L 8 SO 97/08 ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 10 SO 76/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 SO 97/08 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Der Antragsteller hat die Kosten des Eilverfahrens zu tragen.

Der Antrag, dem Antragsteller für dieses Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen, wird abgelehnt.

Der Streitwert wird auf 6.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.
Im vorliegenden Eilverfahren betreffend eine Berufung geht es um die Frage, ob im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes festzustellen ist, dass der Antragsteller (Ast) als Erbe der verstorbenen Frau R. B. der Antragsgegnerin (Ag) nichts schulde und die Ag zu verpflichten, diesbezügliche Vollstreckungsmaßnahmen aus dem entsprechenden Vollstreckungstitel zu unterlassen.

Der 1926 geborene Ast wendet sich dagegen, dass ihn die Ag auf der Grundlage von § 92 c BSHG zum Kostenersatz für Sozialhilfeleistungen heranzieht, die sie der am 05.06.2001 verstorbenen Frau R. B. (B) erbracht hat.

Die Anfechtungsklage des Ast gegen den entsprechen den Kostenersatzbescheid der Ag vom 14.01.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.03.2003 wies das Verwaltungsgericht Hamburg mit Urteil vom 13.10.2003 ab (Az.: 20 VG 1297/2003). Der Antrag, die Berufung gegen dieses Urteil zuzulassen (vgl. dazu Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 16.11.2005, 4 BF 435/03) und eine Nichtigkeits- und Restitutionsklage gegen den letztgenannten Beschluss blieben ohne Erfolg.

Mit Schreiben vom 29.08.2006 bat die Ag den Ast, Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen zu machen. Nach Prüfung entsprechender Unterlagen werde die Höhe der monatlichen Ratenzahlung mitgeteilt. Mit Schreiben vom 20.06.2006, 17.08.2006 und 10.04.2007 forderte die Ag den Ast auf, den festgesetzten Betrag, der sich zwischenzeitlich einschließlich Mahngebühren nach dem Schreiben des Gerichtsvollziehers vom 29.01.2008 auf 23.766,75 Euro beläuft, zu bezahlen.

Am 29.08.2006 beantragte der Ast beim Sozialgericht Landshut - SG -, es solle die zwangsweise Einziehung des Betrages von 23.740,00 Euro bis zum endgültigen Abschluss der Sache ausgesetzt werden. Hilfsweise werde gebeten, durch freies Ermessen des Gerichts zu bestimmen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zweckes erforderlich seien. Zur Begründung führte der Ast aus, er stütze seinen Antrag auf § 202 SGG in Verbindung mit § 769 ZPO. Die Antragsgegnerin habe B rechtswidrig Sozialhilfe gewährt. Deshalb bestehe kein Anspruch auf Kostenersatz. Es gehe nicht um Einwendungen gegen die Vollstreckung, sondern um eine völlig neue Rechtslage in der Hauptsache. Die Einführung der entscheidenden Fakten sei von der Antragsgegnerin und den Gerichten pflichtwidrig unterlassen worden.

Mit Beschluss vom 18.04.2007 lehnte das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab (Az. S 10 SO 69/06 ER). Die dagegen vom Ast eingelegte Beschwerde wies das Bayerische Landessozialgericht - LSG - zurück (Beschluss vom 15.02.2008,
Az.: L 8 B 420/07 SO ER). Auch ein weiterer Eilantrag, gerichtet auf die Aussetzung der zwangsweisen Einziehung eines Betrags von 23740.- Euro bis zum endgültigen Abschluss der Sache, blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg (Beschluss des SG Landshut vom 16.04.2008, Az. S 10 SO 30/08 ER, Beschluss des Senats vom 10.07.2008, Az. L 8 B 337/08 SO ER).

Am 06.10.2006 erhob der Ast Klage zum SG. Er führte aus, die Entscheidung des VG Hamburg und des Hamburgerischen OVG seien unzutreffend und beantragte festzustellen, dass er als Erbe der B der Ag nichts schulde, hilfsweise die Sache unter Aufhebung des Kostenersatzbescheides an die Sozialbehörde zurückzuverweisen, um ein Verfahren nach § 44 SGB X zu veranlassen. Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 21.10.2008 als unzulässig ab. Der Zulässigkeit des Hauptsacheantrags stehe die Rechtskraft des Urteils des VG Hamburg entgegen. Für den Hilfsantrag fehle es an einem Rechtsschutzinteresse. Der Ast habe die Möglichkeit, einen entsprechenden Antrag bei der Ag zu stellen.

Dagegen hat der Ast Berufung zum LSG eingelegt, die mit dem Az.: L 8 SO 100/08 geführt wird.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

im Rahmen des Berufungsverfahrens im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes festzustellen, dass er als Erbe der verstorbenen Frau R. B. der Ag nichts schulde und die Ag zu verpflichten, diesbezügliche Vollstreckungsmaßnahmen aus dem entsprechenden Vollstreckungstitel zu unterlassen.

II.

Der Eilantrag des Antragstellers ist unzulässig.

Das Begehren des Antragstellers ist auszulegen. Er wendet sich als Rechtskundiger gegen eine nach Ausschöpfung des Rechtswegs bestandskräftig festgestellte Forderung, indem er nunmehr beantragt festzustellen, dass er als Erbe der verstorbenen Frau R. B. der Ag nichts schulde; ferner versucht er, die Aufhebung des entsprechenden Vollstreckungstitels vom 14.01.2008 zu erreichen. Mit diesen Begehren verfolgt er dasselbe Rechtsschutzziel wie bereits in seinem Eilverfahren vor dem SG mit dem Az. S 10 SO 69/06 ER bzw. in dem Beschwerdeverfahren vor dem Senat mit dem Az.: L 8 B 420/07 SO ER und vor dem SG mit dem Az.: S 10 SO 30/08 ER bzw. von dem Senat mit dem Az.: L 8 B 337/08 SO ER. Das Rechtsschutzziel des vorliegenden Verfahrens entspricht genau dem der vorgenannten Verfahren, in denen sich der Ast gegen dieselbe nach Ausschöpfung des Rechtswegs bestandskräftig festgestellte Forderung gewendet und versucht hat, deren Vollziehung zu verhindern.

Die Unzulässigkeit des Eilantrags ergibt sich nicht aus der fehlenden Zuständigkeit des LSG. Denn das Berufungsgericht (vgl. dazu die anhängige Berufung vor dem Senat mit dem Az.: L 8 SO 100/08) ist vorliegend das Gericht der Hauptsache im Sinne des § 86b Abs. 2 S. 1, 3 SGG, da der Eilantrag erst im Berufungsverfahren gestellt wurde. Ein entsprechendes Eilverfahren war beim SG nicht anhängig.

Der gestellte Eilantrag ist aber unzulässig, weil ihm die Rechtskraft der Beschlüsse in den Verfahren vor dem SG, S 10 SO 69/06 ER (Beschluss vom 18.04.2007) und vor dem Senat mit dem Az.: L 8 B 420/07 SO ER (Beschluss vom 15.02.2008) und der Beschlüsse des SG vom 16.04.2008, Az.: S 10 SO 30/08 ER, und des Senats vom 10.07.2008,
Az.: L 8 B 337/08 SO ER entgegensteht. Über die entsprechenden Eilanträge ist mit diesen Beschlüssen rechtskräftig entschieden worden. Der vorliegende, auf dasselbe Begehren gerichtete Antrag ist wegen der entgegenstehenden Rechtskraft dieser Beschlüsse unzulässig, § 141 Sozialgerichtsgesetz - SGG - analog. Beschlüsse im Eilverfahren sind der formellen Rechtskraft fähig (vgl. zur formellen Rechtskraft ablehnender Beschlüsse, wenn - wie hier - kein Rechtsmittel mehr möglich ist LSG Berlin vom 26.10.2004, L 15 B 88/04 KR ER; vom 10.07.2002, L 15 B 39/02 KR ER vom 10.07.2002, L 15 B 39/02 KR ER).

In Bezug auf die genannten Beschlüsse ist auch eine sachliche Bindungswirkung eingetreten (vgl. zur sachlichen Bindungswirkung von Eilbeschlüssen LSG Baden-Württemberg vom 05.11.2007, L 8 AL 3045/07 B; LSG Nordrhein-Westfalen vom 23.07.2007, L 19 B 86/07 AS; LSG Thüringen vom 30.01.2004, L 6 RJ 914/03 ER; LSG Berlin, NZS 2002, 670; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005 - ML/K/L -, § 141 Rn. 5, § 142 Rn. 3a, § 86 b Rn. 44) mit der Folge, dass sie der Stellung des vorliegenden neuen Antrages mit gleichem Rechtsschutzziel bei unveränderter Sach- und Rechtslage entgegenstehen (vgl. dazu LSG Thüringen vom 30.01.2004, L 6 RJ 914/03 ER juris LS 2; LSG Nordrhein-Westfalen vom 23.07.2007, L 19 B 86/07 AS; LSG Schleswig-Holstein vom 22.10.2007, L 4 B 583/07 KA ER Rn. 15; LSG Baden-Württemberg vom 05.11.2007, L 8 AL 3045/07 B juris Rn. 14; ML/K/L § 86b Rn. 45a; BFH vom 18.12.1991, II B 112/91 = BFHE 166, 114; BFH NVwZ 93, 607, 608).

Die Rechtskraft der vom Ast begehrten, auf eine vorläufige Erweiterung der Rechtsposition gerichteten Regelungsanordnung wird vorliegend auch nicht durchbrochen (zur Durchbrechung Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Aufl. 2008, Rn. 42), da nach Erlass der Entscheidungen des LSG vom 15.02.2008 bzw. vom 10.07.2008 keine Änderung der Sach- und Rechtslage eingetreten ist, die - hätte sie bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung über das vorläufige Rechtsschutzbegehren bestanden - zu einer anderen Beurteilung des entscheidungserheblichen Sachverhalts geführt hätte (vgl. dazu LSG Nordrhein-Westfalen vom 23.07.2007, L 19 B 86/07 AS juris Rn. 7, 10; LSG Baden-Württemberg vom 05.11.2007, L 8 AL 3045/07 B juris Rn. 1). Aus demselben Grunde hat auch ein Eilantrag nach § 86b Abs. 1 S. 4 SGG keine Aussicht auf Erfolg (vgl. dazu Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Aufl. 2008, Rn. 181, 185, 335); ein entsprechender Antrag müsste auch beim SG gestellt werden.

Der Eilantrag war daher als unzulässig abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG analog i.V.m. § 154 I VwGO. Denn der
Antragsteller gehört nicht zum Personenkreis der Versicherten oder in vergleichbarer Weise Schutzbedürftiger. Die Kostenentscheidung trägt dem Umstand Rechnung, dass der Eilantrag ohne Erfolg blieb.

Der Antrag auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts war wegen fehlender Aussicht auf Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung abzulehnen. Nach
§ 73a Abs. 1 SGG (i.V.m. § 114 ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder
nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO).Es kann für den vorliegenden Antrag dahinstehen, ob der Ast die wirtschaftlichen Voraussetzungen auf Gewährung von PKH erfüllt und er im Sinne der insoweit maßgeblichen Vorschriften über die PKH (§§ 73a SGG, 115 ff. ZPO) bedürftig ist. Jedenfalls liegen aus den oben genannten Gründen keine Erfolgsaussichten im Sinne des § 114 ZPO vor.

Die nach Maßgabe des § 63 Abs. 2 S. 1 Gerichtskostengesetz - GKG - von Amts wegen erfolgende Festsetzung des Streitgegenstandswerts bei einstweiligen Rechtsschutzverfahren wird nach dem Streitwertkatalog (SK) für die Sozialgerichtsbarkeit bemessen. Danach hat der Senat den Streitwert auf ein Viertel der dem Feststellungs- und Vollstreckungsabwehrantrag zugrunde liegenden (vgl. dazu auch den Beschluss des Senats vom 16.12.2008, Az.: L 8 B 982/08 SO) Erstattungsleistung festgesetzt.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved