S 13 EG 18/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 EG 18/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 13 EG 16/09
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 27.01.2006 und des Teilhilfebescheides vom 13.07.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2008 verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 16.07.2005 bis 28.02.2006 Erziehungsgeld in Höhe des Regel- betrages, insgesamt 2.250,00 EUR zu zahlen. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt der Beklagte.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Erziehungsgeld (Regelbetrag) für die Zeit vom 16.07.2005 bis 28.02.2006 in Höhe von 2.250,00 EUR.

Die 0000 geborene Klägerin ist kongolesische Staatsangehörige. Sie hält sich seit Januar 1997 ununterbrochen und erlaubt in Deutschland auf. Vom 01.01.2002 bis 21.04.2004 war sie im Besitz einer "Duldung" nach § 55 Abs. 2 des (damals geltenden) Ausländergesetzes (AuslG). Ab 22.4.2004 besaß sie eine Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3 AuslG. Seit dem 21.02.2007 ist sie im Besitz einer Niederlassungserlaubnis.

Am 00.00.2005 gebar die Klägerin ihr (viertes) Kind N. Sie lebt seit der Geburt mit dem Kind in einem Haushalt und betreut und erzieht es selbst. Eine Erwerbstätigkeit übte sie im streitbefangenen Zeitraum nicht aus.

Am 16.01.2006 beantragte die Klägerin Erziehungsgeld in Höhe des Regelbetrages für das erste Lebensjahr des Kindes.

Das Versorgungsamt B. lehnte den Antrag durch Bescheid vom 27.01.2006 ab mit der Begründung, der erteilte Aufenthaltstitel begründe nach dem geltenden Bundeser- ziehungsgeldgesetz (BErzGG) keinen Erziehungsgeldanspruch.

Dagegen legte die Klägerin am 06.02.2006 Widerspruch ein; sie wies auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.07.2004 (1 BvR 2515/95) hin.

Der Beklagte stellte im Einverständnis mit der Klägerin die Entscheidung über den Widerspruch bis zum Erlass einer - vom BVerfG geforderten - Neuregelung zurück.

Am 01.04.2006 nahm die Klägerin eine erlaubte Tätigkeit als Reinigungskraft auf.

Am 19.06.2006 beantragte die Klägerin Erziehungsgeld (Regelbetrag) für das zweite Lebensjahr des Kindes.

Nach Erlass des "Gesetz zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss" vom 13.12.2006 (BGBl. I S. 2915) bewilligte der Beklagte durch (Teil-)Abhilfebescheid vom 13.07.2007 Erziehungsgeld in Höhe des Regelbetrages für die Zeit vom 01.03. bis 23.05.2006, insgesamt 830,00 EUR, und durch weiteren Bescheid vom 13.07.2007 Erziehungsgeld in Höhe des Regelbetrags für das gesamte zweite Lebensjahr des Kindes, insgesamt 3.600,00 EUR.

Soweit dem Widerspruch nicht abgeholfen wurde, wies ihn der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 08.07.2008 zurück. Er vertrat die Auffassung, die Klägerin erfülle für den geltend gemachten Erziehungsgeldanspruch erst ab 01.03.2006 die durch die Neuregelung geschaffenen Voraussetzungen des § 1 Abs. 6 BErzGG.

Dagegen hat die Klägerin am 08.08.2008 Klage erhoben. Sie hält § 1 Abs. 6 BErzGG sowohl in der bis 31.12.2005 als auch in der seit 01.01.2006 geltenden Fassung für verfassungswidrig. Sie ist der Auffassung, dass sich ihr Erziehungsgeldanspruch im Hinblick auf § 24 Abs. 3 BErzGG in der Fassung des Gesetzes vom 13.12.2006 nach der bis 31.12.2005 geltenden Fassung des § 1 Abs. 6 BErzGG richtet. Bei verfassungskonformer Auslegung dieser Vorschrift im Sinne der Entscheidung des BVerfG vom 06.07.2004 sei ihr Erziehungsgeldanspruch begründet.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 27.01.200 und Abänderung des Bescheides vom 13.07.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2008 zu verurteilten, ihr auch für die Zeit vom 16.07.2005 bis 28.02.2006 Erziehungsgeld in Höhe des Regelbetrages, insgesamt 2.250,00 EUR zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verbleibt bei der in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Auffassung. Er meint, auch über § 24 Abs. 3 BErzGG lasse sich kein Anspruch der Klägerin herleiten. Seines Erachtens sei nach dieser Vorschrift die Neufassung des § 1 Abs. 6 BErzGG nur anwendbar, wenn sie für die erziehungsgeldbeantragende Person günstiger sei als die bei Bescheid- erteilung bzw. die bis zum 26.06.1993 geltende Fassung, soweit sich der Anspruch nach der mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärten Fassung vom 23.06.1993 gerichtet hatte. Hierzu würden aber nicht die Nachfolgeregelungen des § 1 Abs. 1a Satz 1 BErzGG in der Fassung vom 23.06.1993 gehören. Die Entscheidung des BVerfG vom 06.07.2004 sei vielmehr so zu verstehen, dass eine Anwendung des bis zum 26.06.1993 geltenden Rechts nur für Fälle gelte, in denen die für verfassungswidrig erklärte Regelung des § 1 Abs. 1a Satz 1 BErzGG vom 23.06.1993 im Hinblick auf das Geburtsdatum des Kindes einschlägig sei. Der Beklagte sieht sich in seiner Auffassung durch das Urteil des Sozialgerichts (SG) Detmold vom 05.03.2008 (S 15 EG 9/07) bestätigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die Klägerin betreffende Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten übereinstimmend mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG.)

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG, da sie teilweise rechtswidrig sind. Die Klägerin hat Anspruch auf Erziehungsgeld für ihr am 00.00.2005 geborenen Kind in Höhe des Regelbetrages (monatlich 300,00 EUR) für den Zeitraum vom 16.07.2005 bis 28.02.2006, insgesamt 2.250,00 EUR.

Die Klägerin erfüllt für den maßgeblichen Anspruchszeitraum die Voraussetzungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BErzGG: sie hat einen Wohnsitz in Deutschland, hat die Personensorge für das Kind Manasse, lebt mit ihm in einem Haushalt, betreut und erzieht dieses Kind selbst und übt keine Erwerbstätigkeit aus. Desweiteren erfüllt die Klägerin auch die ausländer- und aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen nach § 1 Satz 6 BErzGG. Diese ergeben sich allerdings nicht aus § 1 Abs. 6 BErzGG in der seit 01.01.2006 geltenden Fassung durch Artikel 3 Nr. 1 des "Gesetz zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss" vom 13.12.2006 (BGBl. I S. 2915), sondern aus § 1 Abs. 6 BErzGG in der vom 01.01. bis 31.12.2005 geltenden Fassung durch Artikel 10 Nr. 4 des Zuwanderungsgesetzes vom 30.07.2004 (BGBl. I S. 1950). Dies folgt aus § 24 Abs. 3 Satz 1 BErzGG, neu gefasst durch Artikel 3 Nr. 2b) des Gesetzes vom 13.12.2006. Danach ist die Neufassung des § 1 Abs. 6 in Fällen, in denen eine Entscheidung über den Anspruch auf Erziehungsgeld für einen Bezugszeitraum zwischen dem 27.06.1993 und dem 18.12.2006 noch nicht bestandskräftig geworden ist, (nur) anzuwenden, wenn dies für die erziehungsgeldbeantragende Person günstiger ist.

Hintergrund dieses Gesetzes ist (u.a.) der Beschluss des BVerfG vom 06.07.2004 - 1 BvR 2515/95 (BVerfGE 111, 176 = SozR 4-7833 § 1 Nr. 4 = NVwZ 2005, 319 = InfAuslR 2005, 116). Darin hat das BVerfG die für ausländische Staatsangehörige geltenden besonderen Regelungen des § 1 Abs. 1a Satz 1 BErzGG in der Fassung des "Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms" - FKPG - vom 23.06.1993 (BGBl. I S. 944) für verfassungswidrig erklärt, soweit dadurch Ausländer, die lediglich eine Aufenthaltsbefugnis besaßen, generell von der Gewährung von Erziehungsgeld ausgeschlossen wurden. Das BVerfG hat dem Gesetzgeber anheimgestellt, diese Vorschriften bis spätestens 01.01.2006 durch eine verfassungskonforme Neuregelung zu ersetzen. Um dieser Vorgabe Rechnung zu tragen, hat die Bundesregierung - allerdings erst im Mai 2006 - einen entsprechenden Gesetzentwurf (BT-Drucksache 16/1368) vorgelegt. Das "Gesetz zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss" ist nach Durchlaufen des Gesetzgebungsverfahrens schließlich (erst) am 13.12.2006 erlassen worden. Die Neufassung des § 1 Abs. 6 BErzGG ist rückwirkend am 01.01.2006 in Kraft getreten (vgl. Art. 6 des Gesetzes vom 13.12.2006). Da diese Rückwirkung jedoch die vom BVerfG angeordnete Frist für noch nicht bestandskräftige Fälle missachtet hätte, weil sie bei Erlass des Gesetzes bereits abgelaufen war, hat der Gesetzgeber in § 24 Abs. 3 BErzGG eine Günstigkeitsregelung getroffen. Diese ist für die Klägerin einschlägig, weil der von ihr geltend gemachte Anspruch auf Erziehungsgeld "für einen Bezugszeitraum zwischen dem 27. Juni 1993 und dem 18. Dezember 2006", nämlich die Zeit vom 16.07.2005 bis 28.02.2006 gilt und die Entscheidung über diesen Anspruch, die vom 27.01.2006 datiert, am 19.12.2006 noch nicht bestandskräftig geworden war.

Die vom Beklagten und vom SG Detmold im Urteil vom 05.03.2008 (S 15 EG 9/07) vertretene Auffassung zu § 24 Abs. 3 BErzGG, dass nach dieser Bestimmung die Neufassung des § 1 Abs. 6 "anwendbar ist, wenn sie für den Antragsteller günstiger ist als die bei Bescheiderteilung bzw. die bis zum 26.06.1993 geltende Fassung, soweit sich der Anspruch nach der für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärten Fassung vom 23.06.1993 gerichtet hatte" in Verbindung mit deren Auffassung, dass die Entscheidung des BVerfG vom 06.07.2004 so zu verstehen ist, "dass die Sanktion der Geltung des bis zum 26.06.1993 geltenden Rechts nur für die Fälle gilt, in denen die für verfassungswidrig erklärte Regelung des § 1 Abs. 1a S. 1 BErzGG vom 23.06.1993 m Hinblick auf das Geburtsdatum des Kindes einschlägig ist" (so: SG Detmold, Urteil vom 05.03.2008, Seite 5 und 6), lässt sich schon denklogisch mit dem Wortlaut des § 24 Abs. 3 BErzGG nicht in Einklang bringen. Diese Vorschrift bezieht alle Erziehungsgeldansprüche "für einen Bezugszeitraum zwischen dem 27.06.1993 und dem 18.12.2006" ein, über die noch nicht bestandskräftig entschieden worden ist. Wäre die Auffassung des Beklagten und des SG Detmold zutreffend, so wären nur Ansprüche auf Erziehungsgeld für Bezugszeiträume bis 30.06.2002 von § 24 Abs. 3 BErzGG erfasst; denn die vom BVerfG für verfassungswidrig erklärte Vorschrift des § 1 Abs. 1a S. 1 BErzGG in der Fassung des FKPG vom 23.06.1993 galt nur bis 31.12.2000. Sie wurde durch die Nachfolgeregelung des § 1 Abs. 6 S. 2 Nr. 1 BErzGG in der Fassung des 3. BErzGG-Änderungsgesetz vom 12.10.2000 (BGBl. I S. 1426) mit Wirkung ab 01.01.2001 und diese wiederum durch die Nachfolgeregelung des § 1 Abs. 6 Satz 2 BErzGG in der Fassung des Zuwanderungsgesetzes mit Wirkung ab 01.01.2005 ersetzt. Die verfassungswidrige Vorschrift des § 1 Abs. 1 Abs. 1a S. 1 BErzGG galt also nur für Geburten bis 31.12.2000 (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 1 BErzGG). Für Kinder, die noch an diesem Tag geboren wurden, konnte Erziehungsgeld für längstens 18 Monate, also bis 30.06.2002 bezogen werden. Wäre die Auffassung des Beklagten und des SG Detmold zum Anwendungsbereich des § 24 Abs. 3 BErzGG richtig, könnten Bezugszeiträume ab 01.07.2002 nicht mehr betroffen sein. Der Gesetzgeber hat aber darüberhinaus auch die Bezugszeiträume bis 18.12.2006, also auch solche aus Ansprüchen aus den Nachfolgeregelungen zu der verfassungswidrigen Vorschrift des § 1 Abs. 1a S. 1 BErzGG in der Fassung des Gesetzes vom 23.06.1993, einbezogen.

Der Erziehungsgeldanspruch der Klägerin bestimmt sich nach § 1 Abs. 6 BErzGG a.F., weil die Neuregelung der Vorschrift durch das Gesetz vom 13.12.2006 für sie ungünstiger gewesen wäre. Die Klägerin erfüllt nämlich die Voraussetzungen in der Neufassung nicht. Sie ist zwar aufgrund der ihr seit April 2004 nach dem AuslG erteilten Aufenthaltsbefugnis in Verbindung mit der Fortgeltungsbestimmung des § 101 Abs. 2 AufenthG seit 01.01.2005 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG und hat sich zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes am 24.05.2005 bereits mindestens 3 Jahre rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufgehalten (§ 1 Abs. 6 Nr. 2.c) i.V.m. Nr. 3.a)); jedoch war sie im streitbefangenen Anspruchszeitraum weder erwerbstätig, noch bezog sie Leistungen nach dem SGB III, noch hat sie Elternzeit in Anspruch genommen. Die Auffassung, § 1 Abs. 6 Nr. 3 b) müsse und könne verfassungskonform dahin ausgelegt werden, dass die Voraussetzungen dieser Norm bereits erfüllt, wer - wie die Klägerin - zu einer Erwerbstätigkeit berechtigt ist, ohne eine solche tatsächlich auszuüben oder SGB IIII-Leistungen zu beziehen oder Elternzeit in Anspruch zu nehmen (so: SG Würzburg, Urteil vom 28.03.2008 - S 4 EG 49/06; SG Münster, Urteil vom 31.03.2008 - S 2 EG 25/07) teilt die Kammer nicht (vgl. dazu ausführlich: Urteil der Kammer vom 14.10.2008 - S 13 EG 1/08).

Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen der zuvor geltenden Regelung des § 1 Abs. 6 BErzGG in der Fassung durch Art. 10 Nr. 4 des Zuwanderungsgesetzes vom 30.07.2004 (BGBl. I. S. 1950). Satz 2 dieser Vorschrift lautete: "Ein anderer Ausländer ist anspruchsberechtigt, wenn er im Besitz 1.einer Niederlassungserlaubnis, 2.einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Erwerbstätigkeit, 3.einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 und 2, den §§ 31, 37, 38 des Aufenthaltsgesetzes oder 4.einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs zu einem Deutschen oder zu einer von Nr. 1 bis 3 erfassten Person ist." Bei wörtlicher Anwendung dieser Vorschrift wäre allerdings auch hiernach der Erziehungsgeldanspruch der Klägerin zu verneinen. Denn sie verfügte im streitbefangenen Zeitraum über keinen der aufgezählten Aufenthaltstitel; die für sie ab 2005 geltende Aufenthaltser-laubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG gehört ebensowenig dazu wie die zuvor seit 2004 besessene Aufenthaltsbefugnis. Eine wörtliche Anwendung der Vorgängervorschrift stünde jedoch nicht im Einklang mit der Verfassung, wie sich aus dem Beschluss des BVerfG vom 06.07.2004 (a.a.O.) ergibt.

Das BVerfG hat es im Beschluss vom 06.07.2004 grundsätzlich für legitim gehalten, dass der Gesetzgeber das Erziehungsgeld nur denjenigen Ausländern zukommen lassen will, von denen erwartet werden kann, dass sie auf Dauer in Deutschland bleiben. Es hat es aber für nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar angesehen, diesen Personenkreis allein dadurch zu erfassen, dass formal an die Art eines Aufenthaltstitels angeknüpft wird. Es hat es konkret für verfassungswidrig angesehen, Ausländer, die lediglich eine Aufenthaltsbefugnis besaßen, ohne nähere Differenzierung von der Leistung des Erziehungsgeldes auszuschließen. Die Fassung des Gesetzes, über die das BVerfG seinerzeit zu entscheiden hatte, galt ab 27.06.1993 und ging auf Art. 4 Nr. 1 FKPG zurück. Waren nach dem bis 26.06.1993 geltenden Recht noch Ausländer, die (nur) eine Aufenthaltsbefugnis besaßen, grundsätzlich erziehungsgeldberechtigt, so schloss der Gesetzgeber nunmehr die Inhaber von Aufenthaltsbefugnissen vom Erziehungsgeldbezug aus. Dies hat das BVerfG für verfassungswidrig gehalten und dem Gesetzgeber aufgegeben, bis 01.01.2006 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen, anderenfalls auf nicht abgeschlossene Verfahren das bis 26.06.1993 geltende Recht anzuwenden sei. Daraus wird deutlich, dass das BVerfG das bis 26.06.1993 geltende Recht für verfassungsgemäß hält. Danach war für den Erziehungsgeldanspruch eines Ausländers Voraussetzung, dass er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung, Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsbefugnis war. Nach Auffassung des BVerfG durfte der Gesetzgeber also ohne Verfassungsverstoß als Voraussetzung für die Gewährung von Erziehungsgeld an Ausländern fordern, dass diese zumindest im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis waren. Die Aufenthaltsbefugnis nach § 30 des Ausländergesetzes (AuslG) vom 09.07.1990 (BGBl. I S. 1354) war für Ausländer vorgesehen, denen aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen Aufenthalt gewährt wurde. Für diesen Personenkreis sollte die Möglichkeit einer Aufenthaltsverfestigung vorgesehen werden. Die Aufenthaltsbefugnis war deshalb bereits eine mögliche Vorstufe für einen Daueraufenthalt (vgl. die Begründung zum Ausländergesetz, BT-Drucksache 11/6321, S. 45, 46).

Das knapp 4 Wochen nach dem BVerfG-Beschluss erlassene Zuwanderungsgesetz vom 30.07.2004 (BGBl. I S. 1950) enthielt in seinem Art. 10 Nr. 4 noch nicht eine den Vorgaben des BVerfG entsprechende Neuregelung. Der Gesetzgeber konnte bei Erlass des Zuwandungsgesetzes zwar möglicherweise schon die Gründe des BVerfG-Beschlusses kennen, jedoch seine Vorgaben nicht umsetzen, da das Gesetzgebungsverfahren zu diesem Zeitpunkt bereits im Wesentlichen abgeschlossen war. Die vom BVerfG geforderte Neuregelung erfolgte erst durch das Gesetz vom 13.12.2006, allerdings außerhalb der vom BVerfG gesetzten Frist. Das BVerfG hat im Beschluss vom 06.07.2004 (vgl. dort Abschnitt C. I. 2, letzter Satz) dem Gesetzgeber ausdrücklich aufgegeben, im Hinblick auf die vorliegende Entscheidung auch die Nachfolgeregelungen auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu überprüfen. Der Gesetzgeber selbst hat erkannt, dass die Nachfolgeregelungen bzgl. der Erziehungsgeldanspruchsvoraussetzungen für Ausländer nach 1993 nicht den Vorgaben des BVerfG entsprochen haben und die Rechtsgedanken des BVerfG auch auf spätere Fassungen des BErzGG zutreffen (vgl. BT-Drucksache 16/1368, S. 1,8). Da - wie dargelegt - das am 30.07.2004 erlassene Zuwanderungsgesetz mit der für die Klägerin einschlägigen Fassung des § 1 Abs. 6 BErzGG die Vorgaben des BVerfG noch nicht umsetzen konnte, ist die einschlägige Bestimmung verfassungskonform im Sinne der Entscheidung des BVerfG vom 06.07.2004 auszulegen, ohne dass es insoweit einer erneuten Vorlage an das BVerfG bedarf.

Zwar kennt das durch das Zuwanderungsgesetz vom 30.07.2004 neu geregelte Aufent- haltsrecht und ihm folgend die für die Klägerin einschlägige Fassung des § 1 Abs. 6 Satz 2 BErzGG den Aufenthaltstitel einer "Aufenthaltsbefugnis" nicht mehr, wohl aber andere Aufenthaltstitel, die dieser entsprechen. § 101 Abs. 2 AufenthG, auf den § 24 Abs. 3 Satz 2 BErzGG Bezug nimmt, bestimmt ausdrücklich die Fortgeltung der bis dahin geltenden Aufenthaltsgenehmigungen als Aufenthaltserlaubnisse entsprechend dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Aufenthaltszweck und Sachverhalt. Die der Klägerin im April 2004 er-teilte Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3 AuslG galt ab 01.01.2005 als Aufenthalts- erlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG fort. Die beiden Aufenthaltstitel sind entsprechend dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Aufenthaltszweck und Sachverhalt vergleichbar (so: FG Düsseldorf, Urteil vom 23.01.2007 - 10 K 2661/04 Kg); § 25 Abs. 5 AufenthG entspricht inhaltlich § 30 Abs. 3 AuslG. Um dem Rechtsgedanken des BVerfG und der Anwendungsregel im zweiten Entscheidungssatz des Beschlusses vom 06.07.2004 (a.a.O.) gerecht zu werden, ist daher der Personenkreis des § 1 Abs. 6 BErzGG in der hier maßgeblichen Fassung des Art. 10 Nr. 4 des Zuwanderungsgesetzes verfassungskonform (jedenfalls) auch auf Ausländer anzuwenden, die - wie die Klägerin - im Besitz einer (der früheren Aufenthaltsbefugnis vergleichbaren) Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 5 AufenthG sind (Urteil der 13. Kammer vom 12.02.2008 - S 13 EG 16/07; vgl. ebenso, wenn auch mit anderer Begründung: SG Düsseldorf, Urteil vom 06.11.2007 - S 32 EG 6/05).

Da die Klägerin Erziehungsgeld erstmals am 16.01.2006 beantragt hat, steht ihr die Leistung nicht bereits ab der Geburt des Kindes, sondern - wie beantragt - erst ab 16.07.2005 - rückwirkend für 6 Monate vor der Antragstellung (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 3 BErzGG) - zu. Da sie in der Zeit vom 16.07.2005 bis 28.02.2006 auch die übrigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Erziehungsgeld erfüllt hat, ist der Klage stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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