L 8 B 900/08 SO ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 SO 110/08 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 B 900/08 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ein Forstsetzungsfeststellungsbegehren kann nicht erfolgreich im Wege eines einstweiligen Rechtsschutzverfahren durchgesetzt werden.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 26. September 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.
Im vorliegenden Eilverfahren geht es um die Frage, ob der Antragsgegner (Ag) im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten ist, einem Umzug der Antragsteller (Ast) in eine von diesen benannte Wohnung zuzustimmen und die Umzugskosten zu tragen.
Die Ast beziehen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII - SGB XII -. Sie bewohnen seit dem Jahre 2003 eine Wohnung mit einer Größe von 100 qm, für die der Ag die Kosten der Unterkunft in Höhe der tatsächlich gezahlten Kaltmiete von 330,00 EUR sowie die angemessenen Heizkosten trägt. Bereits am 28.06.2007 war nach erfolgter fristloser Kündigung wegen rückständiger Zahlungen beim Amtsgericht A. eine Räumungsklage eingegangen.
Mit Schreiben vom 17.09.2009 teilten die Ast dem Ag mit, eine Fortsetzung des Mietverhältnisses in der genannten Wohnung sei unzumutbar. Sie hätten eine neue Wohnung in Aussicht, die mit einer Kaltmiete von 400,00 EUR nur um 10,00 EUR über der angemessenen Miete von 390,00 EUR liegen würde. Die Wohnfläche betrage 80 qm mit und 75 qm ohne Balkon. Die genaue Höhe der Nebenkosten sei noch unbekannt. Der Vermieter wolle bis spätestens 19.09.2008 wissen, ob die Wohnung angemietet werde. Über die Kautionshöhe habe man noch nicht gesprochen.
Mit Schreiben vom 18.09.2008 teilte der Ag mit, dass die Wohnung nicht angemessen sei. Angemessen sei eine Wohnung mit bis zu 75 qm Wohnfläche und einer Grundmiete von bis zu 390,00 EUR. Dem Umzug werde nicht zugestimmt. Umzugskosten und Kaution würden nicht übernommen.
Am 19.09.2008 haben die Ast beim Sozialgericht Augsburg - SG - einstweiligen Rechtsschutz beantragten. Dem Ag sei bekannt, dass eine Räumungsklage anhängig sei. Die Vermieterin komme ihrer vertraglichen Verpflichtung zur Schimmelbeseitigung nicht nach und gefährde damit die Gesundheit der Mieter. Die Mieter würden gemobbt. Aufgrund der Schwere der Erkrankung des Ast zu 1) sei nicht jede Wohnung zumutbar.
Mit Beschluss vom 26.09.2008 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt und ausgeführt, es seien keine Anhaltspunkte gegeben, dass eine Räumung nunmehr tatsächlich unmittelbar bevorstehe. Der vorgetragene Schimmelbefall rechtfertige nicht die Notwendigkeit einer sofortigen gerichtlichen Entscheidung, da auch nach dem Vortrag der Ast dieser Zustand schon seit dem Jahr 2006 bestehe. Der Ag habe zahlreiche Wohnungsangebote vorgelegt, die den Angemessenheitskriterien entsprächen. Darunter befänden sich auch mehrere Angebote im Erdgeschoss bzw. ersten Stock. Zu Gunsten der Ast könne unterstellt werden, dass sich wegen der anhängigen Räumungsklage tatsächlich in nächster Zeit die Notwendigkeit eines Umzugs stelle bzw. dass die Anmietung einer anderen Wohnung notwendig sei. Auch die neuen Unterkunftskosten dürften jedoch den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang nicht übersteigen. Eine abschließende Bewertung sei insbesondere erst dann möglich, wenn auch die kalten Betriebskosten bekannt seien. Damit sei jedenfalls ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Zustimmung noch nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht.
Dagegen haben die Ast Beschwerde eingelegt und ausgeführt, sie hätten keinen Mietrückstand, sondern es handle sich um Nebenkosten, die seitens des Ag nicht gezahlt würden, weil die Vermieterin sich weigere, eine Nebenkostenabrechnung zu erstellen. Ein Räumungstitel könne nicht abgewartet werden. Der Ag habe zwar 22 Wohnungsangebote vorgelegt, aber keine erfülle alle erforderlichen Kriterien, nämlich das problemlose Erreichen des Arztes, dem die Ast vertrauen würden, die erforderliche Lage der Wohnung, die erforderliche Wohngröße und Anzahl der Mietparteien.
Die Ast beantragen,
den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 26. September 2008 aufzuheben und den Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Umzug der Ast in die von ihnen im Schreiben vom 17.09.2008 bezeichnete Wohnung in der Marktgemeinde W. zuzustimmen und die entsprechenden Unterkunftskosten zu übernehmen.
Der Ag beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Ag verwies auf die zahlreichen aktuellen Wohnungsangebote. Den Ast drohe gegenwärtig keine Obdachlosigkeit. Es sei bisher nicht nachgewiesen, ob ein Räumungsurteil ausgesprochen worden sei oder zu welchem Zeitpunkt die Wohnung tatsächlich verlassen werden müsste. Der Schimmelbefall in der Wohnung sei bereits im April 2006 attestiert worden. Die angebotene Wohnung entspreche weder nach Größe noch nach Kosten den Angemessenheitskriterien. Auch eine geringfügige Überschreitung der Kriterien könne aus Gründen der Gleichbehandlung und der Vermeidung von Präzedenzfällen nicht toleriert werden. Im Landkreis und in der Stadt A. sei ausreichend angemessener Wohnraum vorhanden. Der Ag fügte seinem Schreiben vom 25.09.2008 zahlreiche Wohnungsangebote bei (Bl.36 bis 48 der Sozialgerichtsakte).
Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der Akten beider Instanzen Bezug genommen.

II.
Die Beschwerde ist unzulässig, hilfsweise unbegründet. Zu Recht hat das SG den Eilantrag des Antragstellers auf Erlass der hier statthaften Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs.2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - abgelehnt. Denn die Voraussetzungen für den Erlass der beantragten Eilentscheidung liegen nicht vor.
Es fehlt bereits an einem Rechtsschutzbedürfnis der Ast. Nach dem eigenen Vortrag der Ast hat der Vermieter bis spätestens 19.09.2008 wissen wollen, ob die Wohnung angemietet worden sei. Hiervon ausgehend stellt sich das mit der Beschwerde weiterhin verfolgte Begehren im Sinne eines Antrags auf Zustimmung zu dem Umzug in die konkrete Mietwohnung in der Marktgemeinde W. und auf Übernahme der Umzugskosten als ein Fortsetzungsfeststellungsantrag dar. Ein solches Fortsetzungsfeststellungsbegehren kann nicht erfolgreich im Wege eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens durchgesetzt werden (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.10.2007, L 20 B 68/07 AY ER; Bayer. Landessozialgericht, Beschluss vom 26.09.2005, L 11 B 493/05 SO ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 09.09.2002, L 4 KR 141/02 ER).
Auch die inhaltlichen Voraussetzungen für den Erlass einer stattgebenden Eilentscheidung liegen nicht vor.

Die inhaltlichen Rechtsgrundlagen und Grundsätze, die der Eilentscheidung zugrunde zu legen waren, stellen sich wie folgt dar: Die Maßstabsbildung in Eilverfahren der Fachgerichte hängt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom Rechtsschutzziel ab (vgl. z.B. für den Bereich der Existenzsicherung Beschluss des BVerfG vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05 juris Rn 25; zu Leistungen nach dem SGB V Beschluss vom 06.02.2007, 1 BvR 3101/06). Ist - wie hier - ohne die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes eine schwere Verletzung von Rechten im Sinne der zur Existenzsicherung nach dem SGB II (BVerfG vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 juris Rn.25 - 28) bzw. im Sinne der zu den existenziell bedeutsamen Leistungen der Krankenversicherung entwickelten Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 06.02.2007, Az.: 1 BvR 3101/06) nicht möglich, bleibt es unter Beachtung des Gesetzesbindungspostulats der Art 20 Abs. 3, 97 I GG bei der Anwendung der gesetzlichen Regelungen des § 86 b II 2 SGG. Insofern ist die herkömmliche Vorgehensweise der Prüfung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale der §§ 86 b Abs. 2 S. 2 und 4 SGG, 920 Abs. 2 ZPO, die sich in den Begriffen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund zusammenfassen lassen, auch aus verfassungsrechtlicher Sicht unbedenklich (vgl. dazu BVerfG vom 29.07.2003, 2 BvR 311/03 Juris Rn.13; BVerfG NJW 1989, 827). Im Übrigen fiele auch die vom BVerfG für die Fälle drohender schwerer Grundrechtsverletzungen dekretierte Güter- und Folgenabwägung zuungunsten des Ast aus.

Gemäß § 86 b Abs.2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Im Hinblick auf den zu fordernden Überzeugungsgrad bzw. auf den Beweismaßstab verweist § 86b Abs.2 Satz 4 SGG unter anderem auf § 920 Abs.2 Zivilprozessordnung - ZPO -, wonach Anspruch und Anordnungsgrund glaubhaft zu machen sind. Aus den genannten Vorschriften ist der Überzeugungsgrad der überwiegenden Wahrscheinlich abzuleiten, wobei auch im Eilverfahren der Amtsermittlungsgrundsatz des § 103 SGG gilt (vgl. Burkholz, Der Untersuchungsgrundsatz im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren, S.67 ff.). Aus den genannten Regelungen ergibt sich mithin, dass der Erfolg eines Eilantrags in den sog. Vornahmesachen das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes voraussetzt. Ein Anordnungsanspruch in diesem Sinne ist gegeben, wenn der zu sichernde Hauptsacheanspruch der Antragstellerin mit durch Glaubhaftmachung oder Amtsermittlung herbeigeführter überwiegender Wahrscheinlichkeit zusteht. Ein Anordnungsgrund ist gegeben, wenn im Interimszeitraum bis zur Hauptsacheentscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein wesentlicher Nachteil, d.h. eine über Randbereiche hinausgehende Rechtsverletzung droht (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Auflage 2008, Rn 293, 300, jeweils m.w.N.).

Auch unter Zugrundelegung dieser Maßgaben und Grundsätze war die Beschwerde zurückzuweisen.
Den Ast drohen keine Rechtsverletzungen, die im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verhindert werden müssten. Daher fehlt es ungeachtet der Frage des Rechtsschutzbedürfnisses an einem Anordnungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Insofern ist zunächst festzustellen, dass den Ast auch nach ihrem eigenen Vortrag keine unmittelbare Zwangsräumung in der derzeit bewohnten Wohnung bevorsteht. Ebenso ist nicht ersichtlich, dass sich durch den vorgetragenen Schimmelbefall die Notwendigkeit eines Umzugs gerade in die von den Ast benannte Wohnung in der Marktgemeinde W. ergebe. Vor allem ergibt sich aber aus dem Vortrag des Ag eindeutig, dass dieser die Zustimmung zu einem Umzug in eine andere, nach den sozialhilferechtlichen Grundsätzen angemessene Wohnung unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falles erteilen wird. Zur vollen Überzeugung des Senats steht ferner nach dem Inhalt der beigzogenen Akten fest, dass im Landkreis und in der Stadt A. ausreichend angemessener Wohnraum vorhanden ist. Der Ag fügte seinem Schreiben vom 25.09.2008 zahlreiche Wohnungsangebote bei (Bl.36 bis 48 der Sozialgerichtsakte). Daraus ergeben sich Wohnungsangebote in Bezug auf Wohnungen im Erdgeschoss oder im ersten Obergeschoss mit einer Grundmiete von 324,80 und 361,30 EUR (Bl.38), 361,10 EUR (Bl.41), 360,00 EUR (Bl.43), 302,00 EUR (Bl.46), 334,40 EUR (Bl.48). Die genannten Wohnungen haben alle eine Wohnfläche von mindestens 60 qm, die meisten von mehr als 70 qm. Die Ast könnten die zu sichernden Ansprüche aus dem SGB XII - deren Vorliegen unterstellt - ohne Weiteres und ohne ersichtliche Rechtsverletzung dadurch wahrnehmen, dass sie auf die zahlreichen Wohnungsangebote des Ag eingehen. Es sind keine Gründe ersichtlich, aus denen diese Wohnungen nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechen würden. Eine Internet-Recherche des Senats bei Immobilien-Scout 24 für Erdgeschosswohnungen im Kreis A. mit einer Wohnfläche zwischen 65 qm und 75 qm und einer Mietobergrenze von 385,00 EUR ergab zwei Treffer in A. Stadtmitte mit einer Kaltmiete von 298,00 EUR bzw. 333,00 EUR, für Etagenwohnungen wurden unter im Übrigen unveränderten Suchmerkmalen 12 Treffer angezeigt mit Kaltmieten zwischen 333,00 EUR und 385,00 EUR. Ein Anspruch auf einen Umzug in die von den Ag benannte Wohnung besteht nach alledem nicht.
Ferner fehlt auch ein Anordnungsanspruch. Denn es besteht keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Zustehen eines Hauptsacheanspruchs auf Erteilung einer Zustimmung für die fragliche Wohnung. Die Wohnung ist nämlich schon deshalb unangemessen, weil der Mietzins unangemessen hoch ist. Dass die Kaltmiete den Mietzins nur um 10,00 EUR monatlich und damit geringfügig überschreitet, wirkt sich vorliegend nicht zugunsten der Ast aus. Gründe, die für eine Besserstellung der Ast im Vergleich zu anderen Sozialhilfeempfängern sprechen würden, sind vorliegend nicht ersichtlich. Auch in diesem Zusammenhang ist nochmals hervorzuheben, dass keine besondere Eilbedürftigkeit im Hinblick auf die konkret benannte Wohnung besteht und dass genügend andere Wohnungsangebote mit sozialhilferechtlich angemessenen Wohnungen vorhanden sind.
Aus dem Gesagten ergibt sich zwingend, dass auch im Hinblick auf die Umzugskosten kein Anordnungsanspruch besteht. Wohnungsbeschaffungskosten können gemäß § 29 Abs.1 Satz 7 SGB XII grundsätzlich nur bei vorheriger Zustimmung übernommen werden. Als Wohnungsbeschaffungskosten gelten auch Umzugskosten (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.07.2007, L 20 B 65/07 SO ER juris Rdnr.18). Nach der gesetzlichen Regelung soll die Zustimmung nur erteilt werden, wenn der Umzug durch den Träger der Sozialhilfe veranlasst wird oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne Zustimmung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann (§ 29 Abs.1 Satz 8 SGB XII). Schon Letzteres ist hier nicht der Fall, da genügend andere Wohnungsangebote vorhanden sind, so dass eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum gefunden werden kann. Ferner scheitert ein Anspruch nach dem SGB XII auf Anerkennung der Wohnkosten und Übernahme der Kaution für eine Mietwohnung auch daran, dass nach summarischer Prüfung die fragliche Wohnung nicht angemessen im Sinne von § 29 Abs.1 Satz 2 SGB XII ist und die entsprechenden unangemessen hohen Wohnungskosten sich nicht als unausweichlich erweisen (dazu LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.03.2007, L 20 B 4/07 SO ER).
Im Übrigen verweist der Senat auf die Gründe des angegriffenen Eilbeschlusses des SG, § 142 Abs.2 Satz 3 SGG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog und trägt dem Umstand Rechnung, dass der Eilantrag in beiden Instanzen erfolglos geblieben ist.

Dieser Beschluss ist nicht weiter unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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