L 5 KR 637/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 3432/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 637/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 7.1.2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung eines Spracherkennungssystems ("Dragon Naturally Speaking Prof. 8.0" bestehend aus Software und zugehöriger Hardware, wie Mikrophon und Kopfhörer) im Wege der Hilfsmittelversorgung gem. § 33 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V).

Die 1953 geborene Klägerin leidet an Myopia per magna. Dadurch ist ihr Sehvermögen stark vermindert, rechts auf die Wahrnehmung von Lichtschein, links auf 1/50.

Am 7.12.2005 beantragte die Klägerin die Gewährung eines Spracherkennungssystems für Ihren Computer (Verwaltungsakte S. 3); es handele sich um ein System für Blinde. Beigefügt war das Attest der Augenärztin Dr. Kr. vom 18.11.2005. Darin ist ausgeführt, wegen ihres schlechten Sehvermögens könne die Klägerin die Tastatur ihres Computers nicht mehr bedienen. Sie benötige deshalb ein Spracherkennungssystem.

Auf Nachfrage der Beklagten legte die Klägerin Kostenvoranschläge der Firma Reha-Technik R. vom 17.1.2006 (Programm "JAWS V" inklusive Braille-Handbuch, Sprach- und Braillesteuerungsprogramm für Windows, Installation und Grundeinweisung: Gesamtkosten 2.133,24 EUR) bzw. vom 2.2.2006 (Programm "Dragon Naturally Speaking Prof. 8.0" mit Auslieferung, Installation und Einweisung: Gesamtkosten 1.792,20 EUR) vor.

Die Beklagte erhob das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK, Dr. Gruner) vom 10.2.2006 (Verwaltungsakte S. 22). Darin ist ausgeführt, bei Blindheit wäre ein Vorlesegerät mit Sprachausgabe medizinisch indiziert. Möglicherweise besitze die Klägerin bereits ein Gerät dieser Art. Antragsgegenstand sei indessen eine Sprachausgabe für den PC, weil die Klägerin die Tastatur nicht mehr bedienen könne, den Computer aber zum Schreiben benutzen möchte. Da weder Schreiben noch PC-Arbeit zu den elementaren Grundbedürfnissen zählten, sei die gesetzliche Krankenversicherung nicht leistungspflichtig.

Mit Bescheid vom 20.2.2006 (Verwaltungsakte S. 24) lehnte die Beklagte den Antrag ab. Auf den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin bat die Beklagte die Firma Reha-Technik R. mit Schreiben vom 22.11.2006 (Verwaltungsakte S. 35) um Auskunft, ob das Spracherkennungssystem "Dragon Naturally Speaking Prof. 8.0" über zusätzliche Ausstattungen, die speziell auf die Bedürfnisse Sehbehinderter abgestellt seien, verfüge; diese mögen ggf. benannt werden. Unter dem 13.12.2006 (Verwaltungsakte S. 38) teilte die Firma Reha-Technik R. daraufhin mit, das Spracherkennungsprogramm "Dragon Naturally Speaking Prof. 8.0" werde von ihr auch als Hilfsmittel bei Menschen mit motorischen Einschränkungen eingesetzt. Die Braille- und Sprachsteuerungssoftware "JAWS" könne auf einem Standard-PC installiert und betrieben werden.

Die Klägerin gab auf Nachfrage ergänzend an (Verwaltungsakte S. 59), mit ihrem PC erledige sie sämtlichen Brief- und Postverkehr, auch E-mail-Korrespondenz, in geschäftlicher, behördlicher und privater Hinsicht. Dafür fielen durchschnittlich mindestens etwa 15 bis 20 Stunden in der Woche an. Die Braille- und Sprachsteuerungssoftware "JAWS" solle für E-mails, Faxe, Internet-Recherche (etwa nach Zeitungsartikeln u.a.) genutzt werden. Hierfür wende sie auch etwa mindestens 20 Stunden wöchentlich auf. Die Frage nach den Gründen für die Erforderlichkeit sowohl einer synthetischen Sprachausgabe als auch der Ausgabe des Bildschirminhalts auf einer Braille-Zeile beantwortete die Klägerin nicht; sie könne nicht nachvollziehen, worauf diese Frage abziele. Blindenschrift könne sie nicht lesen.

Unter dem 24.4.2007 führte die Beklagte aus (Verwaltungsakte S. 62), das Spracherkennungsprogramm "Dragon Naturally Speaking Prof. 8.0" sei im Handel erhältlich und werde nicht speziell für kranke oder behinderte Menschen hergestellt. Es werde üblicherweise von einer großen Zahl nicht behinderter Menschen genutzt und stelle einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens dar, für dessen Kosten die gesetzliche Krankenversicherung nicht aufkommen müsse. Demgegenüber sei das Sprach- und Braillesteuerungsprogramm "JAWS V.6 X Std." auf Blinde zugeschnitten. Für die Klägerin sei es allerdings nicht geeignet, da sie keine Blindenschrift lesen könne. Die Sprachausgabe des Bildschirminhalts wäre ausreichend und zweckmäßig. Man sei grundsätzlich bereit, die Kosten für einen Screenreader mit Sprachausgabe zu übernehmen, sofern die Klägerin, was bislang nicht bestätigt sei, über die notwendige Hardware verfüge. Im Übrigen hänge die Nutzung des Programms von der Fähigkeit ab, einen PC und insbesondere die Tastatur bedienen zu können. Dazu sei die Klägerin nach Angaben der behandelnden Ärztin nicht in der Lage. Wenn die Klägerin die Kosten des Spracherkennungsprogramms "Dragon Naturally Speaking" selbst trage, werde man (bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen) die Kosten für einen Screenreader mit Sprachausgabe ohne Braillezeile übernehmen.

Die Klägerin trug hierzu vor, das Programm "Dragon Naturally Speaking Prof. 8.0" sei geeignet und zwingend erforderlich, um ihre Sehbehinderung auszugleichen. Zu den allgemeinen Grundbedürfnissen, für deren Befriedigung die Beklagte Hilfsmittel gewähren müsse, gehörten auch die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, die Schaffung eines körperlichen und geistigen Freiraums sowie das Informationsbedürfnis in Form von Hören, Sehen und Lesen. Mittlerweile sei sie nahezu vollständig erblindet und benötige das Spracherkennungsprogramm zur Ersetzung der Körperfunktion des Sehens. Dass das Spracherkennungsprogramm auf dem allgemeinen Markt erworben und von Nichtbehinderten genutzt werden könne, schließe die Leistungspflicht der Beklagten nicht aus. Die Hardware für das Programm "JAWS V.6 X Std." sei vorhanden; insoweit stehe der Kostenübernahme nichts im Wege.

Am 14.8.2007 teilte die Klägerin (fernmündlich) mit, im Widerspruchsverfahren werde nur die Gewährung des Spracherkennungsprogramms "Dragon Naturally Speaking" weiterverfolgt; das Programm "JAWS" habe für sie untergeordnete Bedeutung (Verwaltungsakte S. 67).

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.9.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, zum allgemeinen Lebensbedarf oder zur normalen Lebenshaltung gehörende Gegenstände fielen in die Eigenverantwortung der Versicherten und nicht in die Zuständigkeit der Krankenkasse. Das gelte auch für Gegenstände, die von ihrer Konzeption her nicht vorwiegend für kranke, behinderte und/oder pflegebedürftige Menschen gedacht seien, diesen aber helfen könnten und in gewisser Weise auch behindertengerecht oder bedienerfreundlich gestaltet würden. Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens seien grundsätzlich für jedermann zugänglich, also im Handel käuflich zu erwerben. Der Kaufpreis und der Kundenkreis spielten keine Rolle. Bei dem Spracherkennungsprogramm "Dragon Naturally Speaking Prof. 8.0" handele es sich um eine Software-Lösung zur Spracherkennung mit Diktiersoftware. Die Software wandele gesprochene Sprache am Computer in Text um und ermögliche die Steuerung des PC durch Sprachbefehle. Als Zielgruppe würden professionelle Anwender, wie Ärzte, Rechtsanwälte, Gutachter, Psychologen und Psychotherapeuten genannt. Mittlerweile seien Spracherkennungsprogramme im Handel weit verbreitet und würden auch von gesunden Menschen benutzt; deswegen habe die Stiftung Warentest Spracherkennungsprogramme auch geprüft und bewertet. Die Firma Reha-Technik R. habe keine auf die Bedürfnisse behinderter Menschen abgestellten Ausstattungsmerkmale benannt. Das Spracherkennungsprogramm sei auch nicht für die besonderen Bedürfnisse behinderter Menschen entwickelt oder behindertengerecht ausgestaltet worden. Ungeachtet dessen, dass es die Behinderung der Klägerin ausgleichen könne, sei es als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen. Insoweit sei seine Primärfunktion (Zweckbestimmung) ausschlaggebend.

Am 9.10.2007 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Mannheim. Sie trug vor, bei dem begehrten Spracherkennungsprogramm handele es sich um ein Hilfsmittel i. S. d. § 33 SGB V. Damit könne sie die Behinderung, die sich mittlerweile als nahezu vollständige Erblindung darstelle, ausgleichen und sie sei in der Lage, wieder am gesellschaftlichen Leben durch Internetnutzung und die Beschaffung von Informationen teilzunehmen. Das Spracherkennungsprogramm helfe ihr auch beim Schreiben von Briefen oder E-mails. Dies diene ebenfalls der gesellschaftlichen Integration. Sie benutze ihren PC mehrere Stunden täglich (insgesamt 40 Stunden in der Woche). Das beantragte Hilfsmittel sei vergleichbar mit Lesegeräten. Blindenschrift könne sie nicht lesen.

Mit Gerichtsbescheid vom 7.1.2008 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es unter Bezugnahme auf die Gründe des Widerspruchsbescheids (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz, SGG) aus, die Beklagte habe die Gewährung des Spracherkennungsprogramms zu Recht verweigert, weil es sich dabei um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handele (§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Daran ändere es nichts, dass das Programm der Klägerin im Hinblick auf ihre Erkrankung Vorteile biete und den Umgang mit dem PC erleichtere. Wie aus der Auskunft der Firma Reha-Technik R. vom 13.12.2006 hervorgehe, sei das für den allgemeinen Gebrauch entwickelte Programm nicht speziell für die Bedürfnisse behinderter Menschen verändert oder gesondert behindertengerecht ausgestattet worden. Es werde von Privatpersonen, aber auch in Anwaltskanzleien, bei Behörden und Gerichten für die tägliche Arbeit verwendet. Die Nutzung eines normalen PC gehöre nicht zu den Grundbedürfnissen jedes Menschen. Diese umfassten die körperlichen Grundfunktionen (Gehen, Stehen, Sitzen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung) sowie die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen und die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums, der bspw. die Bewegung im Nahbereich der Wohnung sowie die Aufnahme von Informationen und die Kommunikation mit anderen zur Vermeidung von Vereinsamung umfasse. Maßstab sei stets der gesunde Mensch, zu dessen Grundbedürfnissen der kranke oder behinderte Mensch durch die medizinische Rehabilitation und mit Hilfe der von der Krankenkasse gelieferten Hilfsmittel wieder aufschließen solle (BSG, Urt. vom 22.7.2004, - B 3 KR 13/03 R -). Insoweit könne ein Computer eine Behinderung zwar mittelbar ausgleichen. Notwendig sei aber stets, dass er auch behindertengerecht, im Fall der Klägerin sehbehindertengerecht, ausgestattet sei. Außerdem müsste der PC für die Beschaffung von Informationen und die Herstellung von Kommunikationsmöglichkeiten im täglichen Leben unerlässlich sein. Die Rechtsprechung des BSG, die die Gewährung eines Notebooks betreffe, sei auf das von der Klägerin begehrte Spracherkennungsprogramm entsprechend anwendbar. Was die Beschaffung von Informationen und die Herstellung von Kommunikationsmöglichkeiten angehe, könne sie andere Medien, wie Fernsehen, Radio und Telefon, nutzen.

Auf den ihr am 9.1.2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 8.2.2008 Berufung eingelegt. Sie bekräftigt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen. Sie lebe allein, sei annähernd blind, nicht mehr erwerbstätig und beziehe eine kleine Rente. Sie müsse die alltäglichen Dinge allein regeln. Zur Bewältigung des Alltags gehöre auch das Lesen und Beantworten von Post. Dabei könne und müsse sie sich nicht auf das Telefonieren verweisen lassen, da im Geschäftsleben, etwa im Verkehr mit dem Vermieter oder mit Behörden, Antworten schriftlich verfasst und Mehrfertigungen der Schreiben aufbewahrt werden müssten. All das sei ihr ohne Spracherkennungsprogramm nicht möglich. Zu den Grundbedürfnissen des Menschen gehörten schließlich die Aufnahme von Informationen und die Kommunikation, was sie nur über Radio, Telefon, Besuche oder den PC bewerkstelligen könne. Mit dem PC könne sie Informationen erlangen und ihre Kontakte pflegen. Maßgeblich sei immer der Einzelfall und nicht der pauschale Hinweis auf das Vorliegen eines Gebrauchsgegenstands des täglichen Lebens.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 7.1.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 20.2.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.9.2007 zu verurteilen, ihr ein Spracherkennungssystem "Dragon Naturally Speaking Prof. 8.0" (Software und zugehörige Hardware, wie Mikrophon und Kopfhörer) zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätzen sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, sie mit dem begehrten Spracherkennungssystem zu versorgen. Die Klägerin hat darauf keinen Anspruch.

Die Versorgung gesetzlich Krankenversicherter mit Hilfsmitteln richtet sich nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Notwendig ist danach, dass die Hilfsmittel (wie Hörhilfen oder Körperersatzstücke) im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Auf Hilfsmittel, die (zugleich) als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind, erstreckt sich die Leistungspflicht der Krankenkassen indessen nicht; weitere, hier nicht einschlägige Leistungsausschlüsse sind in § 34 SGB V vorgesehen. Davon ausgehend muss die Beklagte der Klägerin das Spracherkennungssystem "Dragon Naturally Speaking Prof. 8.0" nicht gewähren. Bei Software dürfte es sich - jedenfalls im Zusammenhang mit Mikrophon, Kopfhörer und vorhandenem Computer- zwar um einen zum Hilfsmittel i. S. d. § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V taugenden Gegenstand handeln (zum hier maßgeblichen Sachbegriff, der insbesondere Dienstleistungen ausschließt, KassKomm-Höfler, SGB V § 33 Rdnr. 5), das Spracherkennungssystem stellt dann aber einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens dar und ist deswegen von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht umfasst. Die Anschaffung solcher Systeme ist der Eigenverantwortung des Versicherten zuzuordnen. Die Kosten hierfür fallen nicht der Solidargemeinschaft der Krankenversicherten zur Last. Der Senat kann deswegen offen lassen, unter welchen Voraussetzungen ein Spracherkennungssystem der in Rede stehenden Art bei Sehbehinderten oder Blinden als zum Behinderungsausgleich erforderliches Hilfsmittel nach § 33 Abs. 1 Satz 1 (3. Fall) SGB V anzusehen ist. Hierfür sind folgende Erwägungen des Senats maßgeblich:

Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ist sowohl von der Leistungspflicht anderer Sozialleistungsträger bzw. der Allgemeinheit (des Staates) wie von der Eigenverantwortung der Versicherten abzugrenzen.

Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist allein die medizinische Rehabilitation, also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktion einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Der Erfüllung dieser Aufgabe dient auch die gem. § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V geschuldete Versorgung mit Hilfsmitteln. Diese umfasst unmittelbar an der Behinderung selbst ansetzende, also die Ausübung einer beeinträchtigten Körperfunktion unmittelbar ermöglichende, ersetzende oder erleichternde Hilfsmittel (z. B. Prothesen) sowie solche (nur) an den Folgen der Behinderung ansetzende Hilfsmittel (z. B. Rollstühle), die die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigen oder milderen und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betreffen. Zu diesen Grundbedürfnissen gehören die Ausübung körperlicher Grundfunktionen, wie das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungaufnehmen, Ausscheiden, die (elementare) Körperpflege, das selbstständige Wohnen, der Erwerb einer elementaren Schulbildung und die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums. Letzteres umfasst auch die Aufnahme von Informationen sowie die Kommunikation mit anderen zur Vermeidung von Vereinsamung. Maßstab ist stets der gesunde Mensch, zu dessen Grundbedürfnissen der kranke oder behinderte Mensch durch die medizinische Rehabilitation und mit Hilfe des von der Krankenkasse gelieferten Hilfsmittels wieder aufschließen soll (vgl. etwa Senatsurteil vom 24.9.2008, - L 5 KR 1539/07 - mit Hinweisen zur Rechtsprechung des BSG; zum Grundbedürfnis nach Erschließung eines gewissen geistigen Freiraums BSG, Urt. v. 30.1.2001, - B 3 KR 10/00 R - "Notebook mit behindertengerechter Software", und BSG, Urt. v. 23.8.1995, - 3 RK 7/95 - "elektronisches Lese-Sprechgerät bei Blindheit"). Für den Ausgleich der allein das Berufsleben oder das gesellschaftliche Leben im Übrigen und das Freizeitleben betreffenden Behinderungsfolgen muss die Krankenversicherung indessen nicht sorgen. Dies ist ggf. Aufgabe anderer Sozialleistungsträger oder der Allgemeinheit (des Staates).

Gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V stellen die Krankenkassen die im Dritten Kapitel des SGB V genannten Leistungen - und damit auch Hilfsmittel i. S. d. § 33 SGB V - unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (vgl. § 12 SGB V) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden (zur Eigenverantwortung der Versicherten auch § 1 Satz 2 SGB V). An den Leitgedanken der Eigenverantwortung knüpft der in § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V angeordnete Ausschluss der Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens aus der Hilfsmittelversorgung an (hierauf abstellend etwa: BSG, Urt. v. 17.1.1996, - 3 RK 39/94 -). Die neuere Rechtsprechung rückt in den Vordergrund, dass die gesetzliche Krankenversicherung, wie zuvor ausgeführt wurde, nur für die medizinische Rehabilitation zuständig ist. Deshalb umfassen ihre Leistungen auch nur Mittel, die bestimmungsgemäß die Bekämpfung von Krankheiten und die Milderung ihrer Folgen zum Ziel haben. Bei allgemeinen Gebrauchsgegenständen ist das nicht der Fall, weswegen sie aus dem Verantwortungsbereich der Krankenkassen ausgenommen und der Eigenverantwortung der Versicherten zugewiesen sind (vgl. etwa BSG, Urt. v. 31.1.2001, - B 3 KR 10/00 R -).

Im Hinblick darauf kann dahinstehen, ob es sich bei dem von der stark sehbehinderten bzw. nahezu erblindeten Klägerin begehrten Spracherkennungssystem überhaupt um ein Hilfsmittel nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V handelt. Das Spracherkennungssystem setzt nicht unmittelbar an der Behinderung (der Sehbehinderung bzw. Blindheit), sondern an deren Folgen an, wäre also nur dann als Hilfsmittel i. S. d. § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V einzustufen, wenn durch seinen Gebrauch die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben gemildert würden und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen wäre. Dies erscheint nach Lage der Dinge zweifelhaft. Nach ihrem Berufungsvorbringen will die Klägerin das Spracherkennungssystem offenbar zur Beschaffung von Informationen über das Internet und zur Kommunikation durch das Verfassen von Briefen und E-mails, insbesondere im geschäftlichen Verkehr mit Vermieter und Behörden, nutzen. Letzteres dient jedenfalls nicht dem Grundbedürfnis nach Kommunikation mit anderen zur Vermeidung von Vereinsamung. Was die Nutzung des Internets zur Informationsgewinnung angeht, dürfte es schon an der Erforderlichkeit, namentlich an der Zweckmäßigkeit des Spracherkennungssystems zum Behinderungsausgleich fehlen (zum Begriff der Erforderlichkeit in § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V näher KassKomm-Höfler, SGB V § 33 Rdnr. 17 ff.), da nicht ersichtlich ist, auf welche Weise das Spracherkennungssystem – im Unterschied zum nicht streitgegenständlichen Sprach- und Braillesteuerungsprogramm "JAWS V.6 X Std." - für den Zugriff auf Informationen im Internet nutzbringend eingesetzt werden sollte. Nähere Feststellungen hierzu sind indessen entbehrlich. Ebenso wenig muss der Senat darüber befinden, inwieweit und unter welchen Maßgaben die Informationsbeschaffung aus dem Internet zur Befriedigung des Grundbedürfnisses nach Erschließung eines geistigen Freiraums von der Krankenkasse ermöglicht werden müsste. Das begehrte Spracherkennungssystem ist als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens nämlich von vornherein nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst.

Für die Einordnung eines Hilfsmittels als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens i. S. d. § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist auf die Zweckbestimmung des Gegenstands abzustellen; auf einen bestimmten Verbreitungsgrad in den Privathaushalten kommt es nach der neueren Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 16.9.1999, - B 3 KR 1/99 R -) nicht mehr an. Da die Aufgabe der Krankenversicherung allein in der medizinischen Rehabilitation besteht, sind nur solche Gegenstände als Hilfsmittel zu gewähren, die spezifisch der Bekämpfung einer Krankheit oder dem Ausgleich einer Behinderung dienen. Fehlt es daran, weil der Gegenstand schon von der Konzeption her nicht vorwiegend für Kranke und Behinderte gedacht ist, liegt ein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens vor, der von der Hilfsmittelversorgung ausgenommen ist. Was regelmäßig auch von Gesunden benutzt wird, fällt auch bei hohen Kosten nicht in die Leistungspflicht der Krankenversicherung. Ausschlaggebend ist allein die Zweckbestimmung des jeweiligen Gegenstands. Diese ist zum einen aus der Sicht der Hersteller, zum anderen aus der Sicht der tatsächlichen Benutzer zu ermitteln: Geräte, die für die speziellen Bedürfnisse kranker oder behinderter Menschen entwickelt sowie hergestellt worden sind und die ausschließlich oder ganz überwiegend auch von diesem Personenkreis benutzt werden, sind nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen; das gilt selbst dann, wenn sie millionenfach verbreitet sind (wie Brillen oder Hörgeräte). Umgekehrt ist ein Gegenstand auch trotz geringer Verbreitung in der Bevölkerung und trotz hohen Verkaufspreises als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens einzustufen, wenn er schon von der Konzeption her nicht vorwiegend für Kranke und Behinderte gedacht ist (vgl. näher: BSG, Urteile v. 16.9.1999, - B 3 KR 1/99- - "Luftreinigungsgerät", - B 3 KR 9/98 R – "Tandem" – und - B 3 KR 8/98 R – "Rollstuhl-Bike").

Das Spracherkennungssystem "Dragon Naturally Speaking Prof. 8.0" ist ein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens im vorstehend beschriebenen Sinn. Das folgt aus seiner Zweckbestimmung sowohl aus Sicht des Herstellers wie aus Sicht der Nutzer. Bei dem Spracherkennungssystem handelt es sich um eine Software-Lösung zur Spracherkennung und zum Diktieren von Texten. Es wandelt (in das zugehörige Mikrophon) gesprochene Sprache in Text um und ermöglicht die Steuerung des PC durch Sprachbefehle. Nach den (im Internet zugänglichen; vgl. www.nuance.de) Produktbeschreibungen des Herstellers wird das System vor allem von professionellen Anwendern in Wirtschaft und Verwaltung, wie Ärzten, Rechtsanwälten, Gutachtern, Psychologen und Psychotherapeuten verwendet und außerdem in Behörden und Gerichten eingesetzt. Spracherkennungssysteme der in Rede stehenden Art sind mittlerweile auch bei Privatpersonen verbreitet, werden also regelmäßig von Gesunden benutzt. Aus diesem Grund wurden sie – zur Förderung allgemeiner Verbraucherinteressen - von der Stiftung Warentest (Test 2.1.2004 - zugänglich über www.test.de) begutachtet und bewertet. Über besondere Ausstattungsmerkmale, die den speziellen Bedürfnissen Behinderter, namentlich Sehbehinderter oder Blinder, Rechnung tragen sollen, verfügt das System nicht. Das geht aus der auf das Schreiben der Beklagten vom 22.11.2006 erteilten Auskunft der Firma Reha-Technik R. vom 13.12.2006 hervor und ist unter den Beteiligten auch nicht streitig. Damit stellt das Spracherkennungssystem von seiner Konzeption her ein Produkt für den allgemeinen Verbraucherkreis dar. Es ist nicht vorwiegend für den besonderen Nutzerkreis der Kranken und Behinderten gedacht bzw. für deren Bedürfnisse entwickelt und hergestellt. Nur hierauf kommt es an. Demgegenüber ist rechtlich unerheblich, ob und inwiefern die Klägerin das Spracherkennungssystem für sich zum Behinderungsausgleich nutzbringend einsetzten könnte (vgl. auch etwa LSG, Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 30.4.2003, - L 4 KR 190/01 -). Die Anschaffungskosten sind in jedem Fall dem Bereich ihrer Eigenverantwortung und nicht der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung zuzuordnen.

Das Sozialgericht hat die Klage daher zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung der Klägerin erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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