L 2 AS 33/09 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 20 AS 5082/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AS 33/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ausschluss der Beschwerde nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 22. Dezember 2008 wird als unzulässig verworfen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ungekürzte Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

Der am 1955 geborene Antragsteller bezieht gemeinsam mit seiner Frau und seinen beiden Kindern seit dem 1. Januar 2005 Leistungen nach dem SGB II.

Auf Antrag vom 30. Oktober 2008 bewilligte der Antragsgegner mit Bescheid vom 18. November 2008 dem Antragsteller und seiner Ehefrau ein Darlehen über 140,00 EUR für den Erwerb einer Couch und eines Sessels. Der Bescheid enthielt die Mitteilung, dass durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 35,00 EUR der jeweils zu zahlenden Regelleistung der Betrag getilgt werde. Die Tilgung beginne ab dem 1. Dezember 2008 und ende mit dem 31. März 2009.

Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 20. November 2008 Widerspruch ein. Die Raten würden bereits einbehalten, obwohl das Geld noch nicht gutgeschrieben worden sei.

Mit Schreiben vom 22. November 2008 hat der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Halle (SG) beantragt. Zur Begründung hat er sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren wiederholt und sinngemäß beantragt, den Vollzug der durchgeführten Aufrechnung für den Monat Dezember 2008 aufzuheben und ihm Leistungen in ungeminderter Höhe zu gewähren.

Am 24. November 2008 überwies der Antragsgegner dem Antragsteller den bewilligten Darlehensbetrag, der dem Antragsteller am 26. November 2008 gutgeschrieben wurde.

Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 22. Dezember 2008 abgelehnt und zur Begründung unter anderem ausgeführt, dass nach Gewährung des Darlehens der Antragsgegner zur Aufrechnung der erbrachten Leistung berechtigt sei. Der Antragsgegner habe die Aufrechnung nicht um einen Monat verschieben müssen.

Gegen den ihm am 2. Januar 2009 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 5. Januar 2009 Beschwerde eingelegt und zur Begründung unter anderem vorgetragen, er könne mit dem Darlehen nichts mehr anfangen, da noch nicht mal ein Monat abgewartet worden sei, bevor mit der Aufrechnung begonnen worden sei.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers ist nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) unstatthaft und war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 202 SGG i. V. m. § 572 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung - ZPO -).

Nach dem seit 1. April 2008 geltenden § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG (Gesetz zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008, BGBl. I S. 444) ist die Beschwerde in Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Die Berufung bedarf nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt.

Das Verfahren betrifft eine für die Dauer von drei Monaten vorgesehene Aufrechnung in Höhe von 35,00 EUR pro Monat, wobei es dem Antragsteller darum geht, dass diese Aufrechnung einen Monat später einsetzen soll. Damit liegt der Beschwerdewert unterhalb der genannten Schwelle. Die Beschwerde ist unstatthaft.

Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass in einem Urteil im Hauptsacheverfahren möglicherweise die Berufung zugelassen werden könnte (vgl. § 144 Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 SGG) oder dass die Nichtzulassung der Berufung durch das SG mit der Beschwerde nach § 145 SGG angefochten werden könnte. Denn nach dem Wortlaut der Regelung in § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ist es erforderlich, dass die Berufung "zulässig" ist. Dies wäre aber nach dem Wortlaut auch im Falle einer Zulassung der Berufung gemäß § 144 Abs. 2 SGG nicht der Fall, denn nach dieser Norm wäre die Berufung nicht " zulässig", sondern "zuzulassen". Daher spricht schon der Wortlaut der hier in Rede stehenden Norm dafür, nicht auf eventuelle Zulassungsgründe eines Hauptsacheverfahrens oder auf eine hypothetische Nichtzulassungsbeschwerde nach § 145 SGG abzustellen (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 8.9.2008, L 13 AS 178/08 ER, m.w.N., zitiert nach juris). Die Prüfung, ob in der Hauptsache die Berufung zuzulassen wäre, ist auch wenig sinnvoll, weil häufig nicht erkennbar sein wird, ob und gegebenenfalls mit welchen genauen Anträgen ein Hauptsacheverfahren geführt und wie es entschieden wird (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10.10.2008, L 4 B 17/08 KR ER). Hinzu kommt, dass sonst rein hypothetische Überlegungen angestellt werden müssten, die in einem späteren Hauptsacheverfahren keineswegs das dann entscheidende Gericht hinsichtlich der Zulassung der Berufung binden könnten (LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O.). Schließlich hätte es im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens nahe gelegen, bei der Neuformulierung von § 172 Abs. 3 SGG auch eine entsprechende Anwendung von § 144 SGG einzufügen, was unterblieben ist. Vielmehr kommt in der Neufassung der allgemeine gesetzgeberische Gedanke zum Ausdruck, es unterhalb einer bestimmten Wertgrenze in Verfahren zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bei einer erstinstanzlichen Entscheidung bewenden zu lassen, die ohnehin ihrer Rechtsnatur nach nur vorläufig sein kann (LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O.). Der Senat verkennt nicht, dass gerade im Bereich der Streitigkeiten um Leistungen nach dem SGB II durchaus nicht selten der Fall eintreten kann, dass in Verfahren zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes der Schwellenwert nicht erreicht wird, sodass auch allgemeine interessierende Rechtsfragen möglicherweise nur in einem zeitlich wesentlich später liegenden Hauptsacheverfahren einer zweitinstanzlichen Überprüfung zugeführt werden können. Dieser "Nachteil" wird aber aufgewogen durch den "Vorteil", dass bei Streitgegenständen, die unterhalb des Schwellenwertes liegen, im einstweiligen Verfahren durch erstinstanzliche Entscheidungen schnell eine Klärung herbeigeführt werden kann. Der Umstand, dass möglicherweise für einen gewissen Zeitraum zu bestimmten Rechtsfragen divergierende Beschlüsse verschiedener Sozialgerichte vorliegen können, ist demgegenüber vom Gesetzgeber im Interesse einer zügigen Abwicklung der Eilverfahren und einer Entlastung der Landessozialgerichte hingenommen worden (LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O.).

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.

gez. Lauterbach gez. Wulff gez. Dr. Peters
Rechtskraft
Aus
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