L 8 B 854/08 AL ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 35 AL 786/08 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 B 854/08 AL ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 13. August 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Antragsgegnerin - Ag - im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten ist, einen bestandskräftigen Bescheid über die Aufhebung und Rückforderung von Eingliederungszuschussleistungen aufzuheben.
Mit Bescheid vom 12.02.2007 hatte die Ag dem Antragsteller - Ast - für den Zeitraum vom 07.12.2006 bis 06.06.2007 einen Eingliederungszuschuss für Frau A. N. in Höhe von 630,00 EUR monatlich einschließlich des pauschalierten Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag (50 % des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts in Höhe von 1.050,00 EUR) bewilligt.
Mit Bescheid vom 10.12.2007 widerrief die Ag diesen Bewilligungsbescheid und forderte für den genannten Zeitraum geleistete Zahlungen in Höhe von 3.024,00 EUR zurück. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 15.01.2008 als unbegründet zurück. Der Bewilligungsbescheid habe die Auflage enthalten, dass die Leistung unter anderem nur unter der Maßgabe gewährt werde, dass innerhalb eines Monats nach Ende der Förderdauer ein Nachweis über das gezahlte Arbeitsentgelt und die abgeführten Sozialversicherungsbeiträge vorgelegt werde sowie eine Erklärung über die Weiterbeschäftigung und eine Bestätigung der Krankenkasse über die Anmeldung zur Sozialversicherung. Der Ast habe diese Unterlagen trotz der Aufforderung vom 09.10.2007 und seiner Ankündigung bei der Einlegung des Widerspruchs nicht nachgereicht.
Mit Schreiben vom 08.04.2008 entschuldigte sich der Ast, die angeforderten Unterlagen erst jetzt eingereicht zu haben. Er legte einen Arbeitsvertrag vom 15.01.2007 und weitere Unterlagen vor.
Mit Bescheid vom 06.05.2008 erließ die Ag einen ablehnenden Bescheid auf der Grundlage des § 44 Sozialgesetzbuch - SGB - X. Der Bescheid vom 10.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.01.2008 sei bindend geworden. Die Überprüfung müsse im vorliegenden Fall abgelehnt werden, da keine neuen rechtserheblichen Unterlagen vorgelegt worden seien, die nicht bereits bei Erlass der angefochtenen Entscheidung berücksichtigt worden seien. Dagegen legte der Ast Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 03.07.2008 als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Mit Schreiben vom 25.07.2008 hat der Ast einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht München - SG - beantragt. Er schicke anbei die erforderlichen bzw. bisher fehlenden Unterlagen. Die Ag habe er um Überprüfung und Rücknahme der Vollstreckung gebeten. Mit Schreiben vom 09.08.2008 hat er unter anderem ausgeführt, die Situation sei als ein Härtefall anzusehen, um von der Rückzahlung verschont zu bleiben. Die Rückzahlung würde ihn finanziell sehr belasten und eine erneute Betreuung und Einführung von Arbeitslosen in das normale Arbeitsleben für zukünftige Projekte ausschließen.
Mit Beschluss vom 13.08.2008 hat das SG den Eilantrag abgelehnt und ausgeführt, die Klage habe keine aufschiebende Wirkung. Der Erstattungsbescheid vom 10.12.2007 sei bestandskräftig. Bei dem angefochtenen Bescheid vom 06.05.2008 gehe es nicht um die Rückforderung des Eingliederungszuschusses. Er regele die Verpflichtung der Ag zur Rücknahme des Widerrufs- und Erstattungsbescheides vom 10.12.2007. Widerspruch und Anfechtungsklage hätten deshalb keine aufschiebende Wirkung. § 86a Abs.1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - betreffe nur die Anfechtungsklage, die den Erstattungsbescheid zum Streitgegenstand habe. Andernfalls könnten wiederholte Antragstellungen nach § 44 SGB X die Vollstreckung der Rückforderung endgültig verhindern. Im Übrigen ergebe auch eine summarische Überprüfung nicht, dass der Bescheid vom 10.12.2007 rechtswidrig sei. Denn nach den vorgelegten Gehaltsbescheinigungen habe der Ast im streitbefangenen Zeitraum Dezember 2006 bis Juni 2007 ein Arbeitsentgelt von 450,00 EUR brutto monatlich bezahlt, obwohl im Arbeitsvertrag von 07.12.2006 ein monatliches Bruttoentgelt von 1.050,00 EUR vereinbart worden sei und die Ag deshalb einen Eingliederungszuschuss von 630,00 EUR monatlich bewilligt habe.
Dagegen hat der Ast Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht - LSG - eingelegt und ausgeführt, er nehme es mittlerweile persönlich, da alle tatsächlichen Härtefälle, die von ihm geschildert worden seien, abgelehnt worden seien. Er habe nach seinen Unterlagen und Rechnungen zu Unrecht 1.404,00 EUR zu viel erhalten; diesen Betrag würde er zurückerstatten.
Der Ast beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 13. August 2008 aufzuheben und die Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Bescheid vom 06.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.07.2008 von einer Vollziehung des Rückforderungsbescheides vom 10.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.01.2008 abzusehen.
Die Ag beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, es sei nicht nachvollziehbar, welches Ziel der Ast mit dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz verfolge. Die zum x-ten Mal übersandten Unterlagen würden keine Änderung der im Hauptsacheverfahren angefochtenen Entscheidung rechtfertigen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das SG hat die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
Das Begehren des Ast ist auszulegen. Die Auslegung ergibt, dass es ihm um die vorläufige Nichtvollziehung des Rückforderungsbescheides bis zur Entscheidung über seinen Antrag gemäß § 44 SGB X geht.
Zur Statthaftigkeit des Eilantrags ist das Folgende auszuführen. Entgegen der Auffassung des SG handelt es sich vorliegend um eine sog. Vornahmesache und nicht um eine Anfechtungssache. Einstweiliger Rechtsschutz durch eine vorrangige (vgl. § 86 b Abs. 2
1. HS SGG) Anfechtungssache kommt vorliegend nicht in Betracht. Die Annahme einer Anfechtungssache in Bezug auf den Bescheid vom 06.05.2008 (Ablehnung gemäß § 44 SGB X) trägt dem Rechtsschutzinteresse des Ast nicht Rechnung. Bei bloßer Aufhebung des in der Hauptsache angefochtenen Ablehnungsbescheides gemäß § 44 SGB X ließe sich das vom Ast verfolgte Rechtsschutzziel nicht erreichen.
Auch in Bezug auf den Bescheid vom 10.12.2007 ist einstweiliger Rechtsschutz durch eine vorrangige Anfechtungssache nicht statthaft. Der Rückforderungsbescheid ist bestandskräftig geworden. Die aufschiebende Wirkung des hier grundsätzlich einschlägigen § 86 a Abs. 1 S.1 SGG tritt zwar grundsätzlich unabhängig von der Zulässigkeit und Begründetheit des Hauptsacherechtsbehelfs ein. Dies gilt jedoch nicht bei offensichtlicher Unzulässigkeit (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Aufl. 2008, Rn. 66 ff. m.w.N.). Selbst wenn man also die im Juli 2008 erhobene Klage als Klage gegen den Bescheid vom 10.12.2007 und nicht nur gegen den Ablehnungsbescheid gemäß § 44 SGB X ansehen würde, ergäbe sich keine aufschiebende Wirkung zugunsten des Ast. Denn diese wäre, weil auch erkennbar keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht kommt, offensichtlich unzulässig und würde keinen einstweiligen Rechtsschutz von Gesetzes wegen gemäß § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG auslösen.
Das Rechtsschutzbegehren des Ast kann mithin nur im Wege einer vorläufigen Erweiterung seiner Rechtsposition erreicht werden. Statthaft ist damit die Regelungsanordnung im Sinne von § 86b Abs. 2 S. 2 SGG.
Der so ausgelegte Eilantrag ist jedoch unbegründet.
Da dem Ast ohne die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes keine schwere Rechtsverletzung (siehe dazu S. 6 unten dieses Beschlusses) im Sinne der zur Existenzsicherung entwickelten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts droht (vgl. dazu Beschluss des BVerfG vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 Juris Rn. 25), sind der Eilentscheidung die einfach-gesetzlichen Maßgaben im Sinne eines Anordnungsanspruches und eines Anordnungsgrundes zugrunde zu legen, die in Fällen wie dem vorliegenden keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen (vgl. dazu BVerfG, vom 29.07.2003, 2 BvR 311/3 juris Rn. 13, BVerfG NJW 1989, 827).

Gemäß § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Im Hinblick auf den zu fordernden Überzeugungsgrad bzw. auf den Beweismaßstab verweist § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG unter anderem auf § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -, wonach Anspruch und Anordnungsgrund glaubhaft zu machen sind. Aus den genannten Vorschriften ist der Überzeugungsgrad der überwiegenden Wahrscheinlich abzuleiten, wobei auch im öffentlich-rechtlichen Eilverfahren der Amtsermittlungsgrundsatz des § 103 SGG gilt (vgl. Burkholz, Der Untersuchungsgrundsatz im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren,
S. 67 ff.). Aus den genannten Regelungen ergibt sich, dass der Erfolg eines Eilantrags in den sog. Vornahmesachen das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes voraussetzt. Ein Anordnungsanspruch in diesem Sinne ist gegeben, wenn der zu sichernde Hauptsacheanspruch dem Ast mit (durch Glaubhaftmachung oder Amtsermittlung herbeigeführter) überwiegender Wahrscheinlichkeit zusteht. Ein Anordnungsgrund ist gegeben, wenn im Interimszeitraum bis zur Hauptsacheentscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine über Randbereiche hinausgehende Rechtsverletzung droht (vgl. Krodel, a.a.O., Rn. 293, 300, jeweils m.w.N.).
Unter Zugrundlegung dieser Maßgaben scheitert der Eilantrag des Ast bereits an einem fehlenden Anordnungsanspruch. Eine vorläufige Erweiterung der Rechtsposition des Ast durch Einräumung eines Vollziehungsschutzes in Bezug auf den bestandskräftig gewordenen Rückforderungsbescheid ist nicht veranlasst. Der Anordnungsanspruch ist hier in diesem Sinne auszulegen. Denn der Anordnungsanspruch kann hier nur in der Abwendung der Vollziehung des Rückforderungsbescheides und nicht in dessen Aufhebung bestehen (vgl. zum Anordnungsanspruch in diesem Sinne bei Eilanträgen in Bezug auf § 44 SGB X LSG Sachsen-Anhalt vom 24.01.2008, L 2 B 96/07 AS ER juris Rn. 25). Eine Verpflichtung zur Aufhebung des Widerrufs- und Rückforderungsbescheides würde dazu führen, dass das Hauptsacheverfahren endgültig vorweggenommen werde. Diese Folge einer Eilanordnung würde einen zu Lasten der Ag unangemessenen einstweiligen Rechtsschutz darstellen, da die Aufhebungsentscheidung auch im Falle eines Unterliegens des Ast im Hauptsacheverfahren nicht mehr rückgängig zu machen wäre. Demgegenüber würde es dem Rechtsschutzbegehren des Ast in vollem Umfang Rechnung tragen, wenn nur die Vollziehung des Rückforderungsbescheides bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag gemäß § 44 SGB X ausgesetzt würde.
Ein Anordnungsanspruch mit dem dargestellten Inhalt ist aber nicht gegeben. Denn der Widerrufs- und Rückforderungsbescheid ist mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtmäßig. Dies ergibt sich bereits aus den vorgelegten Gehaltsbescheinigungen, nach denen der Ast nicht die Arbeitsentgelte geleistet hat, die er bei der Stellung des Antrags auf Eingliederungszuschuss angegeben hat und die von der Ag bei der Bewilligung des Eingliederungszuschusses zugrunde gelegt wurden. Ferner sind - wie sich auch aus dem eigenen Vorbringen des Ast ergibt - die Pflichten, auf die der Ast im Rahmen der Bewilligung in dem Bescheid vom 12.02.2007 ausdrücklich hingewiesen wurde, und die Nebenbestimmungen zum Bewilligungsbescheid nicht beachtet.
Auch ein Anordnungsgrund ist nicht gegeben. Denn der Ast kann die Vollziehung der Rückforderung auch dadurch verhindern, dass er im Rahmen des Rückforderungsverfahrens der Ag gegenüber entsprechende Angaben über eine eventuell schlechte Vermögenssituation macht. Der von ihm behaupteten Härte könnte in diesem Verfahren Rechnung getragen werden, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt einstweiliger gerichtlicher Rechtsschutz nicht geboten ist (vgl. zu den sogar erhöhten Anforderungen an den Anordnungsgrund bei Eilverfahren in Bezug auf § 44 SGB X LSG Niedersachsen-Bremen vom 06.09.2007, L 7 AS 472/07 ER juris Rn. 18; vom 11.04.2006, L 7 AS 83/04 ER).
Nach alledem ist der Eilantrag vom SG zu Recht abgelehnt worden, so dass die Beschwerde zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog und trägt dem Umstand Rechnung, dass das Eilverfahren erfolglos blieb.
Dieser Beschluss ist nicht weiter anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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