L 5 R 673/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 16 R 5010/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 673/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. Januar 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Die 1963 geborene Klägerin absolvierte zunächst von 1980 bis 1983 die Ausbildung zur Steuerfachangestellten und war danach in diesem Beruf auch tätig, nach einer Qualifikation zur Bilanzbuchhalterin (1992 bis 1993) war sie ab 1993 als Bilanzbuchhalterin und ab April 2004 als Buchhalterin zunächst bis Mai 2004 in Vollzeit und seit März 2005 in Teilzeit (20 Stunden pro Woche) tätig.

In der Zeit vom 2. März bis 4. März 2004 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung in der Reha-Klinik H. in Bad D. in der Abteilung Psychosomatik. Ausweislich des Entlassberichtes vom 22. März 2004 war geplant gewesen, mit der Klägerin ein psychotherapeutisch orientiertes Heilverfahren, respektive, falls die Patientin dies nicht wünschte, ein eher somatisches Heilverfahren mit Bewegungstherapie und Ausdauertraining sowie Entspannungsverfahren durchzuführen. Am Tag nach der Aufnahme habe die Klägerin einen Migräneanfall erlitten, der es ihr unmöglich machte, an den Einführungsveranstaltungen teilzunehmen. Am Folgetag (2. Behandlungstag) habe sie dann morgens bereits mitgeteilt, dass sie nach Hause abreisen wolle. Einen angebotenen Arzttermin habe sie mit Hinweis auf ihren Vater, der zur Abholung bereitgestanden habe, nicht mehr wahrgenommen (Bl. 47 f. SG-Akte).

Am 25. April 2005 beantragte die Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung gab sie an, seit April 2004 leide sie unter einem starken Kribbeln am ganzen Körper, eine stark geminderte Denkfähigkeit, sehr häufige Anfälle mit Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Krämpfen und eine große Schwäche.

Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M.-J. gelangte in seinem im Auftrag der Beklagten daraufhin erstellten Gutachten vom 15. Juni 2005 (Bl. 83 ff. Verwaltungsakte - VA -) zu den Diagnosen einer undifferenzierten Somatisierungsstörung (F 45.1) sowie einer unklaren Kopfschmerzsymptomatik DD Migräne (G 44.9). Dringend indiziert wären nach Auffassung von Dr. M.-J. eine nervenfachärztliche Mitbetreuung sowie eine psychotherapeutische Aufarbeitung des gesamten diffusen somatoformen Störungsbildes. Ergänzend wären Leistungen der psychosomatischen Grundversorgung (Erlernen bzw. erneutes Praktizieren von Entspannungsverfahren) sicherlich hilfreich. Das Leistungsvermögen schätzte Dr. M.-J. dahingehend ein, dass die Klägerin die zuletzt ausgeübte Tätigkeit sechs Stunden und mehr weiterhin täglich verrichten könne. Auch sei sie in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig auszuüben, wobei übermäßige Stressbelastung, die Übernahme von Verantwortung für Personen und Maschinen und Arbeiten mit über das übliche Maß hinausgehenden Anforderungen und Konzentrations- und Daueraufmerksamkeitsleistungen zu vermeiden seien.

Mit Bescheid vom 15. Juli 2005 (Bl. 117 VA) lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. Die Klägerin sei weder teilweise noch voll erwerbsgemindert. Sie sei vielmehr noch in der Lage unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich tätig zu sein.

Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens holte die Beklagte das weitere nervenärztliche Gutachten der Nervenärztin Dr. O. vom 25. April 2006 (Bl. 158 ff. VA) ein. Dr. O. stellte die Diagnosen Somatisierungsstörung, Neurasthenie und Verdacht auf dissoziative Störung, gemischt. Die Klägerin sei hinsichtlich ihres Leistungsvermögens trotz ihrer Beschwerden nach wie vor vollschichtig, auch auf dem zuletzt von ihr ausgeübten Tätigkeitsfeld, arbeitsfähig. Die Arbeiten sollten leicht bis mittelschwer sein, nicht unter Zeitdruck, nicht in Schichtarbeit. Die Klägerin könne auch weiterhin als Steuerfachangestellte vollschichtig tätig sein. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 2006 (Bl. 177 VA) wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin sei weder teilweise noch voll erwerbsgemindert, noch teilweise erwerbsgemindert bei Berufsunfähigkeit.

Hiergegen hat die Klägerin am 7. Juli 2006 Klage vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Der Klägerbevollmächtigte hat u. a. ausgeführt, dass die Ermittlungen im vorangegangenen Verwaltungsverfahren ungenügend gewesen seien. Insbesondere sei zu überprüfen, ob die Klägerin in ihrer Einstellung zu ihren Beschwerden unter Umständen nicht in der Lage sei, aus eigener Kraft und aus eigenem Willen ihre Einstellung zur Krankheit zu überwinden.

Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. Der Neurologe Dr. Sch. hat in seiner Auskunft vom 25. August 2006 (Bl. 27 f. SG-Akte) ausgeführt, dass bei der Klägerin ubiquitäre Kribbelparästhesien, ein unsystematischer Schwindel sowie multiple Körperbeschwerden unklarer Genese, eine Migräne ohne Aura und ein NPP C 5/6 rechts lateral ohne radikuläres Defizit diagnostiziert worden sind. Bei der neurologischen Untersuchung habe sich für die multiple Beschwerdesymptomatik der Klägerin kein neurologisches Korrelat ergeben. Auf neurologischem Gebiet seien keine Auswirkungen auf die berufliche Leistungsfähigkeit der Klägerin erkennbar. Die Internistin R.-K. hat in ihrer Auskunft vom 28. September 2006 (Bl. 45 ff. SG-Akte) ausgeführt, dass bei der Klägerin multiple Symptome bestünden, die trotz vieler Untersuchungen keine organische Ursache erkennen ließen. Diese Symptome würden sich erschwerend auf die berufliche Leistungsfähigkeit der Klägerin auswirken, jedoch könne sie mangels Untersuchung zur aktuellen beruflichen Leistungsfähigkeit keine Aussage machen.

Die Fachärztin für Allgemeinmedizin S. hat in ihrer Auskunft vom 18. Oktober 2006 (Bl. 59 ff. SG-Akte) mitgeteilt, dass sie der Leistungsbeurteilung der Beklagten zustimme und die Klägerin in der Lage sei, sechs Stunden täglich als Steuerfachangestellte bzw. Buchhalterin tätig zu sein.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG sodann bei Dr. Schü. das neurologisch-psychiatrische Sachverständigengutachten vom 2. Mai 2007 (Bl. 93 ff. SG-Akte) eingeholt. Er gelangte letztlich zu der Diagnose einer undifferenzierten Somatisierungsstörung mit dissoziativen Anteilen (Bl. 103 Rückseite SG-Akte). Die Gesundheitsstörungen wirkten sich auf die Tätigkeit als Steuerfachangestellte bzw. Buchhalterin und auch auf die allgemeine berufliche Leistungsfähigkeit aus. Die Erkrankung entfalte Wirkungen auf Antrieb, Durchhaltefähigkeit und auf die allgemeine Motivationsfähigkeit. Nach Einschätzung von Dr. Schü. könne die Klägerin leichte Arbeiten vollschichtig unter der Prämisse verrichten, dass sie die ihr noch zur Verfügung stehenden Ressourcen zum weit überwiegenden Anteil auf die Berufstätigkeit verwende. Vermieden werden sollten Tätigkeiten mit überdurchschnittlicher Verantwortung und ebenfalls überdurchschnittlicher, im oberen Grenzbereich des arbeitsmarktüblichen Ausmaßes liegenden geistigen Beanspruchungen, was die Konzentration, die Ausdauer und die Durchhaltefähigkeit anbetreffe, sowie ungünstige äußere Umstände, die zusätzlich Stressfaktoren darstellen könnten, wie etwa Lärm, ungünstige Witterungseinflüsse. Es bestehe bei der Klägerin eine begrenzte Besserungsmöglichkeit, welche jedoch durch die geringe Introspektions- und Reflexionsfähigkeit eingeschränkt werde. Die Klägerin sei in der Lage, täglich viermal eine Strecke von mehr als 500 m innerhalb von jeweils 20 Minuten zurückzulegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen. Besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz bestünden nicht. Zusätzliche Arbeitspausen seien nicht notwendig.

In dem weiteren, ebenfalls auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG eingeholten internistischen Gutachten gelangte Prof. Dr. Ke., Ärztliche Direktorin im M.hospital S. in ihrem Gutachten vom 21. Juli 2007 (Bl. 118 ff. SG-Akte) zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin unspezifische Beschwerden ohne Nachweis eines somatischen Korrelats, Zustand nach Hemithyreoidektomie mit Isthmusresektion 2/05 bei Struma nodosa - aktuell euthyreot, Zustand nach primäerem Hyperparathyreoidismus - Zustand nach Resektion eines Nebenschilddrüsenadenoms 2/05, derzeit kein Rezidivnachweis, sowie ein degeneratives HWS-Syndrom vorliegen würden. Aufgrund der Befunde liege keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit vor. Eine Tätigkeit mit hoher Verantwortung für Personen oder Maschinen sollte vermieden werden. Tätigkeitsschwerpunkte sollten auf Routinearbeiten gelegt werden. Die flexible Einteilung der Wochenarbeitszeit wäre vorteilhaft. Die Klägerin sei in der Lage, bei leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Mit Gerichtsbescheid vom 30. Januar 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbminderung bei Berufsunfähigkeit nicht vorliegen würden. Die Klägerin sei vielmehr noch in der Lage, täglich wenigstens sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein. Maßgeblich hat sich das SG hierbei auf die im Verwaltungsverfahren eingeholten nervenärztlichen Gutachten von Dr. M.-J. und Dr. O. sowie die Stellungnahmen der behandelnden Ärzte Dr. S. und Dr. Sch. gestützt, wonach auch feststehe, dass die Leistungsfähigkeit der Klägerin im Wesentlichen durch Erkrankungen auf nervenärztlichem Gebiet beeinträchtigt sei, wohingegen keine Anhaltspunkte für eine organisch bedingte Erkrankung vorliegen würden, die zu einer relevanten zeitlichen Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit der Klägerin führen würden. Die Klägerin leide in erster Linie an einer (undifferenzierten) Somatisierungsstörung. Soweit Dr. Schü. die Einschätzung getroffen habe, die Klägerin könne nicht durch Willensanstrengung ihre Beschwerden überwinden und leichte Arbeiten vollschichtig nur unter der Prämisse verrichten, dass sie die ihr noch zur Verfügung stehenden Ressourcen zum weit überwiegenden Anteil auf die Berufstätigkeit verwende, könne das SG dem nicht folgen. Unter Berücksichtigung der entsprechenden Rechtsprechung gerade hinsichtlich seelischer Erkrankungen im Bereich der Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit sei zu prüfen, ob der Versicherte die seelischen Hemmungen entweder aus eigener Kraft oder unter ärztlicher Mithilfe überwinden könne. Wenn dies möglich sei, müsse der Versicherte alle verfügbaren "Mittel seines Willens" einsetzen. Dr. Schü. habe nämlich nicht überzeugend begründet, dass es der Klägerin - gegebenenfalls unter ärztlicher Hilfe - nicht möglich sei, ihre seelischen Hemmungen zu überwinden. Einerseits betone er, dass durch eine unspezifische Somatisierungsstörung allein eine wesentliche Einschränkung für leichte Arbeiten unter entsprechenden Funktionseinschränkungen nur in relativ seltenen Fällen gegeben sei, und zwar vor allem bei einer ungewöhnlich schwerwiegenden und komplexen Symptomatik und nach Ausschöpfung der therapeutischen Möglichkeiten. Dr. Schü. begründe nachvollziehbar, dass ein solcher Ausnahmefall bei der Klägerin nicht vorliege, zumal bisher keinerlei psychotherapeutische oder psychosomatische Behandlung stattgefunden habe und die therapeutischen Möglichkeiten nicht ansatzweise ausgeschöpft worden seien. Andererseits sei er der Meinung, die Klägerin sei nicht in der Lage, durch Willensanspannung die Beschwerden zu überwinden und nur unter Ausschöpfung aller verbliebenen Ressourcen eine leichte Tätigkeit zu erbringen, ohne dies im Einzelnen zu begründen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin seit 2005 eine halbschichtige Tätigkeit in ihrem anspruchs- und verantwortungsvollen Beruf als Buchhalterin verrichte. Daher sei das SG davon überzeugt, dass die Klägerin die seelischen Hemmungen unter ärztlicher Hilfe überwinden und leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung der qualitativen Einschränkungen täglich mindestens sechs Stunden verrichten könne. Im Übrigen liege hier auch kein verschlossener Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG vor, noch liege eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine spezifische Leistungsbehinderung vor, die die Notwendigkeit der Benennung einer Verweisungstätigkeit begründen könnte.

Die Klägerin hat gegen den ihrem Bevollmächtigten mit Empfangsbekenntnis am 4. Februar 2008 zugestellten Gerichtsbescheid am 11. Februar 2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt der Klägerbevollmächtigte im Wesentlichen den Vortrag aus dem Klageverfahren und macht nochmals geltend, dass sich die Gutachter Dr. M.-J. und Dr. O. nicht ausreichend mit der Aufklärung der hier beschriebenen undifferenzierten Somatisierungsstörungen auseinander gesetzt hätten.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. Januar 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Ergänzend führt die Beklagte aus, es würden übereinstimmende und fachlich einwandfreie Gutachten aus dem Verwaltungsverfahren (Dr. M.-J. und Dr. O.) vorliegen. Auch zu dem im SG-Verfahren eingeholten Gutachten Dr. Schü. bestünden inhaltlich in der Beschreibung der neurotischen Leiden keine wesentlichen Differenzen. Die Klägerin habe noch nicht versucht, die Leiden mit ärztlicher Hilfe zu überwinden, da sie eine fachspezifische nervenärztliche Therapie noch nicht über einen längeren Zeitraum in Anspruch genommen habe. Daher halte auch die Beklagte die Ausführungen des SG in der Urteilsbegründung, warum Dr. Schü. in diesem Punkt zur fraglichen Möglichkeit der Überwindung von Arbeitshindernissen durch "Willensanspannung" nicht zu folgen sei, für richtig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der hier noch anzuwendenden bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung liegt nicht vor. Die Klägerin begehrt die dauerhafte Gewährung einer Rente wegen (voller bzw. teilweiser) Erwerbsminderung.

II.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen, da die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen (voller bzw. teilweiser) Erwerbsminderung nicht vorliegen.

1.

Nach § 43 Abs. 2 SGB VI (in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000, BGBl I, 1827) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1).

Voll erwerbsgemindert sind gem. § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen der Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Gem. § 43 Abs. 3 SGB VI ist jedoch nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen liegen nach den Feststellungen der Beklagten bei der Klägerin vor, insbesondere hinsichtlich der notwendigen Pflichtbeiträge und der Wartezeit. Die Klägerin ist jedoch nicht im Sinne der obigen gesetzlichen Regelung erwerbsgemindert.

Der wesentliche Schwerpunkt der Gesundheitsstörungen der Klägerin liegt auf nervenärztlichem Gebiet.

Auf der Grundlage der im Urkundenbeweis zu verwertenden Gutachten aus dem Verwaltungsverfahren der Nervenärzte Dr. M.-J. und Dr. O., der beigezogenen Auskünfte der behandelnden Ärzte und letztlich des im SG-Verfahren eingeholten nervenärztlichen Gutachtens von Dr. Schü. sowie des internistischen Gutachtens von Prof. Dr. Ke. kann die Klägerin im Ergebnis unter Beachtung qualitativer Einschränkungen noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig ausüben.

Alle drei nervenärztlichen Gutachter (Dr. M.-J., Dr. O. und Dr. Schü.) haben letztlich als maßgebliche Diagnose eine (undifferenzierte) Somatisierungsstörung gestellt. Es wurden übereinstimmend auch keine organischen Korrelate hinsichtlich der geklagten Beschwerden weder im neurologischen Bereich im Zusammenhang mit der Wirbelsäule oder auch konkret computertomografisch festgestellten Bandscheibenveränderungen bei C 5/6 noch im internistischen Bereich durch Prof. Ke. festgestellt. Die nervenärztlichen Gutachter Dr. M.-J. und Dr. O. sind im Weiteren zu der Überzeugung gekommen, dass die Klägerin unter Beachtung qualitativer Einschränkungen nicht nur auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte körperliche Tätigkeiten noch vollschichtig ausüben könne, sondern sogar auch nach wie vor in ihrer zuletzt ausgeübten Tätigkeit bzw. ihrem erlernten Beruf als Steuerfachangestellte.

Soweit Dr. Schü. einerseits zwar auch von einem vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten unter Beachtung bestimmter qualitativer Einschränkungen ausgegangen ist, andererseits aber dies dahin eingeschränkt hat, dass das voraussetze, dass die Klägerin die ihr noch zur Verfügung stehenden Resourcen weitaus überwiegend bzw. ausschließlich für die Arbeitstätigkeit aufwende, kann der Senat dem in Übereinstimmung mit dem SG insoweit nicht folgen. Wenn die Klägerin nach wie vor in der Lage ist, die zuletzt auch von ihr ausgeübte durchaus anspruchsvolle Tätigkeit als Bilanzbuchhalterin bzw. Buchhalterin (wenn auch in Teilzeit) auszuüben, sind für den Senat keine Anhaltspunkte erkennbar, weshalb die Klägerin dann nicht in der Lage sein sollte auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte körperliche Tätigkeiten mit entsprechend qualitativen Einschränkungen noch vollschichtig auszuüben, also Tätigkeiten, die vom Anforderungsprofil hinsichtlich der psychischen Belastung niedriger anzusetzen wären, als die konkret von ihr nach wie vor ausgeübte Tätigkeit als Buchhalterin.

Insgesamt kann sich der Senat nicht davon überzeugen, dass bei der Klägerin neben den insoweit unstreitigen qualitativen Einschränkungen auch quantitativ eine Beschränkung des Leistungsvermögens dahingehend besteht, dass sie nicht mehr in der Lage ist, sechs Stunden und mehr täglich leichte körperliche Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausführen zu können. Damit besteht kein Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Es war im Übrigen im Hinblick auf dieses Leistungsvermögen zu der Frage, inwieweit welche konkrete Tätigkeit der Klägerin noch leidensgerecht und zumutbar ist, keine Prüfung durchzuführen, da die jeweilige Arbeitsmarktlage bei einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich und mehr nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs. 3 letzter Halbsatz SGB VI). Auch Anhaltspunkte dafür, dass hier in der Person der Klägerin eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wäre, bestehen nicht und schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSGE 56, 64 = SozR 2200 § 1246 Nr. 110; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19. Dezember 1996 in BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8; siehe auch zuletzt BSG im Urteil vom 5. Oktober 2005 - B 5 RJ 6/05 R - in SozR 4-2600 § 43 Nr.5).

2.

Die Klägerin ist auch nicht berufsunfähig.

Gem. § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die 1. vor dem 2. Januar 1961 geboren und 2. berufsunfähig sind.

Ein Anspruch der Klägerin auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheitert hier schon daran, dass die Klägerin nach dem Stichtag 1. Januar 1961 geboren ist.

Damit ist die Klägerin auch nicht berufsunfähig im Sinne von § 240 SGB VI und besteht auch kein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Aus diesen Gründen ist die Berufung zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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