L 5 R 3474/08 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 2498/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 3474/08 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 08. Juli 2008 wird aufgehoben.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung eines Vorschusses auf die von ihm beantragte Rente wegen Alters.

Am 20. März 2008 beantragte der Antragsteller über seinen Bevollmächtigten zunächst formlos die Gewährung einer Altersrente bei Vollendung des 60. Lebensjahres in allen denkbaren Varianten. In dem vom Bevollmächtigten ausgefüllten und am 17. April 2008 bei der Antragsgegnerin eingegangenen Antragsformular zur Versichertenrente ist zum einen beantragt worden eine Rente wegen Erwerbsminderung, Altersrente wegen Vollendung des 60. Lebensjahres für schwerbehinderte Menschen sowie Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Zum anderen ist u. a. unter den Ziffern 10.4. und 11.7 angegeben, dass der Antragsteller bis zum 15. Januar 2008 Arbeitslosengeld und im Anschluss daran (wohl) Krankengeld (siehe Ziffer 10.3 - Bl. 21/22 Verwaltungsakte - VA -) erhalten habe. Im Antragsformular (Bl. 21 VA) hat der Bevollmächtigte ferner unter Ziffer 10.4 auf die Frage, ob der Antragsteller bei einem Antrag auf Altersrente vor Erreichen der Regelaltersrente die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft beantragt habe, mit Nein geantwortet.

Am 15. April 2008 beantragte der Bevollmächtigte die Zahlung eines Vorschusses auf die Altersrente, da die Krankenkasse weitere Krankengeldzahlungen verweigere.

Mit Schreiben vom 24. April 2008 teilte die AOK Südlicher Oberrhein der Antragsgegnerin mit, dass der Kläger Krankengeld erhalte und vorsorglich im Hinblick auf den gestellten Rentenantrag ein Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X angemeldet werde.

Mit Schreiben vom 14. Mai 2008 teilte die Antragsgegnerin dem Bevollmächtigten des Antragstellers mit, dieser habe am 8. April 2008 ein Altersrentenantrag für schwerbehinderte Menschen (ohne Schwerbehindertenausweis) gestellt. Ein Schwerbehindertenausweis liege bis heute nicht vor, somit seien die Anspruchsvoraussetzungen für diese Altersrente nicht erfüllt. Nachdem daraufhin am 20. Mai 2008 vom Bevollmächtigten der Bescheid des Landratsamtes Emmendingen vom 17. Januar 2008, wonach seit 1. Juni 2007 der GdB 50 betrage, vorgelegt worden war, bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Bescheid vom 21. Mai 2008 Altersrente für schwerbehinderte Menschen mit Rentenbeginn ab 1. Februar 2008. Die laufende monatliche Zahlung erfolgte ab 1. Juli 2008. Die Nachzahlung für die Zeit vom 1. Februar 2008 bis 30. Juni 2008 (5.633,70 EUR) wurde im Hinblick auf mögliche Erstattungsforderungen vorläufig nicht ausbezahlt.

Am 21. Mai 2008 stellte der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten beim Sozialgericht Freiburg den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Begehren, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm Vorschuss auf die Rente gem. § 42 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) beginnend mit dem 31. Mai 2008 zu zahlen. Zur Begründung hat er ausgeführt, auf die Zahlung eines Vorschusses bestehe ein Anspruch, bei dem dem Rentenversicherungsträger kein Ermessen eingeräumt sei. Auch wenn die Antragsgegnerin zwischenzeitlich mit Bescheid vom 21. Mai 2008 die Altersrente ab dem 1. Februar 2008 gewährt habe, habe sich hiermit der Antrag auf Gewährung des Vorschusses noch nicht erledigt. Mit dem Bescheid vom 21. Mai 2008 behalte die Antragsgegnerin die für die Zeit vom 1. Februar 2008 bis 30. Juni 2008 zustehende Nachzahlung ein. Die Gründe, warum die Nachzahlung einbehalten werde, seien nicht bekannt.

Die Antragsgegnerin ist dem entgegen getreten und hat darauf verwiesen, dass dem Antragsteller zwischenzeitlich Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 1. Februar 2008 gewährt worden sei. Bei diesem Sachverhalt komme eine Vorschusszahlung nicht in Betracht.

Mit Beschluss vom 8. Juli 2008 hat das SG den Antrag auf Gewährung einer einstweiligen Anordnung abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass der Anordnungsgrund bereits nicht feststehe. Nach dem im Bescheid vom 21. Mai 2008 auf den 1. Juli 2008 festgelegten Beginn der laufenden Rentenzahlungen sei ein Anordnungsgrund nicht nachvollziehbar. Es fehle auch offensichtlich außerdem an einem Anordnungsanspruch. Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 SGB I könne der zuständige Leistungsträger Vorschüsse zahlen, deren Höhe er nach pflichtgemäßen Ermessen bestimme, wenn ein Anspruch auf Geldleistungen dem Grunde nach bestehe und zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich sei. Er habe Vorschüsse zu zahlen, wenn der Berechtigte es beantrage, die Vorschusszahlung beginne spätestens nach Ablauf eines Kalendermonates nach Eingang des Antrages (§ 42 Abs. 1 Satz 2 SGB I). Nach der zwischenzeitlich erfolgten Rentengewährung seien jedoch die Voraussetzungen eines Anspruches auf eine Vorschusszahlung nicht mehr gegeben.

Der Antragsteller hat gegen den seinem Bevollmächtigten mit Empfangsbekenntnis am 14. Juli 2008 zugestellten Beschluss am 21. Juli 2008 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt der Bevollmächtigte aus, das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sei in der Hauptsache am 9. Juli 2008 per Telefax für erledigt erklärt worden. Ferner sei beantragt worden der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Da zu diesem Zeitpunkt der Beschluss noch nicht den Beteiligten zugestellt gewesen sei, habe er auch keine Rechtswirksamkeit entfalten können. Im Übrigen sei allerdings auch in der Sache die Entscheidung des SG nicht zutreffend. Zum Einen sei der Bescheid vom 21. Mai 2008 erst am 27. Mai 2008 dem Antragsteller beziehungsweise seinem Bevollmächtigten gegenüber bekannt gegeben worden. Darüber hinaus sei der Vorschussantrag per Telefax am 15. April 2008 bereits formlos gestellt worden, sodass die Vorschusszahlung spätestens mit dem 31. Mai 2008 nach § 42 Abs. 1 Satz 2 SGB I hätte beginnen müssen. Der Antragsteller sei im Übrigen im Zeitraum ab dem 16. Januar 2008 bis zur Bekanntgabe des Rentenbescheides am 27. Mai 2008, also viereinhalb Monate, ohne jegliche Geldleistung gewesen.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 8. Juli 2008 aufzuheben und der Antragsgegnerin die außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der Vortrags der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen. II.

Die Beschwerde des Antragstellers und Beschwerdeführers ist zulässig und begründet. Der Beschluss des SG Freiburg vom 8. Juli 2008 ist aufzuheben.

1. Da der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Faxschreiben vom 9. Juli 2008 noch vor Zustellung (und damit Wirksamwerden) des Beschlusses vom 8. Juli 2008 an die Antragsgegnerin am 11. Juli 2008 bzw. an ihn am 14. Juli 2008 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgenommen und die Hauptsache für erledigt erklärt hat, ist der Beschluss des SG vom 8. Juli 2008 nichtig bzw. wirkungslos (siehe Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG, 9. Auflage, § 125 Rdnr. 5 b). Hiergegen sind Rechtsmittel auch zulässig, hier konkret die Beschwerde. Der Antragsteller ist nämlich durch den abweisenden Beschluss insoweit auch beschwert, sodass auch insoweit ein Rechtsschutzbedürfnis dahingehend, diesen Beschluss wieder aufzuheben, besteht.

Auf die Beschwerde des Antragstellers ist daher der Beschluss des SG vom 8. Juli 2008 auf Grund der Nichtigkeit des Beschlusses aufzuheben. Der Senat hatte in dem Zusammenhang die weitere Frage der Begründetheit des Anspruches auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu prüfen, da dieser zurückgenommen worden war.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Hierbei war allerdings zu berücksichtigen, dass letztlich der Antrag des Antragstellers auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist damit Voraussetzung, dass ein dem Antragsteller zustehendes Recht oder rechtlich geschütztes Interesse vorliegen muss (sog. Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, sodass dem Antragsteller, schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht mehr in der Lage wäre (sog. Anordnungsgrund).

Es hatte hier jedoch sowohl am Anordnungsanspruch (dazu unter Ziff. 1) als auch am Anordnungsgrund (dazu unter Ziff. 2) gefehlt.

a. Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger Vorschüsse zahlen, deren Höhe er nach pflichtgemäßen Ermessen bestimmt, wenn ein Anspruch auf Geldleistungen dem Grunde nach besteht und zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist. Er hat gem. § 42 Abs. 1 Satz 1 Vorschüsse nach Satz 1 zu zahlen, wenn der Berechtigte es beantragt; die Vorschusszahlung beginnt spätestens nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des Antrags. Voraussetzung der Vorschussleistung ist es daher, dass dem Grunde nach der Anspruch besteht, also alle materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen der in Frage stehenden Norm mit Ausnahme derjenigen, die ausschließlich die Höhe betreffen, feststehen. Ferner muss der dem Grunde nach feststehende Anspruch bereits fällig sein.

Der Antragsteller hat zwar über seinen Bevollmächtigten per Fax am 15. April 2008 bereits einen Antrag auf Vorschuss gestellt, zu diesem Zeitpunkt aber stand ein Anspruch auf Geldleistungen dem Grunde nach noch nicht einmal fest. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte der Antragsteller noch gar nicht nachgewiesen, dass überhaupt die Voraussetzungen für eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen und damit vor Erreichen der Regelaltersgrenze vorgelegen haben. Im Versichertenantrag, der vom Bevollmächtigten ausgefüllt worden war, ist die Frage, ob die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft beantragt worden ist, gerade verneint worden. Erst am 20. Mai 2008 hat der Bevollmächtigte der Antragsgegnerin eine Mehrfertigung des Bescheides des Landratsamtes Emmendingen vom 17. Januar 2008 über die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft ab 1. Juni 2007 vorgelegt. Frühestens ab diesem Zeitpunkt bestanden damit dem Grunde nach die Voraussetzungen für eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Mit Bescheid vom 21. Mai 2008 (einen Tag später) hat aber die Antragsgegnerin bereits die Leistung nicht nur dem Grunde sondern auch der Höhe nach bewilligt. Damit lagen aber die Voraussetzungen nach § 42 Abs. 1 Satz 1 SGB I, die auch bei einer beantragten Vorschusszahlung nach Satz 2 zu berücksichtigen sind, zum Zeitpunkt des Antrages auf Gewährung einer Vorschusszahlung am 15. April 2008 noch nicht und am 21. Mai 2008 (spätestens am 27. Mai 2008) nicht mehr vor.

2. Ein Anordnungsgrund lag damit allenfalls für die Zeit zwischen dem 20. Mai 2008 und der Bekanntgabe des Bewilligungsbescheides vom 21. Mai 2008 am 27. Mai 2008 gegenüber dem Bevollmächtigten des Antragstellers vor. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war damit auch der Anordnungsgrund mit der Bewilligung der Rente entfallen.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist es im Rahmen der hier zu treffenden Kostenentscheidung daher nicht gerechtfertigt, der Antragsgegnerin die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers aufzuerlegen. Zunächst lagen überhaupt nicht die Voraussetzungen für eine Vorschusszahlung schon dem Grunde nach vor und sobald dem Grunde nach der Anspruch nachgewiesen war, hat die Antragstellerin auch unverzüglich (einen Tag später) nicht nur dem Grunde sondern auch der Höhe nach die Leistung bewilligt. Ein auch nur im Endferntesten der Antragsgegnerin vorzuwerfendes Fehlverhalten, das es rechtfertigen könnte die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers (ganz oder zumindest teilweise) der Antragsgegnerin aufzuerlegen, liegt nicht vor.

Daher war zwar der Beschluss des SG vom 8. Juli 2008 aufzuheben, ein Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Kosten besteht jedoch für beide Rechtszüge nicht.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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