremde Arbeitskraft ersetzt. Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, ist es für die Bejahung eines Ehegattenbeschäftigungsverhältnisses nicht erforderlich, dass der Beschäftigte wirtschaftlich auf das Entgelt angewiesen ist. Solches ist zwar in der genannten Rechtsprechung zum Beschäftigungsverhältnis zwischen Verwandten als Indiz für die erforderliche Abhängigkeit des Beschäftigten anerkannt worden (BSG SozR - 2200 § 165 Nr. 90). Daraus kann aber nach dem BSG (Urteil v. 23. Juni 1994 - 12 RK 50/93 -) nicht gefolgert werden, dass dann, wenn es nicht gegeben ist, allein aus diesem Grunde ein abhängige Beschäftigung ausscheidet. Im Zusammenhang mit der Höhe des Entgelts hat auch das BSG in dem bereits zitierten Urteil vom 17. Dezember 2002 (B 7 AL 34/02 R) ebenfalls darauf hingewiesen, dass die Höhe des Entgelts lediglich Indizwirkung habe (Urteil d. BSG v. 12. September 1996 - 7 RAR 120/95 - in DBlR Nr. 4475 zu § 168 AFG m. w. N.). In dieser Entscheidung hat das BSG auch ausgeführt, dass nicht der Rechtssatz gilt, eine untertarifliche oder eine erheblich untertarifliche Bezahlung des Ehegatten schließt die Annahme eines beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses aus.

Weist - wie hier - eine Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl auf Abhängigkeit als auch auf Unabhängigkeit hinweisen, so ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen. Dabei sind alle Umstände des Falles zu berücksichtigen (BSG Urteile v. 14.12.1999 - B 2 U 48/98 R und v. 30.06.1999 - B 2 U 35/98 R, vgl. ferner § 7a Abs. 2 SGB IV).

Auch nach Auffassung des Senates ergibt sich hier das Gesamtbild einer Angestelltentätigkeit der Klägerin als abhängig Beschäftigte im Betrieb des R.W ...

Für eine abhängige Beschäftigung spricht zunächst, dass die Klägerin und ihr Ehemann während des ganzen hier streitigen Zeitraums nach außen hin den Eindruck vermittelt haben, dass der R.W. Firmeninhaber eines Einzelunternehmens und die Klägerin seine abhängig beschäftigte Angestellte ist. Bereits im Namen "Bäckerei und Konditorei R. W." (vgl. hierzu den Stempelaufdruck Bl. 7 der Verwaltungsakte) kommt die Inhaberschaft des R.W. zum Ausdruck. Konsequenterweise lautet das Geschäftskonto auf seinen Namen (die Klägerin hat nur Kontovollmacht), gegenüber dem Finanzamt tritt er als alleiniger Inhaber des Gewerbebetriebs auf und auch aus dem Umstand, dass er der Klägerin mündlich Handlungsvollmacht erteilt hat (vgl. dazu die Bestätigung Bl. 6 der Verwaltungsakten), zeigt, dass zivilrechtlich die Geschäfte im Namen und im Auftrag des R.W. abgewickelt worden sind, sodass bereits aus diesen Gründen nicht von einem Gemeinschaftsunternehmen der Klägerin und ihres Ehemannes gesprochen werden kann.

In berufsrechtlicher Hinsicht kommt hinzu, dass nur der R.W. als Bäckermeister nach § 1 Abs. 1 i.V.m. § 7 Abs. 1a Handwerksordnung (HwO) überhaupt berechtigt war, das Bäckereigewerbe selbständig auszuüben, weil nur er als Handwerksmeister in die Handwerksrolle eingetragen werden konnte (§ 6 HwO i.V.m. Verzeichnis Nr. 30 der Anlage zu § 1 Abs. 2 HwO). Zwar kommt diesen rechtlichen Vorgaben der HwO keine verbindliche Wirkung für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit der Klägerin zu (so BSG v. 22.6.2005 - B 12 KR 28/03 R zum Begriff der Selbstständigkeit im HGB), eine starke indizielle Bedeutung lässt sich ihnen aber nicht absprechen. Wenn ohne Verstoß gegen berufsrechtliche Vorschriften der Bäckereibetrieb nach außen hin nicht gleichberechtigt von der Klägerin und ihrem Ehemann geführt werden darf, so spricht viel dafür, dass der Handwerksbetrieb auch in der Praxis entsprechend diesen Rechtsvorschriften nicht von der Klägerin und ihrem Ehemann gemeinschaftlich geführt wurde, sondern vom Ehemann als verantwortlichem Inhaber des Betriebes mit der Unterstützung durch seine Frau als angestellte Arbeitnehmerin. Das vorliegend praktizierte Verhalten bestätigt dies: die Klägerin hat stets schwerpunktmäßig den Beruf einer Bäckereifachverkäuferin ausgeübt, eine Tätigkeit, die regelmäßig in abhängiger Beschäftigung verrichtet wird.

Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten der Klägerin kann im vorliegenden Fall auch nicht das Kriterium der Eingliederung in einen Betrieb verneint werden. Die Klägerin hat sich nicht in eine von ihr selbst geschaffene Organisation eingegliedert, sie hat sich vielmehr in die von R.W. mit dem Bäckereibetrieb übernommene und durch Sachgesetzlichkeiten vorgegebene Organisation eingefügt und ihre Rolle in den Verkaufsräumen (wohl) optimal ausgefüllt. Wäre die Klägerin nicht in der Bäckerei im Verkauf tätig geworden, hätte R.W. eine andere abhängig beschäftigte Kraft damit beauftragen müssen.

Auch soweit die Klägerin vorträgt, in der Praxis habe ihr Ehemann ihr keine Weisungen erteilt, käme dem - die Richtigkeit unterstellt - keine besondere indizielle Bedeutung für eine selbstständige Tätigkeit zu. Mit dem BSG ist zunächst davon auszugehen, dass bei Beschäftigungsverhältnissen unter Ehegatten das Weisungsrecht nur eingeschränkt ausgeübt wird. Im Falle eines Ehepaares, das gemeinsam in einer Bäckerei arbeitet, kommt noch hinzu, dass bei eingespielter Aufgabenverteilung rein tatsächlich nicht häufig Anweisungen zu erteilen sind, wobei unterstellt werden kann, dass der R.W. sein Weisungsrecht im Bereich der Verkaufsäume in Bezug auf die anderen Mitarbeiter für das Alltagsgeschäft auf seine Ehefrau delegiert hat. Im Übrigen kann bei der Tätigkeit der Klägerin als Fachverkäuferin in einer Bäckerei nicht davon ausgegangen werden, dass sie hinsichtlich Zeit, Ort und Art ihrer Arbeitsleistung nennenswerte Freiräume hatte; ihre Aufgabe war es, zu verabredeten Zeiten in der Bäckerei des R.W. die von R.W. gebackenen Waren zu verkaufen. Dass dabei Spielräume für eine selbstständige unternehmerische Tätigkeit bestanden hätten, ist weder vorgetragen worden noch ergibt sich dies aus der Art der ausgeübten Tätigkeit.

Ein Indiz für eine abhängige Beschäftigung stellt auch das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und dem R.W. dar. Der Umstand allein, dass ein Arbeitsvertrag nicht schriftlich abgeschlossen worden ist, erweckt im vorliegenden Fall keine Zweifel daran, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und dem R.W. gewollt war und die ganzen Jahre über praktiziert wurde. Die Klägerin hat die Arbeitsleistung einer Bäckereifachverkäuferin erbracht und hierfür ein Gehalt erhalten, das nicht als reine Gefälligkeitsleistung abgetan werden kann. Dieses Gehalt (2004 1800 EUR monatlich) wurde der Klägerin regelmäßig auf ihr eigenes Konto überwiesen, die Verbuchung erfolgte als Lohnzahlung und auch gegenüber dem Finanzamt und der Einzugsstelle wurden diese Zahlungen als Lohnzahlungen ausgegeben. Hinzu kommt, dass die Klägerin auch die sonstigen mit einem Arbeitnehmereinkommen verbundenen Vorteile, wie etwa die Inanspruchnahme der Vorsorgepauschale und der Werbungskostenpauschale bei der steuerlichen Behandlung ihres Einkommens für sich in Anspruch genommen und sie darüber hinaus gegenüber der Beklagten auch auf der Zahlung von Krankengeld (zuletzt noch 2006) bestanden hat.

Dass die Klägerin zuletzt ein vergleichsweise eher geringes Entgelt aus dem Arbeitsvertrag mit dem R.W. erhalten hat, ändert nichts am Bestehen eines versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses. Der Betrag von 1.800 EUR monatlich mag einer schlechten Bezahlung einer Bäckereiverkäuferin entsprechen, er liegt deutlich über den Beträgen, die als bloßes Taschengeld oder als vergönnungsweise Bezahlung zu qualifizieren sind. Der Betrag entspricht im Übrigen bei einer 40-Stunden-Woche einem Stundenlohn von über 10 EUR. Auch mag, was letztlich offen bleiben kann, das eher geringe Gehalt mit der Überlegung verbunden gewesen sein, dass daraus auch geringe Beitragszahlungen resultieren mit der weiteren Folge, dass die Klägerin günstig den Schutz der Beklagten in Anspruch nehmen kann.

Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin und der R.W. hier rechtsmissbräuchlich von Anfang an ein Arbeitsverhältnis vorgetäuscht haben, liegen nicht vor. Die Klägerin hat immerhin über Jahre hinweg gegenüber dem Finanzamt die Richtigkeit ihrer Steuererklärung versichert, in der sie ihre Einkünfte als Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit deklariert hat. Dass die Klägerin selbst von einem Arbeitsverhältnis ausgeht, zeigen ihre Erklärungen gegenüber der Deutschen Rentenversicherung Bund, in der sie sich als abhängig beschäftigte Arbeitnehmerin im Geschäft ihres selbständigen Ehemannes bezeichnet hat, und der Tatsache, dass sie noch während des laufenden sozialgerichtlichen Verfahrens Krankengeld für sich in Anspruch genommen hat. Auch ihre Äußerung in der mündlichen Verhandlung des SG, dass ihr Mann die Höhe ihrer monatlichen Vergütung bestimme, spricht trotz der ergänzenden Einschränkung, dies erfolge nach vorherigem Gespräch mit ihr, nicht für eine gleichberechtigte Stellung im Betrieb. Vielmehr muss die Klägerin sich auch wegen der Lohnhöhe mit ihrem Ehemann abstimmen, ebenso wie jeder andere Arbeitnehmer, der bei seinem Arbeitgeber ein anderes Entgelt erreichen möchte. Eine gleichberechtigte Stellung kommt jedenfalls in dieser zu Protokoll gegebenen Äußerung der Klägerin nicht zum Ausdruck.

Soweit die Klägerin bei der Betriebsgründung Eigenkapital eingebracht und Darlehen für den Bäckereibetrieb aufgenommen bzw. sich für die Rückzahlung von Darlehen verbürgt hat, kommt darin die Übernahme eines Unternehmensrisikos zum Ausdruck, das vordergründig als Indiz für Versicherungsfreiheit zu bewerten ist. Die Beklagte hat aber zu Recht darauf hingewiesen, dass die Übernahme von Bürgschaften im Zusammenhang mit Kreditverträgen allein das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses nicht ausschließt, wenn nicht noch weitere Aspekte für eine Mitunternehmerschaft sprechen. Dies ist hier der Fall. Gegen eine Mitunternehmerschaft spricht, dass die Klägerin zwar Eigenkapital eingebracht und Verpflichtungen gegenüber den Banken insbesondere bei Betriebsgründung eingegangen ist, sie zugleich aber auch die Rolle einer Angestellten im Betrieb ihres Ehemannes übernommen hat. Einen weiteren Einfluss auf das unternehmerische Handeln von R.W. hat sie sich (als Gegenleistung) nicht gesichert. Es fällt auf, dass die Klägerin zwar das Geld eingebracht hat, dabei aber - was bei Einlagen in Unternehmen häufig der Fall ist - von der Einräumung von Beteiligungsrechten abgesehen wurde. Um Ansprüche bezüglich der in den Betrieb eingebrachten Gelder geltend zu machen, ist die Klägerin (etwa im Falle einer Scheidung) auf ihre familienrechtlich begründeten Rechtspositionen aus der Zugewinngemeinschaft angewiesen. Ein zwingendes Indiz für eine unternehmerische Tätigkeit lässt sich allein aus der Einbringung von Eigenkapital, der Mitunterzeichnung von Darlehen sowie der Übernahme von Bürgschaften hier nicht ableiten.

Auch der vom SG gewählte Ansatz einer Innengesellschaft zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann führt nicht weiter. Richtig ist, dass die Eheleuten eine Innengesellschaft hätten gründen können mit der Folge, dass die Klägerin dann aufgrund familienhafter Mitwirkung im Betrieb des Ehemannes sozialversicherungsfrei gewesen wäre. Diesen Weg hätte die Klägerin ohne Weiteres gehen können, wenn sie unentgeltlich tätig gewesen wäre und sich privat (oder als freiwilliges Mitglied der Beklagten) gegen den Fall der Krankheit versichert hätte. R.W. und die Klägerin sind diesen Weg aber nicht gegangen, sie haben vielmehr für R.W. den Weg des Einzelunternehmens gegenüber Einzugsstelle und Finanzamt sowie Lieferanten und Banken und für die Klägerin die unter dem Schutz der Sozialversicherung stehende Tätigkeit einer Bäckereifachverkäuferin gewählt. Vergleicht man die Kriterien, die die Rechtsprechung zur Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Familienangehörigen aufgestellt hat, so fällt auf, dass die Klägerin insbesondere hinsichtlich der Lohnzahlungen alle Voraussetzungen hierfür erfüllt. Dann muss sich die Klägerin aber auch hieran festhalten lassen.

Der Versuch der Klägerin, die Sozialversicherungsbeiträge von der Solidargemeinschaft der Versicherten wieder "zurückzuholen" kann deswegen nicht erfolgreich sein. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die tatsächliche Beitragsabführung Rückschlüsse auf das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nicht erlaubt (BSG Urteil vom 04.07.2004 - B 11 a AL 5/06 R). Gleichwohl tritt in der langjährigen Handhabung der Tätigkeit, die die Klägerin im Unternehmen des R.W. ausgeübt hat, eine Selbsteinschätzung des sozialversicherungsrechtlichen Status hervor, die das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses noch unterstreicht.

Nach alledem sind die angefochtenen Bescheid nicht zu beanstanden. Das Sozialgericht hat zu Unrecht der Klage stattgegeben, weshalb die Berufung der Beklagten erfolgreich war. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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