Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
4
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 16 VG 7/04
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 VG 5/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9 VG 4/09 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gießen vom 14. Februar 2007 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um Versorgungsleistungen nach dem Gesetz über die Entschädigung der Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz - OEG -) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Mit Eingang bei dem Beklagten am 5. Juni 2003 beantragte die 1987 geborene Klägerin über ihre Mutter Versorgung nach dem OEG. Sie machte geltend, durch eine Vogelzuchtanlage mit großem Vogelbestand der Nachbarn A.C.K. eine chronische exogen-allergische Alveolitis, Wellensittichhalterlunge mit Fibrose der Lunge, Diffusionsstörungen, Emphysem mit Thoraxverformung, Rechtsherzbelastung sowie einen "Immunglobulinmangel durch EAA/WHL- Zuchtvogelallergene" erlitten zu haben. Die Klägerin wies darauf hin, dass nach dem vor dem Verwaltungsgericht Gießen zwischen C.K. und dem L.-DF.Kreis am 19. Dezember 1989 geschlossenen Vergleich die Nachbarn die Vogelzuchthaltung bis 30. Juni 1990 hätten aufgeben und den Stall abreißen müssen. Jedenfalls stelle der dennoch erfolgte rechtswidrige Weiterbetrieb der Vogelzuchtanlage durch die Nachbarn einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff im Sinne des § 1 OEG dar.
Die Klägerin legte einen Bescheid des Versorgungsamtes GI. vom 15. Januar 2003 vor, mit dem auf den Antrag der Klägerin vom 3. Dezember 2002 bei ihr ein GdB von 50 unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen einer Lungenfibrose, exogen-allergischen Alveolitis und Wellensittichhalterlunge festgestellt worden war. Außerdem reichte die Klägerin diverse ärztliche Befundunterlagen, u. a. Laborbefunde, zu den Akten. Prof. Dr. ZJ., Dres. W. & S., Klinik für Innere Medizin - SP Pneumologie - der Uniklinik QC. hatten nach Vorstellung der Klägerin am 1. Juli 2002 im ärztlichen Bericht vom 17. Juli 2002 eine Lungengerüsterkrankung, möglicherweise im Sinne einer exogen-allergischen Alveolitis sowie einen Zustand nach Lungenentzündung 1993/1994 diagnostiziert. Die Lungenfunktionsprüfung hatte keine Restriktion und keine relevante Lungenüberblähung, jedoch eine leichtgradige Diffusionsstörung ergeben. Prof. Dr. S., Dres. K.-B. und R., Ambulanz der Kinderheilkunde der Uniklinik QC., hatten im Befundbericht vom 10. Juli 2002 aufgrund der Vorstellung der Klägerin am selben Tag eine exogen-allergische Alveolitis (Vogelzüchterlunge) diagnostiziert. Die ersten pulmonalen Symptome seien bereits 1989 aufgetreten. 1993 und 1994 sei es jeweils nach Zuchtvogelexposition zu einer pneumonischen Episode mit ausgeprägten radiologischen Veränderungen gekommen. Die Lungenfunktion habe damals eine Restriktion gezeigt. Es hätten hohe Antikörper-Titer gegen Wellensittich, Kanarienvögel und Papageien nachgewiesen werden können. Es sei ein für die Familie einschneidender Wohnungswechsel erfolgt. Derzeit leidet die Klägerin nach Kontakt zum Beispiel zu Daunenjacken unter Dyspnoe und Husten. Die körperliche Belastbarkeit sei deutlich eingeschränkt. Ferner reichte die Klägerin eine Fotokopie des vor dem Verwaltungsgericht Gießen (VG) zwischen C.K. und dem L.-DF.Kreis am 19. Dezember 1989 geschlossenen Vergleichs zu den Akten. Die Klägerin gab an, 1993/1994 sei eine Allergenkarenz durch einen Umgebungswechsel und Bezug der Zweitwohnung durchgeführt worden, im Jahr 1996 sei ein Teilabriss des Stalls unter Außerachtlassung der erforderlichen Hygienemaßnahmen erfolgt (Bl. 20 Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 16. Juni 2003 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Versorgung nach § 1 OEG ab. Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen nach dem OEG sei, dass die Klägerin Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs im Sinne des § 1 OEG geworden sei. Ein tätlicher Angriff setze bestimmungsgemäß eine in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper zielende Einwirkung voraus. Die geltend gemachten Gesundheitsstörungen seien nicht Folge eines tätlichen Angriffs im Sinne des § 1 OEG, da es insoweit an einer physischen Kraftentfaltung unmittelbar gegen den Körper der Klägerin fehle. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 24. Juni 2003 Widerspruch.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. August 2004 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Ergänzend zur Begründung im Ausgangsbescheid führte er aus, mit der Formulierung tätlicher Angriff werde klargestellt, dass nicht alle unter den strafrechtlichen Begriff der Gewalt fallenden Handlungen zur Entschädigungsberechtigung führten. Der Angriff erfordere bestimmungsgemäß eine in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende Einwirkung. Es genüge daher grundsätzlich nicht, dass eine Handlung, die strafrechtlich gegebenenfalls als Körperverletzung zu werten sei (wie z. B. eine massive Lärmbelästigung, sexuelle Belästigung, Beleidigung über das der Telefon oder auch wie im Falle der Klägerin eine Luftverschmutzung) eine Gesundheitsstörung verursache, weil es diesen Handlungen an der handgreiflichen Kraftentfaltung unmittelbar gegen den Körper des Opfers fehle.
Hiergegen hat die Klägerin am 4. September 2004 Klage beim Sozialgericht Gießen (SG) erhoben, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Ergänzend hat sie geltend gemacht, in ihrem Fall seien die Tatbestände des § 1 Abs. 2 OEG erfüllt, wonach die vorsätzliche Beibringung von Gift (Nr. 1) und die wenigstens fahrlässige Herbeiführung einer Gefahr für Leib und Leben eines anderen durch ein mit gemeingefährlichen Mitteln begangenes Verbrechen (Nr. 2) einem tätlichen Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG gleichstehen.
Mit Gerichtsbescheid vom 14. Februar 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des BSG für Versorgungsleistungen nach § 1 Abs. 1 OEG zunächst ein vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher Angriff dergestalt erforderlich ist, dass ein Handeln vorausgesetzt wird, das in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf eine bestimmte Person zielt und auf diese einwirken soll. Hinsichtlich der Vorsatztat postuliere das BSG allerdings die Notwendigkeit des Vollbeweises. Auch für länger zurückliegende Taten greife keine Beweiserleichterung ein. Im Bereich der Opferentschädigung gelte dabei, wie auch in der Kriegsopferversorgung, der Grundsatz der objektiven Beweislast, d.h. die Klägerin müsse grundsätzlich den Nachweis der anspruchsbegründenden Tatsachen erbringen. Der Beklagte habe die Anerkennung und Entschädigung nach dem OEG zutreffend abgelehnt, denn es fehle bezüglich des geltend gemachten schädigenden Ereignisses an einer unmittelbar gegen die Klägerin gerichteten physischen Kraftentfaltung. Vielmehr handele es sich bei der Vogelzuchtanlage auf dem Nachbargrundstück um eine Dauereinwirkung, welche grundsätzlich nicht den Tatbestand des § 1 OEG erfüllen könne. Es könne insoweit dahinstehen, ob der Betrieb der Anlage rechtswidrig gewesen sei oder nicht, und mit welcher Zielrichtung er betrieben worden sei.
Gegen den ihr am 23. Februar 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 23. März 2007 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt und ergänzend zu ihrem bisherigen Vortrag darauf hingewiesen, dass die vorsätzliche Beibringung von Gift einem tätlichen Angriff gleichstehe. Es handele sich um eine Spezialvorschrift, bei der der allgemeine Tatbestand des tätlichen Angriffs nicht mehr zu prüfen sei. Sie habe bereits aus ihrer Sicht die Umstände zur Begründung des Tatbestandes der vorsätzlichen Beibringung von Gift vorgetragen. Sie habe insbesondere vorgetragen, dass sie an einer Lungenfibrose bzw. einer Wellensittichhalterlunge leide. Auf die anliegenden Schreiben und Atteste werde Bezug genommen. Sie habe weiter vorgetragen, dass die Vogelzucht auf dem Nachbargrundstück die Ursache ihrer Erkrankung sei und die Vogelzucht auf dem Nachbargrundstück rechtswidrig sei. Auch habe sie ausgeführt, dass der Nachbar und Betreiber der Anlage von ihr wiederholt auf die Unterlassung sowie die unmittelbare Gesundheitsgefährdung hingewiesen worden sei und dies gleichwohl billigend in Kauf genommen habe. Überdies ergebe sich aus § 1 Abs. 2 Nr. 2 OEG in Verbindung mit § 330 a StGB eine Einstandspflicht des Beklagten. Durch die betriebene Vogelzuchtanlage sei die Klägerin unstreitig schwer erkrankt. Die Vogelzuchtbetreiber hätten insofern zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gießen vom 14. Februar 2007 sowie den Bescheid vom 16. Juni 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2004 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr wegen der gesundheitlichen Folgen der Vogelzucht der Nachbarn Versorgungsleistungen nach dem OEG in Verbindung mit dem BVG in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil sowie die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig und hat hierzu ausgeführt, es sei schon zweifelhaft, ob es sich bei dem die allergische Alveolitis verursachenden Erreger um Gift im Sinne des § 1 OEG handele. Zum anderen fehle es aber schon an einem Beibringen im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 OEG. Beibringen bedeute, dass der Täter eine Verbindung des Giftes mit dem Körper der Art herstelle, dass dieses seine gesundheitszerstörende Wirkung entfalten könne. Jedenfalls sei zweifelhaft, ob hierfür bereits das Halten einer Vogelzuchtanlage ausreiche. Im Übrigen fehle es in jedem Fall am Vorsatz, auch in Form des dolus eventualis. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die Nachbarn zumindest auf den Nichteintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges - der Gesundheitsschädigung - vertraut hätten. Daran ändere der Umstand, dass die Vogelzuchtanlage unter bauordnungsrechtlichen Gesichtspunkten rechtswidrig gewesen sei und trotzdem weiterbetrieben worden sei, nichts. Da der Vorsatz jedoch auch bei § 1 Abs. 2 Nr. 1 OEG Tatbestandsvoraussetzung sei, bestehe kein Anspruch.
Wegen weiterer Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Gerichtsbescheid des SG vom 14. Februar 2007 und der Bescheid des Beklagten vom 16. Juni 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2004 sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin ist nicht in ihren Rechten verletzt. Sie hat keinen Anspruch auf Versorgung nach dem OEG.
Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG hat Anspruch auf Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Damit ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) grundsätzlich eine in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende, gewaltsame und in der Regel auch handgreifliche Einwirkung gemeint (vgl. BSG, Urteil vom 3. Februar 1999, SozR 3-3800 § 1 Nr. 14; BSGE 81,42; BSGE 81,49 jeweils m.w.N.). Für eine soziale Entschädigung nach dem OEG müssen alle anspruchsbegründenden Tatsachen zur Überzeugung des Gerichts erwiesen sein, d. h. ohne vernünftige Zweifel oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen. Falls es daran fehlt, geht dies zu Lasten des Klägers bzw. der Klägerin (objektive Beweis- oder Feststellungslast; vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 1988, Az.: 9/9a RVg 3/87 = SozR 1500 § 128 Nr. 34; Urteil vom 28. Juni 2000, Az.: B 9 VG 3/99 R = SozR 3-3900 § 15 Nr. 3).
Der für einen vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG erforderliche Tatbestand eines in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper der Klägerin gerichteten Handelns ist nicht gegeben. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Eheleute K. ihre Vogelzuchtanlage mit einer unmittelbaren (feindlichen) Ausrichtung auf andere Menschen betrieben haben. Um Fallgestaltungen dieser Art ("mittelbarer Angriff") gleichwohl in den Schutzbereich des OEG einzubeziehen, bedurfte es eines eigenständigen gesetzlichen Tatbestands. Einen solchen enthält § 1 Abs. 2 Nr. 2 OEG: Wenn danach die Herbeiführung bestimmter Gefahrenlagen einem tätlichen Angriff gleichgestellt wird, so bedeutet dies zugleich, dass diese Tatbestände der Sache nach nicht mit unmittelbaren tätlichen Angriffen identisch sind (vgl. BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003, Az. B 9 VG 3/02 R, Juris Rdnr. 14)
Eine Gewalttat nach § 1 Abs. 2 OEG liegt nicht vor, da weder die tatbestandlichen Voraussetzungen einer vorsätzlichen Giftbeibringung erfüllt sind noch eine wenigstens fahrlässige Herbeiführung einer Gefahr für Leib und Leben der Klägerin durch ein mit gemeingefährlichen Mitteln begangenes Verbrechen vorliegt. Eine Verurteilung des Ehepaars K. wegen entsprechender Straftaten ist nicht aktenkundig. Vielmehr wurde die Klägerin nach ihren eigenen Angaben von der Staatsanwaltschaft auf den Privatklageweg verwiesen. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht nach Prüfung des Sachverhalts durch den erkennenden Senat.
Für eine vorsätzliche Beibringung von Gift im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 OEG ist die vorsätzliche rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestands des § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB (gefährliche Körperverletzung durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen) erforderlich, bzw. vor Inkrafttreten der Änderung durch das 6. Strafrechtsreformgesetz vom 26. Januar 1998, BGBl. I S. 164, zum 1. April 1998 die vorsätzliche rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestands des § 229 StGB (Vergiftung). Gift ist jeder (organische oder anorganische) Stoff, der unter bestimmten Bedingungen (Einatmen, Verschlucken, Aufnahme auf der Haut) durch klinische oder chemisch-physikalische Wirkung nach seiner Art und der vom Täter eingesetzten Menge geeignet ist, ernsthafte gesundheitliche Schäden zu verursachen. Andere gesundheitsschädliche Stoffe sind solche, die auf mechanischem oder thermischem Wege wirken; Bakterien, Viren oder sonstige Krankheitserreger, soweit sie nicht schon zu den Giften zählen. Nach herrschender Meinung wird für § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB gefordert, dass die Substanz nach ihrer Art und dem konkreten Einsatz zur (erheblichen) Gesundheitsschädigung geeignet ist (vgl. Dreher-Tröndle, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 55. Auflage, Anm. Rdnr. 3 ff zu § 224 m. w. N.). Die exogen-allergische Alveolitis kommt unter anderen in den Formen der sog. Farmerlunge und Vogelhalterlunge vor. Die Farmerlunge wird durch Sporenbestandteile von bestimmten Bakterien und Aspergillen in schimmeligem Heu, seltener Stroh und Getreide hervorgerufen. Die Vogelhalterlunge ist eine Erkrankung des Respirationstraktes als Folge des bei der Vogelhaltung entstehenden Staubes. Als Antigene gelten Sekrete zur Fettung des Flaumkleides und Proteinbestandteile in Haut und Exkrementen. Nach Einatmung der unterschiedlichen Antigene entwickelt sich bei entsprechender Disposition ein allergisches Geschehen. Die Erkrankung entwickelt sich oft erst nach jahrzehntelanger Exposition (vgl. Mehrtens-Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, Loseblattkommentar, M 4201). Selbst unterstellt, bei den durch die Vogelzuchtanlage freigesetzten Allergenen handelt es sich um Gift bzw. gesundheitsschädliche Stoffe im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB, ist das Tatbestandsmerkmal des Beibringens im Sinne der § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht erfüllt. Beibringen im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB bzw. § 229 StGB a. F. ist ein solches Einführen oder Auftragen der Stoffe auf den Körper eines anderen, dass sie ihre schädigende Eigenschaft zu entfalten in der Lage sind, zum Beispiel durch Verschlucken-Lassen, Einspritzen, Einatmenlassen oder Auftragen auf die Haut (vgl. Dreher-Tröndle, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 55. Auflage, Anm. Rdnr. 6 zu § 224 m. w. N.) Nach dieser Definition kann nicht davon ausgegangen werden, dass das bloße Freisetzen von gesundheitsschädlichen Allergenen durch eine Vogelzuchthaltung den Tatbestand erfüllt, selbst wenn die Allergene von sich in der näheren Umgebung aufhaltenden Personen eingeatmet werden können, da darin keine auf einen konkreten zumindest äußeren Körperkontakt gerichtete Handlung zu sehen ist. Unabhängig davon bestehen keine Anhaltspunkte für einen zumindest bedingten Vorsatz. So ist im Protokoll des VG GI. vom 19. Dezember 1989 als Grundlage für die zwischen Frau K. und dem L.-DF.Kreis vergleichsweise vereinbarte Aufgabe/ Beseitigung der Vogelzuchtanlage lediglich der Hinweis des VG dokumentiert, dass nach der Rechtsprechung der hessischen Verwaltungsgerichte ein sofort vollziehbares Nutzungsverbot gerechtfertigt ist, wenn ein Gebäude ohne die dafür erforderliche Genehmigung genutzt wird. Dass der Vergleich zur Verhütung gesundheitlicher Gefahren durch die Vogelzuchtanlage erfolgte, kann dem Protokoll nicht entnommen werden. Selbst der spätere anwaltliche Hinweis an die Eheleute K. vom 27. Juni 1990 auf im Zusammenhang mit der Vogelzuchtanlage bestehende Gesundheitsgefahren lässt noch nicht den Schluss zu, dass die Nachbarn durch den Weiterbetrieb der Anlage der Klägerin Gift oder gesundheitsschädliche Stoffe beibringen wollten oder dies billigend in Kauf genommen haben. Es liegen in diesem Zusammenhang auch keine aktenkundigen Äußerungen der Eheleute K. vor, aus denen sich Anhaltspunkte hierfür entnehmen ließen.
Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie Opfer eines mit gemeingefährlichen Mitteln begangenen Verbrechens gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 OEG geworden ist. Ein Verbrechen liegt nach § 12 Abs. 1 StGB nur dann vor, wenn die Straftat im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht ist. Ob die Straftatbestände der § 325 StGB (Luftverunreinigung) und § 326 StGB (unerlaubter Umgang mit gefährlichen Abfällen) erfüllt sind, kann schon deshalb dahinstehen, weil es sich nicht um Verbrechen handelt. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist durch das Betreiben der Vogelzuchtanlage durch das Ehepaar K. auch nicht der Tatbestand der gemeingefährlichen Vergiftung gemäß § 314 Abs. 1 StGB (§ 319 StGB vor der Änderung durch das 6. Strafrechtsreformgesetz) erfüllt, wonach mit Freiheitsstrafe von einem bis zu 10 Jahren bestraft wird, wer Wasser in gefassten Quellen, in Brunnen, Leitungen oder Trinkwasserspeichern (Nr. 1) oder Gegenstände, die zum öffentlichen Verkauf oder Verbrauch bestimmt sind, vergiftet oder ihnen gesundheitsschädliche Stoffe beimischt oder vergiftete oder mit gesundheitsschädlichen Stoffen vermischte Gegenstände im Sinne der Nr. 2 verkauft, feilhält oder sonst in den Verkehr bringt.
Der Tatbestand des § 330a Abs. 1 StGB (schwere Gefährdung durch Freisetzen von Giften) wurde erst durch die Änderung des 6. Strafrechtsreformgesetzes ab 1. April 1998 von einem Vergehens- in einen Verbrechensbestand umgewandelt. Danach wird mit Freiheitsstrafe von einem bis zu 10 Jahren bestraft, wer Stoffe, die Gifte enthalten oder hervorbringen können, verbreitet oder freisetzt und dadurch die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder die Gefahr einer Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht. Vor der Änderung durch das 6. Strafrechtsreformgesetz wurde dieser Tatbestand mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu 10 Jahren bestraft. Bei nur fahrlässiger Verursachung der Gefahr im Sinne des § 330a Abs. 1 StGB handelt es sich nicht um ein Verbrechen mit einem Strafmaß von mindestens einem Jahr (§ 330a Abs. 4 und 5 StGB in der aktuellen Fassung). Nach dem Vortrag der Klägerin war sie nach 1993/1994 aufgrund ihres Umzugs keiner Exposition mehr durch die Vogelzuchtanlage ausgesetzt, bei ihrer Rückkehr im Jahr 2000 war der Vogelzuchtbetrieb stark eingeschränkt, im Außenbereich befanden sich keine Zuchtvögel mehr. Nachdem nach diesen Angaben eine mit der Freisetzung von Allergenen durch den Vogelzuchtbetrieb ggf. verbundene Verursachung der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung der Klägerin nur im Zeitraum bis April 1998 stattgefunden hat, scheitert die Erfüllung des Tatbestandes des § 1 Abs. 2 Nr. 2 OEG bereits daran, dass es sich bei dem Straftatbestand des § 330a StGB zu dieser Zeit nicht um ein Verbrechen handelte. Selbst wenn jedoch für die Zeit ab April 1998 eine fortbestehende Freisetzung von Allergenen durch die Vogelzuchtanlage und damit verbundene Verursachung der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung der Klägerin unterstellt würde, müsste davon ausgegangen werden, dass jedenfalls der subjektive Tatbestand nicht erfüllt ist. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Ehepaar K. durch fortbestehende Freisetzung von Allergenen durch die Vogelzuchtanlage die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung der Klägerin zumindest billigend in Kauf genommen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um Versorgungsleistungen nach dem Gesetz über die Entschädigung der Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz - OEG -) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Mit Eingang bei dem Beklagten am 5. Juni 2003 beantragte die 1987 geborene Klägerin über ihre Mutter Versorgung nach dem OEG. Sie machte geltend, durch eine Vogelzuchtanlage mit großem Vogelbestand der Nachbarn A.C.K. eine chronische exogen-allergische Alveolitis, Wellensittichhalterlunge mit Fibrose der Lunge, Diffusionsstörungen, Emphysem mit Thoraxverformung, Rechtsherzbelastung sowie einen "Immunglobulinmangel durch EAA/WHL- Zuchtvogelallergene" erlitten zu haben. Die Klägerin wies darauf hin, dass nach dem vor dem Verwaltungsgericht Gießen zwischen C.K. und dem L.-DF.Kreis am 19. Dezember 1989 geschlossenen Vergleich die Nachbarn die Vogelzuchthaltung bis 30. Juni 1990 hätten aufgeben und den Stall abreißen müssen. Jedenfalls stelle der dennoch erfolgte rechtswidrige Weiterbetrieb der Vogelzuchtanlage durch die Nachbarn einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff im Sinne des § 1 OEG dar.
Die Klägerin legte einen Bescheid des Versorgungsamtes GI. vom 15. Januar 2003 vor, mit dem auf den Antrag der Klägerin vom 3. Dezember 2002 bei ihr ein GdB von 50 unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen einer Lungenfibrose, exogen-allergischen Alveolitis und Wellensittichhalterlunge festgestellt worden war. Außerdem reichte die Klägerin diverse ärztliche Befundunterlagen, u. a. Laborbefunde, zu den Akten. Prof. Dr. ZJ., Dres. W. & S., Klinik für Innere Medizin - SP Pneumologie - der Uniklinik QC. hatten nach Vorstellung der Klägerin am 1. Juli 2002 im ärztlichen Bericht vom 17. Juli 2002 eine Lungengerüsterkrankung, möglicherweise im Sinne einer exogen-allergischen Alveolitis sowie einen Zustand nach Lungenentzündung 1993/1994 diagnostiziert. Die Lungenfunktionsprüfung hatte keine Restriktion und keine relevante Lungenüberblähung, jedoch eine leichtgradige Diffusionsstörung ergeben. Prof. Dr. S., Dres. K.-B. und R., Ambulanz der Kinderheilkunde der Uniklinik QC., hatten im Befundbericht vom 10. Juli 2002 aufgrund der Vorstellung der Klägerin am selben Tag eine exogen-allergische Alveolitis (Vogelzüchterlunge) diagnostiziert. Die ersten pulmonalen Symptome seien bereits 1989 aufgetreten. 1993 und 1994 sei es jeweils nach Zuchtvogelexposition zu einer pneumonischen Episode mit ausgeprägten radiologischen Veränderungen gekommen. Die Lungenfunktion habe damals eine Restriktion gezeigt. Es hätten hohe Antikörper-Titer gegen Wellensittich, Kanarienvögel und Papageien nachgewiesen werden können. Es sei ein für die Familie einschneidender Wohnungswechsel erfolgt. Derzeit leidet die Klägerin nach Kontakt zum Beispiel zu Daunenjacken unter Dyspnoe und Husten. Die körperliche Belastbarkeit sei deutlich eingeschränkt. Ferner reichte die Klägerin eine Fotokopie des vor dem Verwaltungsgericht Gießen (VG) zwischen C.K. und dem L.-DF.Kreis am 19. Dezember 1989 geschlossenen Vergleichs zu den Akten. Die Klägerin gab an, 1993/1994 sei eine Allergenkarenz durch einen Umgebungswechsel und Bezug der Zweitwohnung durchgeführt worden, im Jahr 1996 sei ein Teilabriss des Stalls unter Außerachtlassung der erforderlichen Hygienemaßnahmen erfolgt (Bl. 20 Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 16. Juni 2003 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Versorgung nach § 1 OEG ab. Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen nach dem OEG sei, dass die Klägerin Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs im Sinne des § 1 OEG geworden sei. Ein tätlicher Angriff setze bestimmungsgemäß eine in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper zielende Einwirkung voraus. Die geltend gemachten Gesundheitsstörungen seien nicht Folge eines tätlichen Angriffs im Sinne des § 1 OEG, da es insoweit an einer physischen Kraftentfaltung unmittelbar gegen den Körper der Klägerin fehle. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 24. Juni 2003 Widerspruch.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. August 2004 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Ergänzend zur Begründung im Ausgangsbescheid führte er aus, mit der Formulierung tätlicher Angriff werde klargestellt, dass nicht alle unter den strafrechtlichen Begriff der Gewalt fallenden Handlungen zur Entschädigungsberechtigung führten. Der Angriff erfordere bestimmungsgemäß eine in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende Einwirkung. Es genüge daher grundsätzlich nicht, dass eine Handlung, die strafrechtlich gegebenenfalls als Körperverletzung zu werten sei (wie z. B. eine massive Lärmbelästigung, sexuelle Belästigung, Beleidigung über das der Telefon oder auch wie im Falle der Klägerin eine Luftverschmutzung) eine Gesundheitsstörung verursache, weil es diesen Handlungen an der handgreiflichen Kraftentfaltung unmittelbar gegen den Körper des Opfers fehle.
Hiergegen hat die Klägerin am 4. September 2004 Klage beim Sozialgericht Gießen (SG) erhoben, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Ergänzend hat sie geltend gemacht, in ihrem Fall seien die Tatbestände des § 1 Abs. 2 OEG erfüllt, wonach die vorsätzliche Beibringung von Gift (Nr. 1) und die wenigstens fahrlässige Herbeiführung einer Gefahr für Leib und Leben eines anderen durch ein mit gemeingefährlichen Mitteln begangenes Verbrechen (Nr. 2) einem tätlichen Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG gleichstehen.
Mit Gerichtsbescheid vom 14. Februar 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des BSG für Versorgungsleistungen nach § 1 Abs. 1 OEG zunächst ein vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher Angriff dergestalt erforderlich ist, dass ein Handeln vorausgesetzt wird, das in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf eine bestimmte Person zielt und auf diese einwirken soll. Hinsichtlich der Vorsatztat postuliere das BSG allerdings die Notwendigkeit des Vollbeweises. Auch für länger zurückliegende Taten greife keine Beweiserleichterung ein. Im Bereich der Opferentschädigung gelte dabei, wie auch in der Kriegsopferversorgung, der Grundsatz der objektiven Beweislast, d.h. die Klägerin müsse grundsätzlich den Nachweis der anspruchsbegründenden Tatsachen erbringen. Der Beklagte habe die Anerkennung und Entschädigung nach dem OEG zutreffend abgelehnt, denn es fehle bezüglich des geltend gemachten schädigenden Ereignisses an einer unmittelbar gegen die Klägerin gerichteten physischen Kraftentfaltung. Vielmehr handele es sich bei der Vogelzuchtanlage auf dem Nachbargrundstück um eine Dauereinwirkung, welche grundsätzlich nicht den Tatbestand des § 1 OEG erfüllen könne. Es könne insoweit dahinstehen, ob der Betrieb der Anlage rechtswidrig gewesen sei oder nicht, und mit welcher Zielrichtung er betrieben worden sei.
Gegen den ihr am 23. Februar 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 23. März 2007 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt und ergänzend zu ihrem bisherigen Vortrag darauf hingewiesen, dass die vorsätzliche Beibringung von Gift einem tätlichen Angriff gleichstehe. Es handele sich um eine Spezialvorschrift, bei der der allgemeine Tatbestand des tätlichen Angriffs nicht mehr zu prüfen sei. Sie habe bereits aus ihrer Sicht die Umstände zur Begründung des Tatbestandes der vorsätzlichen Beibringung von Gift vorgetragen. Sie habe insbesondere vorgetragen, dass sie an einer Lungenfibrose bzw. einer Wellensittichhalterlunge leide. Auf die anliegenden Schreiben und Atteste werde Bezug genommen. Sie habe weiter vorgetragen, dass die Vogelzucht auf dem Nachbargrundstück die Ursache ihrer Erkrankung sei und die Vogelzucht auf dem Nachbargrundstück rechtswidrig sei. Auch habe sie ausgeführt, dass der Nachbar und Betreiber der Anlage von ihr wiederholt auf die Unterlassung sowie die unmittelbare Gesundheitsgefährdung hingewiesen worden sei und dies gleichwohl billigend in Kauf genommen habe. Überdies ergebe sich aus § 1 Abs. 2 Nr. 2 OEG in Verbindung mit § 330 a StGB eine Einstandspflicht des Beklagten. Durch die betriebene Vogelzuchtanlage sei die Klägerin unstreitig schwer erkrankt. Die Vogelzuchtbetreiber hätten insofern zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gießen vom 14. Februar 2007 sowie den Bescheid vom 16. Juni 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2004 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr wegen der gesundheitlichen Folgen der Vogelzucht der Nachbarn Versorgungsleistungen nach dem OEG in Verbindung mit dem BVG in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil sowie die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig und hat hierzu ausgeführt, es sei schon zweifelhaft, ob es sich bei dem die allergische Alveolitis verursachenden Erreger um Gift im Sinne des § 1 OEG handele. Zum anderen fehle es aber schon an einem Beibringen im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 OEG. Beibringen bedeute, dass der Täter eine Verbindung des Giftes mit dem Körper der Art herstelle, dass dieses seine gesundheitszerstörende Wirkung entfalten könne. Jedenfalls sei zweifelhaft, ob hierfür bereits das Halten einer Vogelzuchtanlage ausreiche. Im Übrigen fehle es in jedem Fall am Vorsatz, auch in Form des dolus eventualis. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die Nachbarn zumindest auf den Nichteintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges - der Gesundheitsschädigung - vertraut hätten. Daran ändere der Umstand, dass die Vogelzuchtanlage unter bauordnungsrechtlichen Gesichtspunkten rechtswidrig gewesen sei und trotzdem weiterbetrieben worden sei, nichts. Da der Vorsatz jedoch auch bei § 1 Abs. 2 Nr. 1 OEG Tatbestandsvoraussetzung sei, bestehe kein Anspruch.
Wegen weiterer Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Gerichtsbescheid des SG vom 14. Februar 2007 und der Bescheid des Beklagten vom 16. Juni 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2004 sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin ist nicht in ihren Rechten verletzt. Sie hat keinen Anspruch auf Versorgung nach dem OEG.
Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG hat Anspruch auf Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Damit ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) grundsätzlich eine in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende, gewaltsame und in der Regel auch handgreifliche Einwirkung gemeint (vgl. BSG, Urteil vom 3. Februar 1999, SozR 3-3800 § 1 Nr. 14; BSGE 81,42; BSGE 81,49 jeweils m.w.N.). Für eine soziale Entschädigung nach dem OEG müssen alle anspruchsbegründenden Tatsachen zur Überzeugung des Gerichts erwiesen sein, d. h. ohne vernünftige Zweifel oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen. Falls es daran fehlt, geht dies zu Lasten des Klägers bzw. der Klägerin (objektive Beweis- oder Feststellungslast; vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 1988, Az.: 9/9a RVg 3/87 = SozR 1500 § 128 Nr. 34; Urteil vom 28. Juni 2000, Az.: B 9 VG 3/99 R = SozR 3-3900 § 15 Nr. 3).
Der für einen vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG erforderliche Tatbestand eines in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper der Klägerin gerichteten Handelns ist nicht gegeben. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Eheleute K. ihre Vogelzuchtanlage mit einer unmittelbaren (feindlichen) Ausrichtung auf andere Menschen betrieben haben. Um Fallgestaltungen dieser Art ("mittelbarer Angriff") gleichwohl in den Schutzbereich des OEG einzubeziehen, bedurfte es eines eigenständigen gesetzlichen Tatbestands. Einen solchen enthält § 1 Abs. 2 Nr. 2 OEG: Wenn danach die Herbeiführung bestimmter Gefahrenlagen einem tätlichen Angriff gleichgestellt wird, so bedeutet dies zugleich, dass diese Tatbestände der Sache nach nicht mit unmittelbaren tätlichen Angriffen identisch sind (vgl. BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003, Az. B 9 VG 3/02 R, Juris Rdnr. 14)
Eine Gewalttat nach § 1 Abs. 2 OEG liegt nicht vor, da weder die tatbestandlichen Voraussetzungen einer vorsätzlichen Giftbeibringung erfüllt sind noch eine wenigstens fahrlässige Herbeiführung einer Gefahr für Leib und Leben der Klägerin durch ein mit gemeingefährlichen Mitteln begangenes Verbrechen vorliegt. Eine Verurteilung des Ehepaars K. wegen entsprechender Straftaten ist nicht aktenkundig. Vielmehr wurde die Klägerin nach ihren eigenen Angaben von der Staatsanwaltschaft auf den Privatklageweg verwiesen. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht nach Prüfung des Sachverhalts durch den erkennenden Senat.
Für eine vorsätzliche Beibringung von Gift im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 OEG ist die vorsätzliche rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestands des § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB (gefährliche Körperverletzung durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen) erforderlich, bzw. vor Inkrafttreten der Änderung durch das 6. Strafrechtsreformgesetz vom 26. Januar 1998, BGBl. I S. 164, zum 1. April 1998 die vorsätzliche rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestands des § 229 StGB (Vergiftung). Gift ist jeder (organische oder anorganische) Stoff, der unter bestimmten Bedingungen (Einatmen, Verschlucken, Aufnahme auf der Haut) durch klinische oder chemisch-physikalische Wirkung nach seiner Art und der vom Täter eingesetzten Menge geeignet ist, ernsthafte gesundheitliche Schäden zu verursachen. Andere gesundheitsschädliche Stoffe sind solche, die auf mechanischem oder thermischem Wege wirken; Bakterien, Viren oder sonstige Krankheitserreger, soweit sie nicht schon zu den Giften zählen. Nach herrschender Meinung wird für § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB gefordert, dass die Substanz nach ihrer Art und dem konkreten Einsatz zur (erheblichen) Gesundheitsschädigung geeignet ist (vgl. Dreher-Tröndle, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 55. Auflage, Anm. Rdnr. 3 ff zu § 224 m. w. N.). Die exogen-allergische Alveolitis kommt unter anderen in den Formen der sog. Farmerlunge und Vogelhalterlunge vor. Die Farmerlunge wird durch Sporenbestandteile von bestimmten Bakterien und Aspergillen in schimmeligem Heu, seltener Stroh und Getreide hervorgerufen. Die Vogelhalterlunge ist eine Erkrankung des Respirationstraktes als Folge des bei der Vogelhaltung entstehenden Staubes. Als Antigene gelten Sekrete zur Fettung des Flaumkleides und Proteinbestandteile in Haut und Exkrementen. Nach Einatmung der unterschiedlichen Antigene entwickelt sich bei entsprechender Disposition ein allergisches Geschehen. Die Erkrankung entwickelt sich oft erst nach jahrzehntelanger Exposition (vgl. Mehrtens-Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, Loseblattkommentar, M 4201). Selbst unterstellt, bei den durch die Vogelzuchtanlage freigesetzten Allergenen handelt es sich um Gift bzw. gesundheitsschädliche Stoffe im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB, ist das Tatbestandsmerkmal des Beibringens im Sinne der § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht erfüllt. Beibringen im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB bzw. § 229 StGB a. F. ist ein solches Einführen oder Auftragen der Stoffe auf den Körper eines anderen, dass sie ihre schädigende Eigenschaft zu entfalten in der Lage sind, zum Beispiel durch Verschlucken-Lassen, Einspritzen, Einatmenlassen oder Auftragen auf die Haut (vgl. Dreher-Tröndle, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 55. Auflage, Anm. Rdnr. 6 zu § 224 m. w. N.) Nach dieser Definition kann nicht davon ausgegangen werden, dass das bloße Freisetzen von gesundheitsschädlichen Allergenen durch eine Vogelzuchthaltung den Tatbestand erfüllt, selbst wenn die Allergene von sich in der näheren Umgebung aufhaltenden Personen eingeatmet werden können, da darin keine auf einen konkreten zumindest äußeren Körperkontakt gerichtete Handlung zu sehen ist. Unabhängig davon bestehen keine Anhaltspunkte für einen zumindest bedingten Vorsatz. So ist im Protokoll des VG GI. vom 19. Dezember 1989 als Grundlage für die zwischen Frau K. und dem L.-DF.Kreis vergleichsweise vereinbarte Aufgabe/ Beseitigung der Vogelzuchtanlage lediglich der Hinweis des VG dokumentiert, dass nach der Rechtsprechung der hessischen Verwaltungsgerichte ein sofort vollziehbares Nutzungsverbot gerechtfertigt ist, wenn ein Gebäude ohne die dafür erforderliche Genehmigung genutzt wird. Dass der Vergleich zur Verhütung gesundheitlicher Gefahren durch die Vogelzuchtanlage erfolgte, kann dem Protokoll nicht entnommen werden. Selbst der spätere anwaltliche Hinweis an die Eheleute K. vom 27. Juni 1990 auf im Zusammenhang mit der Vogelzuchtanlage bestehende Gesundheitsgefahren lässt noch nicht den Schluss zu, dass die Nachbarn durch den Weiterbetrieb der Anlage der Klägerin Gift oder gesundheitsschädliche Stoffe beibringen wollten oder dies billigend in Kauf genommen haben. Es liegen in diesem Zusammenhang auch keine aktenkundigen Äußerungen der Eheleute K. vor, aus denen sich Anhaltspunkte hierfür entnehmen ließen.
Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie Opfer eines mit gemeingefährlichen Mitteln begangenen Verbrechens gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 OEG geworden ist. Ein Verbrechen liegt nach § 12 Abs. 1 StGB nur dann vor, wenn die Straftat im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht ist. Ob die Straftatbestände der § 325 StGB (Luftverunreinigung) und § 326 StGB (unerlaubter Umgang mit gefährlichen Abfällen) erfüllt sind, kann schon deshalb dahinstehen, weil es sich nicht um Verbrechen handelt. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist durch das Betreiben der Vogelzuchtanlage durch das Ehepaar K. auch nicht der Tatbestand der gemeingefährlichen Vergiftung gemäß § 314 Abs. 1 StGB (§ 319 StGB vor der Änderung durch das 6. Strafrechtsreformgesetz) erfüllt, wonach mit Freiheitsstrafe von einem bis zu 10 Jahren bestraft wird, wer Wasser in gefassten Quellen, in Brunnen, Leitungen oder Trinkwasserspeichern (Nr. 1) oder Gegenstände, die zum öffentlichen Verkauf oder Verbrauch bestimmt sind, vergiftet oder ihnen gesundheitsschädliche Stoffe beimischt oder vergiftete oder mit gesundheitsschädlichen Stoffen vermischte Gegenstände im Sinne der Nr. 2 verkauft, feilhält oder sonst in den Verkehr bringt.
Der Tatbestand des § 330a Abs. 1 StGB (schwere Gefährdung durch Freisetzen von Giften) wurde erst durch die Änderung des 6. Strafrechtsreformgesetzes ab 1. April 1998 von einem Vergehens- in einen Verbrechensbestand umgewandelt. Danach wird mit Freiheitsstrafe von einem bis zu 10 Jahren bestraft, wer Stoffe, die Gifte enthalten oder hervorbringen können, verbreitet oder freisetzt und dadurch die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder die Gefahr einer Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht. Vor der Änderung durch das 6. Strafrechtsreformgesetz wurde dieser Tatbestand mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu 10 Jahren bestraft. Bei nur fahrlässiger Verursachung der Gefahr im Sinne des § 330a Abs. 1 StGB handelt es sich nicht um ein Verbrechen mit einem Strafmaß von mindestens einem Jahr (§ 330a Abs. 4 und 5 StGB in der aktuellen Fassung). Nach dem Vortrag der Klägerin war sie nach 1993/1994 aufgrund ihres Umzugs keiner Exposition mehr durch die Vogelzuchtanlage ausgesetzt, bei ihrer Rückkehr im Jahr 2000 war der Vogelzuchtbetrieb stark eingeschränkt, im Außenbereich befanden sich keine Zuchtvögel mehr. Nachdem nach diesen Angaben eine mit der Freisetzung von Allergenen durch den Vogelzuchtbetrieb ggf. verbundene Verursachung der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung der Klägerin nur im Zeitraum bis April 1998 stattgefunden hat, scheitert die Erfüllung des Tatbestandes des § 1 Abs. 2 Nr. 2 OEG bereits daran, dass es sich bei dem Straftatbestand des § 330a StGB zu dieser Zeit nicht um ein Verbrechen handelte. Selbst wenn jedoch für die Zeit ab April 1998 eine fortbestehende Freisetzung von Allergenen durch die Vogelzuchtanlage und damit verbundene Verursachung der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung der Klägerin unterstellt würde, müsste davon ausgegangen werden, dass jedenfalls der subjektive Tatbestand nicht erfüllt ist. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Ehepaar K. durch fortbestehende Freisetzung von Allergenen durch die Vogelzuchtanlage die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung der Klägerin zumindest billigend in Kauf genommen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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