L 2 AS 4708/08 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 1707/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 AS 4708/08 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 28. August 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Stuttgart (SG) vom 28. August 2008 ist zulässig (vgl. § 145 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)), sie ist jedoch nicht begründet. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der hier anwendbaren, ab 1. April 2008 geltenden Fassung bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR nicht übersteigt. Diese Regelung findet nur dann keine Anwendung, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Dieser Beschwerdewert wird vorliegend nicht erreicht; der Ausnahmetatbestand des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG liegt nicht vor. Gegenstand des Klageverfahrens S 3 AS 1707/07 war der Bescheid vom 16. November 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Februar 2007 und in der Fassung des Anerkenntnisses vom 1. Juni 2007, mit dem die Beklagte es abgelehnt hatte, - unter Änderung des bestandskräftigen Bescheids vom 19. Januar 2006 - die ab dem 23. November 2005 gewährten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bereits ab dem 16. November 2005, dem Folgetag der Rückkehr der Kläger von einem längeren Aufenthalt in Mittelamerika, zu gewähren. Dagegen war die Übernahme der Krankenhauskosten in Höhe von 2.452,50 EUR nicht Gegenstand des Klageverfahrens. Die Beklagte hat den entsprechenden Antrag vom 12. August 2006 mit dem angefochtenen Bescheid vom 16. November 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Februar 2007 sinngemäß als sachgerechten Antrag auf Überprüfung des Bewilligungsbescheids vom 19. Januar 2006 hinsichtlich des Leistungsbeginns behandelt. Auch aus der Klageschrift vom 3. März 2007 ergibt sich eindeutig, dass die Klage ausschließlich auf den Leistungsbeginn ab dem 16. November 2005 gerichtet war, der zur Folge hätte, dass die Kläger bereits ab diesem Datum gesetzlich krankenversichert gewesen wären. Dem entspricht es, dass die Klägerin zu 1 wegen der Übernahme der Kosten der Krankenhausbehandlung gegen die AOK N.-K./T. Klage erhoben hat. Da die Klageforderung im hier maßgeblichen Verfahren damit auf die Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für den 16. bis 22. November 2005 gerichtet war, bestimmt sich der Wert des Beschwerdegegenstands allein nach dem Wert dieser Leistung, zu deren Zahlung verurteilt werden soll, d.h. nach dem Geldbetrag, um den unmittelbar gestritten wird (BSG SozR 3-1500 § 144 Nr. 11; BSG, Urteil vom 11. Mai 1999 - B 11/10 AL 1/98 R -, veröffentlicht in Juris). Bei der Feststellung des Beschwerdegegenstandes kommt es nicht auf den möglichen Einfluss auf andere Leistungen (hier der AOK) an, denn rechtliche oder wirtschaftliche Folgewirkungen der Entscheidung über den eingeklagten Anspruch bleiben bei der Berechnung der Beschwer außer Ansatz (BSG a.a.O.). Den Klägern wurden Leistungen für November 2005 in Höhe von 19,17 EUR täglich gewährt, so dass mit dem hier geltend gemachten Leistungsanspruch für weitere 7 Tage der maßgebliche Wert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht erreicht wird.

Da das SG die Berufung im Urteil nicht zugelassen hat, bedarf eine Berufung der Zulassung durch Beschluss des Landessozialgerichts (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG). Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, (2.) das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts (BSG) oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichthöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Keine dieser Voraussetzungen liegt hier vor. Die Kläger haben zur Begründung der Beschwerde geltend gemacht, der Rechtssache komme grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn ihre Entscheidung über den Einzelfall hinaus dadurch an Bedeutung gewinnt, dass die Einheit und Entwicklung des Rechts gefördert wird oder dass für eine Anzahl ähnlich liegender Fälle eine Klärung erfolgt (ständige Rechtsprechung des BSG seit BSGE 2, 121, 132 zur entsprechenden früheren Vorschrift des § 150 Nr. 1 SGG). Die Streitsache muss mit anderen Worten eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwerfen, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern; die entscheidungserhebliche Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (so Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 144 Rndr. 28; vgl. dort auch § 160 Rdnr. 6 ff. mit Nachweisen aus der Rechtsprechung zur Frage der Revisionszulassung). Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage in diesem Sinn wirft die Streitsache nicht auf. Die Kläger machen geltend, § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II enthalte den Rechtsgedanken, dass ein unverzüglich gestellter Antrag dann Rückwirkung entfalte, wenn es dem Antragsteller bei Eintritt der Leistungsvoraussetzungen objektiv unmöglich war, den Antrag zu stellen und er den Antrag unverzüglich nachgeholt hat. Diese Frage stellt sich im vorliegenden Fall aber bereits deshalb nicht, weil sich aus dem Vorbringen schon die Unmöglichkeit einer früheren Antragstellung, die – worauf das SG zutreffend hingewiesen hat - auch formlos z.B. telefonisch oder per Fax hätte erfolgen können, nicht feststellen lässt. Dessen ungeachtet gilt: Eine Rechtsfrage ist auch dann nicht klärungsbedürftig, wenn sich die Antwort aus dem Gesetz ergibt. So liegt es hier. Denn entgegen der Auffassung der Kläger enthält § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II gerade nicht den von ihnen formulierten allgemeinen Rechtsgedanken. Die Vorschrift besagt vielmehr, dass nur für den im Gesetz benannten Ausnahmetatbestand eine Rückwirkung des Antrags eintreten soll, und bringt damit eindeutig zum Ausdruck, dass andere Gründe nicht berücksichtigt werden. Das gilt auch dann, wenn die frühere Antragstellung aus Gründen unterblieben ist, die vom Berechtigten nicht zu vertreten sind (Wagner in JurisPK-SGB II, 2. aufl. 2007, § 37 Rn. 32-34).

Darüber hinaus liegt auch eine Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG nicht vor. Eine solche Divergenz ist anzunehmen, wenn tragfähige abstrakte Rechtssätze, die einer Entscheidung des SG zugrunde liegen, mit denjenigen eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte nicht übereinstimmen. Das SG muss seiner Entscheidung also einen Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit der Rechtsprechung jener Gerichte nicht übereinstimmt (vgl. hierzu Leitherer, a.a.O., § 160 Rdnr. 13 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung zur Frage der Revisionszulassung). Einen Rechtssatz in diesem Sinn hat das SG in seinem Urteil nicht aufgestellt, so dass eine Divergenz nicht in Betracht kommt. Da letztlich auch ein wesentlicher Mangel des gerichtlichen Verfahrens im Sinne des dritten Zulassungsgrundes nicht gegeben ist, war die Beschwerde der Kläger zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 Abs. 1 SGG.

Diese Entscheidung ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

Das angefochtene Urteil des SG wird hiermit rechtskräftig (vgl. § 145 Abs. 4 Satz 5 SGG).
Rechtskraft
Aus
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