L 12 An 1210/88

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 4/1 An 332/87
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 12 An 1210/88
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nicht verletzt, wenn ein Kläger keine Kenntnis des Inhalts von Verwaltungsvorschriften hat, die nicht den Bereich der Ermessensverwaltung betreffen und das Gericht diese seiner Entscheidung in keiner Weise zugrunde gelegt.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 6. Oktober 1988 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Staatskasse des Landes Hessen hat keine Kosten zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Einstufung in höhere Leistungsgruppen nach der Anlage 1 B zu § 22 Fremdrentengesetz (FRG).

Die 1954 in H./Sachsen geborene und 1986 aus Leipzig in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelte Klägerin stellte am 14. August 1986 bei der Beklagten Antrag auf Kontenklärung.

Zu ihrem beruflichen Werdegang und den Beschäftigungszeiten machte sie folgende Angaben:

Sie habe vom 1. September 1971 bis 15. Februar 1974 den Beruf der Kinder- und Säuglingsschwester erlernt. Vom 17. Februar 1974 bis zum 31. Januar 1979 sei sie in der Kinderklinik der MK-Universität L. in diesem Beruf beschäftigt gewesen. Vom 1. Februar 1979 bis zum 10. März 1986 sei sie in der Psychiatrischen Klinik als Fürsorgerin tätig gewesen, hierbei zunächst bis zum 9. Februar 1982 als Hilfsfürsorgerin. Die Tätigkeit der Fürsorgerin entspreche hier derjenigen einer Sozialarbeiterin in der Psychiatrie mit Erschwerniszulage. Vom 15. November 1979 bis zum 3. Februar 1982 schließlich habe sie die Bezirksakademie in Leipzig berufsbegleitend besucht.

Die Klägerin hat das Facharbeiterzeugnis als Kinderkrankenschwester, das am 15. Februar 1974 ausgestellt wurde, vorgelegt, sowie die staatliche Anerkennungsurkunde vom 28. März 1974, die Urkunde über die medizinische Fachschulanerkennung als Kinderkrankenschwester vom 16. Februar 1976 und die staatliche Erlaubnisurkunde zur Ausübung des Berufes als Gesundheitsfürsorgerin vom 7. Januar 1982.

Mit Bescheid vom 13. Oktober 1986 erkannte die Beklagte u.a. Beitragszeiten nach den Vorschriften des FRG an. Die Beitragszeiten gemäß § 15 FRG ordnete sie der

Leistungsgruppe 4 (16. Februar 1974 bis 30. November 1984) und der Leistungsgruppe 3 (1. Dezember 1984 bis 7. März 1986) zu.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 17. November 1986 Widerspruch ein und brachte zur Begründung vor, sie habe als Schwester einer Intensivstation Arbeiten geleistet, die in Leistungsgruppe 3 einzustufen seien. Dies gelte zumindest ab Februar 1975. Ebenfalls sei die Tätigkeit als Gesundheitsfürsorgerin in Leistungsgruppe 3 einzustufen. Ab Oktober 1982 sei sie die leitende Fürsorgerin gewesen und habe zwei Kolleginnen anzuleiten, einzusetzen und verantwortlich zu unterweisen gehabt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 1987 gab die Beklagte dem Widerspruch teilweise statt und stufte die Zeit vom 1. Februar 1984 bis zum 7. März 1986 in Leistungsgruppe 3 ein. Im übrigen wies sie den Widerspruch der Klägerin zurück. In der Begründung wird ausgeführt, die Einstufung in Leistungsgruppe 4 sei zutreffend. Leistungsgruppe 3 setze mehrjährige Berufserfahrung voraus, die in der Regel erst nach ca. 10-jähriger Tätigkeit im erlernten Beruf bei Vollendung des 30. Lebensjahres anzunehmen sei. Eine Verkürzung sei nur bei Angestellten möglich, die längere und qualifiziertere Schul- und Berufsausbildungen vorwiesen. Unterer Grenzwert sei hier ein Zeitraum von drei Jahren. Besondere Fachkenntnisse und Fähigkeiten seien nur solche, die über die üblichen, für die Ausübung eines Berufes notwendigen Fachkenntnisse hinausgingen. Eine Spezialtätigkeit sei eine selten anzutreffende Tätigkeit ohne traditionelles Berufsbild. Alle diese Voraussetzungen seien im Falle der Klägerin nicht erfüllt.

Am 27. Februar 1987 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Gießen (SG) Klage erhoben, mit der sie die Einstufung in Leistungsgruppe 2 für die Tätigkeit als Fürsorgerin ab Februar 1982 und in Leistungsgruppe 3 für den vorherigen Zeitraum begehrt hat.

Die Klägerin hat eine Urkunde des Hessischen. Ministers für Wissenschaft und Kunst für die staatlich anerkannten Sozialarbeiterinnen vorgelegt, nach der sie mit Wirkung ab 1. August 1987 die Berechtigung erhielt, die Berufsbezeichnung "staatlich anerkannte Sozialarbeiterin” zu führen. Nach einem Diplom des Hessischen Ministers für Wissenschaft und Kunst vom 27. September 1988 wurde ihr das Recht verliehen, anstelle der bisherigen Graduierungsbescheinigung die Bezeichnung "Diplom-Sozialarbeiterin (FH)” zu führen.

Mit Urteil vom 6. Oktober 1983 hat das SG die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, die Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Einstufung in die höhere Leistungsgruppe 2 der Anlage 1 B zu § 22 FRG. Die Einstufung in Leistungsgruppe 3 als Fürsorgerin sei gleichfalls rechtens. Die Klägerin habe noch nicht die im Berufsgruppenkatalog vorausgesetzte Altersgrenze von 45 Jahren erreicht. Auch habe sie keine besonders qualifizierte Ausbildung absolviert oder eine herausragende Berufstätigkeit ausgeübt. Der Beruf einer Fürsorgerin entspreche der Tätigkeit einer Sozialarbeiterin mit Fachhochschulabschluß, der mit einem Hochschulabschluß nicht zu vergleichen sei. Sie sei in dem Beruf auch nur etwas mehr als vier Jahre tätig gewesen. Die Leistungsgruppe 4 sei für die Tätigkeit als Kinder- und Säuglingsschwester zutreffend. Sie habe den Beruf nur ca. vier Jahre ausgeübt und keine mehrjährige Berufserfahrung aufzuweisen gehabt. Im Berufsgruppenkatalog zur Leistungsgruppe 4 sei ausdrücklich der Beruf einer Krankenschwester erwähnt. Die Zeit als Hilfsfürsorgerin sei nicht höher einzugruppieren, da sie noch keine abgeschlossene Ausbildung in diesem Beruf gehabt habe. Die Arbeitsanweisungen der Beklagten seien für das Gericht ohne Bindungswirkung. Es handele sich nicht um eine Ermessensentscheidung, bei der eine Selbstbindung der Verwaltung entscheidend sein könne. Das Gericht habe daher auch ohne Berücksichtigung der Arbeitsanweisungen seine Entscheidung treffen können.

Gegen dieses ihr durch Empfangsbekenntnis am 24. Oktober 1988 zugestellte Urteil hat die Klägerin bei dem Hessischen Landessozialgericht am 2. November 1988 Berufung eingelegt.

Sie begehrt die Mitteilung der internen Arbeitsanweisungen zur Einstufung in die Leistungsgruppen 2 und 3. Nach ihrer Rechtsauffassung sind die Voraussetzungen für eine höhere Einstufung in die Leistungsgruppen 3 bzw. 2 erfüllt.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 6. Oktober 1988 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 13. Oktober 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 1987 abzuändern und diese zu verurteilen, für die Beitragszeiten vom 16. Februar 1974 bis zum 31. Januar 1982 eine Einstufung in Leistungsgruppe 3 und vom 1. Februar 1982 bis zum 7. März 1986 in Leistungsgruppe 2 der Anlage 1 B zu § 22 FRG vorzunehmen,
hilfsweise,
die Kosten des Berufungsverfahrens der Staatskasse aufzuerlegen und die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil in vollem Umfange für zutreffend.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen und des weiteren Akteninhalts wird auf die Streitakte und die Rentenakte der Beklagten, beide auszugsweise Gegenstand der mündlichen Verhandlung, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz SGG–) und statthaft (§ 143 SGG).

Die Berufung ist nicht begründet. Das auf die zulässige Klage ergangene sozialgerichtliche Urteil war nicht aufzuheben, denn es trifft zu. Die Bescheide der Beklagten sind nicht rechtswidrig, nachdem im Widerspruchsverfahren die Zeit vom 1. Februar 1984 bis zum 7. März 1986 in Leistungsgruppe 3 der Anlage 1 B zu § 22 FRG eingestuft wurde. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Einstufung der vor diesem Zeitraum liegenden streitigen Beitragszeiten in Leistungsgruppen 3 oder 2 und der in Leistungsgruppe 3 anerkannten Zeit in Leistungsgruppe 2 nach der Anlage 1 B zu § 22 FRG.

Zutreffend hat die Beklagte die Beitragszeiten nach § 15 FRG als Kinder- und Säuglingsschwester vom 17. Februar 1974 bis zum 31. Januar 1978 der Leistungsgruppe 4 zugeordnet. Hierzu gehören Angestellte ohne eigene Entscheidungsbefugnis in einfacher Tätigkeit, deren Ausübung eine abgeschlossene Berufsausbildung oder durch mehrjährige Berufstätigkeit, erfolgreichen Besuch einer Fachschule oder durch privates Studium erworbene Fachkenntnisse voraussetzt.

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Klägerin hat in Leipzig den Beruf der Kinder- und Säuglingsschwester erlernt und das Facharbeiterzeugnis erworben. Ihr wurde im übrigen die medizinische Fachschulanerkennung zuteil. Die Urkunden hat sie der Beklagten in fotokopierter Form selbst vorgelegt. Die Bezeichnung "einfache Tätigkeit” mag mißverständlich sein, bezieht sich aber unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Leistungsgruppeneinteilung auf einen Vergleich zu den Voraussetzungen der nächsthöheren Leistungsgruppe 3. Die Leistungsgruppen stehen in einem Stufenverhältnis zueinander. Die nächsthöhere Gruppe setzt jeweils zusätzliche Qualifikationsmerkmale voraus. Im Vergleich zu den Voraussetzungen, die für die Leistungsgruppe 3 zu erfüllen sind, stellen sich die Fähigkeiten eines Berufsanfängers, der die erforderliche abgeschlossene Berufs- oder Fachschulausbildung hat, als "einfach” dar. Nicht anders sind die gesetzlichen Regelungen der Anlage 1 B zu § 22 FRG, bezogen auf die Leistungsgruppen 3 und 4 zu verstehen. Eine mehrjährige Berufserfahrung sowie besondere Fachkenntnisse und Fähigkeiten besaß die Klägerin in der streitigen Zeit als Schwester nicht. Unter mehrjähriger Berufserfahrung ist entsprechend dem Stufenaufbau der Leistungsgruppen mehr zu verstehen als unter mehrjähriger Berufstätigkeit im Sinne der Leistungsgruppe 4. Die Berufserfahrung muß sich auf den ausgeübten Beruf beziehen. Der Versicherte muß über eine Anzahl von Jahren hinweg praktisch in seinem erlernten Beruf gearbeitet haben. Dies folgt bereits daraus, daß der Berufsgruppenkatalog der Leistungsgruppe 3 überwiegend auf die Vollendung des 30. Lebensjahres abstellt. Bis zu diesem Alter hat ein Angestellter, wenn er den erlernten Beruf auch weiter ausübt, nach der Lehrzeit rund 10 Jahre stetig gearbeitet. Im Regelfall muß der Versicherte daher ca. 10 Jahre praktische Berufserfahrung gesammelt haben. Ferner müssen sich die gewonnenen Erfahrungen auch derart niedergeschlagen haben, daß ein beruflicher Aufstieg zu verzeichnen ist. Diese Voraussetzung ist der Definition der Leistungsgruppe 3 zu entnehmen, die selbständiges Arbeiten nach allgemeiner Anweisung erfordert, während die Tätigkeit im Sinne der Leistungsgruppe 4 als einfache Tätigkeit ohne Entscheidungsbefugnis definiert ist. Gestützt wird diese Auffassung auch dadurch, daß der Leistungsgruppe 3 u.a. Angestellte angehören, die die fachlichen Erfahrungen eines Meisters aufweisen. Mit der Übernahme einer Meistertätigkeit ist grundsätzlich ein beruflicher Aufstieg verbunden (vgl. hierzu Urt. des BSG vom 10. Juni 1980 – 11 RA 70/79 und vom 20. Dezember 1978 – 4 RJ 9/78 sowie vom 20. September 1973 – 11 RA 8/73).

Die Klägerin hat den Beruf der Säuglings- und Kinderschwester nur vier Jahre ausgeübt, so daß sie sich noch keine mehrjährige Berufserfahrung im Sinne der Leistungsgruppe 3 erwerben konnte. Ein beruflicher Aufstieg in diesen Beruf hat in der streitigen Zeit nicht stattgefunden. Zwar stellt der Zeitfaktor alleine nicht in jedem Fall eine zwingende Voraussetzung dar. Nach einer längerdauernden und qualifizierteren Ausbildung und der anschließenden Ausübung einer hochwertigen Tätigkeit können die erforderlichen Erfahrungen schneller erworben werden und unter Umständen bereits nach drei Jahren berufspraktischer Tätigkeit vorliegen. Bei der Klägerin trifft jedoch eine solche Fallgestaltung nicht zu, da sie keine besonders qualifizierte und lange dauernde Ausbildung absolviert und auch keine überdurchschnittlich herausgehobene Stellung inne hatte.

Besondere Fachkenntnisse und Fähigkeiten konnte die Klägerin während der relativ kurzen Berufsausübung als Schwester ebenfalls nicht erwerben. Besondere Fähigkeiten alleine (Einsatzbereitschaft, Eigeninitiative etc.) genügen nicht, wenn nicht gleichzeitig besondere Fachkenntnisse vorhanden sind. Solche müssen zu den allgemeinen Fachkenntnissen, deren Erwerb im Abschluß einer Berufsausbildung seinen Niederschlag findet, hinzutreten (vgl. Urt. des. BSG vom 3. Februar 1977 – 11 RA 40/76 und vom 10. Juni 1980 – 11 RA 70/79).

Eine Spezialtätigkeit übte die Klägerin nicht aus, denn hierzu zählen nur selten anzutreffende Tätigkeiten ohne traditionelles Berufsbild (Urt. des BSG vom 1. Februar 1972 – 11 RA 50/71). Hierbei handelt es sich bei einer Krankenschwester ersichtlich nicht. Bestätigt wird dieses Ergebnis schließlich durch die Berufsgruppenkataloge zu Leistungsgruppen 4 und 3, nach denen die Krankenschwester der Leistungsgruppe 4 und die Oberschwester oder Stationsschwester der Leistungsgruppe 3 zugerechnet wird.

Zutreffend ist schließlich auch die Einstufung als Hilfsfürsorgerin in der Zeit vom 1. Februar 1978 bis 9. Februar 1982. In dieser Zeit hatte die Klägerin noch keine abgeschlossene Berufsausbildung als Fürsorgerin, besuchte berufsbegleitend die Bezirksakademie Leipzig und konnte sich die Kenntnisse, die der Beruf voraussetzt, durch ihre praktische Arbeit aneignen. Solche waren jedoch noch nicht vorhanden. Einer Fürsorgerin mit abgeschlossener Berufsausbildung und einer mehrjährigen Berufserfahrung im Sinne der Leistungsgruppe 3 kann die Klägerin für diesen Zeitraum deshalb nicht gleichgestellt werden. Wegen der Voraussetzungen der Leistungsgruppe 3 wird auf die o.a. Darlegungen verwiesen. Da nicht einmal die Voraussetzungen der Leistungsgruppe 3 erfüllt sind, liegen die noch weitergehenden Voraussetzungen der Leistungsgruppe 2 erst recht nicht vor.

Gleiches gilt auch für die Zeit vom 5. Februar 1982 bis zum 31. Januar 1984, in der die Klägerin als Fürsorgerin beschäftigt war. Es handelt sich um die ersten beiden Jahre, in denen die Klägerin nach bestandenem Examen als Fürsorgerin eingesetzt war. Selbst wenn man die ca. 4-jährige Beschäftigung als Hilfsfürsorgerin so berücksichtigt, als ob sie bereits in dieser Zeit ihr Examen abgelegt gehabt hätte, liegen weder eine rund 10 jährige Berufserfahrung in diesem Beruf noch ein beruflicher Aufstieg vor. Dieser erfolgte ab 1. Februar 1984, weshalb die Beklagte ab dieser Zeit die Voraussetzungen der Leistungsgruppe 3 bejahte.

Ein Anspruch auf Zuordnung zur Leistungsgruppe 2 besteht dagegen für diesen Zeitraum nicht. Hierzu zählen nur Angestellte mit besonderen Erfahrungen und selbständigen Leistungen in verantwortlicher Tätigkeit mit eingeschränkter Dispositionsbefugnis, die Angestellte anderer Tätigkeitsgruppen einzusetzen und verantwortlich zu unterweisen haben. Dahinstehen kann, ob die sonstigen Voraussetzungen vorliegen, jedenfalls besaß die Klägerin in der streitigen Zeit noch keine besonderen Erfahrungen im Sinne dieser Leistungsgruppe. Die Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein. Besondere Erfahrungen bedeutet mehr als eine mehrjährige Berufserfahrung im Sinne der Leistungsgruppe 3. Nach dem Berufsgruppenkatalog ist grundsätzlich die Vollendung des 45. Lebensjahres erforderlich. Dies ist nach einem 20-jährigen stetigen Berufsleben der Fall. Die Erfahrungen müssen grundsätzlich im erlernten und ausgeübten Beruf erworben worden sein. Der Zeitraum kann zwar abgekürzt werden bei einer besonders qualifizierten Ausbildung und der anschließenden Ausübung einer entsprechenden beruflichen Tätigkeit, die sich als besonders herausgehoben darstellt. Grundsätzlich ist aber auch hier eine zumindest 3-jährige praktische Berufstätigkeit in dieser Position erforderlich sowie die Vollendung des 30. Lebensjahres. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Wie das SG zutreffend dargelegt hat, ist die Tätigkeit einer Fürsorgerin mit derjenigen einer Sozialarbeiterin mit Fachhochschulstudium und Diplom in der Bundesrepublik Deutschland zu vergleichen. Ein Universitätsstudium hat eine Sozialarbeiterin hier nicht zu absolvieren. Ein Fachhochschulstudium steht unter Berücksichtigung der durchschnittlichen zeitlichen Dauer des Studiums und der anschließend möglichen Berechtigung zur Berufsausübung einer Universitätsausbildung mit Abschluß nicht gleich. Im Bereich der Medizin oder der Psychologie stehen einem Fachhochschulabsolventen keine Tätigkeiten als Arzt oder Diplom-Psychologe offen. Bei diesen Berufen kann im Einzelfall nach Abschluß des Hochschulstudiums und einer 3 jährigen berufspraktischen Tätigkeit die Einstufung in Leistungsgruppe 2 gerechtfertigt sein. Vergleichbare Tätigkeiten hat die Klägerin nicht ausgeübt. Dieser Vergleich zeigt deutlich, daß bei der Leistungsgruppeneinstufung nach oben ein Spielraum verbleiben muß. Der Senat verkennt nicht, daß hierbei durchaus eine gewisse Pauschalierung vorgenommen werden muß, die sich jedoch im Rahmen der zur Verfügung stehenden 5 Leistungsgruppen nicht vermeiden läßt (zu den Voraussetzungen der Leistungsgruppe 2 vgl. noch Urt. des BSG vom 4. Oktober 1979 – 1 RA 61/78 und vom 24. Juni 1980 – 1 RA 31/79 sowie vom 2. November 1983 – 11 RA 62/82).

Durch die fehlende Kenntnis der Verwaltungsvorschriften der Beklagten wird die Klägerin nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (§ 62 SGG, Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz, GG). Eine Verletzung dieses prozessualen Grundrechtes ist zwar nicht nur gegeben, wenn eine gerichtliche Entscheidung auf Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten (siehe hierzu auch § 128 Abs. 2 SGG), sondern auch dann, wenn die Beteiligten nicht ausreichend gehört wurden, das Gericht also deshalb eine Äußerung zu Tatsachen oder Rechtsfragen gar nicht berücksichtigen konnte. Art. 103 Abs. 1 GG garantiert einen positiven Anhörungsanspruch (vgl. Dürig in Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz, Kommentar, Art. 103 Rdnrn. 30 und 33 ff.). Diesen Grundsätzen ist aber Rechnung getragen.

Dahinstehen kann, ob die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Offenlegung ihrer Arbeitsanweisungen hat, denn ein solcher Anspruch ist nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens. Die Frage, ob ein Anspruch auf Einsichtnahme in die Arbeitsanweisungen besteht, ist nach Auffassung des Senats zu trennen von der Frage, ob die fehlende Kenntnis der Arbeitsanweisungen mit der Folge, daß hierzu keine Stellungnahme abgegeben werden kann, zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs führt. Die Klägerin hat kein Verwaltungsverfahren mit dem Antrag auf Einsichtnahme in die Verwaltungsvorschriften betrieben und ist dementsprechend nicht durch einen ablehnenden Bescheid der Beklagten beschwert. Im erstinstanzlichen- und im Berufungsverfahren hat die Klägerin keinen Klageantrag des Inhalts gestellt, die Beklagte zu verurteilen, ihr Einsicht in die Arbeitsanweisungen zu gewähren.

Die Klägerin hatte Gelegenheit, die Berufung unter Berücksichtigung der Sach- und Rechtslage, wie sie sich aus den einschlägigen Vorschriften des FRG, insbesondere der Anlage 1 B zu § 22 FRG ergibt, zu begründen. Die Arbeitsanweisungen beeinflussen den Prozeßstoff in keiner Weise. Der Senat kennt die Arbeitsanweisungen ebenfalls nicht und legt sie der Entscheidung nicht zugrunde. Deshalb kann offenbleiben, ob es sich um sogenannte Verhaltens lenkende Verwaltungsvorschriften, Vereinfachungsanweisungen oder um norminterpretierende Verwaltungsvorschriften handelt (vgl. hierzu im einzelnen Ossenbühl in Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Auflage, S. 85, 86).

Dahinstehen kann auch, ob die Verwaltungsvorschriften Bindungswirkung im Außenbereich zwischen Verwaltung und Bürger entfalten oder lediglich Innenwirkung haben. Wenn man den Rechtscharakter von Verwaltungsvorschriften als Rechtssätze mit Außenwirkung bejaht, bedürfen sie für ihre Wirksamkeit der Publikation (vgl. Ossenbühl a.a.O., S. 90, 94, 95 m.w.N.). Die Arbeitsanweisungen der Beklagten zu der Leistungsgruppeneinstufung nach dem FRG sind unstreitig nicht veröffentlicht und daher auch nach dieser Rechtsauffassung unbeachtlich. Wenn man den Verwaltungsvorschriften nur Innenwirkung beimißt, haben sie für die Gerichte keinerlei Bindungswirkung. Die Rechtsauffassung der Verwaltung kommt dann in den Äußerungen im konkreten Streitverfahren zum Ausdruck. Hierzu kann die Gegenseite Stellung nehmen. Ob die Verwaltung gegen ihre eigenen Verwaltungsvorschriften verstoßen hat, ist im Bereich der gebundenen Verwaltungsentscheidungen ohne Bedeutung. Es handelt sich um eine innere Angelegenheit der Verwaltung. Zu berücksichtigen ist der Grundsatz der Gesetzesbindung. Selbst wenn Verwaltungsvorschriften im Einzelfall eine für den Bürger günstigere Auslegung festschreiben als die Rechtsprechung, ist dies ohne Belang. Der Grundsatz der Gesetzesbindung hat Vorrang. Im Rahmen der gebundenen Verwaltungsentscheidungen ist die Rechtsauffassung der Behörde voll in einem Streitverfahren überprüfbar. Dies gilt auch bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe. Anders stellt sich die Rechtslage im Bereich der Ermessensentscheidungen dar. Hier kann ein Verstoß gegen die Pflicht zur Sachaufklärung und gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs in Betracht kommen, wenn das Gericht den Inhalt von Verwaltungsvorschriften nicht ermittelt und den Inhalt der Gegenseite nicht bekannt gibt. Im Bereich der Ermessensentscheidungen ist zu prüfen, ob Ermessensfehler vorliegen. Ein klassischer Ermessensfehler stellt ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot dar. Wenn der betreffende Bürger behauptet, er sei im Vergleich zu einem anderen von der Verwaltung bei gleichliegendem Sachverhalt zu Unrecht schlechter gestellt worden, ist zu prüfen, ob die Verwaltung von ihrer eigenen ständigen Verwaltungspraxis(-übung) abgewichen ist. Die Verwaltungsvorschriften sind dann Indizien für das Vorhandensein einer bestimmten Verwaltungspraxis. Da die Bediensteten an die Verwaltungsvorschriften gebunden sind, besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, daß die Verwaltungsvorschriften und die Verwaltungspraxis deckungsgleich sind. Deshalb kann ein Abweichen von den Verwaltungsvorschriften als Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und damit als Ermessensfehler angesehen werden. Dies gilt aber nur, weil die Verwaltung eigene Maßstäbe setzen kann und einen Entscheidungsspielraum hat, der nur in beschränktem Umfang der richterlichen Kontrolle unterliegt (§§ 39 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, SGB 1, 54 Abs. 2 SGG). Im Bereich der Ermessensverwaltung ist das Verwaltungshandeln nicht vom Gesetz determiniert. Ein Konflikt zwischen dem Grundsatz der Gesetzesbindung und dem Gleichheitsgebot besteht nicht (vgl. Ossenbühl a.a.O., S. 91 bis 94).

Andere Rechtsauffassungen sind in dem von der Klägerin zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts und den Ausführungen von P. nicht enthalten (vgl. Urt. des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Juni 1984 – 5 C 73/82 in NJW 84, 2590 und Plagemann: "Die Stellung der Partei im Verfahren aus der Sicht eines Rechtsanwalts” in Entwicklung des Sozialrechts, Aufgabe der Rechtsprechung, Festgabe aus Anlaß des 100 jährigen Bestehens vom Deutschen Sozialrechtsverband e.V. 1984, Carl Heymanns-Verlag, S. 213 ff. (221) sowie auch Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. September 1980 – 1 C 52/75 und 1 C 89/79 in E 61, 15, 40 und Jellinek, Veröffentlichung verwaltungsinterner Ermessensrichtlinien in NJW 1981, 2235).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Staatskasse waren die Kosten der Klägerin nicht aufzuerlegen, denn Kostenschuldner kann gemäß § 193 Abs. 1, 1. Halbsatz SGG nur ein Beteiligter sein. Die Staatskasse ist an dem Verfahren nicht beteiligt und war auch nicht daran zu beteiligen. Eine Kostentragungspflicht der Staatskasse kommt nur im Rahmen des besonderen Kostenverfahrens nach § 109 Abs. 1 SGG (vgl. Hess. LSG, Beschluss vom 11. Dezember 1984 – L-3/B-4/84 mit weiteren Nachweisen) in Betracht, soweit es um die Kosten für ein medizinisches Sachverständigengutachten, nicht aber um die eigenen außergerichtlichen Kosten geht.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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