L 2 B 334/08 AS ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 9 AS 1251/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 B 334/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
SGB II-Nutzungsentschädigung
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 17. Juli 2008 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Sozialgesetzbuch II – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II), insbesondere die Zahlung einer seiner geschiedenen Ehefrau zugesagten Nutzungsentschädigung für das nunmehr von ihm allein genutzte Eigenheim der beiden.

Der im Jahre 1959 geborene Antragsteller bezieht von der Antragsgegnerin laufend Arbeitslosengeld II. Er lebt in einem Eigenheim, das sich auf einem Grundstück befindet, welches in seinem Miteigentum steht. Weitere Miteigentümerin ist seine seit August 2007 geschiedene ehemalige Ehefrau. Die Ehegatten trennten sich im Dezember 2005. Die Ehefrau zog im Dezember 2005 aus dem gemeinsamen Haus aus und begehrte mit Schreiben vom 27. April 2006 ab Mai 2006 von dem Antragsteller eine Nutzungsentschädigung für die Beanspruchung ihres Miteigentumsanteils durch den Antragsteller bis zur endgültigen Grundstücksauseinandersetzung in Höhe von 365,00 EUR monatlich.

Daraufhin gewährte in der Zeit vom 1. Mai 2006 bis zum 31. März 2007 die Antragsgegnerin dem Antragsteller den Betrag von 365,00 EUR im Rahmen der Leistungen für Unterkunft und Heizung.

Mit Urteil vom 12. Juli 2007 verurteilte das Amtsgericht Sangerhausen den Antragsteller zur Zahlung von 2.298,91 EUR sowie zur Zahlung einer monatlichen Nutzungsentschädigung in Höhe von 234,00 EUR ab August 2007 für die Zeit der alleinigen Nutzung an seine geschiedene ehemalige Ehefrau. Der ausgeurteilte Betrag ergab sich unter anderem aus noch ausstehenden Zahlungen der Nutzungsentschädigung. Die Nutzungsentschädigung selbst stellten die Beteiligten im Rechtsstreit unstreitig in Höhe von 234,00 EUR monatlich fest (Urteil des Amtsgerichts Sangerhausen vom 12. Juli 2007, 1 C 570/06).

Mit Bescheid vom 1. Februar 2008 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller für die Zeit vom 1. Februar 2008 bis 31. Juli 2008 Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 442,05 EUR als Vorschussleistung. Hiervon entfielen 347,00 EUR auf die Regelleistung und 54,25 EUR auf die Leistungen für Unterkunft. Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller am 2. März 2008 Widerspruch.

Am 31. März 2008 hat der Antragstellerin bei dem Sozialgericht Halle (SG) um die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht: Er müsse die Nutzungsentschädigung an seine geschiedene Ehefrau zahlen. Dies ergebe sich aus dem Urteil des Amtsgerichts Sangerhausen. Bei unterlassener Zahlung sei er gezwungen, aus dem Haus auszuziehen. Seine geschiedene Ehefrau habe mit Vollstreckungsmaßnahmen gedroht. Darüber hinaus müssten monatliche Aufwendungen für das Haus von der Antragsgegnerin übernommen werden. Insgesamt fielen nunmehr 344,00 EUR pro Monat an. Zudem müsste die Antragsgegnerin anstehende Heizöllieferungen im Voraus bezahlen.

Nachdem sich die Beteiligten im Hinblick auf einzelne Streitpunkte geeinigt hatten, begehrte der Antragsteller noch sinngemäß, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig für die Zeit vom 1. Februar 2008 bis zum 31. Juli 2008 im Rahmen der Arbeitslosengeld II-Bewilligung weitere Leistungen für die Unterkunft in Höhe von 246,42 EUR (234 EUR Nutzungsentschädigung sowie 12,42 EUR Vorauszahlungen für die kommende Fäkalienentsorgung) sowie Leistungen für Heizung zu zahlen.

Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 17. Juli 2008 abgelehnt und zur Begründung unter anderem ausgeführt: Mit der wirksamen Scheidung der Ehe verliere die zwischen den damals getrennt lebenden Ehegatten geschlossene Vereinbarung über die Zahlung der Nutzungsentschädigung ihre Wirksamkeit. Nach der Scheidung habe die geschiedene Ehefrau keine weitere Zahlung der Nutzungsentschädigung verlangt. Die Nutzungsentschädigung sei auch keine Aufwendung für die Unterkunft und Heizung im Sinne des § 22 SGB II. Die Entschädigung würde der Antragsteller nicht für seine Unterkunft aufwenden, sondern für die Nutzung des Miteigentumsanteils der geschiedenen Ehefrau. Sie stelle eine schlicht schuldrechtliche Ausgleichsverpflichtung dar, die nicht zu den Aufwendungen für die Unterkunft zähle. Die Geltendmachung einer Nutzungsentschädigung sei im vorliegenden Fall auch unbillig im Sinne des § 1361b Abs. 3, Satz 2 BGB. Denn der Antragsteller könne sich die Zahlung einer Entschädigung aufgrund seiner finanziellen Lage nicht leisten. Das Urteil des Amtsgerichts Sangerhausen stehe dem nicht entgegen, denn das Gericht habe – da die Zahlung der Nutzungsentschädigung zwischen den Parteien unstreitig vereinbart gewesen sei – die Anspruchsvoraussetzungen nicht geprüft. Schließlich scheide der weiterhin geltend gemachte Anspruch des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin auf Erbringung der Aufwendungen für die nächste Fäkalienentsorgung in Form von Vorauszahlungen aus. Die letzte jährliche Gebühr habe die Antragsgegnerin im Verlaufe des Eilverfahrens bewilligt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei diese Leistung als Einmalleistung im konkreten Bedarfszeitpunkt zu gewähren. Erst im Falle der nächsten Fäkalienentsorgung entstehe daher ein neuer Bedarf. Das gleiche gelte für die Aufwendungen für Heizung. Auch diese seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als Einmalleistung zu erbringen und nicht als monatliche Pauschalen. Der Antragsteller habe selbst vorgetragen, dass weitere Aufwendungen für die Beschaffung von Heizmaterial nicht angefallen seien.

Gegen den ihm am 23. Juli 2008 zugestellten Beschluss des SG hat der Antragsteller am 21. August 2008 Beschwerde eingelegt und weiterhin die Zahlung der Nutzungsentschädigung begehrt, die er seiner geschiedenen Frau schulde. Naheliegend sei, dass die Ehegatten eine Nutzungsentschädigung auch jetzt noch vereinbart hätten. Denn für eine unentgeltliche Überlassung der Nutzung lägen keine Anhaltspunkte vor. Insoweit gebe es auch keine Absprachen. Die dem Mietrecht zuzuordnende Regelung des § 745 BGB führe dazu, dass der Antragsteller in seiner Eigenschaft als Mieter zur Zahlung an die Vermieterin – seine geschiedene Ehefrau – verpflichtet sei. Vor diesem Hintergrund sei auch keine erneute Geltendmachung der mietvertraglichen Forderung nötig. Eine Quotelung der Kosten nach der Kopfzahl greife nicht, da der Antragsteller als einzige Person das Eigenheim nutze; die Miteigentümerin nutze dieses nicht. Der Antragsteller sei mietvertraglich verpflichtet, an den Teileigentümer des Hauses eine Entschädigung zu zahlen. Kosten für die Unterkunft führten regelmäßig zum Vermögensaufbau beim Vermieter. Der Antragsteller und auch das Gericht seien an die rechtskräftige Entscheidung des Amtsgerichts Sangerhausen gebunden. Ihm sei es prozessual verwehrt, die "Einrede der Bedürftigkeit" zu erheben. Selbst wenn das Urteil des Amtsgerichts Sangerhausen falsch wäre und der Antragsteller nicht gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau verpflichtet sei, habe die geschiedene Ehefrau bereits eine Vollstreckungsmaßnahme angedroht. Sie wolle aber eine Teilungsversteigerung nicht durchführen lassen.

Der Antragsteller beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Halle vom 17. Juli 2008 die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig für die Zeit vom 1.2.2008 bis zum 31.7.2008 im Rahmen der ALG II-Bewilligung weitere Leistungen für Unterkunft in Höhe von 246,42 Euro zu zahlen.

Die Antragsgegnerin verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und ihre Verwaltungsentscheidungen und beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin sowie die Gerichtakte des Sozialgerichts und des Senats ergänzend Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz – SGG), form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG) und auch im Übrigen zulässig.

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist jedoch nicht begründet. Denn im Ergebnis zu Recht hat das SG mit Beschluss vom 17. Juli 2008 den Antrag im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens abgelehnt.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung erlassen werden, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dabei hat der Antragsteller gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO) den Anspruch auf die begehrte Leistung (Anordnungsanspruch) sowie die Dringlichkeit der Entscheidung des Gerichts (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen. Bei der Entscheidung über den Antrag ist von den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auszugehen. Eine einstweilige Anordnung, mit der Leistungen nach dem SGB II geltend gemacht werden, ist regelmäßig nur dann notwendig, wenn eine gegenwärtige akute Notlage zu beseitigen ist.

Hier mangelt es bereits an einem Anordnungsgrund. Es ist nicht ersichtlich, dass eine vorläufige gerichtliche Entscheidung zur Behebung einer akuten Notlage erforderlich ist. Denn die Wohnung des Antragstellers ist nicht gefährdet. Die Antragsgegnerin übernimmt weiterhin die anfallenden Nebenkosten für das Eigenheim der geschiedenen Eheleute in voller Höhe (Zinsen, Grund- und Gebäudesteuer, Schornsteinreinigung, Müllabfuhr, Wasser, Abwassergebäudeversicherung, Heizungswartung, Heizstrombedarf und Fäkalien sowie die Heizkosten). Der Antragsteller ist hälftiger Miteigentümer des Hausgrundstücks und als solcher zur Nutzung des Hauses berechtigt. Es kann dahingestellt bleiben, ob er mit seiner geschiedenen Ehefrau eine wirksame privatrechtliche Vereinbarung getroffen hat, wonach er verpflichtet ist, an diese für die Nutzung ihres Miteigentumsanteils 234,00 EUR zu zahlen. Denn insoweit handelt es sich – entgegen der Auffassung des Antragstellers – nicht um einen Mietvertrag mit seiner Ehefrau, sondern um eine Regelung der Eheleute gemäß § 1361b Abs. 3 BGB oder – nach Scheidung der Ehe – gemäß § 745 Abs. 2 BGB. Den Miteigentümern kommt nicht aufgrund eines Mietvertrages, sonder aufgrund ihres Eigentums das Besitzrecht an dem Eigenheim zu. Vor diesem Hintergrund ist auch eine Kündigung mit der Beendigung des Besitzrechts gar nicht möglich. Vorgetragen hat der Antragsteller jedoch, dass die Ehefrau mit Vollstreckungsmaßnahmen gedroht haben soll. Es kann offen bleiben, ob dies tatsächlich der Fall ist. Denn eine solche Drohung könnte "nur" die vom Amtsgericht Sangerhausen ausgeurteilte Nutzungsentschädigung betreffen. Das Amtsgericht hat den Antragsteller verurteilt, für die Dauer der alleinigen Nutzung der Wohnung eine monatliche, am dritten eines jeden Monats fällige Nutzungsentschädigung in Höhe von 234,00 EUR zu zahlen (Urteil vom 13. August 2007, 1 C 570/06). Diese Zahlungen wird der Antragsteller derzeit nicht leisten, da er von seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen hierzu nicht in der Lage ist. Eine Vollstreckung aus dem Urteil des Amtsgerichts erscheint vor diesem Hintergrund aus Sicht der geschiedenen Ehefrau jedoch nicht sinnvoll, da nach der derzeitigen finanziellen Situation des Antragstellers eine Vollstreckung allenfalls in den Miteigentumsanteil des gemeinsamen Eigenheims möglich wäre. Gerade dies scheinen die geschiedenen Eheleute derzeit jedoch nicht zu wollen. Die geschiedene Ehefrau betreibt nach Angaben des Antragstellers bisher keine Grundstücksauseinandersetzung mit Teilungsversteigerung. Erst wenn ein Versteigerungstermin anberaumt wäre, drohte dem Antragsteller akute Wohnungslosigkeit.

Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, dass die früheren Eheleute eine Nutzungsentschädigung vereinbart haben wollen und über diesen unstreitigen Teil ein Urteil des Amtsgerichts Sangerhausen erwirkt wurde. Dass der Antragsteller damit eine Zahlungsverpflichtung eingegangen ist, die er angesichts seines Einkommens und Vermögens nicht erfüllen kann, führt nicht zur Eilbedürftigkeit der Angelegenheit im Verhältnis zur Antragsgegnerin.

Soweit der Antragsteller neben der Nutzungsentschädigung vorläufig Kosten der nächsten Fäkalienentsorgung und Vorauszahlungen für Heizkosten von der Antragsgegnerin übernommen wissen will, besteht ebenfalls kein Anordnungsgrund. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts diese Leistung als Einmalleistung im konkreten Bedarfszeitpunkt zu gewähren. Erst im Falle der nächsten Fäkalienentsorgung entsteht daher ein neuer Bedarf. Das gleiche gilt für die Aufwendung für Heizung. Zwischenzeitlich bewilligte die Antragsgegnerin erneut Heizölkosten in Höhe von 786,02 EUR. Der Antragsteller konnte danach seinen Tank befüllen lassen. Dies ergab sich im Verlaufe eines weiteren beim Landessozialgericht anhängigen Eilverfahrens (L 2 AS 1/09 B ER).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Die Beschwerde ist nicht zulässig, § 177 SGG.

gez. Lauterbach gez. Wulff gez. Dr. Peters
Rechtskraft
Aus
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