L 11 R 4519/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 2735/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 4519/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 27. August 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Die am 03. Juni 1959 geborene Klägerin, die keinen Beruf erlernt hat, war zuletzt bis Ende Februar 2004 versicherungspflichtig als Bürogehilfin beschäftigt. Nach kurzer Arbeitslosigkeit war sie von März bis Juli 2005 mit einem Büroservice selbständig tätig. Seither ist sie arbeitsunfähig erkrankt und lebt von ihrer privaten Berufsunfähigkeitsrente. Im Juli 2005 wurde aufgrund einer Liquoruntersuchung ein Verdacht auf Multiple Sklerose diagnostiziert. Vom 16. August 2001 bis 15. August 2006 wurden mehr als 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder aufgrund des Bezugs von Lohnersatzleistungen im Sinne des § 3 Satz 1 Nr. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) entrichtet, insgesamt sind Beitragszeiten von mehr als 5 Jahren vorhanden.

Nach einer Aufforderung durch die Krankenkasse stellte die Klägerin am 3. Mai 2006 einen Antrag auf Gewährung stationärer Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, dem die Beklagte mit Bescheid vom 27. Mai 2006 stattgab. Vom 23. Juni bis 21. Juli 2006 befand sich die Klägerin sich in einem stationären Rehabilitationsverfahren in der S.-Klinik B. B., aus dem sie als arbeitsfähig mit der Diagnose eines Zustands nach Retrobulbärneuritis links bei Encephalomyelitis disseminata entlassen wurde. Eine objektive Funktionsstörung und ein neurologisches Defizit habe nicht gefunden werden können. Die neurophysiologische Testung sei durch die Aggravation so stark verzerrt gewesen, dass eine objektive Beurteilung nicht möglich sei. Die Arbeitsbelastungserprobung habe zweifelsfrei eine vollschichtige Leistungsfähigkeit ergeben. Hierzu sei die Klägerin aber nicht gewillt, sie habe deutlich ein Rentenbegehren zum Ausdruck gebracht. Insbesondere habe sich das Sehvermögen wieder normalisiert und es bestünden auch keine Einschränkungen des kognitiven Leistungsvermögens (Aufgabenverständnis, planerische Fähigkeiten und Fertigkeiten). Sie könne noch leichte bis teilweise mittelschwere körperliche Arbeiten in wechselnder Körperhaltung ohne besondere Anforderungen an das Sehvermögen, insbesondere in Beidäugigkeit, verrichten. Für die Dauer der Rehabilitationsmaßnahme erhielt die Klägerin von der Beklagten Übergangsgeld (Bescheid vom 3. Juli 2006).

Am 16. August 2006 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf ihre Multiple Sklerose die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 25. September 2006 lehnte die Beklagte den Antrag unter Bezugnahme auf den Rehabilitationsentlassungsbericht ab.

Zur Stützung ihres dagegen eingelegten Widerspruchs legte die Klägerin eine Bescheinigung ihrer behandelnden Neurologin W. vor, wonach bei der Klägerin seit langem eine vermehrte Ermüdbarkeit und immer wieder rezidivierend auftretende Sehstörungen vorlägen, so dass sie nicht mehr in der Lage sei, länger als zwei Stunden pro Tag zu arbeiten. Die Therapie bestehe in der Copaxonebehandlung, wodurch aber Besserungen des klinischen Befundes nicht zu erwarten seien. Des Weiteren gab sie das sozialmedizinische Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), Dr. G., zu den Akten, wonach die Fatigue-Symptomatik nach wie vor im Vordergrund stünde. Die Klägerin sei mit ihrer Bürotätigkeit nach eigenen Angaben überfordert. Bereits die Haushaltsführung bringe sie an die Grenze ihrer Belastbarkeit. Sie müsse diese ständig zwecks Ruhepausen unterbrechen.

Die Beklagte veranlasste daraufhin eine nerven- und augenärztliche Begutachtung der Klägerin. Der Nervenarzt Dr. H. führte aus, dass sich die Klägerin einem guten Allgemeinzustand befinde, auch keine Muskelathrophien oder grob motorische Ausfälle der Extremitäten vorlägen. Es bestünde lediglich ein diskretes neurologisches Defizit mit links betontem Armeigenreflex ohne hieraus resultierender funktionell bedeutsamer Beeinträchtigung der bisherigen beruflichen Bürotätigkeit. Weder klinisch noch im Rahmen eines standardisierten Intelligenztests noch von Seiten des EEG bestehe Anhalt für ein dem Fatigue-Syndrom zugrundeliegendes hirnorganisches Psychosyndrom. Vielmehr sei von einer Anpassungsstörung auszugehen. Die ambulanten medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten im Sinne ambulanter Psychotherapie und antriebssteigender antidepressiver Medikamentation seien bislang nicht ausgeschöpft. Für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit bestehe eine vollschichtige Belastungsfähigkeit. Der Augenarzt Dr. F. kam ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Klägerin aus augenärztlicher Sicht ihrem Beruf vollschichtig nachgehen könne, da keinerlei Ausfälle von Seiten der Augen bestünden. Die Klägerin aggraviere Röhrengesichtsfelder.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24. September 2007 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, die Klägerin könne noch mehr als sechs Stunden arbeiten und sei daher nicht erwerbsgemindert. Die im Widerspruchsverfahren eingeholten Fachgutachten auf neurologisch-psychiatrischem und augenärztlichem Fachgebiet hätten keine weiteren Befunde ergeben, die zu einer Änderung der im Rentenverfahren bereits getroffenen sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung führten.

Mit ihrer dagegen am 08. Oktober 2007 beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin auf ein nervenärztliches Gutachten von Prof. Dr. M., das im Auftrag der W. L. AG erstellt worden ist, verwiesen. Dieser ist zusammenfassend zu dem Ergebnis gekommen, dass bei der Klägerin von der gesicherten Diagnose einer Multiplen Sklerose auszugehen sei, die sich eher verschlechtert habe. Dabei werde das Beschwerdebild von einem Müdigkeitssyndrom und einer raschen Erschöpfbarkeit dominiert, die ein entsprechendes organisches Korrelat in der Kernspintomographie hätten und damit objektivierbar seien. Hinzu kämen Sehstörungen, die nur intermittierend aufträten und Ausdruck einer Narbensymptomatik nach im Juli 2005 durchmachter Sehnervenentzündung seien. Weiterhin seien Störungen der tiefen Sensibilität an den Füßen neu hinzugekommen, welche die Sicherheit des Gehens beeinträchtigten. Danach sei nach wie vor die Voraussetzung einer Berufsunfähigkeit als kaufmännische Angestellte gegeben und zwar in einem Umfang von 80 %.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das SG die Klägerin erneut nervenärztlich begutachten lassen und anschließend ein weiteres Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholt.

Der Neurologe und Psychiater Dr. H. hat ausgeführt, dass sich die Klägerin in gutem Allgemein- und Ernährungszustand befinde. Der klinische Befund sei völlig unauffällig. Der pathologische Befund in den VEP korreliere gut mit der abgelaufenen Optikusneuritis. Darüber hinaus bestünden keinerlei fassbare objektivierbare Funktionsausfälle. Auch psychisch habe sich kein pathologischer Befund von Krankheitswert gefunden. Dementsprechend bestehe keine Behandlungsbedürftigkeit und es werde auch aktuell keine Behandlung durchgeführt, weder medikamentös noch psychotherapeutisch. Es bleibe daher bei der Diagnose einer Multiplen Sklerose ausschließlich die Beurteilung rein subjektiver Beschwerden. Die von der Klägerin geschilderte Sehstörungen ließen sich nur schwer nachvollziehen. Auch habe sie mehrfach angegeben, die Sauna zu bevorzugen, überhaupt fühle sie sich in der Wärme wohler als in der Kälte. Typisch für die Multiple Sklerose sei jedoch das Gegenteil, denn die Symptome nähmen mit steigender Temperatur und Erwärmung zu. Das gelte für Sehstörungen ebenso wie für eine abnorme Ermüdbarkeit. Dies spreche gegen eine durch die Multiple Sklerose bedingte Beeinträchtigung. Auch der Augenarzt Dr. F. habe keine objektivierbare Funktionseinschränkung gefunden. Die geschilderte abnorme Ermüdbarkeit und die vorzeitige Erschöpfbarkeit seien zwar bei der Muskelsklerose durchaus bekannt und in der allgemeinen Literatur auch anerkannt. Hierfür gebe es jedoch keinen objektivierbaren Nachweis. Insgesamt könne bei der Klägerin angesichts der deutlichen Aggravationstendenzen, die in allen Gutachten geschildert würden, dies auch insbesondere im Entlassungsbericht B. B., nicht von einer Erschöpfung ausgegangen werden. Jedenfalls lasse sich daraus keine zeitliche Leistungslimitierung ableiten. Bei der Klägerin werde eine immunmodulatorische Behandlung erfolgreich durchgeführt. Sie könne daher seiner Einschätzung nach ihre bisherige Tätigkeit wie auch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Vermeidung von Hitze sowie besonderer Anforderungen an die psychische Belastbarkeit acht Stunden und mehr verrichten.

In seinem nach § 109 SGG erstatteten Gutachten kam der Sachverständige Prof. Dr. H. ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Klägerin noch Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig ausüben könne. Sie leide an einer Multiplen Sklerose ohne sicheren pathologischen Befund. Für das Vorliegen eines Fatigue-Syndroms sprächen die Angaben der Klägerin, die hohe Prävalenz der Fatigue bei Multiple Sklerosekranken allgemein und die relativ hohe Läsionslast in der Kernspintomgraphie des Gehirns. Gegen eine schwere Ausprägung sprächen aber die geschilderten Tätigkeiten der Klägerin im Tagesablauf und insbesondere die während des stationären Aufenthalts in der S.-Klinik B. B. dokumentierten Verhaltensbeobachtungen. Die Klägerin könne deswegen nur Tätigkeiten mit durchschnittlicher Anforderung an die geistige Leistungsfähigkeit unter Vermeidung von hohen Anforderungen an die Konzentrationsfähigkeit oder hoher Verantwortung für andere verrichten. Unter Annahme einer Fatigue bei Multipler Sklerose sei weiter zu empfehlen, dass sie die Möglichkeit habe, in Abhängigkeit von ihrem jeweiligen Befinden nach etwa zwei Stunden Tätigkeit eine Pause von ca. einer Viertelstunde einzulegen.

Mit Gerichtsbescheid vom 27. August 2008 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin sei nicht erwerbsgemindert. Sie leide zwar an Multipler Sklerose, aber ohne gegenwärtig objektivierbare Funktionseinschränkungen. Da eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen wie auch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung nicht vorliege, habe ihr auch keine bestimmte Verweisungstätigkeit benannt werden müssen. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und zum Leistungsvermögen entnehme das SG insbesondere dem Gerichtsgutachten von Dr. H ... Dieser sei der Vielzahl von Beschwerden der Klägerin sorgfältig nachgegangen. Das Gutachten stehe auch in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgutachten von Dr. H. und Dr. F. sowie dem Reha-Entlassungsbericht der S.-Klinik B. B ... Auch der Gutachter Prof. Dr. H. sei zu keiner relevanten Leistungsminderung gekommen. Die negative Leistungseinschätzung der behandelnden Nervenärzte W. und Dr. S. wie das Gutachten von Prof. Dr. M. seien durch die nachfolgend eingeholten Gerichtsgutachten widerlegt. Der neurologische Befund sei relativ gering. Mehrfach sei auf eine Aggravation der Klägerin hingewiesen worden. Dr. H. und Prof. Dr. H. hätten nachvollziehbar ausgeführt, dass gegen das Vorliegen eines erheblichen Fatigue-Syndroms die geschilderten Freizeitaktivitäten, der Tagesablauf und insbesondere die Verhaltensbeobachtungen während des Rehabilitationsaufenthaltes in der S.-Klinik B. B. sprächen. Dem Rehabilitationsentlassungsbericht komme wegen des längeren Aufenthalts der Klägerin dabei ein besonderer Beweiswert zu. Nicht zu übersehen sei weiter, dass die von der Klägerin geschilderten Beschwerden schon Jahre vor dem Auftreten der Multiplen Sklerose bestanden hätten, also noch zu einer Zeit, in der sie noch ihrer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Die angeführten in der Kernspintomographie dargestellten cerebralen Läsionen ließen noch nicht zwingend den Schluss auf das Vorliegen einer Fatigue zu. Bei nicht objektivierbaren Beschwerden, die allein auf den subjektiven Angaben des Rentenantragsstellers beruhten, sei insgesamt darauf hinzuweisen, dass für die Feststellung der anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale ein strenger Maßstab zu fordern sei. Für das tatsächliche Vorliegen von subjektiven Störungen, ihre Unüberwindbarkeit aus eigener Kraft und ihre Auswirkungen auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit treffe den Rentenbewerber die (objektive) Beweislast. Die von der Klägerin berichteten schwerwiegenden Einschränkungen ließen sich letztlich aber nicht objektivieren. Die Klägerin sei auch nicht berufsunfähig. Sie habe keine Berufsausbildung abgeschlossen. Die zuletzt versicherungspflichtig ausgeübte Tätigkeit als Bürogehilfin sei allenfalls den angelernten Tätigkeiten des unteren Bereichs zuzuordnen. Ein Berufsschutz bestehe insoweit nicht. Die Klägerin sei auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar.

Mit ihrer dagegen am 23. September 2008 eingelegten Berufung hat die Klägerin geltend gemacht, die Beweiswürdigung und rechtliche Bewertung sei für sie nicht nachvollziehbar. Sie sei seit 1977 ausschließlich als Sachbearbeiterin/Sekretärin und über 10 Jahre als Prokuristin tätig gewesen und habe sich durch Fortbildung und im Sekretariatsbereich entsprechend qualifiziert. Es sei für sie auch nicht erklärlich, warum der Stellungnahme ihres behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. S. keinerlei Beweiswert beigemessen werde. Außerdem müsse man sich angesichts der Erschöpfbarkeit und Konzentrationsfähigkeit mit der Frage von nicht betriebskonformem Pausenbedarf auseinandersetzen. Sie fühle sich bereits nach zwei Stunden erschöpft, habe deswegen auch ihre selbständige Tätigkeit aufgeben müssen. Eine tägliche Belastung von acht bis zehn Stunden sei ihr nicht mehr möglich. Auch bei den Belastungserprobungen in der Rehabilitationsklinik B. B. hätten deswegen entsprechende Pausen eingelegt werden müssen. Dies habe auch der Gutachter Prof. Dr. H. empfohlen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 27. August 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. September 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, ab 1. Mai 2006 zu gewähren, hilfsweise ein Gutachten von Amts wegen bei Prof. Ch. D. einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, dass ein neuer medizinischer Sachverhalt nicht vorgetragen worden sei. Bei einem bisher attestierten Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit stelle sich die Frage des Berufsschutzes bzw. einer zumutbaren Verweisungsmöglichkeit nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, da die Berufung einen Zeitraum von mehr als einem Jahr umfasst. Die damit insgesamt zulässige Berufung ist indessen unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der Sachverhalt ist entscheidungsreif. Der von der Klägerin angeregten Begutachtung durch Prof. D. bedarf es nicht. Dem Senat liegen hierzu bereits die beiden Gutachten sowie der Reha-Entlassungsbericht vor, der auch einen neuropsychologischen Befund umfasst. Einer weiteren Sachaufklärung bedarf es daher nicht, zumal die Klägerin keine Verschlechterung ihrer gesundheitlichen Situation, insbesondere keinen Schub, vorgetragen hat.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich für die Zeit bis 31. Dezember 2007 nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung und für die anschließende Zeit nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl I S. 554). Dies folgt aus § 300 Abs. 1 SGB VI. Danach sind die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Die (aufgehobenen) Bestimmungen der §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung finden keine Anwendung, da im vorliegenden Fall ein Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2001 nicht in Betracht kommt (§ 302b Abs. 1 SGB VI).

Nach § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach § 240 Abs. 1 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 61 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl I S. 554) haben darüber hinaus Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind, bis zum Erreichen der Regelaltersrente Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen erfüllen. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 Sätze 2 und 4 SGB VI).

Die Voraussetzungen der genannten Vorschriften sind nicht erfüllt. Dies hat das SG zutreffend festgestellt. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen voll umfänglich an, weist die Berufung deshalb aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin zwar die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung erfüllt, wie sich aus dem Versicherungsverlauf der Beklagten vom 18. September 2006 ergibt. Der Senat ist aber in Auswertung des Beweisergebnisses der vom SG durchgeführten Beweisaufnahme wie auch der im Wege des Urkundsbeweises verwertbaren Verwaltungsgutachten der Beklagten davon überzeugt, dass die Klägerin noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Tätigkeiten vorwiegend sitzend ohne Notwendigkeit von Heben und Tragen von Lasten sowie besonderer Ansprüche an die Gang- und Standsicherheit und psychische Belastbarkeit und Einwirkung von Hitze sechs Stunden und mehr verrichten kann, dies auch als Bürogehilfin, und damit weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, auch nicht berufsunfähig ist.

Das ergibt sich aus dem übereinstimmenden Ergebnis des Gutachtens von Dr. H. wie dem im Wege des Urkundsbeweises verwertbaren Gutachten von Dr. H. und Dr. F ... Demnach leidet die Klägerin an einer Multiplen Sklerose mit gutartigem Verlauf ohne Beteiligung der Augen. Allein die schwerwiegende Diagnose rechtfertigt noch nicht die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente, insoweit kommt es darauf an, ob sich hieraus Funktionsbeeinträchtigungen ergeben, die das berufliche Leistungsvermögen beeinträchtigen. Das ist bei der Klägerin aber gegenwärtig nicht der Fall. Denn insbesondere die neurologische Untersuchung hat einen weitgehend normalen Befund ergeben. Objektivierbare Funktionsstörungen liegen derzeit nicht vor. Die immunmodulatorische Behandlung wird demnach nach Einschätzung sämtlicher Sachverständiger erfolgreich durchgeführt.

Die Multiple Sklerose bedingt nur die eingangs beschriebenen qualitativen Leistungseinschränkungen, limitiert aber das Leistungsvermögen der Klägerin nicht in zeitlicher Hinsicht. Ob die Klägerin daneben noch an einem Fatigue-Syndrom leidet, welches in dieser Form allein der Sachverständige Prof. Dr. H. - allerdings insbesondere im Hinblick auf die allgemeine Verbreitung der Müdigkeit bei diesem Krankheitsbild wie den kernspintomographischen Befund - beschreibt, kann hingegen dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls werden hierdurch keine weiteren Funktionseinschränkungen, insbesondere nicht die Erforderlichkeit betriebsunüblicher Pausen begründet. Dagegen spricht auch zur Überzeugung des Senats, dass selbst Prof. Dr. H. keinen sicheren pathologischen Befund erheben konnte, aber auch nach seiner Einschätzung die geschilderten Aktivitäten im Tagesablauf und auch die Verhaltensbeobachtungen während des stationären Aufenthaltes in der S.-Klinik B. B. nicht für ein schweres Fatigue-Syndrom sprechen, welches einer Berufsausübung entgegensteht. Für die Richtigkeit der Bewertung durch den Sachverständigen Dr. H. spricht, dass die Klägerin sich noch selbst versorgen, ihren Bekanntenkreis pflegen und auch noch selbst größere Strecken mit dem Auto fahren kann. Sie kann weiter vielfältigen Freizeitaktivitäten nachgehen, insbesondere noch eine halbe Stunde Nordic-Walking oder Schwimmen betreiben.

Insofern waren auch für den Senat die abweichenden Einschätzungen der behandelnden Ärzte W. wie das Gutachten von Prof. Dr. M., die beide allein auf den subjektiven Angaben der Klägerin beruhen, nicht nachvollziehbar. Vielmehr müssen insoweit die deutlichen Aggravationstendenzen berücksichtigt werden, wie sie insbesondere bei der längeren Behandlung in der S.-Klinik B. B. beobachtet werden konnten. Die Klägerin hat dort eine deutliche Ermüdbarkeit demonstriert, die aber mit ihrem sonstigen Verhalten und ihren Aktivitäten nicht in Einklang zu bringen ist. Die Gutachter haben daraus den zutreffenden Schluss gezogen, dass die auch im privaten Bereich nicht beeinträchtigte Klägerin beruflich nicht nennenswert in ihrem Leistungsvermögen eingeschränkt ist. Die beschriebenen qualitativen Leistungseinschränkungen stehen auch einer mehr als sechsstündigen Berufstätigkeit der Klägerin im Bürobereich nicht entgegen. Dies gilt insbesondere, da von Seiten der Augen, wie dies insbesondere der Gutachter Dr. F. festgestellt hat, nach der abgelaufenen Optikusneuritis keinerlei Einschränkungen verblieben sind.

Die Berufung der Klägerin konnte demnach keinen Erfolg haben, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved