L 9 R 5588/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 1131/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 5588/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 18. September 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Umstritten ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1951 in Skopje, Mazedonien, geborene Klägerin hat keine Berufsausbildung absolviert und war - nach Tätigkeiten in einer Hotelküche und in einer Metallfabrik - ab 01. März 1979 als ungelernte Maschinenarbeiterin in einer Fabrik für Kunststoffteile beschäftigt. Ab 24. November 2003 war sie arbeitsunfähig und ab 04. Januar 2004 bezog sie Krankengeld. Ihren an einem Lungenkarzinom erkrankten Ehemann betreute sie bis zu dessen Tod am 16. Juli 2006.

Am 27. April 2004 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung, da sie seit 23. Januar 1997 wegen eines Impingementes, Gelenksarthrose, einer Gastritis, einer Hypercholesterinämie, Migräne und eines Meniskusschadens in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert sei.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 03. September 2004 und Widerspruchsbescheid vom 06. April 2005 die Gewährung von Rente ab, da die Klägerin leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne und damit weder voll, noch teilweise erwerbsgemindert und - weil sie auf Grund ihrer zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Ungelernte auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar sei - auch nicht berufsunfähig sei.

Dem lag im Wesentlichen - neben vorgelegten und beigezogenen ärztlichen Äußerungen - ein Gutachten des Facharztes für Allgemeinmedizin, Sozialmedizin, Dr. L. vom 30. August 2004 zu Grunde (Impingement-Syndrom rechte Schulter, subacromiale Dekompression (01/04), Arthrose des AC-Gelenkes, medial betonte Gonarthrose rechts, chronisches Lumbalsyndrom bei Wirbelsäulen(WS)-Fehlstatik mit Hohlrücken und wahrscheinlichen degenerativen Veränderungen, Migräne ohne Aura, Adipositas sowie gastro-oesophagialer Reflux; die Klägerin könne leichte sowie zeitlich begrenzt auch mittelschwere körperliche Arbeiten - ohne Überkopfarbeiten, Arbeiten in beidseitiger Armvorhaltung, häufige schwere Hebe- und Tragearbeiten über etwa acht bis zehn Kilogramm, Zwangshaltungen, häufiges Bücken und ausschließliches Gehen oder Stehen - mit der Möglichkeit zwischenzeitlichen Sitzens mehr als sechs Stunden täglich ausüben). Weitere Grundlage war ein Bericht über eine stationäre Heilbehandlung in der Rehabilitationsklinik Höhenblick vom 26. Oktober bis 30. November 2004 (chronisches Impingementsyndrom rechte Schulter, Zustand nach Arthroskopie (1 und 8/04), chronisches pseudoradikuläres HWS-Syndrom, anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion, chronisches lokales LWS-Syndrom; leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung in Tages-, Früh- oder Spätschicht - ohne Überkopfarbeiten rechts oder Arbeiten mit stärkerer Armabspreizung rechts, regelmäßiges Treppengehen oder Leitersteigen, Tätigkeiten mit Erfordernis schnellen Gehens - seien sechs Stunden und mehr möglich).

Am 25. April 2005 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben und im Wesentlichen vorgetragen, wegen ihrer - oben genannten - Erkrankungen sei sie zu einer Erwerbstätigkeit nicht in der Lage.

Das SG hat die behandelnden Ärzte, PD Dr. L., Chirurgische Universitätsklinik Ulm (Aussage vom 22. Juli 2005: Behandlung wegen Schulterbeschwerden), den Allgemeinmediziner Noz (Aussage vom 30. August 2005: Der Schwerpunkt der Erkrankung liege auf orthopädischem Fachgebiet, die Klägerin könne keine Erwerbstätigkeit mehr aufnehmen), den Orthopäden Dr. G. (Aussage 10. Oktober 2005: Behandlung wegen stenosierender Beugesehnensynovialitis am rechten Ringfinger), den Anästhesisten Prof. Dr. L. (Aussagen vom 31. Oktober 2005 und 07. April 2006: Chronifiziertes multilokuläres Schmerzsyndrom mit depressiver Verstimmung, wodurch die Wiederaufnahme einer beruflichen Tätigkeit sehr beeinträchtigt sei, die Klägerin könne keine sechs Stunden täglich arbeiten), den Neurologen und Psychiater Dr. S. (Aussage 05. April 2006: ein leichtes Karpaltunnelsyndrom habe sich nicht bestätigen lassen, keine wesentlichen neurologischen Ausfallerscheinungen oder messbare Nervenveränderungen) sowie Prof. Dr. L. und Dr. M. (Aussage 27. Juli 2006: multilokuläres Schmerzsyndrom, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem Umfang von sechs Stunden täglich im Moment nicht möglich) schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Die Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin Dr. W. hat ihren Bericht vom 30. Juli 2006 (Indikation für eine stationäre psychotherapeutisch-psychosomatische Behandlung, die die Klägerin jedoch wegen ihres schwer erkrankten Ehemannes nicht habe in Anspruch nehmen können) vorgelegt.

Außerdem hat das SG Sachverständigengutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. W. vom 23. März 2007 sowie des Orthopäden Dr. H. vom 07. Juni 2007 eingeholt.

Dr. W. hat die Diagnosen "depressive Reaktion nach Tod des Ehemannes, Migräne ohne Aura, Hypaesthesie des rechten Armes nach Schultergelenks-Operation, am ehesten im Sinne einer Plexusirriation, Schulterschmerzen rechts bei chronischem Inpingement-Syndrom, Schmerzen über dem rechten Trochanter Major bei rezidivierender Bursitis trochanterica rechts, Gonarthrose beidseits, rezidivierende Lumbalgien bei Hohlkreuzbildung" gestellt. Die Klägerin gebe Schmerzen im Bereich der rechten Schulter, beider Knie, der rechten Hüfte sowie der WS und außerdem regelmäßig auftretende Migräneattacken bis zu sieben Mal im Monat an und berichte außerdem über Gefühlsstörungen im Bereich des rechten Armes. In psychischer Hinsicht gebe sie an, durch den Tod des Ehemannes vor einem drei viertel Jahr belastet zu sein, räume aber dennoch ein, den Haushalt, wenn auch mit Einschränkungen selbst zu bewerkstelligen. Ein sozialer Rückzug sei nicht eruierbar. Die Migräne ohne Aura sei offensichtlich gut zu behandeln. Eine dauerhafte Leistungseinschränkung resultiere daraus nicht. Auf Grund der depressiven bzw. Trauerreaktion nach dem Tod des Ehemannes vor einem dreiviertel Jahr sei sicherlich die psychische Belastbarkeit herabgesetzt. Tätigkeiten unter Zeitdruck sowie im Schichtbetrieb seien aktuell nicht möglich. Alle anderen Tätigkeiten, die diese Leistungseinschränkungen berücksichtigten, seien allein auf Grund der Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet durchaus denkbar und könnten seit April 2004 auch mindestens sechs Stunden täglich ausgeübt werden. Eine Einschränkung der Gehfähigkeit bestehe von Seiten seines Fachgebietes nicht.

Dr. H. ist im Wesentlichen zum Ergebnis gelangt, die Klägerin leide unter einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenkes nach zweifacher Dekompressionsoperation bei partieller Rissbildung in der Supraspinatussehne, einer mäßigen Bewegungseinschränkung der HWS bei zahlreichen Blockierungen wie auch in der BWS mit sekundären Muskelverspannungen ohne sichere Hinweise auf Nerven- bzw. Nervenwurzelschäden sowie funktionellen Knieschmerzen rechts mehr als links bei diskreten Hinweisen auf beginnende Arthrosen beidseits. Überkopfarbeiten seien rechts aktuell nicht zumutbar, leichte Überkopfarbeiten seien links noch möglich. Mittelschwere Lasten sollten aktuell nicht beidhändig gehoben und getragen werden, leichte Lasten sollten nicht mit nach vorne oder seitlich abgespreiztem Oberarm rechts gehalten oder getragen werden müssen. Derzeit seien auch manuell anspruchsvolle Arbeiten nicht zuzumuten. Auch Arbeiten unter besonderem seelischen oder zeitlichem Druck, mit anhaltenden Zwangshaltungen, Erfordernis der vollen Kopfdrehung, häufigem Blick nach oben, in Hockstellung oder im Knien, mit Besteigen von Leitern und Gerüsten würde er nicht abverlangen. Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen seien möglich, auch gelegentliches Heben und Tragen von Lasten bis 15 kg in stabilisierter aufrechter Rumpfhaltung mit nach unten hängenden Armen. Bei Beachtung desselben könne die Klägerin mindestens sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche arbeiten. In Betracht kämen leichte Überwachungsaufgaben, z.B. in einem Parkhaus, Spielsalon oder Wäschesalon, sowie leichte Botentätigkeiten. Die Klägerin könne auch vier Mal täglich mehr als 500 Meter deutlich unter 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und öffentliche Verkehrsmittel auch während der Hauptverkehrszeiten benutzen. Die festgestellten Leistungseinschränkungen bestünden seit November 2003.

Mit Urteil vom 18. September 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei als Maschinenarbeiterin ohne Berufsausbildung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar und könne entsprechende Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Die Sachverständigengutachten hätten die Einschätzung des Gutachters Dr. L. in vollem Umfang bestätigt.

Gegen das am 24. Oktober 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26. November 2007, einem Montag, Berufung eingelegt. Sie leide im Wesentlichen unter Schulterbeschwerden und einem multilokulären Schmerzsyndrom, einem Karpaltunnelsyndrom, Kniegelenks und WS-Beschwerden, einer Migräne und mittelgradigen depressiven Episoden. Eine Einschränkung des Leistungsvermögens sei durch den Allgemeinmediziner N. und Prof Dr. L. sowie Dr. M.bestätigt. Hierzu hat sie eine ärztliche Äußerung des Allgemeinmediziners N. vom 28. November 2007 sowie zuletzt der Assistenzärztin Scherer vom 1. September 2008 (stationäre Behandlung vom 27. August bis 1. September 2008; Diagnose: Morbus menière links, Hyperthyreose; unter Therapie schnell deutliche Besserung, beschwerdefrei entlassen) und des Orthopäden Dr. G. vom 9. Oktober 2008 (Spreizfuß beidseits, initiale Großzehengrundgelenksarthrose links, beginnender Hallux valgus beidseits) vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 08. September 2007 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. April 2005 zu verurteilten, ihr Erwerbsminderungsrente ab 27. April 2004 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin könne zumutbare Tätigkeiten noch verrichten. Hierzu hat sie eine Stellungnahme von OMR F. vom 19. Februar 2008 vorgelegt. Er verweist u. a. auf die Gutachten von Dr. W. und Dr. H ... Der Allgemeinmediziner N. verweise auf Erkrankungen auf verschiedenen medizinischen Fachgebieten außerhalb der Allgemeinmedizin. Bezüglich der Migräne habe Dr. W. auf die erfolgreiche Behandlung hingewiesen. Migräneattacken führten nicht automatisch, sondern nur gelegentlich, bei stärkeren Attacken, zu Arbeitsunfähigkeitszeiten. Auch hinsichtlich der seelischen Beeinträchtigungen sei auf das Gutachten von Dr. W. zu verweisen. Dieser habe zwar die somatoforme Schmerzstörung bzw. ein Fibromyalgie-Beschwerdesyndrom nicht ausdrücklich genannt, jedoch - wie auch Dr. H. - einen Tagesablauf und eine Freizeitbetätigung, auch mit weiteren Reisen, einbezogen. Auch habe Dr. W. eine Diskrepanz zwischen gezielter Untersuchungssituation und Beobachtung außerhalb dieser Situation, betreffend die rechte Hand, erhoben. Selbst wenn von einer chronischen Schmerzerkrankung auszugehen sei, sei daraus keine quantitative Beeinträchtigung der Belastbarkeit im Berufsleben abzuleiten. Hinsichtlich der WS habe die Untersuchung durch Dr. H. eine hervorragende Entfaltbarkeit gezeigt. Dr. H. habe auch die Beeinträchtigungen im Bereich der unteren WS in seine Beurteilung einbezogen. Unter zusammenfassender Bewertung aller vorliegender Befunde ergäben sich keine wesentlichen neuen oder auch wesentlich geänderten gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die nicht bereits im Verwaltungsverfahren und in dem Klageverfahren ausreichend gewürdigt seien. Es gebe keine hinreichende Begründung für eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat den Allgemeinmediziner N. schriftlich gehört und mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Er hat zunächst erklärt, er sehe sich als Allgemeinarzt nicht in der Lage, eine gutachterliche Stellungnahme zu dem komplexen medizinischen Sachverhalt abzugeben. Nachdem die Klägerin auf einer weiteren Anhörung bestanden hat, hat er unter dem 12. September 2008 geklagte Beschwerden bzw. Diagnosen mitgeteilt, bezüglich derer eine fachärztliche Behandlung angezeigt sei. Eine Besserung der Situation sei im Jahr 2008 nicht eingetreten, obwohl verschiedene medikamentöse und physiotherapeutische Behandlungsmaßnahmen erfolgt seien. Eine erschöpfende Beurteilung könne nur durch Fachärzte auf dem Gebiet der Orthopädie, Neurologie und Psychosomatik erfolgen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist in erster Linie § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind.

Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Gemessen an den vorstehenden Voraussetzungen kann die Klägerin zur Überzeugung des Senats ihr zumutbare Tätigkeiten - von vorübergehenden Zeiten der Arbeitsunfähigkeit abgesehen - zumindest sechs Stunden täglich verrichten. Sie ist deshalb weder voll noch teilweise erwerbsgemindert und auch nicht berufsunfähig.

Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats schlüssig und nachvollziehbar aus dem von der Beklagten eingeholten Gutachten von Dr. L., das im Wesentlichen in Übereinstimmung steht mit der Einschätzung im Heilverfahren-Entlassungsbericht vom 19. Januar 2005 der Rehabilitationsklinik Höhenblick und im Wege des Urkundenbeweises verwertet wird, und den vom SG eingeholten Sachverständigengutachten des Dr. W. und des Dr. H ...

Danach litt bzw. leidet die Klägerin im Wesentlichen unter einem Impingement-Syndrom der rechten Schulter, einer Arthrose des AC-Gelenkes, bei schmerzhafter Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenkes nach zweifacher Dekompressionsoperation und partieller Rissbildung in der Supraspinatussehne, einem chronischen Lumbalsyndrom bei WS-Fehlstatik mit Hohlrücken und degenerativen Veränderungen, einem HWS-Syndrom mit mäßiger Bewegungseinschränkung und zahlreichen Blockierungen, auch der BWS, mit sekundären Muskelverspannungen ohne sichere Hinweise auf Nerven- bzw. Nervenwurzelschäden, einer Gonarthrose beidseits, einer Adipositas sowie einer gastro-oesophagialen Refluxerkrankung, einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, einer Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion nach dem Tod des Ehemannes, einer Migräne ohne Aura (nach Angaben der Klägerin regelmäßig auftretende Attacken, bis zu sieben mal im Monat) und einer Hypaesthesie des rechten Armes, am ehesten im Sinne einer Plexusirriation.

Zuletzt im August/September 2008 wurden ein Morbus menière links und eine Hyperthyreose diagnostiziert, wobei unter Therapie schnell eine deutliche Besserung erzielt wurde und die Klägerin beschwerdefrei aus der Behandlung entlassen werden konnte. Außerdem wurden noch ein Spreizfuß beidseits sowie jeweils beginnend eine Großzehengrundgelenksarthrose links und ein Hallux valgus beidseits bestätigt.

Darüber hinausgehende, wesentlich schwerer wiegende Gesundheitsstörungen dauerhafter Art, die für die Beurteilung des Leistungsvermögens im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung von Bedeutung sind, sind weder durch die Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte in erster Instanz, noch die im Berufungsverfahren eingegangenen Äußerungen des Allgemeinmediziners Noz nachgewiesen. Dieser hat zwar Beschwerden und Erkrankungen benannt, im Übrigen aber darauf verwiesen, dass das Leistungsvermögen durch fachärztliche Gutachten zu klären sei. Diese fachärztlichen Gutachten auf orthopädischem und nervenärztlichem Gebiet wurden im erstinstanzlichen Verfahren eingeholt.

Unter Berücksichtigung der dort festgestellten Gesundheitsstörungen kann die Klägerin auch zur Überzeugung des Senats zumindest noch leichte berufliche Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen sechs Stunden täglich verrichten. Die qualitativen körperlichen Einschränkungen beruhen im Wesentlichen auf den Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet. So sind Überkopfarbeiten rechts nicht zumutbar, leichte Überkopfarbeiten links aber noch möglich. Mittelschwere Lasten sollten nicht beidhändig gehoben und getragen werden, leichte Lasten sollten nicht mit nach vorne oder seitlich abgespreiztem Oberarm rechts gehalten oder getragen werden müssen. Auch manuell anspruchsvolle Arbeiten sind nicht zuzumuten sowie Arbeiten mit anhaltenden Zwangshaltungen, Erfordernis der vollen Kopfdrehung, häufigem Blick nach oben, in Hockstellung oder im Knien, mit Besteigen von Leitern und Gerüsten. Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen sind möglich, auch gelegentliches Heben und Tragen von Lasten bis 15 kg in stabilisierter aufrechter Rumpfhaltung mit nach unten hängenden Armen. Bei Beachtung dessen sind Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche zumutbar. In Betracht kommen leichte Überwachungsaufgaben, z.B. in einem Parkhaus, Spielsalon oder Wäschesalon, sowie leichte Botentätigkeiten. Dies entnimmt der Senat der Einschätzung des Leistungsvermögens durch Dr. H., die im Wesentlichen in Übereinstimmung steht mit der von Dr. L. sowie der als qualifizierten Beteiligtenvortrag verwertbaren Stellungnahme von OMR Fischer. Der zuletzt festgestellte Spreizfuß, die lediglich beginnende Großzehengrundgelenksarthrose und der beginnende Hallux valgus sind mittels orthopädischer Schuhzurichtung und Injektion behandelbar und bedingen keine wesentliche dauerhafte qualitative oder gar quantitative Einschränkung. Eine solche wird auch nicht konkret geltend gemacht und ist auch nicht erkennbar.

Auch auf nervenärztlichem Gebiet liegt lediglich eine qualitative Leistungsminderung, nicht jedoch eine quantitative Leistungsminderung vor. Dies entnimmt der Senat dem Sachverständigengutachten von Dr. W., der die von der Klägerin geltend gemachten Beschwerden berücksichtigt und gewürdigt hat. Die Migräneattacken sind - so der Sachverständige - gut behandelbar und bedingen keine wesentlichen Leistungseinschränkungen. Die auf Grund des Todes des Ehemannes eingetretene depressive Reaktion ist nachvollziehbar und hat zu einer vorübergehenden qualitativen Einschränkung der psychischen Belastbarkeit geführt, insbesondere hinsichtlich Tätigkeiten unter Zeitdruck und im Schichtbetrieb. Eine darüber hinausgehende wesentliche Leistungseinschränkung, insbesondere auch im quantitativer Hinsicht, ist dagegen nicht feststellbar. So war bei der Untersuchung ein sozialer Rückzug der Klägerin nicht zu ermitteln und war diese in der Lage länger zu reisen. Auch der von ihr angegebene Tagesablauf zeigt, dass sie durchaus in der Lage ist, ihren Tag zu strukturieren. So macht sie den Haushalt selbst, wenn ihr auch ihre Tochter hilft. Um 6 Uhr steht sie auf, frühstückt und nimmt ihre Medikamente. Zum Teil geht sie dann spazieren und trinkt gegen 10 Uhr Tee und beginnt dann das Mittagessen vorzubereiten, wobei sie gerne kocht. Um 12 Uhr isst sie zu Mittag, nimmt dann ihre Medikamente und ruht sich anschließend aus. Zum Teil fährt sie am Nachmittag mit dem Bus nach Laupheim zur Massage und Krankengymnastik, teilweise trifft sie sich mit Bekannten, um Einkäufe zu tätigen. Abends räumt sie die Einkäufe auf und richtet das Abendessen, nimmt die Medikamente, sieht dann fern und geht anschließend ins Bett. Dem kann ein krankheitsbedingter sozialer Rückzug und eine wesentliche Leistungseinschränkung nicht entnommen werden, weswegen der Senat das Gutachten von Dr. W. und die Ausführungen von OMR Fischer für zutreffend erachtet.

Eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens auf unter sechs Stunden ist damit nicht feststellbar und die qualitativen Einschränkungen stehen leichten einfachen Tätigkeiten, beispielsweise auch leichten aufsichtsführenden Tätigkeiten, z. B. im Parkhaus oder Wäschesalon, und leichten Botentätigkeiten, wie von Dr. H. ausdrücklich erwähnt, nicht entgegen.

Soweit der auf Antrag der Klägerin gehörte Allgemeinmediziner N. geäußert hat, die Beurteilung des Leistungsvermögens sei von fachärztlicher Seite vorzunehmen, ist dies durch die Sachverständigengutachten von Dr. W. und Dr. H. bereits geschehen. Dr. W. ist als Nervenarzt insbesondere auch kompetent zur Bewertung von Schmerzen und hat insofern die beklagten Beschwerden nachvollziehbar und schlüssig berücksichtigt. Anlass für weitere Ermittlungen besteht insofern nicht.

Da die Klägerin entsprechende Tätigkeiten wenigsten sechs Stunden täglich verrichten kann, ist sie weder teilweise, noch voll erwerbsgemindert. Es liegt weder eine Summierung ungewöhnlicher qualitativer Leistungseinschränkungen, noch eine schwere spezifische Leistungseinschränkung vor und die Klägerin ist auch in der Lage, einen Arbeitsplatz zu erreichen.

Das Risiko, einen leidensgerechten Arbeitsplatz zu finden, geht bei den Einschränkungen der Klägerin, die wenigstens sechs Stunden täglich arbeiten kann, nicht zu Lasten der Rentenversicherung, sondern zu Lasten der Arbeitslosenversicherung.

Im übrigen kommt auch ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit nicht in Betracht, da die Klägerin zuletzt allein ungelernte Tätigkeiten verrichtet hat und somit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar ist.

Nachdem die Klägerin somit ihr zumutbare Tätigkeiten wenigstens sechs Stunden täglich verrichten kann, hat die Beklagte zu Recht die Gewährung von Rente abgelehnt. Der Senat weist deshalb die Berufung zurück. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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