Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AS 293/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 337/06
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 19.10.2006 (S 5 AS 293/06) aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 23.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2006 und des Bescheides vom 15.11.2006 verpflichtet, der Klägerin für den Zeitraum vom 01.01.2006 bis 31.03.2006 Alg II in Höhe von 801,00 EUR monatlich und für den Zeitraum 01.04.2006 bis 30.06.2006 in Höhe von 823,00 EUR zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin 2/3 der außergerichtlichen Kosten zu erstatten
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig sind die Höhe der von der Beklagten zu übernehmenden Kosten der Unterkunft und die Bewilligung eines ernährungsbedingten Mehraufwandes für den Zeitraum vom 01.01.2006 bis 30.06.2006.
Die1951 geborene, alleinstehende Klägerin bezog seit dem 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Mit den bis 31.12.2005 maßgeblichen Bewilligungsbescheiden bewilligte die Beklagte neben der Regelleistung (345,00 EUR) und einem Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung (51,13 EUR) die Unterkunftskosten für die 67,66 m² große Wohnung der Klägerin in der tatsächlich angefallenen Höhe (Miete: 316,65 EUR; Nebenkosten: 108,00 EUR). Die von der Klägerin darüber hinaus zu tragende Heizkostenpauschale von 40,00 EUR kürzte die Beklagte pauschal um den Anteil von einem 1/6 (= 6,67 EUR) für die Warmwasserzubereitung.
Mit Schreiben vom 16.06.2005 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass die Mietobergrenze (MOG) im Zuständigkeitsbereich der Beklagten - bezogen auf die Baualtersklasse, in die die Wohnung der Klägerin einzustufen sei (Baujahr bis 1959) - lediglich 250,00 EUR einschließlich kalter Nebenkosten (ohne Heizung) betrage. Soweit eine Äußerung nicht erfolge, werde ab dem 01.01.2006 lediglich diese MOG im Rahmen der Leistungsbewilligung berücksichtigt.
Die Klägerin übersandte daraufhin der Beklagten am 25.06.2006 eine Bescheinigung ihres Vermieters, dass in den Jahren 1990 und 2000 Sanierungsarbeiten durchgeführt worden seien.
Nach dem Fortzahlungsantrag vom 28.11.2005 bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 23.12.2005 Alg II für die Zeit vom 01.01.2006 bis 30.06.2006 in Höhe von 705,03 EUR. Neben der Regelleistung (345,00 EUR) berücksichtigte sie Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 360,03 EUR, wobei 33,33 EUR auf die Heizung (40,00 EUR abzüglich einer pauschalen Kürzung von 6,67 EUR für die Warmwasserzubereitung) und 326,70 EUR auf die Unterkunftskosten (einschließlich kalter Nebenkosten) entfielen. Ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung berücksichtigte die Beklagte nicht mehr.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 04.01.2006 Widerspruch ein. Sie wohne seit 36 Jahren in der Wohnung und sei froh, dass ihre Tochter in der Nachbarschaft lebe und ihr die Angelegenheiten für sie erledige, die sie selbst nicht mehr bewältigen könne. Auch könne sie nicht nachvollziehen, aus welchen Gründen der Mehrbedarf gestrichen worden sei.
Am 16.01.2006 legte die Klägerin eine Bescheinigung ihrer behandelnden Hausärztin vor, dass sie wegen ihrer Hyperlipidämie lipidsenkende Kost, wegen des bestehenden Diabetes mellitus IIa Diabeteskost, wegen einer Leberinsuffizienz eine eiweißdefinierte Kost, wegen einer Hypertonie eine natriumdefinierte Kost und wegen eines bestehenden Ulcus duodeni Vollkost wegen einer Magen- und Darmerkrankung benötige. Die Klägerin weise bei einer Körpergröße von 158 cm und einem Köpergewicht von 85kg einen BMI (Body Mass Index) von 35 auf.
Die Beklagte lehnte daraufhin die Bewilligung des Mehrbedarfes mit gesondertem Bescheid vom 19.01.2006 ab. Bei dem bestehenden Übergewicht seien die Voraussetzungen für die Gewährung des Mehrbedarfes nicht erfüllt, denn die bestehenden Krankheiten seien im Wesentlichen durch eine Gewichtsreduktion zu bessern, so dass ein Mehrbedarf an Lebensmitteln nicht bestehe.
Im Rahmen des hiergegen erhobenen Widerspruches brachte die Klägerin vor, dass ihr aufgrund orthopädischer Leiden sportliche Aktivitäten nicht möglich seien, so dass sich ihr Übergewicht hieraus erkläre. Die übrigen Erkrankungen stünden - wie ärztlicherseits bescheinigt - in keinem Zusammenhang mit dem Übergewicht.
Mit dem zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 15.03.2006 führte die Beklagte aus, dass ein ernährungsbedingter Mehrbedarf nicht vorliege, wenn die Erkrankung Folge von Übergewicht sei und die Ernährungstherapie vorrangig in der Minderung der Energiezufuhr bestehe.
In einem weiteren Widerspruchsbescheid vom 15.03.2006 wies die Beklagte den Widerspruch in Bezug auf die Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten zurück. Die MOG für die Unterkunftskosten sei - unter Berücksichtigung der Sanierungen in den Jahren seit 1990 - der Baualtersklasse (ab 1977) bis 1990 zuzuordnen, wobei die MOG von 297,00 EUR (einschließlich kalter Nebenkosten) nach den Richtlinien der Stadt A-Stadt um 10 v.H. auf 326,70 EUR zu erhöhen sei, nachdem kein Überangebot an entsprechendem Wohnraum vorhanden sei.
Mit den gegen diese Widerspruchsbescheide am 07.04.2006 zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobenen Klagen hat die Klägerin vorgebracht, dass ihr gesundheitlicher Zustand den Umzug in eine andere Wohnung nicht zulasse (S 5 AS 293/06), so dass die tatsächlichen Unterkunftskosten zu übernehmen seien. Hinsichtlich des Mehrbedarfes (S 5
AS 294/06) hat die Klägerin erneut vorgebracht, dass ihre Erkrankungen nicht allein auf das Übergewicht zurückzuführen seien.
Das SG hat die Klage hinsichtlich der Unterkunftskosten (S 5 AS 293/06) mit Urteil vom 19.10.2006 abgewiesen. Die MOG der Beklagten sei zu berücksichtigen gewesen. Auch sei die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass die Kosten der Unterkunft nur für die Zeit bis 31.12.2005 übernommen würden. Die Wohnung der Klägerin sei auch unangemessen groß und es gebe keinerlei Anhaltspunkte, dass die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen eine so große Wohnung benötige. Darüber hinaus sei auch nicht ersichtlich, dass der Klägerin ein Umzug nicht möglich wäre.
Mit weiterem Urteil vom 19.10.2006 (S 5 AS 294/06) hat das SG die Klage in Bezug auf den geltend gemachten Mehrbedarf ebenfalls abgewiesen. Ein Anspruch bestehe nicht, soweit die Erkrankungen eine Folge des Übergewichtes seien. Dieser Zusammenhang ließe sich nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen belegen. Die Notwendigkeit einer Gewichtsreduktion sei von der behandelnden Hausärztin der Klägerin bereits seit Dezember 2004 bescheinigt worden; gleichwohl sei eine solche auch nach Ablauf eines Jahres nicht zu verzeichnen gewesen. Die vorliegenden Krankheiten, insbesondere die Hyperurikämie, der Diabetes mellitus Typ II und die Fettleberhepatitis seien mit dem ernährungsbedingten Übergewicht in Verbindung zu bringen, so dass in erster Linie eine Reduzierung der Energiezufuhr erforderlich sei. Ein Mehrbedarf lasse sich daher auch nicht nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge begründen, dessen Begutachtungsleitfaden der Charakter eines antizipierenden Sachverständigengutachtens beizumessen sei.
Mit Bescheid vom 15.11.2006 hat die Beklagte - im Hinblick auf den Mietspiegel der Stadt A-Stadt für das Jahr 2006 - für die Zeit ab dem 01.05.2006 (bis 30.06.2006) eine Anhebung der MOG auf 344,00 EUR (einschließlich kalter Nebenkosten) berücksichtigt und der Klägerin Alg II in Höhe von 722,33 EUR bewilligt
Mit den am 07.12.2006 beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegten Berufungen hat die Klägerin geltend gemacht, dass eine Wohnungsgröße bis 60 m² für einen Alleinstehenden angemessen sei (L 11 AS 337/06). Die nach dem Mietspiegel der Stadt A-Stadt vorgegebene Spanne für diese Wohnraumkategorie ende bei 5,70 EUR/m². Insofern sei eine Wohnung mit 342,00 EUR (= 60 m² x 5,70 EUR/m²) noch kostenangemessen Die von der Klägerin gezahlte Miete (ab 01.04.2006: 338,72 EUR) liege darunter. Auch sei für die Frage der Angemessenheit einer Wohnung zu berücksichtigen, dass ein Umzug - auch wenn die Beklagte den Aufwand tragen würde - mit erheblichen Kosten verbunden sei, die in die Gesamtbetrachtung einzustellen seien. Eine Orientierung allein an der Größe einer Wohnung sei insoweit verfehlt. Auch könne auf dem N. Wohnungsmarkt angemessener Wohnraum zu den Vorgaben der Beklagten nicht angemietet werden. Sie habe sich bisher vergeblich um eine kostengünstigere Wohnung bemüht.
Zur Begründung der hinsichtlich des Mehrbedarfes eingelegten Berufung (L 11
AS 338/06) hat die Klägerin vorgetragen, dass das Übergewicht nicht auf falscher Ernährung beruhe, sondern Folge der Erkrankungen sei, so dass eine Reduktion des Gewichtes weder durch "reduzierte Energiezufuhr" noch medikamentös zu behandeln sei. Sie müsse insoweit eine Vielzahl von Speisen und Getränken meiden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichtes A-Stadt vom 19.10.2006 (S 5 AS 293/06) aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 23.12.2005 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 15.03.2006 und des Bescheides vom 15.11.2006 zu verpflichten, der Klägerin für den Zeitraum vom 01.01.2006 bis 31.03.2006 Alg II in Höhe von mindestens 856.- EUR monatlich und für den Zeitraum 01.04.2006 bis 30.06.2006 in Höhe von mindestens 878.- EUR zu gewähren ...
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidungen des SG für zutreffend. Hinsichtlich des Diabetes sei selbst nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins ein Mehrbedarf nicht zu belegen. Auch sei nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin nicht in der Lage gewesen wäre, eine kostenangemessene Wohnung auf dem N. Wohnungsmarkt anzumieten. Ein großer Teil der Leistungsempfänger nach dem SGB II wohne in kostenangemessenen Wohnungen, und auch über das Wohnungsamt der Stadt A-Stadt sei die Anmietung kostengünstiger Wohnungen mit Wartezeiten von 1 bis 1 1/2 Jahren möglich, so dass die Klägerin bei rechtzeitigem Bemühen zwischenzeitlich in einer kostenangemessenen Wohnung wohnen könnte. Die Bemühungen der Klägerin um eine kostenangemessene Wohnung seien ohnehin nicht hinreichend nachvollziehbar dokumentiert.
Zur Frage des Mehrbedarfes wegen der Erkrankungen der Klägerin und der Erstellung eines Kostplanes hat der Senat eine schriftliche Auskunft der behandelnden Hausärztin bzw. deren Praxisnachfolger eingeholt.
Die Klägerin hat eine Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2006 (vom 20.07.2007) vorgelegt.
Nach Hinweis des Senats hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 16.10.2008 ihren Bescheid vom 19.01.2006 - über die gesonderte Ablehnung des Mehrbedarfes - in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2006 aufgehoben und die Klägerin im Übrigen die Berufung (L 11 AS 338/06) gegen das Urteil des Sozialgerichtes A-Stadt (S 5 AS 294/06) zurückgenommen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die gerichtlichen Akten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerechte Berufung ist zulässig, §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG), in der Sache jedoch nur zum Teil begründet.
Die Klägerin hat für den Zeitraum vom 01.01.2006 bis 31.03.2006 Anspruch auf Alg II in Höhe von 801,00 EUR bzw. für den Zeitraum vom 01.04.2006 bis 30.06.2006 in Höhe von 823,00 EUR monatlich. Soweit die Beklagte der Klägerin mit den Bescheiden vom 23.12.2005 bzw. 15.11.2006 (Zeitraum 01.01.2006 bis 30.04.2006 bzw. 01.05.2006 bis 30.06.2006) lediglich Leistungen in Höhe von 705,03 EUR bzw. 722,33 EUR bewilligt hat, sind diese Entscheidungen rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 54 Abs 2 Satz 1 SGG.
Der Leistungsanspruch für den streitgegenständlichen Zeitraum (01.01.2006 bis 30.06.2006) setzt sich zusammen aus der Regelleistung für eine Alleinstehende (345.- EUR) nach § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II sowie den tatsächlichen Kosten der Unterkunft (422,01 EUR bis 31.03.2006 bzw. 444,17 EUR ab 01.04.2006) und Heizung (33,78 EUR) nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, wobei der Gesamtanspruch von 800,79 EUR (bis 31.03.2006) bzw. 822,95 EUR (ab 01.04.2006) aufzurunden ist, § 41 Abs 2 SGB II. Ein Anspruch auf Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung ist nicht zu belegen.
Vorliegend hatte die Klägerin den Streitgegenstand im Verfahren vor dem SG (S 5 AS 293/06) zwar auf die Unterkunftskosten in Bezug auf die Bruttokaltmiete (Mietzins zzgl. kalter Nebenkosten) beschränkt (zur grundsätzlichen Möglichkeit einer Beschränkung vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 in SozR 4-4200 § 22 Nr. 1), allerdings hatte sie in einem - durch die Beklagte veranlassten - Parallelverfahren (S 5 AS 294/06; L 11 AS 338/06) weitergehende Leistungen in Form eines ernährungsbedingten Mehrbedarfes nach § 21 Abs 5 SGB II geltend gemacht, der in dem dortigen Verfahren nicht zuzusprechen war, weil die isolierte Bewilligung einzelner Bedarfe mangels rechtlicher Trennbarkeit der Ansprüche nicht möglich war.
Ebenso wenig wie die Beklagte einen einzelnen (Teil-)Bedarf aus einem rechtlich nicht trennbaren Gesamtanspruch gesondert ablehnen kann, hatte die Klägerin in diesem Verfahren (L 11 AS 338/06) einen Anspruch, dass ihr der begehrte Mehrbedarf im Rahmen einer Verpflichtungsklage zugesprochen wird. Dem Wesen nach hatte es sich bei dem geltend gemachten Anspruch, den Mehrbedarf gesondert (und dauerhaft) zu bewilligen, um eine unzulässige Elementenfeststellungsklage gehandelt.
Die Klägerin hat hierbei im Rahmen einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage neben der Beseitigung eines belastenden Verwaltungsaktes (Beseitigung der Leistungsablehnung) auch die Verpflichtung der Beklagten zu einem den Mehrbedarf nach § 21 Abs 5 SGB II bewilligenden Verwaltungsakt geltend gemacht.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind bei einem Streit um höhere Leistungen grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (vgl nur: BSG, Urteil vom 18.08.2005 in Breith 2006, 345ff mwN), wobei jedoch ein Bescheid im Einzelfall mehrere abtrennbare Verfügungen (Verwaltungsakte i.S. des § 31 SGB X) enthalten (vgl. BSG, Urteil vom 18.08.2005 aaO) kann. Das BSG hat zu den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende bereits auch entschieden, dass eine Entscheidung über die Unterkunftskosten im Rahmen einer Alg II - Bewilligung eine derartige eigenständige, abgrenzbare Verfügung darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 in SozR 4-4200 § 22 Nr. 1)
Hierbei ist jedoch nicht die optische Aufspaltung entscheidend; vielmehr ergibt sich die rechtliche Abtrennbarkeit dieser Verfügungen von den übrigen Verfügungen eines Bewilligungsbescheides aus § 6 Abs 1 SGB II. Danach sind Träger der Leistungen nach dem SGB II die Bundesagentur für Arbeit (BA) und die kreisfreien Städte und Kreise für bestimmte in der Norm selbst bezeichnete Leistungen. Die Zuständigkeit der kommunalen Träger gilt insbesondere für die Leistungen des § 22 SGB II, die also nach der Gesetzessystematik von einem anderen Leistungsträger zu gewähren sind als der BA; diese hat - soweit hier einschlägig - die Regelleistungen und die Leistungen für den Mehrbedarf zum Lebensunterhalt zu erbringen (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 , aaO)
Soweit daher eine Grenze für die Aufteilbarkeit des "Gesamtanspruches" in einzelne Verfügungen gezogen werden kann, verläuft diese Grenze zwischen den Zuständigkeitsbereichen der Träger, jedoch nicht innerhalb dieser Zuständigkeitsbereiche. Dies hat auch das BSG in der Entscheidung vom 18.06.2008 (B 14/7b AS 44/06 R) zum Ausdruck gebracht, indem es darauf hingewiesen hat, dass bei der Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung die Rechtsprechung des BSG zur Berücksichtigung der Warmwasserkosten zu beachten ist, obgleich dies von den Beteiligten im dortigen Verfahren zu keinem Zeitpunkt thematisiert worden war, so dass auch hieraus der Schluss zu ziehen ist, dass über die Leistungen eines Trägers nur einheitlich, ohne Möglichkeit einer rechtlichen Trennung, entschieden werden kann.
Dies hat vorliegend zur Konsequenz, dass die Entscheidung der Beklagten vom 19.01.2006 mangels Rechtsgrundlage keinen Bestand haben konnte. Eine gesonderte Entscheidung über den Mehrbedarf konnte nicht getroffen werden, weil dieser lediglich als ein Berechnungselement des nach § 6 Abs 1 Nr. 1 SGB II durch die BA zu deckenden Gesamtbedarfes der Klägerin anzusehen ist.
Die Entscheidung der Beklagten vom 19.01.2006 hatte sich auch nicht in sonstiger Weise erledigt (§ 39 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X), weil über die Frage des Mehrbedarfes im Parallelverfahren (L 11 AS 337/06) bezüglich des Gesamtanspruches zu entscheiden ist, nachdem die Bewilligung des Mehrbedarfes bereits mit Bescheid vom 23.12.2005 (inzident) abgelehnt worden war.
Soweit die ablehnende Entscheidung vom 19.01.2006 in Bestandskraft erwachsen wäre, hätte sie über den im Verfahren L 11 AS 337/06 streitigen Leistungszeitraum (01.01.2006 bis 30.06.2006) hinaus zumindest den Rechtsschein einer dauerhaften Ablehnung eines Mehrbedarfes manifestiert, auch wenn mit den Bewilligungsbescheiden für die folgenden Leistungszeiträume (ab dem 01.07.2006) der Mehrbedarf inzident jeweils abgelehnt worden ist, und der ablehnende Bescheid vom 19.01.2006 durch die folgenden (Teil-) Ablehnungen lediglich eine rechtlich begrenzte Wirkungsdauer bis 30.06.2006 entfaltet hat (vgl. zur Begrenzung des Streitgegenstandes durch nachfolgenden Ablehnungsbescheide BSG, Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b 59/06 R). Diesen Rechtsschein galt es mit der Aufhebung des Bescheides vom 19.01.2006 - wie in der mündlichen Verhandlung durch die Beklagte geschehen - zu beseitigen.
Im Rahmen der unter dem Aktenzeichen L 11 AS 337/06 geführten Berufung war daher über den gesamten Leistungsanspruch der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.01.2006 bis 30.06.2006 zu entscheiden. Zwar ist eine Beschränkung des Streitgegenstandes möglich. Aus Gründen der Rechtsklarheit und im Hinblick darauf, dass ein Leistungsempfänger im Zweifel das Günstigste für sich begehrt, ist jedoch eine unzweifelhafte und ausdrückliche Erklärung des Betroffenen erforderlich (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 aaO), die jedoch im Hinblick auf die erstinstanzlichen Entscheidungen nicht vorliegt, so dass sich die Klägerin nicht an dieser Beschränkung festhalten lassen muss.
In diesem Zusammenhang war auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin zwar allein höhere Aufwendungen für die Bruttokaltmiete streitig gestellt hat, jedoch ist insoweit eine Aufspaltung zwischen Kosten der Unterkunft und Heizung nicht möglich (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2008, B 14/7b AS 44/06 R).
Im Rahmen des Klagebegehrens, höhere Unterkunftskosten zu erhalten, war daher zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen - auch wenn sie dies nicht ausdrücklich gerügt hat - dass ein pauschaler Abzug von 1/6 (= 6,67 EUR) der von der Klägerin zu entrichtenden Heizkostenpauschale (40,00 EUR) für die Warmwasserzubereitung rechtswidrig ist, und lediglich der in der Regelleistung enthaltene Anteil von 6,22 EUR Berücksichtigung finden kann (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 14/11b AS 15/07). Die Klägerin hat daher im streitgegenständlichen Zeitraum Anspruch auf die Berücksichtigung von Kosten der Beheizung in Höhe von 33,78 EUR (= 40,00 EUR - 6,22 EUR).
Darüber hinaus hat die Klägerin für den Zeitraum vom 01.01.2006 bis 30.06.2006 Anspruch auf Übernahme ihrer tatsächlichen Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 422,01 EUR (bis 31.03.2006) bzw. 444,17 EUR (ab 01.04.2006).
Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs 1 SGB II idF des Gesetzes vom 23.12.2003).
Maßgebliche Kriterien für die Angemessenheit von Mietaufwendungen für eine Unterkunft sind die Wohnraumgröße, der Wohnort und der Wohnungsstandard. Angemessen im Sinne des § 22 SGB II sind die Unterkunftskosten nur dann, wenn die Wohnung nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist. Diese Einschränkung ergibt sich aus dem Zweck der Grundsicherung für Arbeitssuchende, nur den notwendigen Bedarf sicher zu stellen. Die Wohnung muss hinsichtlich der maßgeblichen Kriterien, die als den Mietpreis bildende Faktoren in der Regel im Quadratmeterpreis ihren Niederschlag finden, im unteren Segment der nach Größe der in Betracht kommenden Wohnungen in dem räumlichen Bezirk liegen, der den Vergleichsmaßstab bildet. Bei der Bestimmung des maßgeblichen örtlichen Wohnungsmarktes zur Festlegung der abstrakten Angemessenheitsgrenze ist vorrangig auf den Wohnort des Hilfebedürftigen abzustellen, weil ein Umzug in einen anderen Wohnort, der mit einer Aufgabe des sozialen Umfeldes verbunden wäre, in der Regel von ihm nicht verlangt werden kann (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R in SozR 4-4200 § 22 Nr. 2).
Die angemessene Höhe der Unterkunftskosten ergibt sich sodann als Produkt aus der für den Leistungsempfänger abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins pro Quadratmeter ("Produkttheorie"). Das bedeutet, dass nicht jeder einzelne Faktor wie Wohnungsgröße, Ausstattungsstandard oder Quadratmeterpreis für sich isoliert angemessen sein muss, weil es im Ergebnis allein auf die Kostenbelastung des Grundsicherungsträgers ankommt. Entscheidend ist daher das Ergebnis aus der Quadratmeterzahl und der Miete je Quadratmeter, sodass der Hilfebedürftige sich bei einem besonders günstigen Mietzins auch eine größere Wohnung leisten oder Ausstattungsmerkmale mit gehobenem Wohnstandard durch andere Elemente ausgleichen kann, wenn die Unterkunftskosten im Ergebnis noch angemessen sind (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24.04.2007 - L 7 AS 494/05 in info also 2007, 178-182).
Vorliegend hat die Beklagte die für die Frage der Angemessenheit wesentlichen wertbildenden Faktoren, die Höhe des Mietpreises je Quadratmeter einschließlich der hierauf entfallenden Nebenkosten sowie die Größe des als angemessen zu beanspruchenden Wohnraumes nicht schlüssig ermittelt.
Hinsichtlich der Mietpreises je Quadratmeter stellt die Beklagte zwar auf den für die Stadt A-Stadt erstellten (qualifizierten) Mietspiegel ab, der eine Differenzierung nach Größe (z.B. 40 m² bis unter 60 m²) und Wohnstandard (einfach/ mittel/ gut) vorgibt, und insofern den Vorgaben des Bundessozialgerichtes an eine hinreichende Datengrundlage entspricht, die der Grundsicherungsträger der Ermittlung der abstrakt angemessenen Unterkunftskosten zugrunde zu legen hat (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R), denn hierdurch ist hinreichend gewährleistet, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden.
Das hieraus vom kommunalen Träger der Beklagten abgeleitete Konzept zur Bemessung der abstrakt angemessenen Unterkunftskosten erweist sich jedoch aus Sicht des Senates bereits in Bezug auf die Höhe des ermittelten Quadratmeterpreises als unschlüssig und kann daher einer Angemessenheitsbetrachtung nicht zugrunde gelegt werden.
Der kommunale Träger der Beklagten differenziert die MOG - als Ausdruck der abstrakt angemessenen Unterkunftskosten - exakt an den Vorgaben des Mietspiegels, die jedoch auch eine Differenzierung nach Baualtersklassen vorsehen, so dass auch die MOG nach diesen Baualtersklassen differenziert werden.
Die Unterscheidung nach Baualtersklassen begegnet jedoch bereits deshalb Bedenken, weil hier eine sachwidrige Bevorzugung von Leistungsempfängern nicht auszuschließen ist, die einen Neubau (ab 1977 bzw. ab 1991) bewohnen, denn der Mietspiegel der Stadt A-Stadt weist für diese Baualtersklassen nur noch einen normalen (und guten) Wohnraumstandard aus, der einem Leistungsempfänger nach dem SGB II nicht ohne weiteres zuzubilligen ist.
Wesentlicher Kritikpunkt ist jedoch der Umstand, dass innerhalb der Baualtersklassen angemessener Wohnraum unterschiedslos jeweils in den unteren 2/5 des Mietpreissegmentes der jeweiligen Baualtersklasse angesiedelt wird, ohne dafür den Beleg dafür zu erbringen, dass dieser - als angemessen angesehener Wohnraum - vergleichbar ist und nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz lediglich einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist.
Insofern gibt es keinen Anhaltspunkt, dass der Wohnstandard eines Altbaus, dessen Mietpreis je Quadratmeter am unteren Ende des Mietspiegels angesiedelt ist, mit dem
eines Neubaus am unteren Ende des Mietpreissegmentes identisch ist, und der im Mietspiegel zum Ausdruck kommende Preisunterschied lediglich durch das Alter des Gebäudes zu begründen wäre.
In aller Regel rechtfertigt sich eine Preisdifferenz auf dem Wohnungsmarkt allein durch den Wohnstandard, der in einem Neubau regelmäßig höher sein wird als in einem Altbau, so dass aus einer Preisdifferenz zwischen den Baualtersklassen allein zwanglos auf einen höheren Wohnstandard in Neubauten geschlossen werden kann. Hinsichtlich des Wohnstandards sind in die Angemessenheitsbetrachtung jedoch nur Unterkünfte einzustellen, die nach Lage, Wohnsubstanz und Erhaltungszustand, Zuschnitt der Räume (inkl. Besonnung und Belüftung) und Ausstattung (z.B. Sanitäranlagen, Heizung) für ein "einfaches und bescheidenes Leben" erforderlich, aber auch hinreichend sind und einem bescheidenen Ausstattungsstandard entsprechen (vgl. Berlit in LPK- SGB II, 2.Aufl. § 22 Rn.31). Demzufolge ist für das Mietzinsniveau, das auch Ausdruck des Wohnstandards ist, nicht auf den jeweiligen Durchschnitt aller gezahlten Mietpreise abzustellen, sondern auf den unteren (nicht jedoch den untersten) Bereich der marktüblichen Wohnungsmieten für Wohnungen angemessener Größe (vgl. Berlit aaO § 22 Rn. 32; Lang/Link in Eicher/ Spellbrink, SGB II, 2.Aufl., § 22 Rn.45 mit Rechtsprechungsnachweisen). In der Folge ist daher der Schluss zu ziehen, dass im Wesentlichen der Mietpreis je Quadratmeter als brauchbares Differenzierungskriterium zur Bestimmung des Wohnstandards herangezogen werden kann.
Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen erweist sich das Konzept des kommunalen Trägers der Beklagten als unschlüssig, weil es eine sachwidrige Ungleichbehandlung zugunsten der Leistungsempfänger in Neubauten manifestiert, denen - im Hinblick auf die dort als angemessen angesehenen Mietpreise je Quadratmeter - ein unangemessener Wohnstandard zugebilligt werden dürfte, wohingegen den Leistungsempfängern in Altbauten, die ohnehin - aufgrund des Alters des Wohngebäudes - einen abgesenkten Wohnstandard hinnehmen, in einem Bereich der Kostenangemessenheit angesiedelt werden, der möglicherweise nicht den gesamten unteren Bereich des Wohnungsmarktes erfasst.
Hierzu ist beispielhaft darauf zu verweisen, dass die Beklagte in der Wohnraumgröße von 40 m² bis unter 60 m² für Altbauten (bis 1959) einen Quadratmeterpreis von 5,49 EUR als angemessen erachtet, wobei das Marktsegment von 4,75 EUR/m² bis 7,05 EUR/m² reicht, so dass den Leistungsempfängern allenfalls das untere ? des Marksegmentes zugänglich ist, wobei der Wohnstandard von einfach bis gut erfasst wird. Demgegenüber werden bei Neubauten (ab 1991) 6,78 EUR/m² berücksichtigt, so dass - bei einer Preisspanne von 6,30 EUR/m² bis 7,50 EUR/m² - ca. 4/10 des Marktsegmentes eröffnet werden, wobei ein einfacher Wohnstandard in dieser Baualtersklasse gar nicht mehr angeboten wird.
Wesentlich deutlicher kommt die Ungleichbehandlung in der Wohnraumgröße von über
80 m² zum Tragen. Dort weist die Beklagte für Altbauten (bis 1959) einen Quadratmeterpreis von 5,01 EUR als angemessen aus, so dass bei einer Preisspanne von 4,75 EUR/m² bis 6,15 EUR/m² lediglich das untere 1/6 des Marktsegmentes für normalen Wohnraum und nur die untere Hälfte des Marktsegmentes (Preisspanne von 4,35 EUR/m² bis 5,65 EUR/m²) für einfachen Wohnraum zugänglich sind, wohingegen der angemessene Mietpreis für Neubauten (bis 1991) von 6,39 EUR/m² auch den Zugang zu gutem Wohnraum (6,20 EUR/m² bis 8,65 EUR/m²) ermöglicht.
Im Ergebnis ist daher kein Konzept zu erkennen, dass der von der Beklagten berücksichtigte Mietpreis je Quadratmeter als Ausdruck eines für einen Empfänger von Grundsicherungsleistungen angemessenen Wohnstandards angesehen werden kann.
Im weiteren hat die Beklagte bei der Ermittlung der abstrakt angemessenen Unterkunftskosten, die sich aus dem Produkt des Bruttomietzinses und der für einen Alleinstehenden angemessenen Wohnfläche ergibt, auch zu Unrecht darauf abgestellt, dass lediglich 45 m² als angemessener Wohnraumbedarf für eine alleinstehende Person anzusehen
wäre.
In der Rechtssprechung des Bundessozialgerichtes (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 - Az. B 7b AS 10/06 R) und in der Literatur (vgl. Lang/Link aaO, § 22 Rn.43) ist mittlerweile anerkannt, dass für die Frage des angemessenen Wohnraumbedarfes auf die landesrechtlichen Vorschriften zur Förderung des sozialen Wohnungsbaues abzustellen ist, und somit in Bayern eine Wohnfläche von bis zu 50 m² für eine Person noch als größenangemessen angesehen werden muss (Vgl. BSG, aaO; Nr. 81.1 (Angemessene Wohnfläche) der Wohnraumförderungsbestimmungen 2003 für den Freistaat Bayern, Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 11.11.2002, AllMBl 2002 S. 971 fortgeführt durch Nr. 20.2 der Wohnraumförderungsbestimmungen 2008 vom 04.12.2007, AllMBl 2007 S. 673).
Im Ergebnis ist daher nicht zu belegen, dass die von der Beklagten vorgegebene MOG (bis 30.04.2006: 326,70EUR - ab 01.05.2006: 344,00 EUR) in zutreffender Weise die für die Klägerin abstrakt angemessene Unterkunftskostenhöhe darstellt.
Die Höhe der tatsächlich angemessenen Unterkunftskosten kann vorliegend jedoch offen bleiben, - auch wenn die Beklagte ein schlüssiges Konzept zu einer einheitlichen MOG noch zu entwickeln haben wird - denn die Klägerin hat für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.01.2006 bis 30.06.2006 Anspruch auf die Übernahme ihrer tatsächlichen Unterkunftskosten.
Die von der Klägerin bewohnte Wohnung ist mit 67,66 m² - unter Berücksichtigung der Wohnraumförderungsbestimmungen 2003 bzw. 2008 - für eine Person unangemessen groß, und die Klägerin hat - trotz gerichtlicher Hinweise im Erörterungstermin am 28.01.2008 - keine Gesichtspunkte vorgetragen, die einen höheren Wohnbedarf rechtfertigen könnten, und für den Senat sind solche Aspekte auch nicht erkennbar.
Gleichwohl hat die Klägerin - zumindest für den streitgegenständlichen Leistungszeitraum vom 01.01.2006 bis 30.06.2006 - Anspruch auf die Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten in Höhe von 422,01 EUR bis 31.03.2006 bzw. in Höhe 444,17 EUR ab 01.04.2006.
Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass die Struktur des Wohnungsmarktes in A-Stadt der Klägerin tatsächlich auch die konkrete Möglichkeit eröffnet hat, eine abstrakt als angemessen eingestufte Wohnung konkret auf dem Wohnungsmarkt anmieten zu können (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 07.11.2006 in SozR 4-4200 § 22 Nr. 3 unter Hinweis auf BVerwGE 97, 110, 115 ff; BVerwGE 101, 194, 198 ff zur sog Unterkunftsalternative).
Hierbei kommt es zwar nicht darauf an, dass eine bestimmte Zahl von Unterkunftsalternativen zur Verfügung steht. Allerdings muss der Hilfeempfänger eine realistische Chance haben, auf dem Wohnungsmarkt eine solche anmieten zu können (vgl. Lang/Link aaO § 22 Rn. 45d ).
Vorliegend bestand für die Klägerin - im streitgegenständlichen Zeitraum - eine solche konkrete Unterkunftsalternative jedoch nicht.
Zum einen hat die Beklagte die Klägerin auf eine unzutreffende abstrakte Angemessenheitsgrenze verwiesen, so dass diese nicht in der Lage war, sich nach einer geeigneten Wohnung umzusehen. Erschwerend ist in diesem Zusammenhang hierbei auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte die Klägerin erstmals mit der Erteilung des Bewilligungsbescheides vom 23.12.2005 auf die - nach Auffassung der Beklagten - maßgebliche MOG hingewiesen hat.
Die Beklagte hatte die Klägerin zwar mit Schreiben vom 16.06.2005 auf eine MOG von 250,00 EUR hingewiesen. Im folgenden Verwaltungsverfahren - bis zur Erteilung des Bescheides am 23.12.2005 - war die Klägerin jedoch im Unklaren gelassen worden, ob die von ihr beigebrachten Nachweise und Erklärungen ausreichen würden, um weiterhin eine Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten für die Zeit ab dem 01.01.2006 durch die Beklagte sicher zu stellen. Die Beklagte hatte die Klägerin mit dem Schreiben vom 16.06.2005 zwar auf die Unangemessenheit der Unterkunftskosten hingewiesen und zu einer Stellungnahme aufgefordert. Jedoch blieb das Vorbringen der Klägerin im Schreiben vom 25.06.2006 seitens der Beklagten ohne Reaktion, so dass die Klägerin keine Veranlassung haben musste, sich weitergehend um kostengünstigeren Wohnraum zu bemühen.
Zum anderen hat die Beklagte selbst keine Unterkunftsalternativen aufzeigen können. Trotz gerichtlicher Aufforderung, eine Stellungnahme zum Vorbringen fehlender Unterkunftsalternativen abzugeben, hat die Beklagte nur darauf verwiesen, dass in der Stadt A-Stadt eine "Vielzahl" von Leistungsempfängern nach dem SGB II in kostenangemessenen Unterkünften untergebracht seien. Hierbei verkennt die Beklagte, dass sie die Beweislast für das Vorhandensein einer konkret angemessenen Unterkunftsalternative zu tragen hat, und ein Hilfeempfänger ohne die konkrete Möglichkeit angemessenen Wohnraum anmieten zu können, objektiv keine Suchaktivität entwickeln kann und dies daher auch nicht muss (vgl. Lang/Link aaO § 22 Rn.45d).
Unabhängig davon, dass die Klägerin nach dem gesamten Verhalten der Beklagten bis zur Bescheiderteilung am 23.12.2005 keine Veranlassung hatte, die Kostenangemessenheit ihrer Wohnung in Zweifel zu ziehen, kann auch dahinstehen, ob die von der Klägerin im streitgegenständlichen Leistungszeitraum entwickelten Bemühungen und die hierfür erbrachten Nachweise über die Suche einer kostenangemessenen Unterkunft als hinreichend angesehen werden können, und ob sich die Klägerin nicht hinreichend intensiv um eine neue Wohnung bemüht habe. Die Beklagte selbst räumt ein, dass über das Wohnungsamt der Stadt A-Stadt zwar (nach ihrer Auffassung) kostenangemessene Wohnungen angemietet werden konnten; allerdings waren auch hier Wartezeiten von 1 bis
1 1/2 Jahren hinzunehmen, so dass es im Ergebnis - im Zeitraum vom 01.01.2006 bis 30.06.2006 - keine konkret und aktuell zur Verfügung stehenden Unterkunftsalternativen gab, was im wesentlichen auf den Umstand zurückzuführen sein dürfte, dass die Beklagte - zumindest für den Personenkreis der Alleinstehenden - auch unter Berücksichtigung des zu knapp bemessenen Wohnraumes von einer unzutreffenden Angemessenheitsgrenze ausgegangen war.
Besteht eine konkrete Unterkunftsalternative in diesem Sinne nicht, sind die Aufwendungen für die tatsächlich gemietete Unterkunft - zumindest vorübergehend - als konkret angemessen anzusehen (BVerwG, aaO). Die Beklagten hat daher - einschließlich der Mieterhöhung zum 01.04.2006 - die Unterkunftskosten der Klägerin in tatsächlicher Höhe für den Zeitraum 01.01.2006 bis 30.06.2006 zu übernehmen.
Diese Unterkunftskosten (422,01 EUR bzw. 444,17 EUR) setzen sich hierbei zusammen aus der Nettokaltmiete von 316,56 EUR (bis 31.03.2006) bzw. 338,72 EUR (ab 01.04.2006), die mit Schreiben des Vermieters vom 19.01.2006 (Bl. 104 dA)
nachgewiesen sind, und den tatsächlichen Betriebskosten in Höhe von 105,45 EUR
(= 1.265,38 EUR: 12) monatlich, die sich aus der Betriebskostenabrechnung vom 20.06.2007 (Bl.76 LSG- Akte) für das Jahr 2006 ergeben.
Im Ergebnis hat die Klägerin im streitgegenständlichen Leistungszeitraum vom 01.01.2006 bis 30.06.2006 - lt. folgender Berechnung - Anspruch auf Alg II in Höhe von monatlich 800,79 EUR (bis 31.03.2006) bzw. 822,95 EUR (ab 01.04.2006), der aufzurunden ist, § 41 Abs 2 SGB II.
von 01.01.06 von 01.04.06
bis 31.03.06 bis 30.06.06
Regelleistung EUR 345,00 EUR 345,00
Mehrbedarf EUR - EUR -
Miete EUR 316,56 EUR 338,72
Nebenkosten EUR 105,45 EUR 105,45
Heizkostenpauschale EUR 40,00 EUR 40,00
abzgl. Warmwasser EUR 6,22 EUR 6,22
Heizung EUR 33,78 EUR 33,78
Gesamt EUR 800,79 EUR 822,95
Ein Anspruch für einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung war demgegenüber im streitgegenständlichen Leistungszeitraum vom 01.01.2006 bis 30.06.2006 nicht zu berücksichtigen, denn es ist nicht zu belegen, dass die Klägerin einen solchen Bedarf hat.
Erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, erhalten einen Mehrbedarf in angemessener Höhe, § 21 Abs 5 SGB II. Bei dem Begriff der "angemessenen Höhe" des Mehrbedarfs handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Ausfüllung in vollem Umfang der rechtlichen Überprüfung durch das Gericht unterliegt (vgl. Behrend in LPK- SGB II, 2. Aufl., § 21 Rn 42; Lang/Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 21 Rn 57).
Die bisherige Praxis und Rechtsprechung zur früheren Parallelvorschrift des § 23 Abs 4 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) hat sich hinsichtlich der Kostformen und der diesbezüglich diagnostizierten Erkrankungen vor allem an den "Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge für die Gewährung von Krankenkostzulagen"
(Empfehlungen des Deutschen Vereins) orientiert (Lang/Knickrehm aaO § 21 Rn.52;
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 13.10.2003 - 12 LA 385/03 - FEVS 55, 359; Adolph in Linhart/Adolph, SGB II, SGB XII, Asylbewerberleistungsgesetz, Stand Januar 2008, § 30 SGB XII Rn. 14; Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 15. Aufl. 1997, § 23 Rn. 34).
Hierauf hat auch der Gesetzgeber bei der Einführung des § 21 Abs 5 SGB II abgestellt (Vgl. BT- Drucksache 15/1516 S.57) und eine anderweitige Ermittlung eines Mehrbedarfes lediglich in den Fällen als geboten erachtet, in denen neuere wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen. Dies folgte der generellen Anknüpfung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II an das Referenzsystem der Sozialhilfe (vgl. BT-Drucks 15/1516 S 46, 56). Bei der Erstellung der "Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe" des Deutschen Vereins haben Wissenschaftler aus medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Fachbereichen zusammengearbeitet, die medizinisch notwendigen Ernährungsformen bei verschiedenen Krankheiten festgestellt und die Kostenunterschiede zur "Normalernährung" ermittelt (Empfehlungen des Deutschen Vereins, 2. Aufl. 1997 (Empfehlungen 97), S 6).
Die Pauschalbeträge für die krankheitsbedingten Mehrbedarfe wurden mit Hilfe der Deutschen Gesellschaft für Ernährung auf der Basis eines Schemas der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin entwickelt (Empfehlungen 97 S 10).
Auch hat das BVerfG im Jahr 2006 noch ausgeführt, dass es sich bei den Empfehlungen des Deutschen Vereines um gleichsam antizipierende Sachverständigengutachten handeln würde, die zwar keine Normqualität besitzen, im Interesse der gleichmäßigen Rechtsanwendung jedoch wie untergesetzlichen Normen von den Gerichten anzuwenden seien und nicht ohne Darlegung der eigenen Sachkunde unbeachtet gelassen werden könnten (Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.06.2006 - 1 BvR 2673/05 in info also 2006, 279).
Die Empfehlungen wurden erstmals 1974 herausgegeben und befanden sich während des streitgegenständlichen Leistungszeitraumes auf dem Stand des Jahres 1997, wobei deren Überarbeitung zum 01.10.2008 abgeschlossen wurde.
Nach dem Inkrafttreten des SGB II wurde - im Hinblick auf neuere wissenschaftliche Erkenntnisse und die fehlenden Aktualität der Empfehlungen 97 - insbesondere in der Rechtsprechung auf neuere Begutachtungsleitfäden abgestellt (vgl. etwa Schleswig-Holsteinisches LSG, FEVS 57, 412 ff; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10.01.2008 - L 9 AS 605/07 ER), vor allem auf den des Arbeitsausschusses der Sozialdezernenten Westfalen-Lippe und des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe. Der "Begutachtungsleitfaden des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung (Krankenkostzulage) gemäß § 23 Abs. 4 BSHG (jetzt: § 30 Abs 5 SGB XII)" aus dem Jahr 2002 (Begutachtungsleitfaden des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe), der von einer Arbeitsgruppe aus Ärztinnen und Ärzten aus Gesundheitsämtern in vier Bundesländern erstellt wurde, kritisierte, dass die Empfehlungen 97 in einigen Punkten nicht mehr dem Stand der Wissenschaft entsprächen und manche Erkenntnisse nicht folgerichtig umgesetzt seien. Dementsprechend fanden sich im Begutachtungsleitfaden des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe zum Teil von den Empfehlungen 97 abweichende Bewertungen. Das galt auch für das "Rationalisierungsschema 2004" des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner (BDME - Rationalisierungsschema 2004).
Auch das BSG hatte hierzu bereits festgestellt, dass man nicht mehr davon ausgehen könne, die Empfehlungen des Deutschen Vereins aus dem Jahr 1997 würden in allen Punkten allgemeine und im Wesentlichen unumstrittene aktuelle Erfahrungswerte wiedergeben. (vgl. BSG, Urteil - 27.02.2008 - B 14/7b AS 64/06 R), nachdem die Empfehlungen aus dem Jahr 1997 datierten, sich auf Gutachten aus den Jahren 1991 bis 1996 stützten und die inzwischen eingetretenen Entwicklungen nicht durch eine Aktualisierung nachvollzogen hatten.
Mittlerweile hat aber auch der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. (DV) seine "Empfehlungen zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe" überarbeitet und am 01.10.2008 verabschiedet (Empfehlungen 2008).
Hierbei konzentrieren sich die Empfehlungen 2008 zum Einem auf die Prüfung, ob eine sogenannte "Vollkost" aus dem Eckregelsatz zu finanzieren ist, wobei Vollkost als eine Kost anzusehen ist, die (1.) den Bedarf an essenziellen Nährstoffen deckt, (2.) in ihrem Energiegehalt den Energiebedarf berücksichtigt, (3.) Erkenntnisse der Ernährungsmedizin zur Prävention und auch zur Therapie berücksichtigt und (4.) in ihrer Zusammensetzung den üblichen Ernährungsgewohnheiten angepasst ist, soweit Punkt 1.-3. nicht tangiert werden (Empfehlungen 2008, S. 16).
Zur Frage der Finanzierbarkeit einer Vollkost wurden u.a. die Bemessungsgrundlagen aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS 2003) analysiert, die die Datenbasis für die Festsetzung der Regelsätze 2007 bilden (Empfehlungen 2008, S. 4). Eine in diesem Zusammenhang bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in Auftrag gegebene Studie hat hierbei ergeben, dass sich der Bedarf eines Erwachsenen an Vollkost mit einem durchschnittlichen Aufwand von 43,46 EUR wöchentlich, also 6,21 EUR täglich decken ließe. Nachdem das fürsorgerechtliche Ziel auf die Sicherung eines soziokulturellen Existenzminimums beschränkt sei und nicht die Gewährleistung eines durchschnittlichen Lebensstandards zum Gegenstand habe, sei ein solcher Mittelwert nicht der relevante Bezugspunkt. Bei einer "preisbewussten Einkaufsweise" sei eine Vollkost mit einem Aufwand von ca. vier Euro täglich zu finanzieren, so dass eine gesunde und aus ernährungswissenschaftlicher Sicht auch allen Menschen ohne besondere diätetische Anforderungen empfohlene Ernährung aus dem Regelsatz finanzierbar ist, wenn die Preise der eingekauften Lebensmittel im unteren Viertel der Preisstreuung liegen (Empfehlungen 2008, S. 17, 19 mwN).
Zum Anderen hat der DV in seinen Empfehlungen 2008 die geänderten diätetischen Grundlagen des "Rationalisierungsschema 2004" des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner (BDME - Rationalisierungsschema 2004) nachvollzogen (Empfehlungen 2008, S. 15f) und für eine Vielzahl von Krankheiten eine Vollkost als diätetisch ausreichend angesehen, für die nach den Empfehlungen 97 noch besondere Kostformen vorgesehen waren. Demnach ist in der Regel für Erkrankungen wie Hyperlipidämie (Erhöhung der Blutfette), Hypertonie (Bluthochdruck), eine Leberinsuffizienz, Ulcus duodeni (Geschwür am Zwölffingerdarm) oder Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit - Typ II und Typ I, konventionell und intensiviert konventionell behandelt) ein krankheitsbedingt erhöhter Ernährungsaufwand zu verneinen (Empfehlungen 2008, S. 10).
Unter Beachtung dieser rechtlichen Vorgaben ist ein medizinisch bedingter Ernährungsmehraufwand der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.01.2006 bis 30.06.2006 nicht zu belegen.
Die Klägerin litt zu Beginn des maßgeblichen Bewilligungszeitraumes Anfang 2006 ausweislich der ärztlichen Bescheinigung vom Januar 2006 an Hyperlipidämie, Diabetes mellitus Typ IIa, einer Leberinsuffizienz, Hypertonie und einem Ulcus duodeni. Die Klägerin wies bei einer Körpergröße von 158 cm und einem Köpergewicht von 85kg einen BMI (Body Mass Index) von 35 auf.
Bereits bei der erstmaligen Beantragung von Leistungen nach dem SGB II war der Klägerin am 16.12.2004 bescheinigt worden, dass sie an Hyperurikämie, Hypertonie und Diabetes mellitus Typ IIb leide. Bei einem Köpergewicht von 86 kg und einer Körpergröße von 160 cm war ihr seitens der behandelnden Ärztin eine purinreduzierte Diabetes- Reduktionskost sowie eine Gewichtsreduzierung auf 76 kg auferlegt worden.
Im Hinblick auf die im Jahr 2006 bestehenden Krankheiten lässt sich - auch angesichts des attestierten Übergewichtes (bei einem BMI von 35) und der Auflage einer Reduktionskost - nach allgemein wissenschaftlichen Erkenntnissen kein Ernährungsmehraufwand der Klägerin belegen.
In Bezug auf den bei der Klägerin bestehenden Diabetes mellitus - bei attestiertem Übergewicht - Typ IIb sahen bereits die Empfehlungen 97 des Deutschen Vereines (Erläuterungen zu Rn.3 (S.23) und Rn.5 (S.26): Lang/Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2.Aufl., § 21 Rn. 53) keinen finanziellen Aufwand für Ernährungsmehrbedarf vor, ebenso wie der Begutachtungsleitfaden des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (S.10 Nr.4; S. 13). Bei ärztlicher Verordnung einer Reduktionskost wegen eines bestehenden Übergewichts entstehe kein finanzieller Aufwand für Ernährungsmehrbedarf, weil die Gewichtsnormalisierung im Vordergrund stehe, und die erforderliche Reduktionskost - durch Verminderung der Energiezufuhr - lediglich unter besonderer Berücksichtigung des Kohlenhydratanteils zu erfolgen habe (vgl. auch BDME - Rationalisierungsschema 2004 S.4).
Insofern lässt sich nach allgemein gültigen wissenschaftlichen Erkenntnissen - nunmehr auch nachvollzogen in den Empfehlungen 2008 - ein krankheitsbedingter Ernährungsmehrbedarf der Klägerin in Bezug auf den Diabetes mellitus Typ II nicht belegen.
Der Senat hat keine Veranlassung die Empfehlungen 2008 für Sachverhalte, die vor dem 01.10.2008 liegen, außer Betracht zu lassen. Auch wenn die Empfehlungen erst am 01.10.2008 durch den DV verabschiedet worden sind, fassen sie die ernährungsmedizinischen und ernährungswissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten Jahre seit dem BDME - Rationalisierungsschema 2004 bzw. dem Begutachtungsleitfaden des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe aus dem Jahr 2002 zusammen und vollziehen diese nach. Darüber hinaus quantifiziert der DV - auf der Grundlage der EVS 2003, die der Regelleistungsbemessung zugrunde gelegt worden ist - den Kostenaufwand, der heute durch eine kostenangemessene Vollkosternährung entsteht, so dass - bedingt durch den Umstand, dass Erhöhung die Regelleistung mit der Inflation seit dem Jahr 2005 nicht Schritt gehalten hat - bereits ab dem Inkrafttreten des SGB II anzunehmen ist, der in der Regelleistung enthaltende Anteil für Ernährung reiche aus, um die Versorgung mit einer gesunden, ausgewogenen und erkrankungsadäquaten Vollkost sicher zu stellen.
Mit der Heranziehung der Empfehlungen 2008 auf in der Vergangenheit liegende Sachverhalte ist auch nicht der rechtsstaatliche Grundsatz des Rückwirkungsverbotes tangiert.
Die Grenzen, die das Grundgesetz für rückwirkende belastende Eingriffe in bestehende subjektive Rechte zieht, ergeben sich aus dem das Grundgesetz durchwaltenden Rechtsstaatsprinzip. Zu den wesentlichen Elementen des Rechtsstaatsprinzips gehört die Rechtssicherheit (BVerfGE 7, 89 (92 f.); 13, 261 (271)). Sie gebietet, dass der rechtsunterworfene Bürger nicht durch die rückwirkende Beseitigung erworbener Rechte über die Verlässlichkeit der Rechtsordnung getäuscht wird (vgl. BVerfGE 24, 75 (98)). Er soll die ihm gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen können, sich dementsprechend einrichten und darauf vertrauen dürfen, dass sein dem jeweils geltenden Recht entsprechendes Verhalten auch fernerhin von der Rechtsordnung als Rechtens anerkannt bleibt (vgl. BVerfGE 13, 261 (271)). Der Bürger soll sich grundsätzlich darauf verlassen dürfen, dass der Gesetzgeber an abgeschlossene Tatbestände nicht ungünstigere Folgen knüpft, als im Zeitpunkt der Vollendung dieser Tatbestände anhand der geltenden Rechtsordnung vorhersehbar war (vgl. BVerfGE 15, 313 (324)).
Vorliegend handelt es sich bei den Empfehlungen 2008 des DV jedoch nicht um Rechtsnormen, die in eine erworbene Rechtsposition der Klägerin eingreifen, denn auch das BVerfG hat den (Vorgänger-)Empfehlungen des DV einen wie auch immer gearteten Rechtsnormcharakter abgesprochen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.06.2006 aaO). Die Empfehlungen stellen lediglich eine Sammlung von Erfahrungssätzen dar, welche medizinischen und tatsächlichen Bewertungsmaßstäbe zu beachten sind, um einen erkrankungsbedingten Ernährungsmehraufwand quantifizieren zu können.
Dies ist jedoch eine Frage der tatsächlichen Gegebenheiten und des Standes der medizinischen Wissenschaft. Vorliegend hat der DV die seit dem Jahr 2002 aufgekommene Kritik an seinen vorhergehenden Empfehlungen 97 aufgegriffen und diese Kritik nachvollzogen. Insofern ist hieraus der Schluss zu ziehen, dass der DV sich zumindest seit der Erstellung des BDME - Rationalisierungsschema 2004, auf dass sich der DV auch im Wesentlichen stützt, die neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Eigen gemacht hat.
Die nunmehr erfolgte Zusammenfassung der bereits seit dem Jahr 2004 bzw. 2002 vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse in den neuen Empfehlungen 2008 des DV rechtfertigt es daher, diese Empfehlungen als Schlusspunkt einer langen wissenschaftlichen Diskussion anzusehen, die den als allgemein anerkannten, ernährungsmedizinischen und ernährungswissenschaftlichen Erkenntnisstand - zumindest - seit dem Inkrafttreten des SGB II am 01.01.2005 darstellt.
Unter Berücksichtigung der Empfehlungen 2008 sind aber auch für die bei der Klägerin im übrigen vorliegenden Erkrankungen (Hyperlipidämie (Erhöhung der Blutfette), Hypertonie (Bluthochdruck), Leberinsuffizienz, Ulcus duodeni (Geschwür am Zwölffingerdarm)) keine erkrankungsbedingten Ernährungsmehraufwendungen nachzuweisen, weil diese Erkrankungen - wie auch der Diabetes mellitus - lediglich einer Vollkost bedürfen (vgl. Empfehlungen 2008 S.11 Nr. 4.1. Bst. a), d), g) und j)), die mit dem in der Regelleistung für Ernährung vorgesehenen Anteil für einen Erwachsenen finanzierbar ist (vgl. Empfehlungen 2008 S.18f). Dieses Ergebnis hat sich bereits auf der Grundlage des Begutachtungsleitfadens des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe begründen lassen.
Im Folgenden erscheint zwar nicht denkbar, dass durch das Zusammenwirken der Erkrankungen ein Mehrbedarf entstehen kann, weil alle Erkrankungen der Klägerin mit einer Vollkost diätetisch zu versorgen sind, und es ist auch nicht ersichtlich dass eine individuelle Betrachtungsweise des Ernährungsaufwandes der Klägerin einen Mehrbedarf belegen kann.
Das BSG sieht vor allem in Fällen, in denen Erkrankungen vorliegen, zu denen keine allgemeingültigen wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen, oder in Fällen eines kumulativen Bedarfes aufgrund verschiedener Erkrankungen, die einer differenzierten, auf den Gesamtleidenszustand abgestimmten Kostform bedürfen, die Notwendigkeit - gegebenenfalls - im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung einen konkreten ernährungsbedingten Mehrbedarf zu klären. Hierbei ist als Betrag des krankheitsbedingten Ernährungsmehraufwandes der Betrag anzusehen, mit dem der medizinisch begründete, tatsächliche Kostenaufwand für eine Ernährung ausgeglichen werden kann, die von der Regelleistung nicht gedeckt ist (vgl. BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 64/06 R unter Hinweis auf Lang/Knickrehm aaO § 21 Rn 56, 57). Dieser konkrete Mehrbedarf sei im Einzelfall im Wege der Amtsermittlung durch Einholung medizinischer und/oder ernährungswissenschaftlicher Stellungnahmen oder Gutachten zu klären.
Hieraus ist zu folgern, dass keine abstrakt- pauschalierende Betrachtungsweise dergestalt geboten wäre, dass in Bezug auf ein definiertes Krankheitsbild ein standardisierter Ernährungsaufwand und die damit regelmäßig verbundenen Kosten - vergleichbar den Empfehlungen des Deutschen Vereins - ermittelt werden, sondern dass bezogen auf die individuellen Gegebenheiten des Einzelfalles der krankheitsbedingte Kostenmehraufwand des Leistungsempfängers - wie ärztlich verordnet - zu ermitteln ist.
Es ist daher zunächst zu ermitteln, welche Gesundheitsstörungen beim Hilfesuchenden vorliegen und welche ernährungsspezifischen Folgerungen aus dem individuellen Krankheitsbild zu ziehen sind. Eine pauschalierenden Betrachtungsweise ist auf dieser Stufe der Bedarfsermittlung noch nicht geboten (anders BayLSG, Urteil vom 14.03.2008 - L 7 AS 297/07), denn für den - möglicherweise auch kumulativen - Mehrbedarf ist auf die individuellen Bedürfnisse des Leistungsempfängers abzustellen, die insbesondere durch das Zusammenwirken mehrerer Krankheitsbilder geprägt sein kann und in der Folge eine Kostform erfordern, die dem Gesamtleidenszustand des Leistungsempfängers Rechnung trägt.
Auf einer letzten Stufe ist der krankheitsbedingte Ernährungsbedarf monetär zu quantifizieren und dem Anteil der Regelleistung gegenüber zu stellen, der für den Ernährungsaufwand vorgesehen ist. Hierbei hat der Leistungsempfänger Im Rahmen des § 21
Abs 5 SGB II lediglich Anspruch auf eine (kosten)angemessene Deckung seines Mehrbedarfes, d.h. er wird sich in aller Regel auf das Angebot der Discounter oder ein vergleichbares Angebotsniveau verweisen lassen müssen, soweit nicht Nahrungsmittel krankheitsbedingt benötigt werden, die in diesem Preissegment nicht zu erwerben sind. Erst auf dieser Stufe der Bedarfsermittlung ist eine Standardisierung nicht nur nützlich, sondern im Interesse der Gleichbehandlung aller Hilfesuchenden auch geboten, um dem Aspekt der angemessenen Bedarfsdeckung Rechnung zu tragen.
Um eine derartige Begutachtung im Einzelfall jedoch durchführen zu können ist vorauszusetzen, dass eine hinreichende Datengrundlage vorliegt, aus der sich die krankheitsbedingten Ernährungsgewohnheiten des Leistungsempfängers ableiten lassen, d.h. dass entweder ein ärztlich verordneter Kostplan vorliegt, anhand dessen sich die Ernährungsaufwendungen nachvollziehen lassen, oder der Leistungsempfänger darlegt, welche Nahrungsmittel er im Hinblick auf sein Krankheitsbild konsumiert hat.
Vorliegend führt jedoch weder die ärztliche Verordnung einer bestimmten Kostform - wie hier einer Diabeteskost bzw. anderer Kostformen - weiter, noch lässt sich allein aus dem Vorbringen, dass bestimmte Nahrungsmittel zu meiden wären, ein Kostenmehraufwand ermitteln.
Die Bestimmung eines Ernährungsaufwandes nach einer vorgegebenen Kostform führt im Ergebnis wieder zu einer abstrakt- pauschalierenden Betrachtungsweise, auf die jedoch nicht abzustellen ist (siehe bereits oben). Allein die Notwendigkeit bestimmte Nahrungsmittel meiden zu müssen, lässt für sich gesehen keine Möglichkeit, einen Kosten(mehr)- aufwand zu bestimmen, wenn nicht angegeben wird, auf welche Ernährungsalternativen zurückgegriffen wird.
Um eine sachgerechte medizinische und/oder ernährungswissenschaftliche Begutachtung durchführen zu können, wäre daher zumindest erforderlich gewesen, dass die Klägerin einen Kostplan darlegt, oder dass die behandelnde Ärztin einen solchen erstellt hat.
Die Klägerin hat hierbei auf gerichtliche Nachfrage lediglich eine Vielzahl von Speisen und Getränken genannt, die sie meiden müsse, ohne jedoch darzulegen, welche Nahrungsmittel und in welcher Menge sie diese regelmäßig zu sich nimmt. Auch die behandelnde Ärztin der Klägerin bzw. deren Praxisnachfolger konnte dem Gericht keine Informationen überlassen, aus denen sich die regelmäßigen Ernährungsgewohnheiten der Klägerin ableiten ließen. Im Ergebnis war daher kein Sachverhalt festzustellen, der eine sinnvolle Begutachtung ermöglicht hätte, so dass auch im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung kein Ernährungsmehraufwand zu ermitteln war.
Im Ergebnis hat die Klägerin daher keinen Anspruch auf die Bewilligung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfes wegen der bestehenden Erkrankungen, weil sich nach Erschöpfung aller verfügbaren Erkenntnisquellen ein durch die Erkrankungen der Klägerin verursachter Ernährungsbedarf nicht aufklären lässt, so dass in der Folge auch kein Kosten(mehr)aufwand quantifiziert werden kann. Hierbei hat die Klägerin nach den allgemeinen Grundsätzen über die objektive Beweislast die Konsequenz aus der Nichterweislichkeit der Anspruchsvoraussetzungen zu tragen, d.h. sie kann nicht belegen, dass ein Anspruch besteht, so dass die Berufung insoweit zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und entspricht dem Umfang des Obsiegens der Klägerin.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Absatz 2 Nr.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor. Die hier maßgeblichen Rechtsfragen hat das BSG bereits entschieden.
Hinsichtlich der Unterkunftskosten hat der kommunale Träger auf einer hinreichenden Datengrundlage ein schlüssiges Konzept für die Beurteilung abstrakt angemessener Unterkunftskosten zu entwickeln (zuletzt BSG, Urteil vom 18.06.2008 aaO), wobei ein als schlüssig zu bezeichnendes Konzept bisher tatsächlich nicht vorliegt. In Bezug auf einen krankheitsbedingten Ernährungsmehraufwand liegen inzwischen allgemein anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse vor, und die Frage des Ernährungsmehraufwandes ist keine Rechtsfrage, sondern eine medizinische Tatsachenfrage, die, auch wenn sie verallgemeinerungsfähig ist, einem Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung verleihen kann (vgl. Beschluss des Senates vom 07.01.2008 - L 11 AS 338/07 NZB - mwN). Soweit eine Einzelfallbetrachtung (vgl. BSG Urteil vom 27.02.2008 aaO) geboten war, musste jedoch mangels Feststellbarkeit des zu beurteilenden Sachverhaltes eine Beweislastentscheidung gegen die Klägerin ergehen.
Die Beklagte hat der Klägerin 2/3 der außergerichtlichen Kosten zu erstatten
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig sind die Höhe der von der Beklagten zu übernehmenden Kosten der Unterkunft und die Bewilligung eines ernährungsbedingten Mehraufwandes für den Zeitraum vom 01.01.2006 bis 30.06.2006.
Die1951 geborene, alleinstehende Klägerin bezog seit dem 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Mit den bis 31.12.2005 maßgeblichen Bewilligungsbescheiden bewilligte die Beklagte neben der Regelleistung (345,00 EUR) und einem Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung (51,13 EUR) die Unterkunftskosten für die 67,66 m² große Wohnung der Klägerin in der tatsächlich angefallenen Höhe (Miete: 316,65 EUR; Nebenkosten: 108,00 EUR). Die von der Klägerin darüber hinaus zu tragende Heizkostenpauschale von 40,00 EUR kürzte die Beklagte pauschal um den Anteil von einem 1/6 (= 6,67 EUR) für die Warmwasserzubereitung.
Mit Schreiben vom 16.06.2005 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass die Mietobergrenze (MOG) im Zuständigkeitsbereich der Beklagten - bezogen auf die Baualtersklasse, in die die Wohnung der Klägerin einzustufen sei (Baujahr bis 1959) - lediglich 250,00 EUR einschließlich kalter Nebenkosten (ohne Heizung) betrage. Soweit eine Äußerung nicht erfolge, werde ab dem 01.01.2006 lediglich diese MOG im Rahmen der Leistungsbewilligung berücksichtigt.
Die Klägerin übersandte daraufhin der Beklagten am 25.06.2006 eine Bescheinigung ihres Vermieters, dass in den Jahren 1990 und 2000 Sanierungsarbeiten durchgeführt worden seien.
Nach dem Fortzahlungsantrag vom 28.11.2005 bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 23.12.2005 Alg II für die Zeit vom 01.01.2006 bis 30.06.2006 in Höhe von 705,03 EUR. Neben der Regelleistung (345,00 EUR) berücksichtigte sie Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 360,03 EUR, wobei 33,33 EUR auf die Heizung (40,00 EUR abzüglich einer pauschalen Kürzung von 6,67 EUR für die Warmwasserzubereitung) und 326,70 EUR auf die Unterkunftskosten (einschließlich kalter Nebenkosten) entfielen. Ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung berücksichtigte die Beklagte nicht mehr.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 04.01.2006 Widerspruch ein. Sie wohne seit 36 Jahren in der Wohnung und sei froh, dass ihre Tochter in der Nachbarschaft lebe und ihr die Angelegenheiten für sie erledige, die sie selbst nicht mehr bewältigen könne. Auch könne sie nicht nachvollziehen, aus welchen Gründen der Mehrbedarf gestrichen worden sei.
Am 16.01.2006 legte die Klägerin eine Bescheinigung ihrer behandelnden Hausärztin vor, dass sie wegen ihrer Hyperlipidämie lipidsenkende Kost, wegen des bestehenden Diabetes mellitus IIa Diabeteskost, wegen einer Leberinsuffizienz eine eiweißdefinierte Kost, wegen einer Hypertonie eine natriumdefinierte Kost und wegen eines bestehenden Ulcus duodeni Vollkost wegen einer Magen- und Darmerkrankung benötige. Die Klägerin weise bei einer Körpergröße von 158 cm und einem Köpergewicht von 85kg einen BMI (Body Mass Index) von 35 auf.
Die Beklagte lehnte daraufhin die Bewilligung des Mehrbedarfes mit gesondertem Bescheid vom 19.01.2006 ab. Bei dem bestehenden Übergewicht seien die Voraussetzungen für die Gewährung des Mehrbedarfes nicht erfüllt, denn die bestehenden Krankheiten seien im Wesentlichen durch eine Gewichtsreduktion zu bessern, so dass ein Mehrbedarf an Lebensmitteln nicht bestehe.
Im Rahmen des hiergegen erhobenen Widerspruches brachte die Klägerin vor, dass ihr aufgrund orthopädischer Leiden sportliche Aktivitäten nicht möglich seien, so dass sich ihr Übergewicht hieraus erkläre. Die übrigen Erkrankungen stünden - wie ärztlicherseits bescheinigt - in keinem Zusammenhang mit dem Übergewicht.
Mit dem zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 15.03.2006 führte die Beklagte aus, dass ein ernährungsbedingter Mehrbedarf nicht vorliege, wenn die Erkrankung Folge von Übergewicht sei und die Ernährungstherapie vorrangig in der Minderung der Energiezufuhr bestehe.
In einem weiteren Widerspruchsbescheid vom 15.03.2006 wies die Beklagte den Widerspruch in Bezug auf die Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten zurück. Die MOG für die Unterkunftskosten sei - unter Berücksichtigung der Sanierungen in den Jahren seit 1990 - der Baualtersklasse (ab 1977) bis 1990 zuzuordnen, wobei die MOG von 297,00 EUR (einschließlich kalter Nebenkosten) nach den Richtlinien der Stadt A-Stadt um 10 v.H. auf 326,70 EUR zu erhöhen sei, nachdem kein Überangebot an entsprechendem Wohnraum vorhanden sei.
Mit den gegen diese Widerspruchsbescheide am 07.04.2006 zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobenen Klagen hat die Klägerin vorgebracht, dass ihr gesundheitlicher Zustand den Umzug in eine andere Wohnung nicht zulasse (S 5 AS 293/06), so dass die tatsächlichen Unterkunftskosten zu übernehmen seien. Hinsichtlich des Mehrbedarfes (S 5
AS 294/06) hat die Klägerin erneut vorgebracht, dass ihre Erkrankungen nicht allein auf das Übergewicht zurückzuführen seien.
Das SG hat die Klage hinsichtlich der Unterkunftskosten (S 5 AS 293/06) mit Urteil vom 19.10.2006 abgewiesen. Die MOG der Beklagten sei zu berücksichtigen gewesen. Auch sei die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass die Kosten der Unterkunft nur für die Zeit bis 31.12.2005 übernommen würden. Die Wohnung der Klägerin sei auch unangemessen groß und es gebe keinerlei Anhaltspunkte, dass die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen eine so große Wohnung benötige. Darüber hinaus sei auch nicht ersichtlich, dass der Klägerin ein Umzug nicht möglich wäre.
Mit weiterem Urteil vom 19.10.2006 (S 5 AS 294/06) hat das SG die Klage in Bezug auf den geltend gemachten Mehrbedarf ebenfalls abgewiesen. Ein Anspruch bestehe nicht, soweit die Erkrankungen eine Folge des Übergewichtes seien. Dieser Zusammenhang ließe sich nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen belegen. Die Notwendigkeit einer Gewichtsreduktion sei von der behandelnden Hausärztin der Klägerin bereits seit Dezember 2004 bescheinigt worden; gleichwohl sei eine solche auch nach Ablauf eines Jahres nicht zu verzeichnen gewesen. Die vorliegenden Krankheiten, insbesondere die Hyperurikämie, der Diabetes mellitus Typ II und die Fettleberhepatitis seien mit dem ernährungsbedingten Übergewicht in Verbindung zu bringen, so dass in erster Linie eine Reduzierung der Energiezufuhr erforderlich sei. Ein Mehrbedarf lasse sich daher auch nicht nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge begründen, dessen Begutachtungsleitfaden der Charakter eines antizipierenden Sachverständigengutachtens beizumessen sei.
Mit Bescheid vom 15.11.2006 hat die Beklagte - im Hinblick auf den Mietspiegel der Stadt A-Stadt für das Jahr 2006 - für die Zeit ab dem 01.05.2006 (bis 30.06.2006) eine Anhebung der MOG auf 344,00 EUR (einschließlich kalter Nebenkosten) berücksichtigt und der Klägerin Alg II in Höhe von 722,33 EUR bewilligt
Mit den am 07.12.2006 beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegten Berufungen hat die Klägerin geltend gemacht, dass eine Wohnungsgröße bis 60 m² für einen Alleinstehenden angemessen sei (L 11 AS 337/06). Die nach dem Mietspiegel der Stadt A-Stadt vorgegebene Spanne für diese Wohnraumkategorie ende bei 5,70 EUR/m². Insofern sei eine Wohnung mit 342,00 EUR (= 60 m² x 5,70 EUR/m²) noch kostenangemessen Die von der Klägerin gezahlte Miete (ab 01.04.2006: 338,72 EUR) liege darunter. Auch sei für die Frage der Angemessenheit einer Wohnung zu berücksichtigen, dass ein Umzug - auch wenn die Beklagte den Aufwand tragen würde - mit erheblichen Kosten verbunden sei, die in die Gesamtbetrachtung einzustellen seien. Eine Orientierung allein an der Größe einer Wohnung sei insoweit verfehlt. Auch könne auf dem N. Wohnungsmarkt angemessener Wohnraum zu den Vorgaben der Beklagten nicht angemietet werden. Sie habe sich bisher vergeblich um eine kostengünstigere Wohnung bemüht.
Zur Begründung der hinsichtlich des Mehrbedarfes eingelegten Berufung (L 11
AS 338/06) hat die Klägerin vorgetragen, dass das Übergewicht nicht auf falscher Ernährung beruhe, sondern Folge der Erkrankungen sei, so dass eine Reduktion des Gewichtes weder durch "reduzierte Energiezufuhr" noch medikamentös zu behandeln sei. Sie müsse insoweit eine Vielzahl von Speisen und Getränken meiden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichtes A-Stadt vom 19.10.2006 (S 5 AS 293/06) aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 23.12.2005 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 15.03.2006 und des Bescheides vom 15.11.2006 zu verpflichten, der Klägerin für den Zeitraum vom 01.01.2006 bis 31.03.2006 Alg II in Höhe von mindestens 856.- EUR monatlich und für den Zeitraum 01.04.2006 bis 30.06.2006 in Höhe von mindestens 878.- EUR zu gewähren ...
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidungen des SG für zutreffend. Hinsichtlich des Diabetes sei selbst nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins ein Mehrbedarf nicht zu belegen. Auch sei nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin nicht in der Lage gewesen wäre, eine kostenangemessene Wohnung auf dem N. Wohnungsmarkt anzumieten. Ein großer Teil der Leistungsempfänger nach dem SGB II wohne in kostenangemessenen Wohnungen, und auch über das Wohnungsamt der Stadt A-Stadt sei die Anmietung kostengünstiger Wohnungen mit Wartezeiten von 1 bis 1 1/2 Jahren möglich, so dass die Klägerin bei rechtzeitigem Bemühen zwischenzeitlich in einer kostenangemessenen Wohnung wohnen könnte. Die Bemühungen der Klägerin um eine kostenangemessene Wohnung seien ohnehin nicht hinreichend nachvollziehbar dokumentiert.
Zur Frage des Mehrbedarfes wegen der Erkrankungen der Klägerin und der Erstellung eines Kostplanes hat der Senat eine schriftliche Auskunft der behandelnden Hausärztin bzw. deren Praxisnachfolger eingeholt.
Die Klägerin hat eine Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2006 (vom 20.07.2007) vorgelegt.
Nach Hinweis des Senats hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 16.10.2008 ihren Bescheid vom 19.01.2006 - über die gesonderte Ablehnung des Mehrbedarfes - in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2006 aufgehoben und die Klägerin im Übrigen die Berufung (L 11 AS 338/06) gegen das Urteil des Sozialgerichtes A-Stadt (S 5 AS 294/06) zurückgenommen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die gerichtlichen Akten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerechte Berufung ist zulässig, §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG), in der Sache jedoch nur zum Teil begründet.
Die Klägerin hat für den Zeitraum vom 01.01.2006 bis 31.03.2006 Anspruch auf Alg II in Höhe von 801,00 EUR bzw. für den Zeitraum vom 01.04.2006 bis 30.06.2006 in Höhe von 823,00 EUR monatlich. Soweit die Beklagte der Klägerin mit den Bescheiden vom 23.12.2005 bzw. 15.11.2006 (Zeitraum 01.01.2006 bis 30.04.2006 bzw. 01.05.2006 bis 30.06.2006) lediglich Leistungen in Höhe von 705,03 EUR bzw. 722,33 EUR bewilligt hat, sind diese Entscheidungen rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 54 Abs 2 Satz 1 SGG.
Der Leistungsanspruch für den streitgegenständlichen Zeitraum (01.01.2006 bis 30.06.2006) setzt sich zusammen aus der Regelleistung für eine Alleinstehende (345.- EUR) nach § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II sowie den tatsächlichen Kosten der Unterkunft (422,01 EUR bis 31.03.2006 bzw. 444,17 EUR ab 01.04.2006) und Heizung (33,78 EUR) nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, wobei der Gesamtanspruch von 800,79 EUR (bis 31.03.2006) bzw. 822,95 EUR (ab 01.04.2006) aufzurunden ist, § 41 Abs 2 SGB II. Ein Anspruch auf Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung ist nicht zu belegen.
Vorliegend hatte die Klägerin den Streitgegenstand im Verfahren vor dem SG (S 5 AS 293/06) zwar auf die Unterkunftskosten in Bezug auf die Bruttokaltmiete (Mietzins zzgl. kalter Nebenkosten) beschränkt (zur grundsätzlichen Möglichkeit einer Beschränkung vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 in SozR 4-4200 § 22 Nr. 1), allerdings hatte sie in einem - durch die Beklagte veranlassten - Parallelverfahren (S 5 AS 294/06; L 11 AS 338/06) weitergehende Leistungen in Form eines ernährungsbedingten Mehrbedarfes nach § 21 Abs 5 SGB II geltend gemacht, der in dem dortigen Verfahren nicht zuzusprechen war, weil die isolierte Bewilligung einzelner Bedarfe mangels rechtlicher Trennbarkeit der Ansprüche nicht möglich war.
Ebenso wenig wie die Beklagte einen einzelnen (Teil-)Bedarf aus einem rechtlich nicht trennbaren Gesamtanspruch gesondert ablehnen kann, hatte die Klägerin in diesem Verfahren (L 11 AS 338/06) einen Anspruch, dass ihr der begehrte Mehrbedarf im Rahmen einer Verpflichtungsklage zugesprochen wird. Dem Wesen nach hatte es sich bei dem geltend gemachten Anspruch, den Mehrbedarf gesondert (und dauerhaft) zu bewilligen, um eine unzulässige Elementenfeststellungsklage gehandelt.
Die Klägerin hat hierbei im Rahmen einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage neben der Beseitigung eines belastenden Verwaltungsaktes (Beseitigung der Leistungsablehnung) auch die Verpflichtung der Beklagten zu einem den Mehrbedarf nach § 21 Abs 5 SGB II bewilligenden Verwaltungsakt geltend gemacht.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind bei einem Streit um höhere Leistungen grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (vgl nur: BSG, Urteil vom 18.08.2005 in Breith 2006, 345ff mwN), wobei jedoch ein Bescheid im Einzelfall mehrere abtrennbare Verfügungen (Verwaltungsakte i.S. des § 31 SGB X) enthalten (vgl. BSG, Urteil vom 18.08.2005 aaO) kann. Das BSG hat zu den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende bereits auch entschieden, dass eine Entscheidung über die Unterkunftskosten im Rahmen einer Alg II - Bewilligung eine derartige eigenständige, abgrenzbare Verfügung darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 in SozR 4-4200 § 22 Nr. 1)
Hierbei ist jedoch nicht die optische Aufspaltung entscheidend; vielmehr ergibt sich die rechtliche Abtrennbarkeit dieser Verfügungen von den übrigen Verfügungen eines Bewilligungsbescheides aus § 6 Abs 1 SGB II. Danach sind Träger der Leistungen nach dem SGB II die Bundesagentur für Arbeit (BA) und die kreisfreien Städte und Kreise für bestimmte in der Norm selbst bezeichnete Leistungen. Die Zuständigkeit der kommunalen Träger gilt insbesondere für die Leistungen des § 22 SGB II, die also nach der Gesetzessystematik von einem anderen Leistungsträger zu gewähren sind als der BA; diese hat - soweit hier einschlägig - die Regelleistungen und die Leistungen für den Mehrbedarf zum Lebensunterhalt zu erbringen (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 , aaO)
Soweit daher eine Grenze für die Aufteilbarkeit des "Gesamtanspruches" in einzelne Verfügungen gezogen werden kann, verläuft diese Grenze zwischen den Zuständigkeitsbereichen der Träger, jedoch nicht innerhalb dieser Zuständigkeitsbereiche. Dies hat auch das BSG in der Entscheidung vom 18.06.2008 (B 14/7b AS 44/06 R) zum Ausdruck gebracht, indem es darauf hingewiesen hat, dass bei der Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung die Rechtsprechung des BSG zur Berücksichtigung der Warmwasserkosten zu beachten ist, obgleich dies von den Beteiligten im dortigen Verfahren zu keinem Zeitpunkt thematisiert worden war, so dass auch hieraus der Schluss zu ziehen ist, dass über die Leistungen eines Trägers nur einheitlich, ohne Möglichkeit einer rechtlichen Trennung, entschieden werden kann.
Dies hat vorliegend zur Konsequenz, dass die Entscheidung der Beklagten vom 19.01.2006 mangels Rechtsgrundlage keinen Bestand haben konnte. Eine gesonderte Entscheidung über den Mehrbedarf konnte nicht getroffen werden, weil dieser lediglich als ein Berechnungselement des nach § 6 Abs 1 Nr. 1 SGB II durch die BA zu deckenden Gesamtbedarfes der Klägerin anzusehen ist.
Die Entscheidung der Beklagten vom 19.01.2006 hatte sich auch nicht in sonstiger Weise erledigt (§ 39 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X), weil über die Frage des Mehrbedarfes im Parallelverfahren (L 11 AS 337/06) bezüglich des Gesamtanspruches zu entscheiden ist, nachdem die Bewilligung des Mehrbedarfes bereits mit Bescheid vom 23.12.2005 (inzident) abgelehnt worden war.
Soweit die ablehnende Entscheidung vom 19.01.2006 in Bestandskraft erwachsen wäre, hätte sie über den im Verfahren L 11 AS 337/06 streitigen Leistungszeitraum (01.01.2006 bis 30.06.2006) hinaus zumindest den Rechtsschein einer dauerhaften Ablehnung eines Mehrbedarfes manifestiert, auch wenn mit den Bewilligungsbescheiden für die folgenden Leistungszeiträume (ab dem 01.07.2006) der Mehrbedarf inzident jeweils abgelehnt worden ist, und der ablehnende Bescheid vom 19.01.2006 durch die folgenden (Teil-) Ablehnungen lediglich eine rechtlich begrenzte Wirkungsdauer bis 30.06.2006 entfaltet hat (vgl. zur Begrenzung des Streitgegenstandes durch nachfolgenden Ablehnungsbescheide BSG, Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b 59/06 R). Diesen Rechtsschein galt es mit der Aufhebung des Bescheides vom 19.01.2006 - wie in der mündlichen Verhandlung durch die Beklagte geschehen - zu beseitigen.
Im Rahmen der unter dem Aktenzeichen L 11 AS 337/06 geführten Berufung war daher über den gesamten Leistungsanspruch der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.01.2006 bis 30.06.2006 zu entscheiden. Zwar ist eine Beschränkung des Streitgegenstandes möglich. Aus Gründen der Rechtsklarheit und im Hinblick darauf, dass ein Leistungsempfänger im Zweifel das Günstigste für sich begehrt, ist jedoch eine unzweifelhafte und ausdrückliche Erklärung des Betroffenen erforderlich (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 aaO), die jedoch im Hinblick auf die erstinstanzlichen Entscheidungen nicht vorliegt, so dass sich die Klägerin nicht an dieser Beschränkung festhalten lassen muss.
In diesem Zusammenhang war auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin zwar allein höhere Aufwendungen für die Bruttokaltmiete streitig gestellt hat, jedoch ist insoweit eine Aufspaltung zwischen Kosten der Unterkunft und Heizung nicht möglich (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2008, B 14/7b AS 44/06 R).
Im Rahmen des Klagebegehrens, höhere Unterkunftskosten zu erhalten, war daher zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen - auch wenn sie dies nicht ausdrücklich gerügt hat - dass ein pauschaler Abzug von 1/6 (= 6,67 EUR) der von der Klägerin zu entrichtenden Heizkostenpauschale (40,00 EUR) für die Warmwasserzubereitung rechtswidrig ist, und lediglich der in der Regelleistung enthaltene Anteil von 6,22 EUR Berücksichtigung finden kann (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 14/11b AS 15/07). Die Klägerin hat daher im streitgegenständlichen Zeitraum Anspruch auf die Berücksichtigung von Kosten der Beheizung in Höhe von 33,78 EUR (= 40,00 EUR - 6,22 EUR).
Darüber hinaus hat die Klägerin für den Zeitraum vom 01.01.2006 bis 30.06.2006 Anspruch auf Übernahme ihrer tatsächlichen Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 422,01 EUR (bis 31.03.2006) bzw. 444,17 EUR (ab 01.04.2006).
Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs 1 SGB II idF des Gesetzes vom 23.12.2003).
Maßgebliche Kriterien für die Angemessenheit von Mietaufwendungen für eine Unterkunft sind die Wohnraumgröße, der Wohnort und der Wohnungsstandard. Angemessen im Sinne des § 22 SGB II sind die Unterkunftskosten nur dann, wenn die Wohnung nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist. Diese Einschränkung ergibt sich aus dem Zweck der Grundsicherung für Arbeitssuchende, nur den notwendigen Bedarf sicher zu stellen. Die Wohnung muss hinsichtlich der maßgeblichen Kriterien, die als den Mietpreis bildende Faktoren in der Regel im Quadratmeterpreis ihren Niederschlag finden, im unteren Segment der nach Größe der in Betracht kommenden Wohnungen in dem räumlichen Bezirk liegen, der den Vergleichsmaßstab bildet. Bei der Bestimmung des maßgeblichen örtlichen Wohnungsmarktes zur Festlegung der abstrakten Angemessenheitsgrenze ist vorrangig auf den Wohnort des Hilfebedürftigen abzustellen, weil ein Umzug in einen anderen Wohnort, der mit einer Aufgabe des sozialen Umfeldes verbunden wäre, in der Regel von ihm nicht verlangt werden kann (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R in SozR 4-4200 § 22 Nr. 2).
Die angemessene Höhe der Unterkunftskosten ergibt sich sodann als Produkt aus der für den Leistungsempfänger abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins pro Quadratmeter ("Produkttheorie"). Das bedeutet, dass nicht jeder einzelne Faktor wie Wohnungsgröße, Ausstattungsstandard oder Quadratmeterpreis für sich isoliert angemessen sein muss, weil es im Ergebnis allein auf die Kostenbelastung des Grundsicherungsträgers ankommt. Entscheidend ist daher das Ergebnis aus der Quadratmeterzahl und der Miete je Quadratmeter, sodass der Hilfebedürftige sich bei einem besonders günstigen Mietzins auch eine größere Wohnung leisten oder Ausstattungsmerkmale mit gehobenem Wohnstandard durch andere Elemente ausgleichen kann, wenn die Unterkunftskosten im Ergebnis noch angemessen sind (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24.04.2007 - L 7 AS 494/05 in info also 2007, 178-182).
Vorliegend hat die Beklagte die für die Frage der Angemessenheit wesentlichen wertbildenden Faktoren, die Höhe des Mietpreises je Quadratmeter einschließlich der hierauf entfallenden Nebenkosten sowie die Größe des als angemessen zu beanspruchenden Wohnraumes nicht schlüssig ermittelt.
Hinsichtlich der Mietpreises je Quadratmeter stellt die Beklagte zwar auf den für die Stadt A-Stadt erstellten (qualifizierten) Mietspiegel ab, der eine Differenzierung nach Größe (z.B. 40 m² bis unter 60 m²) und Wohnstandard (einfach/ mittel/ gut) vorgibt, und insofern den Vorgaben des Bundessozialgerichtes an eine hinreichende Datengrundlage entspricht, die der Grundsicherungsträger der Ermittlung der abstrakt angemessenen Unterkunftskosten zugrunde zu legen hat (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R), denn hierdurch ist hinreichend gewährleistet, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden.
Das hieraus vom kommunalen Träger der Beklagten abgeleitete Konzept zur Bemessung der abstrakt angemessenen Unterkunftskosten erweist sich jedoch aus Sicht des Senates bereits in Bezug auf die Höhe des ermittelten Quadratmeterpreises als unschlüssig und kann daher einer Angemessenheitsbetrachtung nicht zugrunde gelegt werden.
Der kommunale Träger der Beklagten differenziert die MOG - als Ausdruck der abstrakt angemessenen Unterkunftskosten - exakt an den Vorgaben des Mietspiegels, die jedoch auch eine Differenzierung nach Baualtersklassen vorsehen, so dass auch die MOG nach diesen Baualtersklassen differenziert werden.
Die Unterscheidung nach Baualtersklassen begegnet jedoch bereits deshalb Bedenken, weil hier eine sachwidrige Bevorzugung von Leistungsempfängern nicht auszuschließen ist, die einen Neubau (ab 1977 bzw. ab 1991) bewohnen, denn der Mietspiegel der Stadt A-Stadt weist für diese Baualtersklassen nur noch einen normalen (und guten) Wohnraumstandard aus, der einem Leistungsempfänger nach dem SGB II nicht ohne weiteres zuzubilligen ist.
Wesentlicher Kritikpunkt ist jedoch der Umstand, dass innerhalb der Baualtersklassen angemessener Wohnraum unterschiedslos jeweils in den unteren 2/5 des Mietpreissegmentes der jeweiligen Baualtersklasse angesiedelt wird, ohne dafür den Beleg dafür zu erbringen, dass dieser - als angemessen angesehener Wohnraum - vergleichbar ist und nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz lediglich einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist.
Insofern gibt es keinen Anhaltspunkt, dass der Wohnstandard eines Altbaus, dessen Mietpreis je Quadratmeter am unteren Ende des Mietspiegels angesiedelt ist, mit dem
eines Neubaus am unteren Ende des Mietpreissegmentes identisch ist, und der im Mietspiegel zum Ausdruck kommende Preisunterschied lediglich durch das Alter des Gebäudes zu begründen wäre.
In aller Regel rechtfertigt sich eine Preisdifferenz auf dem Wohnungsmarkt allein durch den Wohnstandard, der in einem Neubau regelmäßig höher sein wird als in einem Altbau, so dass aus einer Preisdifferenz zwischen den Baualtersklassen allein zwanglos auf einen höheren Wohnstandard in Neubauten geschlossen werden kann. Hinsichtlich des Wohnstandards sind in die Angemessenheitsbetrachtung jedoch nur Unterkünfte einzustellen, die nach Lage, Wohnsubstanz und Erhaltungszustand, Zuschnitt der Räume (inkl. Besonnung und Belüftung) und Ausstattung (z.B. Sanitäranlagen, Heizung) für ein "einfaches und bescheidenes Leben" erforderlich, aber auch hinreichend sind und einem bescheidenen Ausstattungsstandard entsprechen (vgl. Berlit in LPK- SGB II, 2.Aufl. § 22 Rn.31). Demzufolge ist für das Mietzinsniveau, das auch Ausdruck des Wohnstandards ist, nicht auf den jeweiligen Durchschnitt aller gezahlten Mietpreise abzustellen, sondern auf den unteren (nicht jedoch den untersten) Bereich der marktüblichen Wohnungsmieten für Wohnungen angemessener Größe (vgl. Berlit aaO § 22 Rn. 32; Lang/Link in Eicher/ Spellbrink, SGB II, 2.Aufl., § 22 Rn.45 mit Rechtsprechungsnachweisen). In der Folge ist daher der Schluss zu ziehen, dass im Wesentlichen der Mietpreis je Quadratmeter als brauchbares Differenzierungskriterium zur Bestimmung des Wohnstandards herangezogen werden kann.
Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen erweist sich das Konzept des kommunalen Trägers der Beklagten als unschlüssig, weil es eine sachwidrige Ungleichbehandlung zugunsten der Leistungsempfänger in Neubauten manifestiert, denen - im Hinblick auf die dort als angemessen angesehenen Mietpreise je Quadratmeter - ein unangemessener Wohnstandard zugebilligt werden dürfte, wohingegen den Leistungsempfängern in Altbauten, die ohnehin - aufgrund des Alters des Wohngebäudes - einen abgesenkten Wohnstandard hinnehmen, in einem Bereich der Kostenangemessenheit angesiedelt werden, der möglicherweise nicht den gesamten unteren Bereich des Wohnungsmarktes erfasst.
Hierzu ist beispielhaft darauf zu verweisen, dass die Beklagte in der Wohnraumgröße von 40 m² bis unter 60 m² für Altbauten (bis 1959) einen Quadratmeterpreis von 5,49 EUR als angemessen erachtet, wobei das Marktsegment von 4,75 EUR/m² bis 7,05 EUR/m² reicht, so dass den Leistungsempfängern allenfalls das untere ? des Marksegmentes zugänglich ist, wobei der Wohnstandard von einfach bis gut erfasst wird. Demgegenüber werden bei Neubauten (ab 1991) 6,78 EUR/m² berücksichtigt, so dass - bei einer Preisspanne von 6,30 EUR/m² bis 7,50 EUR/m² - ca. 4/10 des Marktsegmentes eröffnet werden, wobei ein einfacher Wohnstandard in dieser Baualtersklasse gar nicht mehr angeboten wird.
Wesentlich deutlicher kommt die Ungleichbehandlung in der Wohnraumgröße von über
80 m² zum Tragen. Dort weist die Beklagte für Altbauten (bis 1959) einen Quadratmeterpreis von 5,01 EUR als angemessen aus, so dass bei einer Preisspanne von 4,75 EUR/m² bis 6,15 EUR/m² lediglich das untere 1/6 des Marktsegmentes für normalen Wohnraum und nur die untere Hälfte des Marktsegmentes (Preisspanne von 4,35 EUR/m² bis 5,65 EUR/m²) für einfachen Wohnraum zugänglich sind, wohingegen der angemessene Mietpreis für Neubauten (bis 1991) von 6,39 EUR/m² auch den Zugang zu gutem Wohnraum (6,20 EUR/m² bis 8,65 EUR/m²) ermöglicht.
Im Ergebnis ist daher kein Konzept zu erkennen, dass der von der Beklagten berücksichtigte Mietpreis je Quadratmeter als Ausdruck eines für einen Empfänger von Grundsicherungsleistungen angemessenen Wohnstandards angesehen werden kann.
Im weiteren hat die Beklagte bei der Ermittlung der abstrakt angemessenen Unterkunftskosten, die sich aus dem Produkt des Bruttomietzinses und der für einen Alleinstehenden angemessenen Wohnfläche ergibt, auch zu Unrecht darauf abgestellt, dass lediglich 45 m² als angemessener Wohnraumbedarf für eine alleinstehende Person anzusehen
wäre.
In der Rechtssprechung des Bundessozialgerichtes (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 - Az. B 7b AS 10/06 R) und in der Literatur (vgl. Lang/Link aaO, § 22 Rn.43) ist mittlerweile anerkannt, dass für die Frage des angemessenen Wohnraumbedarfes auf die landesrechtlichen Vorschriften zur Förderung des sozialen Wohnungsbaues abzustellen ist, und somit in Bayern eine Wohnfläche von bis zu 50 m² für eine Person noch als größenangemessen angesehen werden muss (Vgl. BSG, aaO; Nr. 81.1 (Angemessene Wohnfläche) der Wohnraumförderungsbestimmungen 2003 für den Freistaat Bayern, Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 11.11.2002, AllMBl 2002 S. 971 fortgeführt durch Nr. 20.2 der Wohnraumförderungsbestimmungen 2008 vom 04.12.2007, AllMBl 2007 S. 673).
Im Ergebnis ist daher nicht zu belegen, dass die von der Beklagten vorgegebene MOG (bis 30.04.2006: 326,70EUR - ab 01.05.2006: 344,00 EUR) in zutreffender Weise die für die Klägerin abstrakt angemessene Unterkunftskostenhöhe darstellt.
Die Höhe der tatsächlich angemessenen Unterkunftskosten kann vorliegend jedoch offen bleiben, - auch wenn die Beklagte ein schlüssiges Konzept zu einer einheitlichen MOG noch zu entwickeln haben wird - denn die Klägerin hat für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.01.2006 bis 30.06.2006 Anspruch auf die Übernahme ihrer tatsächlichen Unterkunftskosten.
Die von der Klägerin bewohnte Wohnung ist mit 67,66 m² - unter Berücksichtigung der Wohnraumförderungsbestimmungen 2003 bzw. 2008 - für eine Person unangemessen groß, und die Klägerin hat - trotz gerichtlicher Hinweise im Erörterungstermin am 28.01.2008 - keine Gesichtspunkte vorgetragen, die einen höheren Wohnbedarf rechtfertigen könnten, und für den Senat sind solche Aspekte auch nicht erkennbar.
Gleichwohl hat die Klägerin - zumindest für den streitgegenständlichen Leistungszeitraum vom 01.01.2006 bis 30.06.2006 - Anspruch auf die Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten in Höhe von 422,01 EUR bis 31.03.2006 bzw. in Höhe 444,17 EUR ab 01.04.2006.
Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass die Struktur des Wohnungsmarktes in A-Stadt der Klägerin tatsächlich auch die konkrete Möglichkeit eröffnet hat, eine abstrakt als angemessen eingestufte Wohnung konkret auf dem Wohnungsmarkt anmieten zu können (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 07.11.2006 in SozR 4-4200 § 22 Nr. 3 unter Hinweis auf BVerwGE 97, 110, 115 ff; BVerwGE 101, 194, 198 ff zur sog Unterkunftsalternative).
Hierbei kommt es zwar nicht darauf an, dass eine bestimmte Zahl von Unterkunftsalternativen zur Verfügung steht. Allerdings muss der Hilfeempfänger eine realistische Chance haben, auf dem Wohnungsmarkt eine solche anmieten zu können (vgl. Lang/Link aaO § 22 Rn. 45d ).
Vorliegend bestand für die Klägerin - im streitgegenständlichen Zeitraum - eine solche konkrete Unterkunftsalternative jedoch nicht.
Zum einen hat die Beklagte die Klägerin auf eine unzutreffende abstrakte Angemessenheitsgrenze verwiesen, so dass diese nicht in der Lage war, sich nach einer geeigneten Wohnung umzusehen. Erschwerend ist in diesem Zusammenhang hierbei auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte die Klägerin erstmals mit der Erteilung des Bewilligungsbescheides vom 23.12.2005 auf die - nach Auffassung der Beklagten - maßgebliche MOG hingewiesen hat.
Die Beklagte hatte die Klägerin zwar mit Schreiben vom 16.06.2005 auf eine MOG von 250,00 EUR hingewiesen. Im folgenden Verwaltungsverfahren - bis zur Erteilung des Bescheides am 23.12.2005 - war die Klägerin jedoch im Unklaren gelassen worden, ob die von ihr beigebrachten Nachweise und Erklärungen ausreichen würden, um weiterhin eine Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten für die Zeit ab dem 01.01.2006 durch die Beklagte sicher zu stellen. Die Beklagte hatte die Klägerin mit dem Schreiben vom 16.06.2005 zwar auf die Unangemessenheit der Unterkunftskosten hingewiesen und zu einer Stellungnahme aufgefordert. Jedoch blieb das Vorbringen der Klägerin im Schreiben vom 25.06.2006 seitens der Beklagten ohne Reaktion, so dass die Klägerin keine Veranlassung haben musste, sich weitergehend um kostengünstigeren Wohnraum zu bemühen.
Zum anderen hat die Beklagte selbst keine Unterkunftsalternativen aufzeigen können. Trotz gerichtlicher Aufforderung, eine Stellungnahme zum Vorbringen fehlender Unterkunftsalternativen abzugeben, hat die Beklagte nur darauf verwiesen, dass in der Stadt A-Stadt eine "Vielzahl" von Leistungsempfängern nach dem SGB II in kostenangemessenen Unterkünften untergebracht seien. Hierbei verkennt die Beklagte, dass sie die Beweislast für das Vorhandensein einer konkret angemessenen Unterkunftsalternative zu tragen hat, und ein Hilfeempfänger ohne die konkrete Möglichkeit angemessenen Wohnraum anmieten zu können, objektiv keine Suchaktivität entwickeln kann und dies daher auch nicht muss (vgl. Lang/Link aaO § 22 Rn.45d).
Unabhängig davon, dass die Klägerin nach dem gesamten Verhalten der Beklagten bis zur Bescheiderteilung am 23.12.2005 keine Veranlassung hatte, die Kostenangemessenheit ihrer Wohnung in Zweifel zu ziehen, kann auch dahinstehen, ob die von der Klägerin im streitgegenständlichen Leistungszeitraum entwickelten Bemühungen und die hierfür erbrachten Nachweise über die Suche einer kostenangemessenen Unterkunft als hinreichend angesehen werden können, und ob sich die Klägerin nicht hinreichend intensiv um eine neue Wohnung bemüht habe. Die Beklagte selbst räumt ein, dass über das Wohnungsamt der Stadt A-Stadt zwar (nach ihrer Auffassung) kostenangemessene Wohnungen angemietet werden konnten; allerdings waren auch hier Wartezeiten von 1 bis
1 1/2 Jahren hinzunehmen, so dass es im Ergebnis - im Zeitraum vom 01.01.2006 bis 30.06.2006 - keine konkret und aktuell zur Verfügung stehenden Unterkunftsalternativen gab, was im wesentlichen auf den Umstand zurückzuführen sein dürfte, dass die Beklagte - zumindest für den Personenkreis der Alleinstehenden - auch unter Berücksichtigung des zu knapp bemessenen Wohnraumes von einer unzutreffenden Angemessenheitsgrenze ausgegangen war.
Besteht eine konkrete Unterkunftsalternative in diesem Sinne nicht, sind die Aufwendungen für die tatsächlich gemietete Unterkunft - zumindest vorübergehend - als konkret angemessen anzusehen (BVerwG, aaO). Die Beklagten hat daher - einschließlich der Mieterhöhung zum 01.04.2006 - die Unterkunftskosten der Klägerin in tatsächlicher Höhe für den Zeitraum 01.01.2006 bis 30.06.2006 zu übernehmen.
Diese Unterkunftskosten (422,01 EUR bzw. 444,17 EUR) setzen sich hierbei zusammen aus der Nettokaltmiete von 316,56 EUR (bis 31.03.2006) bzw. 338,72 EUR (ab 01.04.2006), die mit Schreiben des Vermieters vom 19.01.2006 (Bl. 104 dA)
nachgewiesen sind, und den tatsächlichen Betriebskosten in Höhe von 105,45 EUR
(= 1.265,38 EUR: 12) monatlich, die sich aus der Betriebskostenabrechnung vom 20.06.2007 (Bl.76 LSG- Akte) für das Jahr 2006 ergeben.
Im Ergebnis hat die Klägerin im streitgegenständlichen Leistungszeitraum vom 01.01.2006 bis 30.06.2006 - lt. folgender Berechnung - Anspruch auf Alg II in Höhe von monatlich 800,79 EUR (bis 31.03.2006) bzw. 822,95 EUR (ab 01.04.2006), der aufzurunden ist, § 41 Abs 2 SGB II.
von 01.01.06 von 01.04.06
bis 31.03.06 bis 30.06.06
Regelleistung EUR 345,00 EUR 345,00
Mehrbedarf EUR - EUR -
Miete EUR 316,56 EUR 338,72
Nebenkosten EUR 105,45 EUR 105,45
Heizkostenpauschale EUR 40,00 EUR 40,00
abzgl. Warmwasser EUR 6,22 EUR 6,22
Heizung EUR 33,78 EUR 33,78
Gesamt EUR 800,79 EUR 822,95
Ein Anspruch für einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung war demgegenüber im streitgegenständlichen Leistungszeitraum vom 01.01.2006 bis 30.06.2006 nicht zu berücksichtigen, denn es ist nicht zu belegen, dass die Klägerin einen solchen Bedarf hat.
Erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, erhalten einen Mehrbedarf in angemessener Höhe, § 21 Abs 5 SGB II. Bei dem Begriff der "angemessenen Höhe" des Mehrbedarfs handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Ausfüllung in vollem Umfang der rechtlichen Überprüfung durch das Gericht unterliegt (vgl. Behrend in LPK- SGB II, 2. Aufl., § 21 Rn 42; Lang/Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 21 Rn 57).
Die bisherige Praxis und Rechtsprechung zur früheren Parallelvorschrift des § 23 Abs 4 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) hat sich hinsichtlich der Kostformen und der diesbezüglich diagnostizierten Erkrankungen vor allem an den "Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge für die Gewährung von Krankenkostzulagen"
(Empfehlungen des Deutschen Vereins) orientiert (Lang/Knickrehm aaO § 21 Rn.52;
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 13.10.2003 - 12 LA 385/03 - FEVS 55, 359; Adolph in Linhart/Adolph, SGB II, SGB XII, Asylbewerberleistungsgesetz, Stand Januar 2008, § 30 SGB XII Rn. 14; Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 15. Aufl. 1997, § 23 Rn. 34).
Hierauf hat auch der Gesetzgeber bei der Einführung des § 21 Abs 5 SGB II abgestellt (Vgl. BT- Drucksache 15/1516 S.57) und eine anderweitige Ermittlung eines Mehrbedarfes lediglich in den Fällen als geboten erachtet, in denen neuere wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen. Dies folgte der generellen Anknüpfung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II an das Referenzsystem der Sozialhilfe (vgl. BT-Drucks 15/1516 S 46, 56). Bei der Erstellung der "Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe" des Deutschen Vereins haben Wissenschaftler aus medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Fachbereichen zusammengearbeitet, die medizinisch notwendigen Ernährungsformen bei verschiedenen Krankheiten festgestellt und die Kostenunterschiede zur "Normalernährung" ermittelt (Empfehlungen des Deutschen Vereins, 2. Aufl. 1997 (Empfehlungen 97), S 6).
Die Pauschalbeträge für die krankheitsbedingten Mehrbedarfe wurden mit Hilfe der Deutschen Gesellschaft für Ernährung auf der Basis eines Schemas der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin entwickelt (Empfehlungen 97 S 10).
Auch hat das BVerfG im Jahr 2006 noch ausgeführt, dass es sich bei den Empfehlungen des Deutschen Vereines um gleichsam antizipierende Sachverständigengutachten handeln würde, die zwar keine Normqualität besitzen, im Interesse der gleichmäßigen Rechtsanwendung jedoch wie untergesetzlichen Normen von den Gerichten anzuwenden seien und nicht ohne Darlegung der eigenen Sachkunde unbeachtet gelassen werden könnten (Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.06.2006 - 1 BvR 2673/05 in info also 2006, 279).
Die Empfehlungen wurden erstmals 1974 herausgegeben und befanden sich während des streitgegenständlichen Leistungszeitraumes auf dem Stand des Jahres 1997, wobei deren Überarbeitung zum 01.10.2008 abgeschlossen wurde.
Nach dem Inkrafttreten des SGB II wurde - im Hinblick auf neuere wissenschaftliche Erkenntnisse und die fehlenden Aktualität der Empfehlungen 97 - insbesondere in der Rechtsprechung auf neuere Begutachtungsleitfäden abgestellt (vgl. etwa Schleswig-Holsteinisches LSG, FEVS 57, 412 ff; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10.01.2008 - L 9 AS 605/07 ER), vor allem auf den des Arbeitsausschusses der Sozialdezernenten Westfalen-Lippe und des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe. Der "Begutachtungsleitfaden des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung (Krankenkostzulage) gemäß § 23 Abs. 4 BSHG (jetzt: § 30 Abs 5 SGB XII)" aus dem Jahr 2002 (Begutachtungsleitfaden des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe), der von einer Arbeitsgruppe aus Ärztinnen und Ärzten aus Gesundheitsämtern in vier Bundesländern erstellt wurde, kritisierte, dass die Empfehlungen 97 in einigen Punkten nicht mehr dem Stand der Wissenschaft entsprächen und manche Erkenntnisse nicht folgerichtig umgesetzt seien. Dementsprechend fanden sich im Begutachtungsleitfaden des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe zum Teil von den Empfehlungen 97 abweichende Bewertungen. Das galt auch für das "Rationalisierungsschema 2004" des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner (BDME - Rationalisierungsschema 2004).
Auch das BSG hatte hierzu bereits festgestellt, dass man nicht mehr davon ausgehen könne, die Empfehlungen des Deutschen Vereins aus dem Jahr 1997 würden in allen Punkten allgemeine und im Wesentlichen unumstrittene aktuelle Erfahrungswerte wiedergeben. (vgl. BSG, Urteil - 27.02.2008 - B 14/7b AS 64/06 R), nachdem die Empfehlungen aus dem Jahr 1997 datierten, sich auf Gutachten aus den Jahren 1991 bis 1996 stützten und die inzwischen eingetretenen Entwicklungen nicht durch eine Aktualisierung nachvollzogen hatten.
Mittlerweile hat aber auch der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. (DV) seine "Empfehlungen zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe" überarbeitet und am 01.10.2008 verabschiedet (Empfehlungen 2008).
Hierbei konzentrieren sich die Empfehlungen 2008 zum Einem auf die Prüfung, ob eine sogenannte "Vollkost" aus dem Eckregelsatz zu finanzieren ist, wobei Vollkost als eine Kost anzusehen ist, die (1.) den Bedarf an essenziellen Nährstoffen deckt, (2.) in ihrem Energiegehalt den Energiebedarf berücksichtigt, (3.) Erkenntnisse der Ernährungsmedizin zur Prävention und auch zur Therapie berücksichtigt und (4.) in ihrer Zusammensetzung den üblichen Ernährungsgewohnheiten angepasst ist, soweit Punkt 1.-3. nicht tangiert werden (Empfehlungen 2008, S. 16).
Zur Frage der Finanzierbarkeit einer Vollkost wurden u.a. die Bemessungsgrundlagen aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS 2003) analysiert, die die Datenbasis für die Festsetzung der Regelsätze 2007 bilden (Empfehlungen 2008, S. 4). Eine in diesem Zusammenhang bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in Auftrag gegebene Studie hat hierbei ergeben, dass sich der Bedarf eines Erwachsenen an Vollkost mit einem durchschnittlichen Aufwand von 43,46 EUR wöchentlich, also 6,21 EUR täglich decken ließe. Nachdem das fürsorgerechtliche Ziel auf die Sicherung eines soziokulturellen Existenzminimums beschränkt sei und nicht die Gewährleistung eines durchschnittlichen Lebensstandards zum Gegenstand habe, sei ein solcher Mittelwert nicht der relevante Bezugspunkt. Bei einer "preisbewussten Einkaufsweise" sei eine Vollkost mit einem Aufwand von ca. vier Euro täglich zu finanzieren, so dass eine gesunde und aus ernährungswissenschaftlicher Sicht auch allen Menschen ohne besondere diätetische Anforderungen empfohlene Ernährung aus dem Regelsatz finanzierbar ist, wenn die Preise der eingekauften Lebensmittel im unteren Viertel der Preisstreuung liegen (Empfehlungen 2008, S. 17, 19 mwN).
Zum Anderen hat der DV in seinen Empfehlungen 2008 die geänderten diätetischen Grundlagen des "Rationalisierungsschema 2004" des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner (BDME - Rationalisierungsschema 2004) nachvollzogen (Empfehlungen 2008, S. 15f) und für eine Vielzahl von Krankheiten eine Vollkost als diätetisch ausreichend angesehen, für die nach den Empfehlungen 97 noch besondere Kostformen vorgesehen waren. Demnach ist in der Regel für Erkrankungen wie Hyperlipidämie (Erhöhung der Blutfette), Hypertonie (Bluthochdruck), eine Leberinsuffizienz, Ulcus duodeni (Geschwür am Zwölffingerdarm) oder Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit - Typ II und Typ I, konventionell und intensiviert konventionell behandelt) ein krankheitsbedingt erhöhter Ernährungsaufwand zu verneinen (Empfehlungen 2008, S. 10).
Unter Beachtung dieser rechtlichen Vorgaben ist ein medizinisch bedingter Ernährungsmehraufwand der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.01.2006 bis 30.06.2006 nicht zu belegen.
Die Klägerin litt zu Beginn des maßgeblichen Bewilligungszeitraumes Anfang 2006 ausweislich der ärztlichen Bescheinigung vom Januar 2006 an Hyperlipidämie, Diabetes mellitus Typ IIa, einer Leberinsuffizienz, Hypertonie und einem Ulcus duodeni. Die Klägerin wies bei einer Körpergröße von 158 cm und einem Köpergewicht von 85kg einen BMI (Body Mass Index) von 35 auf.
Bereits bei der erstmaligen Beantragung von Leistungen nach dem SGB II war der Klägerin am 16.12.2004 bescheinigt worden, dass sie an Hyperurikämie, Hypertonie und Diabetes mellitus Typ IIb leide. Bei einem Köpergewicht von 86 kg und einer Körpergröße von 160 cm war ihr seitens der behandelnden Ärztin eine purinreduzierte Diabetes- Reduktionskost sowie eine Gewichtsreduzierung auf 76 kg auferlegt worden.
Im Hinblick auf die im Jahr 2006 bestehenden Krankheiten lässt sich - auch angesichts des attestierten Übergewichtes (bei einem BMI von 35) und der Auflage einer Reduktionskost - nach allgemein wissenschaftlichen Erkenntnissen kein Ernährungsmehraufwand der Klägerin belegen.
In Bezug auf den bei der Klägerin bestehenden Diabetes mellitus - bei attestiertem Übergewicht - Typ IIb sahen bereits die Empfehlungen 97 des Deutschen Vereines (Erläuterungen zu Rn.3 (S.23) und Rn.5 (S.26): Lang/Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2.Aufl., § 21 Rn. 53) keinen finanziellen Aufwand für Ernährungsmehrbedarf vor, ebenso wie der Begutachtungsleitfaden des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (S.10 Nr.4; S. 13). Bei ärztlicher Verordnung einer Reduktionskost wegen eines bestehenden Übergewichts entstehe kein finanzieller Aufwand für Ernährungsmehrbedarf, weil die Gewichtsnormalisierung im Vordergrund stehe, und die erforderliche Reduktionskost - durch Verminderung der Energiezufuhr - lediglich unter besonderer Berücksichtigung des Kohlenhydratanteils zu erfolgen habe (vgl. auch BDME - Rationalisierungsschema 2004 S.4).
Insofern lässt sich nach allgemein gültigen wissenschaftlichen Erkenntnissen - nunmehr auch nachvollzogen in den Empfehlungen 2008 - ein krankheitsbedingter Ernährungsmehrbedarf der Klägerin in Bezug auf den Diabetes mellitus Typ II nicht belegen.
Der Senat hat keine Veranlassung die Empfehlungen 2008 für Sachverhalte, die vor dem 01.10.2008 liegen, außer Betracht zu lassen. Auch wenn die Empfehlungen erst am 01.10.2008 durch den DV verabschiedet worden sind, fassen sie die ernährungsmedizinischen und ernährungswissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten Jahre seit dem BDME - Rationalisierungsschema 2004 bzw. dem Begutachtungsleitfaden des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe aus dem Jahr 2002 zusammen und vollziehen diese nach. Darüber hinaus quantifiziert der DV - auf der Grundlage der EVS 2003, die der Regelleistungsbemessung zugrunde gelegt worden ist - den Kostenaufwand, der heute durch eine kostenangemessene Vollkosternährung entsteht, so dass - bedingt durch den Umstand, dass Erhöhung die Regelleistung mit der Inflation seit dem Jahr 2005 nicht Schritt gehalten hat - bereits ab dem Inkrafttreten des SGB II anzunehmen ist, der in der Regelleistung enthaltende Anteil für Ernährung reiche aus, um die Versorgung mit einer gesunden, ausgewogenen und erkrankungsadäquaten Vollkost sicher zu stellen.
Mit der Heranziehung der Empfehlungen 2008 auf in der Vergangenheit liegende Sachverhalte ist auch nicht der rechtsstaatliche Grundsatz des Rückwirkungsverbotes tangiert.
Die Grenzen, die das Grundgesetz für rückwirkende belastende Eingriffe in bestehende subjektive Rechte zieht, ergeben sich aus dem das Grundgesetz durchwaltenden Rechtsstaatsprinzip. Zu den wesentlichen Elementen des Rechtsstaatsprinzips gehört die Rechtssicherheit (BVerfGE 7, 89 (92 f.); 13, 261 (271)). Sie gebietet, dass der rechtsunterworfene Bürger nicht durch die rückwirkende Beseitigung erworbener Rechte über die Verlässlichkeit der Rechtsordnung getäuscht wird (vgl. BVerfGE 24, 75 (98)). Er soll die ihm gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen können, sich dementsprechend einrichten und darauf vertrauen dürfen, dass sein dem jeweils geltenden Recht entsprechendes Verhalten auch fernerhin von der Rechtsordnung als Rechtens anerkannt bleibt (vgl. BVerfGE 13, 261 (271)). Der Bürger soll sich grundsätzlich darauf verlassen dürfen, dass der Gesetzgeber an abgeschlossene Tatbestände nicht ungünstigere Folgen knüpft, als im Zeitpunkt der Vollendung dieser Tatbestände anhand der geltenden Rechtsordnung vorhersehbar war (vgl. BVerfGE 15, 313 (324)).
Vorliegend handelt es sich bei den Empfehlungen 2008 des DV jedoch nicht um Rechtsnormen, die in eine erworbene Rechtsposition der Klägerin eingreifen, denn auch das BVerfG hat den (Vorgänger-)Empfehlungen des DV einen wie auch immer gearteten Rechtsnormcharakter abgesprochen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.06.2006 aaO). Die Empfehlungen stellen lediglich eine Sammlung von Erfahrungssätzen dar, welche medizinischen und tatsächlichen Bewertungsmaßstäbe zu beachten sind, um einen erkrankungsbedingten Ernährungsmehraufwand quantifizieren zu können.
Dies ist jedoch eine Frage der tatsächlichen Gegebenheiten und des Standes der medizinischen Wissenschaft. Vorliegend hat der DV die seit dem Jahr 2002 aufgekommene Kritik an seinen vorhergehenden Empfehlungen 97 aufgegriffen und diese Kritik nachvollzogen. Insofern ist hieraus der Schluss zu ziehen, dass der DV sich zumindest seit der Erstellung des BDME - Rationalisierungsschema 2004, auf dass sich der DV auch im Wesentlichen stützt, die neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Eigen gemacht hat.
Die nunmehr erfolgte Zusammenfassung der bereits seit dem Jahr 2004 bzw. 2002 vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse in den neuen Empfehlungen 2008 des DV rechtfertigt es daher, diese Empfehlungen als Schlusspunkt einer langen wissenschaftlichen Diskussion anzusehen, die den als allgemein anerkannten, ernährungsmedizinischen und ernährungswissenschaftlichen Erkenntnisstand - zumindest - seit dem Inkrafttreten des SGB II am 01.01.2005 darstellt.
Unter Berücksichtigung der Empfehlungen 2008 sind aber auch für die bei der Klägerin im übrigen vorliegenden Erkrankungen (Hyperlipidämie (Erhöhung der Blutfette), Hypertonie (Bluthochdruck), Leberinsuffizienz, Ulcus duodeni (Geschwür am Zwölffingerdarm)) keine erkrankungsbedingten Ernährungsmehraufwendungen nachzuweisen, weil diese Erkrankungen - wie auch der Diabetes mellitus - lediglich einer Vollkost bedürfen (vgl. Empfehlungen 2008 S.11 Nr. 4.1. Bst. a), d), g) und j)), die mit dem in der Regelleistung für Ernährung vorgesehenen Anteil für einen Erwachsenen finanzierbar ist (vgl. Empfehlungen 2008 S.18f). Dieses Ergebnis hat sich bereits auf der Grundlage des Begutachtungsleitfadens des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe begründen lassen.
Im Folgenden erscheint zwar nicht denkbar, dass durch das Zusammenwirken der Erkrankungen ein Mehrbedarf entstehen kann, weil alle Erkrankungen der Klägerin mit einer Vollkost diätetisch zu versorgen sind, und es ist auch nicht ersichtlich dass eine individuelle Betrachtungsweise des Ernährungsaufwandes der Klägerin einen Mehrbedarf belegen kann.
Das BSG sieht vor allem in Fällen, in denen Erkrankungen vorliegen, zu denen keine allgemeingültigen wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen, oder in Fällen eines kumulativen Bedarfes aufgrund verschiedener Erkrankungen, die einer differenzierten, auf den Gesamtleidenszustand abgestimmten Kostform bedürfen, die Notwendigkeit - gegebenenfalls - im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung einen konkreten ernährungsbedingten Mehrbedarf zu klären. Hierbei ist als Betrag des krankheitsbedingten Ernährungsmehraufwandes der Betrag anzusehen, mit dem der medizinisch begründete, tatsächliche Kostenaufwand für eine Ernährung ausgeglichen werden kann, die von der Regelleistung nicht gedeckt ist (vgl. BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 64/06 R unter Hinweis auf Lang/Knickrehm aaO § 21 Rn 56, 57). Dieser konkrete Mehrbedarf sei im Einzelfall im Wege der Amtsermittlung durch Einholung medizinischer und/oder ernährungswissenschaftlicher Stellungnahmen oder Gutachten zu klären.
Hieraus ist zu folgern, dass keine abstrakt- pauschalierende Betrachtungsweise dergestalt geboten wäre, dass in Bezug auf ein definiertes Krankheitsbild ein standardisierter Ernährungsaufwand und die damit regelmäßig verbundenen Kosten - vergleichbar den Empfehlungen des Deutschen Vereins - ermittelt werden, sondern dass bezogen auf die individuellen Gegebenheiten des Einzelfalles der krankheitsbedingte Kostenmehraufwand des Leistungsempfängers - wie ärztlich verordnet - zu ermitteln ist.
Es ist daher zunächst zu ermitteln, welche Gesundheitsstörungen beim Hilfesuchenden vorliegen und welche ernährungsspezifischen Folgerungen aus dem individuellen Krankheitsbild zu ziehen sind. Eine pauschalierenden Betrachtungsweise ist auf dieser Stufe der Bedarfsermittlung noch nicht geboten (anders BayLSG, Urteil vom 14.03.2008 - L 7 AS 297/07), denn für den - möglicherweise auch kumulativen - Mehrbedarf ist auf die individuellen Bedürfnisse des Leistungsempfängers abzustellen, die insbesondere durch das Zusammenwirken mehrerer Krankheitsbilder geprägt sein kann und in der Folge eine Kostform erfordern, die dem Gesamtleidenszustand des Leistungsempfängers Rechnung trägt.
Auf einer letzten Stufe ist der krankheitsbedingte Ernährungsbedarf monetär zu quantifizieren und dem Anteil der Regelleistung gegenüber zu stellen, der für den Ernährungsaufwand vorgesehen ist. Hierbei hat der Leistungsempfänger Im Rahmen des § 21
Abs 5 SGB II lediglich Anspruch auf eine (kosten)angemessene Deckung seines Mehrbedarfes, d.h. er wird sich in aller Regel auf das Angebot der Discounter oder ein vergleichbares Angebotsniveau verweisen lassen müssen, soweit nicht Nahrungsmittel krankheitsbedingt benötigt werden, die in diesem Preissegment nicht zu erwerben sind. Erst auf dieser Stufe der Bedarfsermittlung ist eine Standardisierung nicht nur nützlich, sondern im Interesse der Gleichbehandlung aller Hilfesuchenden auch geboten, um dem Aspekt der angemessenen Bedarfsdeckung Rechnung zu tragen.
Um eine derartige Begutachtung im Einzelfall jedoch durchführen zu können ist vorauszusetzen, dass eine hinreichende Datengrundlage vorliegt, aus der sich die krankheitsbedingten Ernährungsgewohnheiten des Leistungsempfängers ableiten lassen, d.h. dass entweder ein ärztlich verordneter Kostplan vorliegt, anhand dessen sich die Ernährungsaufwendungen nachvollziehen lassen, oder der Leistungsempfänger darlegt, welche Nahrungsmittel er im Hinblick auf sein Krankheitsbild konsumiert hat.
Vorliegend führt jedoch weder die ärztliche Verordnung einer bestimmten Kostform - wie hier einer Diabeteskost bzw. anderer Kostformen - weiter, noch lässt sich allein aus dem Vorbringen, dass bestimmte Nahrungsmittel zu meiden wären, ein Kostenmehraufwand ermitteln.
Die Bestimmung eines Ernährungsaufwandes nach einer vorgegebenen Kostform führt im Ergebnis wieder zu einer abstrakt- pauschalierenden Betrachtungsweise, auf die jedoch nicht abzustellen ist (siehe bereits oben). Allein die Notwendigkeit bestimmte Nahrungsmittel meiden zu müssen, lässt für sich gesehen keine Möglichkeit, einen Kosten(mehr)- aufwand zu bestimmen, wenn nicht angegeben wird, auf welche Ernährungsalternativen zurückgegriffen wird.
Um eine sachgerechte medizinische und/oder ernährungswissenschaftliche Begutachtung durchführen zu können, wäre daher zumindest erforderlich gewesen, dass die Klägerin einen Kostplan darlegt, oder dass die behandelnde Ärztin einen solchen erstellt hat.
Die Klägerin hat hierbei auf gerichtliche Nachfrage lediglich eine Vielzahl von Speisen und Getränken genannt, die sie meiden müsse, ohne jedoch darzulegen, welche Nahrungsmittel und in welcher Menge sie diese regelmäßig zu sich nimmt. Auch die behandelnde Ärztin der Klägerin bzw. deren Praxisnachfolger konnte dem Gericht keine Informationen überlassen, aus denen sich die regelmäßigen Ernährungsgewohnheiten der Klägerin ableiten ließen. Im Ergebnis war daher kein Sachverhalt festzustellen, der eine sinnvolle Begutachtung ermöglicht hätte, so dass auch im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung kein Ernährungsmehraufwand zu ermitteln war.
Im Ergebnis hat die Klägerin daher keinen Anspruch auf die Bewilligung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfes wegen der bestehenden Erkrankungen, weil sich nach Erschöpfung aller verfügbaren Erkenntnisquellen ein durch die Erkrankungen der Klägerin verursachter Ernährungsbedarf nicht aufklären lässt, so dass in der Folge auch kein Kosten(mehr)aufwand quantifiziert werden kann. Hierbei hat die Klägerin nach den allgemeinen Grundsätzen über die objektive Beweislast die Konsequenz aus der Nichterweislichkeit der Anspruchsvoraussetzungen zu tragen, d.h. sie kann nicht belegen, dass ein Anspruch besteht, so dass die Berufung insoweit zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und entspricht dem Umfang des Obsiegens der Klägerin.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Absatz 2 Nr.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor. Die hier maßgeblichen Rechtsfragen hat das BSG bereits entschieden.
Hinsichtlich der Unterkunftskosten hat der kommunale Träger auf einer hinreichenden Datengrundlage ein schlüssiges Konzept für die Beurteilung abstrakt angemessener Unterkunftskosten zu entwickeln (zuletzt BSG, Urteil vom 18.06.2008 aaO), wobei ein als schlüssig zu bezeichnendes Konzept bisher tatsächlich nicht vorliegt. In Bezug auf einen krankheitsbedingten Ernährungsmehraufwand liegen inzwischen allgemein anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse vor, und die Frage des Ernährungsmehraufwandes ist keine Rechtsfrage, sondern eine medizinische Tatsachenfrage, die, auch wenn sie verallgemeinerungsfähig ist, einem Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung verleihen kann (vgl. Beschluss des Senates vom 07.01.2008 - L 11 AS 338/07 NZB - mwN). Soweit eine Einzelfallbetrachtung (vgl. BSG Urteil vom 27.02.2008 aaO) geboten war, musste jedoch mangels Feststellbarkeit des zu beurteilenden Sachverhaltes eine Beweislastentscheidung gegen die Klägerin ergehen.
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