S 2 EG 87/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 2 EG 87/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen. Kosten werden nicht erstattet.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung weiteren Elterngeldes.

Die Klägerin meldete unter dem 4. April 2005 bei dem Bezirksamt Pankow von Berlin ein Gewerbe (Einzelhandelsgeschäft für Schwangerschaftsmode, Kinderkleidung u.ä.) zum 15. April 2005 an.

Am 20. September 2007 beantragte die Klägerin die Gewährung von Elterngeld für ihr am 24. Juli 2007 geborenes Kind T H W. Hierbei gab sie an, sowohl in den zwölf Kalendermonaten vor der Geburt des Kindes als auch im Kalenderjahr vor der Geburt des Kindes eine selbständige Tätigkeit durchgehend ausgeübt zu haben.

Ausweislich des Steuerbescheides des Finanzamtes Friedrichshain/Prenzlauer Berg vom 7. August 2007 erzielte die Klägerin im Jahr 2006 Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Einzelunternehmen für Schwangerschaftsmode) in Gesamthöhe von 18.335 Euro. Ausweislich einer Bescheinigung des Steuerberaters der Klägerin vom 27. August 2008 betrug der von Januar bis Juli 2007 erzielte Gewinn 28.209,71 Euro.

Mit Bescheid des Bezirksamtes Pankow von Berlin vom 12. Oktober 2007 bewilligte der Beklagte der Klägerin Elterngeld für die Zeit vom 24. Juli 2007 bis 23. August 2007 in Höhe von 928,36 Euro und für die Zeit vom 24. August 2007 bis 23. Juli 2008 in Höhe von 843,96 Euro monatlich. Dabei legte er das um Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 3.219,36 Euro bereinigte Einkommen aus selbständiger Tätigkeit im Kalenderjahr 2006 in Höhe von 15.115,64 Euro (1.259,64 Euro monatlich) zu Grunde.

Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin vom 8. November 2007, mit dem die Klägerin sinngemäß geltend machte, dass vor allem die in den Monaten unmittelbar vor der Geburt des Kindes erzielten Einkünfte Berücksichtigung finden müssten, wies der Beklagte mit Bescheid des Bezirksamtes Pankow von Berlin vom 7. Februar 2008 zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die Berechnung des Elterngeldes gemäß § 2 Abs. 9 BEEG zwingend nach dem letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum (hier: Kalenderjahr 2006) vorzunehmen sei.

Mit der am 7. März 2008 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass als Referenzzeitraum für die Berechnung des ihr zu gewährenden Elterngeldes auf die zwölf Kalendermonate vor der Geburt ihres Kindes abgestellt werden müsse. Dies ergebe sich daraus, dass die vom Beklagten angewandte, Gegenteiliges vorsehende Vorschrift des § 2 Abs. 9 BEEG hier nicht anwendbar sei, weil sie nur eine kontinuierliche Selbständigkeit erfasse. Davon könne jedoch in ihrem Falle nicht ausgegangen werden, weil sie die Geschäftstätigkeit überhaupt erst im Jahr 2006 aufgenommen habe und das Gründungsjahr des Gewerbes ganz natürlich durch ein niedrigeres Monatseinkommen gekennzeichnet sei. Zumindest stelle jedoch die Anwendung von § 2 Abs. 9 BEEG eine nicht von Art. 3 Abs. 1 GG gedeckte Ungleichbehandlung im Vergleich zu abhängig Beschäftigten mit niedrigem Einkommen in den Anfangsmonaten des Jahres 2006 und hohem Einkommen in den Anfangsmonaten des Jahres 2007 dar.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Beklagten unter Änderung des Bescheides des Bezirksamtes Pankow von Berlin vom 12. Oktober 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 5. Februar 2008 zu verpflichten, Elterngeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie auf den Verwaltungsvorgang des Beklagten, der vorgelegen hat und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden. Denn die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und der Sachverhalt ist geklärt. Die Beteiligten sind vorher angehört worden (§ 105 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die zulässige Verpflichtungsklage hat keinen Erfolg. Der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Gewährung weiteren Elterngeldes.

Gemäß § 1 Abs. 1 des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz – BEEG) vom 5. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2748) hat Anspruch auf Elterngeld, wer (1.) einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, (2.) mit seinem Kind in einem Haushalt lebt, (3.) dieses Kind selbst betreut und erzieht und (4.) keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BEEG wird Elterngeld in Höhe von 67 Prozent des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1.800 Euro monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt. Nach Satz 2 der Vorschrift ist als Einkommen aus Erwerbstätigkeit die Summe der positiven Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit und nichtselbständiger Arbeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 des Einkommenssteuergesetzes nach Maßgabe der Absätze 7 bis 9 zu berücksichtigen. Nach § 2 Abs. 8 BEEG ist als Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit der um die auf dieses Einkommen entfallenden Steuern und die aufgrund dieser Erwerbstätigkeit geleisteten Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung verminderte Gewinn zu berücksichtigen. Ist die dem zu berücksichtigenden Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit zu Grunde liegende Erwerbstätigkeit sowohl während des gesamten für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes maßgeblichen Zeitraums als auch während des gesamten letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraums ausgeübt worden, gilt gemäß § 2 Abs. 9 Satz 1 BEEG abweichend von Abs. 8 der Vorschrift als vor der Geburt des Kindes durchschnittlich erzieltes monatliches Einkommen aus dieser Erwerbstätigkeit der durchschnittlich monatlich erzielte Gewinn, wie er sich aus dem für den Veranlagungszeitraum ergangenen Steuerbescheid ergibt. Nach Satz 2 der Vorschrift gilt dies nicht, wenn im Veranlagungszeitraum die Voraussetzungen des § 2 Abs. 7 Satz 5 und 6 BEEG vorgelegen haben, die sinngemäß bei der Bestimmung des elterngeldrechtlichen Referenzzeitrahmens bei der Ermittlung des der Berechnung zu Grunde zu legenden Einkommens die grundsätzliche Außerachtlassung von Kalendermonaten, in denen Elterngeld für ein älteres Kind, Mutterschaftsgeld nach der Reichsversicherungsordnung oder dem Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte bezogen wurde oder in denen während der Schwangerschaft wegen einer maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung Einkommen aus Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise weggefallen ist, anordnen.

Ausgehend hiervon hat der Beklagte entgegen der Ansicht der Klägerin als Referenzzeitraum für die Berechnung des Elterngeldes die Zeit des letzten, vor der Geburt des Kindes abgeschlossenen, steuerlichen Veranlagungszeitraum, nämlich das Kalenderjahr 2006 herangezogen. Denn zur Zeit der Beantragung des Elterngeldes am 20. September 2007 hatte die Klägerin zuletzt den Steuerbescheid für die Einnahmen aus dem Kalenderjahr 2006 erhalten (Bescheid des Finanzamtes Friedrichshain/Prenzlauer Berg vom 7. August 2007). Die diesbezügliche gewerbliche Tätigkeit hat die Klägerin sowohl in den zwölf Kalendermonaten vor der Geburt des Kindes als auch während des gesamten, dem Bescheid des Finanzamtes Friedrichshain/Prenzlauer Berg vom 7. August 2007 zu Grunde liegenden Veranlagungszeitraums ausgeübt. Denn die Klägerin hat ausweislich ihrer Gewerbeanmeldung bei dem Bezirksamt Pankow von Berlin vom 4. April 2005 die gewerbliche Tätigkeit bereits zum 15. April 2005 aufgenommen und ausweislich des zur Beantragung von Elterngeld ausgefüllten Antragsformulares sowohl in den zwölf Monaten vor der Geburt des Kindes als auch im Kalenderjahr vor der Geburt des Kindes durchgehend ausgeübt.

Das damit im steuerlichen Veranlagungszeitraum 2006 zu berücksichtigende Einkommen der Klägerin, bereinigt um Beiträge zur Krankenversicherung, hat der Beklagte in die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzender Art und Weise der Ermittlung des Anspruchs auf Elterngeld zu Grunde gelegt. Hinsichtlich der – zwischen den Parteien im Übrigen unstreitigen Berechnung des Elterngeldanspruchs – wird auf die zutreffende Begründung des Ausgangsbescheides des Bezirksamtes Pankow von Berlin vom 12. Oktober 2007 Bezug genommen (§ 136 Abs. 3 SGG).

Soweit die Klägerin meint, die den letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum als Referenzzeitrahmen anordnende Vorschrift des § 2 Abs. 9 Satz 1 BEEG könne vorliegend nicht zur Anwendung kommen, weil sich diese Vorschrift ausschließlich auf eine kontinuierliche selbständige Tätigkeit beziehe, so vermag dem die Kammer nicht zu folgen.

Zum einen handelt es sich bei der gewerblichen Tätigkeit der Klägerin im Kalenderjahr 2006 keineswegs mehr um die Anlaufphase, da sie die gewerbliche Tätigkeit bereits im April 2005 und damit mehr als ein halbes Jahr vor Beginn des hier maßgeblichen steuerlichen Veranlagungszeitraums aufgenommen hat.

Zum anderen ging der Gesetzgeber bei der Möglichkeit des Rückgriffs auf einen steuerlich erfassten Veranlagungszeitraum von der Annahme aus, dass das Einkommen im Veranlagungszeitraum für das Einkommen in den zwölf Monaten vor der Geburt des Kindes repräsentativ ist. Hierbei hat der Gesetzgeber mit § 2 Abs. 9 Satz 2 BEEG und dem dortigen Verweis auf Abs. 7 Satz 5 und 6 der Vorschrift selbst geregelt, wann der repräsentative Charakter nicht mehr gewährleistet ist (vgl. hierzu etwa Hambüchen/Pauli, BEEG, § 2 Rn. 27 m.w.N.).

Die Vorschrift des § 2 Abs. 9 BEEG verstößt entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht wegen Bevorzugung von abhängig Beschäftigten durch das bei ihnen grundsätzlich gebotene Abheben auf die zwölf Kalendermonate vor der Geburt des Kindes gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Es handelt sich nämlich nicht um eine Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte ohne sachlichen Rechtfertigungsgrund.

Der Rückgriff auf einen steuerlich bereits erfassten Veranlagungszeitraum dient der Verwaltungsvereinfachung und der Vermeidung von Unsicherheiten, die mit der Einkommensermittlung in den zwölf Monaten vor der Geburt des Kindes verbunden sind (Hambüchen/Pauli, BEEG, § 2 Rn. 27). Dass hiermit praktische Vorteile, im Einzelfall für den Betroffenen jedoch auch Nachteile verbunden sind, hat der Gesetzgeber erkannt und bei seiner Regelung berücksichtigt. So hat er – wie bereits ausgeführt – nur dann auf den steuerlichen Veranlagungszeitraum abgehoben, wenn dessen Einkünfte repräsentativen Charakter haben (also etwa nicht in den Fällen des § 2 Abs. 7 Satz 5 und 6 BEEG, die durch § 2 Abs. 9 Satz 2 BEEG von der Anwendung der hier zu Grunde zu legenden Regel ausgeschlossen sind).

Dass es unabhängig hiervon zu weiteren Ungerechtigkeiten im Einzelfall kommen kann, ist hinzunehmen. Bei nicht beitragsgestützten Sozialleistungen wie Erziehungs- oder Elterngeld kommt dem Gesetzgeber traditionell ein weiter Spielraum zu (vgl. zur Problematik der Stichtagsregelung des § 27 Abs. 1 BEEG und ihrer verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit etwa SG München, Urteil vom 11. Juli 2007 – S 30 EG 34/07 – bestätigt durch Bundessozialgericht, Urteil vom 23. Januar 2008 – B 10 EG 3/07 R-), den er auch vorliegend nicht überschritten hat. Zum einen kommt der Gesetzgeber dem auch von der Klägerin bemühten Merkmal des repräsentativen Charakters der Höhe der Einkünfte im letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum ganz regelmäßig dadurch nahe, dass er längere Unterbrechungen, die mit der Geburt von (weiteren) Kindern in Zusammenhang stehen, einer Sonderregelung unterzieht (§ 2 Abs. 9 Satz 2 BEEG). Zum anderen sind die sogenannten einkommenssteuerrechtlichen Gewinneinkunftsarten ohnehin durch einen in ihrer Höhe schwankenden Charakter gekennzeichnet, so dass die getroffene Regelung dem Anspruchsberechtigten sowohl zum Vorteil als auch zum Nachteil gereichen kann. Nach alledem vermag die Kammer jedenfalls keine willkürliche Ungleichbehandlung, die den dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich eingeräumten Spielraum überstiege, erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 183 SGG).
Rechtskraft
Aus
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