L 3 R 1663/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 6 R 604/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 R 1663/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 13. August 2008 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1972 geborene Kläger, der im Beitrittsgebiet auf der Grundlage eines Lehrvertrags mit der LPG Pflanzenproduktion C-N D eine Ausbildung zum Teilfacharbeiter Pflanzenproduktion, Spezialisierung Getreide-Hackfrucht, absolvierte und dann als Traktorist und Mitarbeiter Kleiderkammer sowie anschließend nach seinen Angaben in einer Bautischlerei, im Sanierungsbau und zuletzt als Bausanierer arbeitete und seit November 2002 arbeitslos ist, stellte am 11. Juli 2006 einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Am 13. Juli 2006 beantragte er außerdem die Gewährung einer Rehabilitation im Anschluss an die stationäre Behandlung im C-T-Klinikum C wegen eines akuten Koronarsyndroms mit PTCA und Stentimplantation am 02. Juli 2006, einer koronaren Herzerkrankung ohne relevante Stenosierungen der epikardialen Kranzgefäße, einem arteriellen Hypertonus, Adipositas und Hyperlipoproteinämie. Diese wurde dem Kläger bewilligt und erfolgte als teilstationäre Maßnahme im Reha-Zentrum S. Ausweislich der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung in dem Entlassungsbericht vom 28. August 2006 wurde der Kläger aufgrund einer maximalen Belastung von 200 Watt, einer Ausdauerbelastung von 70-75 Watt über 15 Minuten und einer uneingeschränkten systolischen Pumpfunktion für fähig gehalten, noch mittelschwere bis schwere Arbeiten sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 18. Oktober 2006 ab. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, der in der Reha-Klinik durchgeführte Belastungstest sei nicht unter realen Bedingungen durchgeführt und somit falsch bewertet worden. Die Beklagte zog daraufhin einen Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. H vom 07. Januar 2007 bei, der die Schädigung der Halswirbelsäule als wesentlich für die Gefährdung der Erwerbsfähigkeit ansah, und beauftragte dann den Orthopäden Dipl. Med. F mit der Untersuchung und Begutachtung des Klägers. Der Gutachter diagnostizierte in seinem Gutachten vom 26. März 2007 ein chronisch rezidivierendes zervicobrachiales und lumbales Schmerzsyndrom sowie eine Osteospondylose der unteren Hals- und Lendenwirbelsäule mit Bandscheibenprolaps bei C 6/7 und Bandscheibendegeneration bei L 5/S1. Der Kläger könne noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit wechselnden Arbeitspositionen vollschichtig verrichten. Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2007 zurück.

Dagegen hat der Kläger Klage bei dem Sozialgericht Cottbus eingelegt, zu deren Begründung er u. a. ausgeführt hat, der Entlassungsbericht der Reha-Klinik S datiere vom 28. August 2006, obwohl zu diesem Zeitpunkt die Behandlung noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Außerdem leider er seit Jahren an Bandscheibenbeschwerden, er habe eine chronische Quecksilberallergie und dürfe mit bestimmten Medikamenten nicht behandelt werden und nicht mit Farbe und sonstigen Schutzmitteln in Berührung kommen. Er sei deshalb nicht in der Lage, länger als drei Stunden täglich einer wirtschaftlich sinnvollen Tätigkeit nachzugehen. Tatsächlich sei er auch seit dem 02. Juli 2007 arbeitsunfähig. Nach eigener Feststellung könne er kaum länger als 15 Minuten ununterbrochen arbeiten.

Das Sozialgericht hat Befundberichte eingeholt von dem Internisten Dr. S vom 27. November 2007, dem weitere Unterlagen beigefügt gewesen sind, dem Orthopäden Dr. B vom 28. November 2007, der den Kläger von Oktober 2004 bis April 2005 behandelt hatte, dem Allgemeinmediziner Dr. H vom 03. Dezember 2007 und dem Orthopäden Dr. E vom 10. Dezember 2007 über eine ebenfalls nur von Dezember 2004 bis Mai 2005 andauernde Behandlung. Dann hat das Sozialgericht eine Begutachtung durch den Facharzt für Innere Medizin Dr. F veranlasst, der in seinem Gutachten vom 18. Juni 2008 bei dem Kläger als Gesundheitsstörungen eine Adipositas, eine Fettstoffwechselstörung, einen Nikotinabusus, einen Hypertonus, eine koronare 1-Gefäßerkrankung und belastungsabhängige Beschwerden infolge degenerativer Hals- und Lendenwirbelsäulenveränderungen mit Bandscheibenprolaps bei C 6/7 sowie Bandscheibendegeneration bei L 5/S1 festgestellt hat. Der Kläger sei noch fähig, körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen vollschichtig zu verrichten. Er sei auch in der Lage, viermal täglich Fußwege von mehr als 500 Metern zurückzulegen, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen und ein Kraftfahrzeug zu steuern. Der Kläger hat dazu die Auffassung vertreten, er sei nicht mehr in der Lage, seinen erlernten Beruf als Agrotechniker oder seine letzte Tätigkeit als Bauhelfer zu verrichten.

Durch Urteil vom 13. August 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei nicht erwerbsgemindert, denn er könne noch vollschichtig leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten verrichten. Dies ergebe sich aus dem Gutachten des Gerichtsgutachters Dr. F, der mit seiner Diagnoseerhebung nicht im Gegensatz zu den im Verwaltungsverfahren erhobenen Befunden stehe und der in Übereinstimmung mit den im Reha-Verfahren tätig gewesenen Ärzten aufgrund der von ihnen erhobenen Befunden zu der Auffassung gelangt sei, dass der Kläger noch vollschichtig tätig sein könne.

Zur Begründung seiner dagegen eingelegten Berufung hat der Kläger geltend gemacht, er gehe davon aus, spätestens seit dem Frühjahr 2007 arbeitsunfähig zu sein. Er habe sich dies jedoch nicht attestieren lassen. Vom 02. bis zum 10. Juli 2007 sei er wegen einer Stentimplantation stationär behandelt worden. Er gehe nach wie vor davon aus, nicht länger als drei Stunden täglich arbeiten zu können.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 13. August 2008 und den Be-scheid vom 18. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juni 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 11. Juli 2007 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teil-weiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 09. Dezember 2008 zu der beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat konnte nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG entscheiden, denn er hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig aber unbegründet. Ihm steht, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat, eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht zu.

Der geltend gemachte Rentenanspruch richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der ab dem 01. Januar 2001 geltenden Fassung. Danach haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind.

Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).

Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbs-tätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Gemäß § 240 Abs. 1 SGB VI haben auch die Versicherten Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, die bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind.

Nach Auswertung der im Verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahren erstatteten Gutachten auf orthopädischem und internistischem Fachgebiet von Dr. F vom 26. März 2007 und von dem Sachverständigen F vom 18. Juni 2008 ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger weder voll noch teilweise erwerbsgemindert ist. Der Kläger leidet auf internistischem Gebiet an einer Adipositas, einer Fettstoffwechselstörung, einem Nikotinabusus, einem Hypertonus und einer koronaren 1-Gefäßerkrankung. Auf orthopädischem Gebiet bestehen ein chronisch rezidivierendes zervicobrachiales und lumbales Schmerzsyndrom sowie eine Osteospondylose der unteren Hals- und Lendenwirbelsäule mit Bandscheibenprolaps bei C 6/7 und Bandscheibendegeneration bei L 5/S1. Diese Gesundheitsstörungen bedingen aber kein quantitativ, sondern nur ein qualitativ eingeschränktes Leistungsvermögen. Bei der Untersuchung durch den Orthopäden Dr. F ist kein schwerwiegender Befund erhoben worden. Die nach der Neutral-Null-Methode gemessenen Bewegungsausmaße weichen nur geringfügig von den Normalmaßen ab. Der Gutachter hat nur eine endgradig schmerzhafte Bewegungseinschränkung im Bereich der unteren Hals- und Lendenwirbelsäule ohne Wurzelreizsymptomatik, frei bewegliche große Gelenke und eine leichte Kraftminderung im Bereich der linken Hand gegenüber rechts nach einer Daumenoperation ohne eine sonstige Funktionseinschränkung der Hand feststellen können. Aufgrund der orthopädischen Leiden, die der Kläger im Übrigen nicht durch einen Facharzt behandeln lässt, ist schlüssig, dass er keine schweren und körperlich einseitig belastenden Arbeiten verrichten bzw. nicht in Zwangshaltungen tätig sein kann. Anhaltspunkte für eine aufgehobene Wegefähigkeit oder das Erfordernis unüblicher Arbeitsbedingungen sieht der Senat nicht.

Dr. F hat bei seiner Untersuchung, die am 11. Juni 2008 und damit fast ein Jahr nach der nunmehr erstmals behaupteten - weiteren (?)- Stentimplantation im Juli 2007 stattfand, ebenfalls keinen schwerwiegenden Befund erheben können. Es haben sich klinisch keine Hinweise auf eine wesentliche kardiale Minderleistung, auf einen Herzklappenfehler oder andere wesentliche pathologische Herzveränderungen gefunden. Das EKG ist unauffällig gewesen, die Ergometrie ist wegen muskulärer Erschöpfung bei 125 Watt abgebrochen worden, pathologische Veränderungen sind ebenfalls nicht aufgetreten. Es ist deshalb für den Senat nachvollziehbar, dass der Kläger zwar noch in voller Schicht von mindestens sechs Stunden arbeiten kann, dass aber stressbelastende Arbeiten sowie Arbeiten in Nachtschicht und unter Zeitdruck nicht mehr zumutbar sind. Die beigezogene Berichte bestätigen diese Einschätzung. Bereits in dem Bericht von Dr. S vom 07. Dezember 2006 ist ausgeführt worden, der Herzinfarkt habe zu keinen wesentlichen kardialen Funktionsausfällen geführt. Bei seiner kardiologischen Untersuchung am 30. November 2006 und 16. Februar 2007 ist ebenfalls kein pathologischer Befund erhoben worden (Bericht vom 19. Februar 2007). Auch dem Befundbericht von Dr. H vom 03. Dezember 2007 lässt sich keine Veränderung des Gesundheitszustands entnehmen. Letztlich stehen die Befunde auch in Übereinstimmung mit denen des Heilverfahrensentlassungsberichts vom 28. August 2006. Bei diesem Datum dürfte es sich um eine offensichtliche Unrichtigkeit handeln, denn dem Bericht lassen sich Untersuchungen noch am 07. September 2006, also dem Tag vor der Beendigung der Maßnahme, entnehmen.

Das Vorbringen des Klägers vermag der Berufung nicht zum Erfolg zu verhelfen. Es kommt nicht auf seine subjektive und durch keine weiteren medizinischen Unterlagen belegte Einschätzung seines Leistungsvermögens an. Ebenso wenig ist entscheidend seine mangelhafte Motivation, eine Berufstätigkeit auszuüben, wie sie in der Beschwerdeschilderung bei der Begutachtung durch Dr. F zum Ausdruck gekommen ist. Maßgebend ist allein das Ausmaß der objektiv festgestellten Funktionseinschränkungen, die in seinem Fall noch eine mindestens sechsstündige Arbeit auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung der oben geschilderten qualitativen Leistungseinschränkungen erlauben. Besteht aber noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen, fällt das Unvermögen, einen leidensgerechten Arbeitsplatz zu erlangen, in den Risikobereich der Arbeitslosenversicherung (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI steht dem Kläger bereits deshalb nicht zu, weil er am 10. Dezember 1972 und damit nach dem Stichtag am 02. Januar 1961 geboren ist. Es kommt deshalb schon aus diesem Grund nicht darauf an, ob er noch seinen erlernten Beruf als Agrotechniker oder seine letzte Tätigkeit als Bauhelfer verrichten kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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