L 5 KR 4405/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 7820/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 4405/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. Juli 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten steht die Kostenübernahme für eine Psychotherapie durch einen nicht zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassenen Psychotherapeuten im Streit.

Die 1977 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie leidet an frühkindlichen Entwicklungsstörungen mit Verhaltensstörungen, kognitiven Schwächen und Störungen im Sprechen. Darüber hinaus bestehen eine rezidivierende depressive Störung mit mittelgradigen depressiven Episoden, eine einmalige psychotische Episode 2002, instabile Persönlichkeitsstruktur, zum Teil als Folge einer Vergewaltigung.

Die Mutter der Klägerin ist mit Beschluss des Vormundschaftsgerichts Weinstadt vom 18. Mai 2005 zur Betreuerin der Klägerin und im Rahmen dessen u. a. auch zur Vertretung vor Gerichten und gegenüber Behörden bestellt worden (Bl. 75 SG-Akte).

Im März 2005 beantragte die Mutter der Klägerin für diese eine Psychotherapie beim Dipl. Psych., Psychologischer Psychotherapeut K., Diakonie Stetten e. V. in Kernen im Remstal, der über keine Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung verfügt. Zur Begründung ihres Antrages gab die Mutter der Klägerin an, es gäbe keinen kassenärztlich zugelassenen Therapeuten, der mit der Behinderung der Klägerin umgehen könne. Nur der Dipl. Psych. K. sei hierzu in der Lage. Die Klägerin sei bei dem Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie Dr. B. in ständiger psychiatrischer Behandlung. Dr. B. könne eine Psychotherapie aus Zeitgründen nicht durchführen. Die Klägerin legte im weiteren diverse Krankenhausberichte und Schreiben von Dr. B. vor, der eine Psychotherapie beim Dipl. Psych. K. befürwortete.

Die Beklagte holte das sozialmedizinische Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) Dr. Br., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 8. August 2005 ein. Danach bestehe die Notwendigkeit einer verhaltenstherapeutischen Behandlung der Klägerin, welche jedoch nicht zwingend durch den Dipl. Psych. K. durchgeführt werden müsse. Bei der Suche nach einem geeigneten Therapeuten könne die Koordinierungsstelle Psychotherapie der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) helfen.

Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 10. August 2005 den Antrag der Klägerin ab und verwies sie wegen der Vermittlung eines geeigneten Therapeuten an die Koordinierungsstelle Psychotherapie der Kassenärztlichen Vereinigung.

Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, die vorgeschlagene Hilfe der KV bestehe lediglich in der Übersendung einer Therapeutenliste, welche sie bereits von ihrem Facharzt erhalten habe, der keine Therapeutenempfehlung für sie habe aussprechen können. Bereits in der Vergangenheit hätten Therapien bei Vertragspsychotherapeuten nicht zum Erfolg geführt. Die Therapeuten hätten ihre Problematik in ihrer Ganzheit nicht richtig erfasst. Alle ihre Bemühungen, einen geeigneten zugelassenen Psychotherapeuten zu finden, seien ohne Erfolg geblieben. Auf Grund eines Gespräches mit dem Dipl. Psych. K. sei sie überzeugt, dass er alle Voraussetzungen für eine erfolgreiche Psychotherapie besitze. Sicherheit müsse der Grundpfeiler der Therapie sein, da sie selbst keine Sicherheit habe. Diese Sicherheit sei im Gespräch mit dem Dipl. Psych. K. spürbar gewesen. Sie habe auch noch einmal Kontakt mit Therapeuten mit Kassenzulassung aufgenommen. Das Ergebnis sei deprimierend gewesen. Entweder sei sie an einen Kollegen verwiesen worden oder man habe bei der Terminvergabe völlig flexibel sein müssen. Sie legte in dem Zusammenhang noch eine Bescheinigung ihres Hausarztes Dr. M. vor, wonach eine übliche Verhaltenstherapie nicht erfolgversprechend sei, geeignet sei nur ein Psychotherapeut, der Erfahrungen mit geistigen Behinderungen habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 9. November 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung u. a. aus, die Klägerin habe die Möglichkeit einer vertragsgemäßen Versorgung von vornherein nicht in Betracht gezogen.

Hiergegen hat die Klägerin am 8. Dezember 2005 Klage vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie im wesentlichen ihren Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und ergänzend ausgeführt, ihre Psychose sei vor allem gerade die Folge einer im Jahr 2000 wegen der Scheidung ihrer Eltern notwendig gewordenen Therapie bei einem Vertragspsychotherapeuten gewesen. Sie habe im Übrigen sehr wohl versucht, einen geeigneten zugelassenen Psychotherapeuten zu finden, sie sei jedoch immer auf einen Kollegen verwiesen worden. Dr. M. (Hausarzt) und Dr. B. hätten ausdrücklich eine Therapie beim Dipl. Psych. K. empfohlen. Dr. B. habe sich von dessen Qualifikationen überzeugt.

Die Klägerin hat ein Gutachten des Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Dipl. Psych. Dr. J. vom 2. Dezember 1994 (Bl. 17 f. SG-Akte), ein Schreiben der ärztlichen Leiterin der Abteilung für Entwicklungsstörungen der Kinderklinik im Olgahospital Stuttgart, Dr. Schweizer vom 26. Mai 1992 (Bl. 29 f. SG-Akte), einen Schulbericht der Schule für Sprachbehinderte, Waiblingen, vom 15. Mai 1992 und einen Bericht des Sonderschulkindergartens für Sprachbehinderte, Waiblingen, vom 9. Mai 1983 (Bl. 35 SG-Akte) vorgelegt. Aus diesen Unterlagen, die zum Teil auf Langzeitbeobachtungen beruhten, lasse sich die Grundproblematik der Klägerin erkennen, für die ein Therapeut Wissen und Erfahrung mitbringen müsse, insbesondere müsse eine Überforderung vermieden werden.

Das SG hat sachverständige Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte eingeholt. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. M. hat in seiner Auskunft vom 29. März 2006 (Bl. 43/44 SG-Akte) u. a. mitgeteilt, die Klägerin benötige eine Psychotherapie, welche nur bedingt bei einem vertraglich zugelassenen Psychotherapeuten durchgeführt werden könne. Es sei eine spezifische Ausbildung und eine persönliche Beziehung erforderlich. Der Therapeut müsse außerdem spezielle Kenntnisse im Bereich der Verhaltensstörungen sowie Erfahrung im Umgang mit psychischen Störungen, Sprachstörungen sowie Autismusstörungen haben. Bei entsprechender Ausbildung könne die Therapie auch von jemand anderem als vom Dipl. Psych. K. durchgeführt werden. Der Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychoanalyse Dr. B. hat in seiner Auskunft vom 17. Mai 2006 (Bl. 45/46 SG-Akte) ausgeführt, die im Zusammenhang mit der Vergewaltigung im Jahr 2004 aufgetretene Angststörung sei inzwischen abgeklungen. Eine Psychotherapie sei dennoch empfehlenswert. Auf Grund einer Kombination von schwierigen psychiatrischen Erkrankungen sei eine Therapie bei einem hierfür spezialisierten Psychotherapeuten günstiger als bei einem Vertragspsychotherapeuten. Im vorliegenden Ausnahmefall müsse aus seiner Sicht eine Psychotherapie beim Dipl. Psych. K. gestattet werden.

Die Beklagte hat im Anschluss daran das weitere sozialmedizinische Gutachten des MDK von Dr. Müller-Jenz vom 9. Juni 2006 (Bl. 50 f. SG-Akte) eingeholt. Nach Auffassung von Dr. Müller-Jenz habe die Klägerin die Suche nach einem zugelassenen Psychotherapeuten nicht ausgeschöpft. Außerdem könne davon ausgegangen werden, dass vertraglich zugelassene Psychotherapeuten über die notwendigen Qualifikationen verfügten.

Die KV Baden-Württemberg hat in der vom SG noch eingeholten Auskunft vom 6. Dezember 2006 mitgeteilt, dass im Rems-Murr-Kreis ein Versorgungsgrad bei Psychotherapeuten von 132,3 % bestehe. Daher müsse von einer mehr als ausreichenden Versorgung ausgegangen werden (Bl. 80/81 SG-Akte).

Weiterhin hat das SG fünf Psychotherapeuten zu ihrer Auslastungssituation, Wartezeiten etc. schriftlich befragt. Der Dipl. Psych. Dr. A. hat in seiner Auskunft vom 18. Dezember 2006 (Bl. 84 SG-Akte) mitgeteilt, kurzfristige Termine ohne Wartezeiten seien bei zeitlicher Flexibilität möglich. Dies sei auch in der Vergangenheit so gewesen. Der Dipl. Psych. W. hat in der Auskunft vom 4. Januar 2007 (Bl. 85 SG-Akte) ausgeführt, ein bis zwei Termine für Erstgespräche könne er kurzfristig vergeben. Im Übrigen komme es im Normalfall zu Wartezeiten von zwei bis acht Wochen, bei bestimmten Terminwünschen auch zu längeren Wartezeiten. Die genaue Abstimmung der Therapiemethoden erfolge in den Probesitzungen, die jeder Therapie vorausgingen. Der Dipl. Psych. B. hat in seiner Auskunft vom 3. Januar 2007 (Bl. 86 SG-Akte) mitgeteilt, erste Informationen erteile er am Telefon. Einen Termin für die erste Probesitzung erhalte man bei ihm innerhalb von zwei bis vier Wochen. Bei der Durchführung der regelmäßigen längerfristigen Behandlung entstünden Wartenzeiten, deren Dauer von mehreren Faktoren abhängig sei. Die Wartezeit könne bis zu sechs Monaten betragen, wobei in dieser Zeit üblicherweise bis zu fünf Probesitzungen stattfänden, sodass sich die reine Wartezeit auf zwei bis drei Monate verkürze. Der Dipl. Psych. Sch. hat in der Auskunft vom 15. Januar 2007 (Bl. 88 SG-Akte) ausgeführt, er führe seit März 2005 keine systematische Warteliste mehr. Zuvor hätten Wartezeiten von deutlich über einem halben Jahr bestanden. Genaue Angaben zu derzeitigen Wartezeiten könne er nicht machen, jedoch würden in der Regel Patienten, die innerhalb von zwei bis drei Monaten mehrfach nach einem Ersttermin anfragen würden, einen solchen auch bekommen. Der Dipl. Psych. Be. hat in seiner Auskunft vom 27. April 2007 mitgeteilt, derzeit erhielten Patienten bei ihm kurzfristig einen Termin. In der Vergangenheit sei es zeitweilig zu Wartezeiten gekommen (Bl. 92 SG-Akte).

Im weiteren Verfahren hat die Klägerin noch einen Arztbericht von Dr. Bec, ärztlicher Direktor der Rehbergpark-Klinik, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Herborn, vom 27. April 2007 vorgelegt, wonach bei der Klägerin eine tiefgreifende Entwicklungsstörung und ein Verdacht auf Asperger-Syndrom vorliege. Er empfehle u. a. eine weitere psychotherapeutische Hilfestellung, über deren Art und Umfang vor Ort zu entscheiden sei.

Mit Urteil vom 16. Juli 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, ein Anspruch der Klägerin auf Übernahme der Kosten einer Behandlung durch den Dipl. Psych. K. im Rahmen einer Krankenbehandlung nach §§ 27 und 28 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) bestünde nicht. Es stehe zwar außer Frage, dass bei der Klägerin ein psychotherapeutischer Behandlungsbedarf bestehe. Ein Anspruch auf Behandlung durch einen nicht zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassenen Psychotherapeuten bestehe jedoch nicht. Der Grundsatz der freien Arztwahl nach § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V bestehe nur innerhalb der zur vertragsärztlichen bzw. vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassenen Psychotherapeuten. Eine Ausnahme hiervon liege im vorliegenden Fall nicht vor. So sei kein Notfall im Sinne von § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V gegeben, im Rahmen dessen auch andere Ärzte, die nicht zur vertragsärztlichen Versorgung bzw. andere Psychotherapeuten, die nicht zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassen seien, in Anspruch genommen werden könnten. Nach Überzeugung des SG sei unter Berücksichtigung des Versorgungsgrades von 132,3 % im Rems-Murr-Kreis bei den Psychotherapeuten eine ausreichende Versorgung der Klägerin mit zugelassenen Psychotherapeuten vorhanden, dies werde letztlich auch durch die Angaben der vom SG befragten Psychotherapeuten bestätigt, danach bestünden derzeit größtenteils keine bzw. nur noch kurze Wartezeiten von einigen Wochen. Auch der Einwand der Klägerin, vertraglich zugelassene Psychotherapeuten kämen auf Grund der Besonderheiten ihres Krankheitsbildes generell nicht in Betracht, greife nicht durch. Das SG verkenne nicht, dass eine Behandlung der Klägerin auf Grund des Zusammenspiels der bei ihr vorliegenden geistigen Entwicklungsstörungen und der hinzugetretenen Psychose gegenüber einer "gewöhnlichen" Psychotherapie besondere Schwierigkeiten bereite. Es werde auch nicht verkannt, dass es hierfür einer ganz besonderen Vertrauensbeziehung zwischen der Klägerin und dem behandelnden Psychotherapeuten bedürfe. Allerdings sei für das SG nicht nachvollziehbar, weshalb ein vertraglich zugelassener Psychotherapeut hierzu generell nicht in der Lage sein sollte. Denn nicht zuletzt auf Grund ihrer Zulassung würden diese die Gewähr dafür bieten, dass sie für die von ihnen durchzuführenden Behandlungen ausgebildet seien und dadurch auch die Fähigkeiten hätten, mit schwierigeren Fällen wie dem der Klägerin umzugehen. Dies werde auch durch die Erfahrung, welche die Klägerin im Rahmen einer Psychotherapie im Jahr 2000 gemacht habe, nicht widerlegt. Zunächst seien die Ursachen des Scheiterns dieser Therapie nicht bekannt. Möglicherweise habe damals eine derart akute psychische Belastungssituation bestanden, dass eine ambulante Psychotherapie generell nicht mehr ausreichend gewesen sei. Aber selbst wenn das Scheitern der Therapie auf den damaligen Therapeuten zurückzuführen sein sollte, führe dies wegen der vorstehend dargestellten gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht dazu, dass die Klägerin nunmehr auch unter Psychotherapeuten ohne vertragliche Zulassung frei wählen könne.

Die Klägerin hat gegen das ihr mit Postzustellungsurkunde am 4. August 2007 zugestellte Urteil am 4. September 2007 Berufung eingelegt.

Zur Begründung macht die Mutter der Klägerin geltend, es sei nicht richtig, dass generell vertraglich zugelassene Psychotherapeuten für die Klägerin nicht in Betracht kämen. Die Suche nach einem Therapeuten, der u. a. auch erfahren sei im Umgang mit autistischen Menschen, sei erst nach der erfolglosen Kontaktierung zugelassener Therapeuten erfolgt, die nach gezielter Vorabbefragung auf Kollegen verwiesen. Die Gründe hierfür seien sowohl von den Ärzten als auch von ihr auf die besondere Problematik zurückgeführt worden. Soweit das SG einen Notfall im Sinne von § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V nicht für gegeben halte, führt die Mutter der Klägerin aus, seit der missglückten Therapie im Jahr 2000, mit den Folgen einer suizidalen Psychose, habe sie in der Verantwortung für die Klägerin auf eine eigene Berufstätigkeit verzichtet. Nur durch diese große Präsenz sei es bis heute möglich, Krisen- und Gefahrensituationen rechtzeitig zu erkennen und adäquat darauf zu reagieren. So seien in einem ersten Gespräch mit dem zugelassenen Psychotherapeuten W. u. a. sechs probatorische Sitzungen und ein weiterer Gesprächstermin vereinbart worden. Bei diesem zweiten Gespräch habe der Dipl. Psych. W. gemeint, er könne nicht weiterhelfen, denn bei der Klägerin bedürfe es einer besonderer Schulung und er verfüge nicht über das notwendige Wissen. Sie möge sich an das Krankenhaus Winnenden, Psychotherapie, Ambulanz der Klinik, wenden. Bei dem telefonischen Erstkontakt sei Dipl. Psych. W. nur über die Therapiegründe in Kenntnis gesetzt worden, nicht aber, wie die an die Kollegen verweisenden Therapeuten, über die erschwerenden Begleitumstände. Die Einschätzung des Hausarztes Dr. M. und des Facharztes für Psychiatrie Dr. B. sei demnach richtig gewesen, dass diese Zusatzinformation der Grund für deren Verweise gewesen sei. Die telefonische Anfrage im Krankenhaus Winnenden habe jedoch ergeben, dass keinerlei psychologische Therapieangebote bestünden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. Juli 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. August 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. November 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für eine Psychotherapie beim Dipl. Psych. K. zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Der Senat hat noch ergänzend Auskünfte bei den Dipl. Psych. K., Dr. Au., Be., B., Sch. und W. eingeholt. Der Dipl. Psych. K. hat in seiner Auskunft vom 7. Januar 2008 mitgeteilt, dass er vor etwa zwei Jahren ein Gespräch mit der Klägerin zum kennenlernen gehabt habe, wie es bei den psychotherapeutischen Behandlungen üblich sei, um zu klären, ob eine Zusammenarbeit im Sinne der Ziele der Patientin vorstellbar sei. Diese Frage sei von Seiten der Klägerin damals positiv beantwortet worden. Er hat auch weiter mitgeteilt, dass er bereit und in der Lage sei eine Therapie mit der Klägerin durchzuführen. Als angestellter Psychotherapeut mit Approbation sei er in seiner Verfahrenswahl frei und müsse nicht nach einem der Richtlinienverfahren behandeln. Er habe eine Grundausbildung in Gesprächspsychotherapie. In Anbetracht der speziellen Klientel, die er therapeutisch behandele (Menschen mit geistiger und/oder Mehrfachbehinderung, Menschen mit Autismus) und der Tatsache, dass keines der gängigen Therapieverfahren unmodifiziert für diese Klientel eingesetzt werden könne, habe er sich durch die Teilnahme an Fortbildungen weiter qualifiziert. Im Rahmen seiner fast 18jährigen praktischen Tätigkeit habe er zudem viel klinische Erfahrung durch unterschiedlichste psychotherapeutische Behandlungen dieser Klientel gesammelt. Der Dipl. Psych. W. hat in seiner Auskunft vom 9. Januar 2008 mitgeteilt, dass er bereits in der zweiten Probesitzung der Klägerin mitgeteilt habe, dass er beim momentanen Stand der Grunderkrankung (Psychose) eine Behandlung in einer geeigneteren Einrichtung für sinnvoller halte. Eine erfolgreiche Verhaltenstherapie sei seines Erachtens zu diesem Zeitpunkt in einem ambulanten Setting nicht zu erwarten gewesen. Auch sei ihm nicht gelungen, einen tragfähigen und vertrauensvollen Kontakt zu der Klägerin aufzubauen. Die Dipl. Psych. Dr. Au., Sch. und Be. haben noch mitgeteilt, dass probatorische Sitzungen bei ihnen mit der Klägerin nicht stattgefunden hätten, über telefonische Anfragen von ihnen im Übrigen auch keine Unterlagen aufbewahrt würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung liegt nicht vor. Der Beschwerdewert von 500,- EUR ist überschritten. Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten einer psychotherapeutischen Behandlung.

II.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen, da die Klägerin keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten einer Behandlung durch den nicht zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassenen Dipl. Psych. K. hat.

Gem. § 27 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankensicherung - (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u.a. gem. Satz 2 Nr. 1 ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation (§ 27 Abs. 1 Satz 3 SGB V).

Gem. § 28 Abs. 3 Satz 1 SGB V wird die psychotherapeutische Behandlung einer Krankheit durch psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Psychotherapeuten), soweit sie zur psychotherapeutischen Behandlung zugelassen sind, sowie durch Vertragsärzte entsprechend den Richtlinien nach § 92 durchgeführt.

Der gemeinsame Bundesausschuss beschließt gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewährung für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten, er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen einschließlich Arzneimitteln oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind sowie wenn insbesondere ein Arzneimittel unzweckmäßig oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbaren diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist.

Der gemeinsame Bundesausschuss soll u. a. gem. § 92 Abs. 1 Satz 2 SGB V Richtlinien beschließen über die ärztliche Behandlung (Nr.1). In den Richtlinien nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ist gem. § 92 Abs. 6 a SGB V insbesondere das Nähere über die psychotherapeutisch behandlungsbedürftigen Krankheiten, die zur Krankenbehandlung geeigneten Verfahren, das Antrags- und Gutachterverfahren, die probatorischen Sitzungen sowie über Art, Umfang und Durchführung der Behandlung zu regeln (Satz 1).

Nach den (gem. § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Abs. 6 a SGB V i. V. m. § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V) danach maßgeblichen Psychotherapie-Richtlinien sind anerkannte Richtlinienverfahren nur psychoanalytisch begründete Verfahren (tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und analytische Psychotherapie) und die Verhaltenstherapie (Vgl. Abschnitt b I Nr. 1.1 und 1.2 der Psychotherapie-Richtlinien).

Zwar besteht bei der Klägerin unstreitig ein psychotherapeutischer Behandlungsbedarf. Jedoch erfüllt Dipl. Psych. K. in zweierlei Hinsicht nicht die Voraussetzungen für eine Übernahme der Behandlungskosten durch die Beklagte gemäß den Psychotherapie-Richtlinien. Zum Einen handelt es sich bei ihm nicht um einen zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassenen Psychotherapeuten (dazu unter 1.) und zum Anderen behandelt Dipl. Psych. K. auch nicht nach einem Richtlinienverfahren (dazu unter 2.).

1.

Wie bereits vom SG zutreffend ausgeführt können die Versicherten im Rahmen der GKV gem. § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten, den medizinischen Versorgungszentren, den ermächtigten Ärzten, den ermächtigten oder nach § 116 b an der ambulanten Versorgung teilnehmenden Einrichtungen, frei wählen. Andere Ärzte dürfen gem. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V nur in Notfällen in Anspruch genommen werden.

Ein Notfall liegt insbesondere dann vor, wenn die Behandlung durch einen Vertragsarzt nicht möglich oder nicht zumutbar und der Versicherte daher auf die Hilfe eines Nichtvertragsarztes angewiesen ist; anders formuliert: wenn ohne eine sofortige Behandlung durch einen Nichtvertragsarzt Gefahren für Leib und Leben entstehen oder heftige Schmerzen unzumutbar lange andauern würden (BSGE 34, 172 = SozR Nr. 6 zu § 368 d RVO = NJW 1972, 2244; BSGE 35, 10 = SozR Nr. 7 zu § 368 d RVO; Höfler in Kasseler Kommentar § 13 SGB V Rdnr. 26 bzw. Hess in Kasseler Kommentar § 76 SGB V Rdnr. 12). Ein solcher Notfall liegt hier jedoch nicht vor.

Es stehen hier im Rems-Murr-Kreis grundsätzlich ausreichend zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassene Psychotherapeuten zur Verfügung (Versorgungsgrad laut Auskunft der KV Baden-Württemberg 132,3 %). Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass im Hinblick auf die konkrete Situation bei der Klägerin (Psychose/geistige Behinderung) die bislang angesprochenen zugelassenen Vertragspsychotherapeuten eine Behandlung abgelehnt haben, da sie sich hierzu konkret im Hinblick auf ihren Ausbildungsstand bzw. Erfahrung bzw. die konkrete Krankheitssituation der Klägerin nicht in der Lage sahen.

Im Übrigen besteht auch wie bereits vom SG festgestellt weder ein Systemversagen, noch eine Systemstörung oder eine Versorgungslücke (s. BSGE 34, 172 = SozR Nr. 6 zu § 368d RVO; BSGE 53, 144, 149 = SozR 2200 § 182 Nr. 80; BSGE 79, 190 = SozR 3 - 2500 § 13 Nr. 12). Ein Systemversagen kann vorliegen, wenn eine bestimmte Behandlung, etwa wegen ihrer Neuartigkeit, Aufwändigkeit oder Schwierigkeit, durch einen Vertragsarzt (noch) nicht erfolgen kann, wohl aber durch einen anderen, nicht zugelassenen praktizierenden Arzt (BSGE 34, 172, 174). Ein Systemversagen, das der Versicherungsträger sich zurechnen lassen muss, kann auch darin bestehen, dass der ärztliche Leistungserbringer (Vertragsarzt oder der Arzt des Vertragskrankenhauses) den Versicherten nicht ausreichend darüber unterrichtet, dass er ihm eine Fremdleistung verordnen oder sonst wie verschaffen will. Der Versicherte, der krankenversicherungsrechtlich zulässig einen zugelassenen Leistungserbringer aufsucht, darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass dieser ihm nur zugelassene Naturalleistungen im Rahmen des gesetzlichen Naturalleistungssystems, d.h. durch zugelassene Leistungserbringer, erbringt oder verschafft. Dieses System ist stets für den Versicherten kostenfrei. Ein Vertrauen des Versicherten darauf, der zugelassene ärztliche Leistungserbringer werde ihm nur für ihn kostenfreie Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, nicht aber grundsätzlich von ihm selbst zu bezahlende Fremdleistungen verordnen oder verschaffen, ist jedoch nicht schutzwürdig, wenn der Versicherte weiß oder trotz ausreichender Unterrichtung durch den ärztlichen Leistungserbringer und trotz persönlicher Einsichtsfähigkeit nicht weiß, dass eine Fremdleistung verordnet oder sonst wie veranlasst werden soll (so BSGE 79, 190 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 2).

II.

Des Weiteren behandelt Dipl. Psych. K. nicht nach einem Richtlinienverfahren. Er behandelt vielmehr im Verfahren der Gesprächspsychotherapie. Hierbei aber handelt es sich gerade nach den Feststellungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) nicht um ein Verfahren, das den Qualitätsanforderungen nach den Psychotherapie-Richtlinien genügt (siehe Beschluss des GBA vom 24. April 2008, in Kraft seit 8. August 2008 - BAnz Nr. 118 vom 7. August 2008, siehe hierzu auch Urteil des erkennenden Senats vom 29. Oktober 2008 zur Frage der Anerkennung der Gesprächspsychotherapie als Richtlinienverfahren - L 5 KA 2851/06 - S. 30 und S. 39 im Umdruck). Zwar läuft noch das Stellungnahmeverfahren vor dem GBA zur indikationsbezogenen Erbringung der Gesprächspsychotherapie als Methode im Sinne des Abschnitts B I Nr. 4 Psychotherapie-Richtlinien. Der GBA hatte lediglich in einem Indikationsbereich (affektive Störungen) den Nutzen der Gesprächstherapie als belegt angesehen, im Übrigen aber die Kriterien für die Anerkennung der Gesprächspsychotherapie als Richtlinienverfahren als nicht erfüllt angesehen.

Bezüglich der bei der Klägerin vorliegenden Konstellation vermag auch eine mögliche Anerkennung einer indikationsbezogenen Erbringung der Gesprächspsychotherapie in der Zukunft nichts zu ändern, weil Gesprächstherapie auch dann nur von einem in einem Richtlinienverfahren zugelassenen Psychotherapeuten mit entsprechender Qualifikation für die Gesprächspsychotherapie zu Lasten der GKV erbracht werden könnte. Schließlich käme in einem solchen Fall ohnehin eine Übernahme der Kosten frühestens ab dem Zeitpunkt der Anerkennung einer Methode nach den Psychotherapie- Richtlinien in Betracht.

Aus all diesen Gründen ist daher die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Der Senat verkennt bei dieser Entscheidung nicht, dass die Ablehnung der Behandlung durch den Dipl. Psych. K. das Kernproblem der Klägerin weiterhin verschiebt. Sie benötigt eine Psychotherapie und hat einen Anspruch gegenüber der Krankenkasse auf Erbringung dieser Behandlung als Sachleistung, vermag allerdings im Alltag keinen zu ihrer Behandlung bereiten Psychotherapeuten zu finden. In dieser Situation darf sich die beklagte Krankenkasse nicht damit begnügen, ihr lediglich eine Liste der zugelassenen Psychotherapeuten in die Hand zu drücken. Die Krankenkasse ist vielmehr dazu verpflichtet, die Klägerin in geeigneter Weise so zu unterstützen, dass sie auch tatsächlich einen behandlungsbereiten Psychotherapeuten findet und sich die Leistungserbringer auch vertragsgerecht verhalten. Hierbei wird sich die Beklagte in weit stärkerer Weise engagieren müssen als bisher.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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