L 4 KR 75/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 18 KR 533/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 75/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 5/09 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 11. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Kostenerstattung für die 1994 und 1995 durchgeführten Petö-Behandlungen streitig.

Der 1991 geborene Kläger leidet nach einer Frühgeburt an spastischen Störungen sowie einer geistigen Behinderung. Nachdem die gesetzliche Vertreterin des Klägers am 20.03.1995 bereits voraussichtliche Kosten für die Teilnahme an einem Kindergarten-Seminar des Petö-Instituts in B. für die Zeit vom 02.04. bis 27.04.1995 angekündigt hatte, gingen am 18.05.1995 bei der seinerzeit zuständigen GKK (im weiteren Verlauf erfolgte eine Fusion mit der Beklagten) Anträge der Mutter des Klägers vom 15.05.1995 auf Erstattung der Kosten einer Untersuchung des Klägers am Petö-Institut in B. am 22.06.1994, der Kosten für die Teilnahme am Mutter-Kind-Seminar des Institutes in S. in der Zeit von 01.08. bis 19.08.1994 sowie der Kosten für die Teilnahme am Kindergarten-Seminar in B. in der Zeit vom 02.04. bis 27.04.1995 sowie der damit in Zusammenhang stehenden Reisekosten ein. Die konduktive Förderung habe beim Kläger seit seiner Teilnahme im Sommercamp des Petö-Institutes in S. bereits erfreuliche Ergebnisse gezeigt. In Deutschland werde die Methode bisher weder angeboten noch praktiziert.

Mit streitigem Bescheid vom 10.08.1995 lehnte die Beklagte den Antrag auf der Grundlage eines MdK-Gutachtens des Nervenarztes Dr. E. vom 26.07.1995 ab. Bei der konduktiven Förderung nach Petö handle es sich nicht um eine dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung. Es stünden ausreichende Behandlungsmöglichkeiten im Inland zur Verfügung. Mit dem Widerspruch wies die Mutter des Klägers erneut darauf hin, die Petö-Methode sei mit den in Deutschland angebotenen Therapieformen nicht vergleichbar. Der Kläger habe deutliche Fortschritte gemacht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.09.1995 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Insbesondere lägen die Voraussetzungen des § 18 Abs.1 Satz 1 SGB V für die Übernahme der Kosten der Behandlung nicht vor. Im Inland seien ausreichende Behandlungsmöglichkeiten gegeben.

Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Kläger fristgerecht Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben. Es handele sich um unaufschiebbare Behandlungen, die nicht rechtzeitig von der Beklagten erbringbar seien, da ein Sachleistungsangebot nicht vorhanden sei.

Nachdem vor dem BSG ein Revisionsverfahren gegen das Urteil des erkennenden Senats vom 27.04.2000 - L 4 KR 35/99 - anhängig war, wurde das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

Nach Fortsetzung des Verfahrens hat das SG mit Urteil vom 11.10.2006 die Klage abgewiesen. Zu Recht habe die Beklagte abgelehnt, die geltend gemachten Kosten in Höhe von insgesamt 4.042,25 EUR zu erstatten. Bei Auslandsbehandlungen, die wie hier, nicht Gegenstand zwischenstaatlicher Vereinbarungen seien, könne die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung gemäß § 18 Abs. 1 SGB V ganz oder teilweise übernehmen, wenn eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung nur im Ausland möglich sei. Der Anspruch auf Krankengeld ruhe dann nicht gemäß § 16 Abs.1 Nr.1 SGB V. Wie das BSG in seiner Entscheidung vom 03.09.2003 - Az.: B 1 KR 34/01 R - ausgeführt habe, handle es sich bei der konduktiven Förderung nach Petö um medizinische Dienstleistungen, die auf Verordnung eines Arztes durch besonders ausgebildete nicht ärztliche Fachkräfte (Konduktoren) erbracht werden und rechtlich als Heilmittel im Sinne des § 32 SGB V einzustufen seien. Gemäß § 138 SGB V dürften neue Heilmittel nur verordnet werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss zuvor ihren therapeutischen Nutzen anerkannt und in den Richtlinien nach § 92 Abs.1 Satz 2 Nr. 6 Empfehlungen für die Sicherung der Qualität bei der Leistungserbringung abgegeben habe. Die Regelung des § 138 SGB V sei auch hier anzuwenden, obwohl zwei Behandlungsmaßnahmen in Ungarn durchgeführt worden seien. Wenn eine Untersuchungs- und Behandlungsmethode nur im Ausland angeboten werde, bestehe zwar grundsätzlich für eine Prüfung durch den gemeinsamen Bundesausschuss keine Grundlage (BSG vom 16.06.1999, BSGE 84, 90). Dies gelte jedoch nur, soweit die betroffene Methode ausschließlich im Ausland angeboten wird. Sobald die Behandlung auch in Deutschland zum Einsatz komme, sei es auch nur, dass der ausländische Leistungserbringer seine Tätigkeit hierher erstrecke, entfalle der Grund für die abweichende Behandlung und es würden die allgemeinen Vorschriften gelten. Es spiele dann auch keine Rolle, ob die Therapie im konkreten Fall im In- oder im Ausland durchgeführt wird. Denn für die Beurteilung der Qualität einer Behandlungsmethode müssten unabhängig von dem Ort der Leistungserbringung einheitliche Maßstäbe und Verfahrensweisen gelten (vgl. dazu BSG, Urteil vom 03.09.2003, B 1 KR 34/01 R - SozR 4-2500 § 18 Nr.1).

Da das Mutter-Kind-Seminar des Petö-Institutes ab 01.08.1994 in S. stattgefunden habe, sei § 138 SGB V im streitgegenständlichen Zeitraum bereits anzuwenden gewesen. Zudem ergebe sich aus dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 21.12.2004, dass Nutzen, Notwendigkeit und Wirtschaftlich der konduktiven Förderung bei der Therapie von cerebralen Bewegungsstörungen auch im Vergleich zu den bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachten Methoden nicht hinreichend belegt werden konnten. Dies spreche dafür, dass eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung auch vor Abschluss des Verfahrens beim Gemeinsamen Bundesausschuss nicht wie von § 18 Abs.1 SGB V gefordert "nur" im Ausland möglich war.

Gegen das Urteil vom 11.10.2006 richtet sich die Berufung des Klägers. Er hält das angefochtene Urteil nicht für zutreffend. Auch könne das Urteil des BSG vom 03.09.2003 nicht herangezogen werden, da es einen anderen Sachverhalt betreffe. Unstreitig lägen hier die Voraussetzungen des § 18 SGB V vor.

Im Termin der mündlichen Verhandlung vom 27.11.2008 sind die Feststellungen des BSG in dem Urteil vom 02.03.2003 und die Reichweite der Feststellung des Bundesausschusses, wonach die Petö-Behandlung nicht zur Leistungspflicht der Krankenkasse zählt, besprochen worden.

Der Vertreter des Klägers beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 11.10.2006 und den zugrunde liegenden Bescheid der Beklagten vom 10.08.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.09.1995 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die Behandlungskosten für die 1994 und 1995 durchgeführten Petö-Behandlungen in Höhe von 4.042,25 EUR zu bezahlen.

Der Vertreter der Beklagten beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die beigezogenen Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ). In der Sache selbst ist sie nicht begründet, weil weder das Urteil des SG B-Stadt vom 11.10.2006 noch die zugrunde liegenden Bescheide der Beklagten vom 10.08.1995 und 14.09.1995 zu beanstanden sind.

Zutreffend weist das SG in seinen Entscheidungsgründen darauf hin, dass ein Leistungsanspruch für die 1994 durchgeführten Behandlungen nicht bereits am fehlenden Antrag scheitert. Denn die Kostenerstattung für das Mutter-Kind-Seminar im April 1995 hatte die gesetzliche Vertreterin des Klägers bereits mit Schreiben vom 20.03.1995 ebenfalls vor Beginn der Maßnahme beantragt. Dennoch ist aber entsprechend der Begründung des SG eine Kostenerstattung nicht möglich. Der Senat sieht insoweit gemäß § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Lediglich ergänzend weist der Senat auf die eindeutigen Ausführungen im Urteil des BSG vom 03.09.2003 a.a.O. hin. Dort heißt es unter anderem (vgl. Rdnr.14) ... "denn die konduktive Förderung nach Petö gehört nicht zu den Behandlungsmethoden, auf die sich die Leistungspflicht der Krankenkasse erstreckt." Nachdem nun auch der Gemeinsame Bundesausschuss gemäß § 91 Abs.5 SGB V am 21.12.2004 beschlossen hat, dass die konduktive Förderung nach Petö nicht in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufzunehmen ist, geht die Argumentation des Klägers, hier sei § 18 SGB V - Auslandsversorgung - anzuwenden, ins Leere. Denn Nutzen, Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der konduktiven Förderung konnten auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachten Methoden nicht hinreichend belegt werden. Hinzu kommt, dass das Berufsbild des "Konduktors" anders als bei den Erbringern der anerkannten Therapiemethoden nicht gesetzlich abgesichert und außer in Norwegen diese Therapie in keinem weiteren EU-Mitgliedsstaat anerkannt wird. Insgesamt ist somit nicht entscheidungserheblich, wo die Leistung erbracht wurde.

Somit war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG B-Stadt 11.10.2006 zurückzuweisen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten, weil der Kläger unterlegen ist (§ 193 SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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