L 1 KR 26/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 36 KR 1207/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 26/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Bild- und Toningenieur kann als Subunternehmer selbstständig tätig sein, obwohl er sich zur Ausübung seiner Tätigkeit ausschließlich der Equiment siner Auftraggeber bedient.
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass es sich bei seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 2) als Bild- und Toningenieur in der Zeit seit Juli 2001 um kein abhängiges und somit nicht um ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis handelt.

Er ist Diplom Ingenieur für Nachrichtentechnik und war bis Juni 2001 bei der Beigeladenen zu 2) als Bild- und Toningenieur fest angestellt. Seitdem ist er als Bild- und Toningenieur bei der P GmbH für ein monatliches Festgehalt von ca. 3.000,00 Euro tätig.

Neben seiner jeweiligen Festanstellung nimmt der Kläger seit ca. 15 Jahren nebenberuflich in unregelmäßigen Abständen auf Basis von Honorarverträgen Tätigkeiten im Bereich der Bild- und Tonproduktion für verschiedene Medienunternehmen wahr. Während er zunächst mehr als Toningenieur tätig war, übernahm er später zunehmend auch Tätigkeiten im Bereich von Videoschnitt- und Kameratechnik sowie MAZ (Magnetische Bildaufzeichnung) bzw. Slowmotion (Zeitlupe). In der Regel handelte es sich dabei um Fernsehübertragungen von bestimmten Veranstaltungen wie z. B. Fußballspielen. Als Bildingenieur nimmt er Bildbearbeitungen vor und stellt die jeweiligen Sequenzen dann dem Regisseur zur Verfügung.

In diesem Rahmen war er in der Zeit von Juli 2001 bis November 2002 auch für die Beigeladene zu 2) tätig. Sie beauftragt ihn seither wegen seines ungeklärten Versicherungsstatus nicht mehr. Zwischen der Beigeladenen zu 2) und dem Kläger wurden weder ein schriftlicher Rahmenvertrag noch schriftliche Einzelverträge abgeschlossen. Vielmehr wurden die Verträge jeweils mündlich vereinbart, wobei die Beigeladene zu 2) dem Kläger ein konkretes Arrangement zu einem bestimmen Honorar, in der Regel ein Pauschalhonorar für die gesamte Produktion, anbot. Urlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall wurden nicht gewährt. Die Kosten des Klägers für Anfahrt und Übernachtung waren entweder in dem Honorar enthalten oder wurden extra erstattet. Der Kläger entschied jeweils unter Berücksichtigung seiner zeitlichen Verfügbarkeit, insbesondere der Vereinbarkeit mit seiner Festanstellung, und des angebotenen Honorars. Für seine Leistungen stellte er der Beigeladenen zu 2) Honorarrechnungen. Sofern der Kläger als Bildingenieur für die Beigeladene zu 2) tätig war, nahm er zumeist in von dieser gestellten und mit den notwendigen Arbeitsmitteln ausgerüsteten Übertragungswagen am Ort der Veranstaltung Bildbearbeitungen vor. Es handelte sich dabei häufig um die Erstellung von Zeitlupe-Sequenzen. Der Kläger bearbeitete die Bilder von einer oder mehreren Kameras und stellte die Sequenzen dem jeweiligen Regisseur zur Verfügung, der dann die Auswahl traf welche Sequenz tatsächlich gesendet werden. Sofern der Kläger im Bereich der Tonbearbeitung tätig war und ist, bearbeitete und bearbeitet er in der Regel selbständig Tonsignale. Bei Fußballspielen oder ähnlichen Liveübertragungen war und ist kein gesonderter Tonmeister bzw. Tonregisseur zugegen, so dass der Kläger in der Regel für die letztlich gesendeten Tonsignale allein verantwortlich war und die Aufgabe des Tonmeisters bzw. Tonregisseurs mit übernahm. Der jeweilige Regisseur gab allenfalls in einzelnen Fällen Anweisungen hinsichtlich der Tonbearbeitung. Bei aufwendigeren Tonproduktionen wie z. B. Übertragungen von Konzerten oder Musicals war dagegen ein Tonmeister- bzw. Tonregisseur anwesend, dem der Kläger dann auch unterstellt war.

Im Rahmen seiner Tätigkeit als Toningenieur für andere Auftraggeber beschäftigte der Kläger auch Subunternehmer wie beispielsweise Tontechniker, bei Aufträgen der Beigeladene zu 2) jedoch nicht.

Mit Schreiben vom 23. August 2001 beantragte er bei der Beklagten, seine zukünftige freiberufliche Tätigkeit auf künstlerisch technischem Gebiet (Audio-, Videobereich, Kamera, Schnitt) als selbständige Tätigkeit unter Befreiung von der Versicherungspflicht festzustellen. Es handele sich um gelegentliche Tätigkeiten bei verschiedenen Unternehmen in teils unterschiedlichen Fachgebieten. Daraus resultiere ein - neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit - geringer Teil seines Gesamteinkommens. Je nach der Spezifikation des Auftrages habe er Geräte wie Kameras, Zeitlupensysteme, Tonmischpulte und andere Geräte, die dem Auftraggeber gehörten oder von diesem angemietet würden, zu bedienen. Schriftliche Verträge seien unüblich. Mündlich werde der Einsatzort, die ungefähre Einsatzzeit, das Honorar, die Art der Tätigkeit sowie teilweise das mitzubringende Equipment vereinbart. Die Leistungen arbeite er selbständig ab. Er lehne ca. 70 % der erhaltenen Angebote aus verschiedenen Gründen ab. Beide Beigeladenen hätten versucht, eine Zusammenarbeit mit der jeweils anderen auszuschließen. Dies habe er nicht akzeptiert. Seine Vergütung für ingenieurtechnische Aufgaben liege erheblich höher als die der abhängig Beschäftigten der Beigeladenen. Bei Absagen seinerseits nach Auftragsannahme - z. B. aus Krankheitsgründen - sei er berechtigt und gehalten, qualifizierten Ersatz, zu stellen. Da ein Übertragungswagen mit 10 bis 20 Kameras ca. 10 Mio. Euro koste, sei es in der gesamten Branche unüblich, eigene Technik mitzubringen, da diese kompatibel sein müsse. Die Produktionsfirmen seien aufgrund der Vielzahl der technischen Möglichkeiten und Standards gezwungen, Komplettsysteme bei der Bildproduktion vorzuhalten und könnten dies nicht auf Subunternehmer delegieren. Er verkaufe den TV-Dienstleistern und Beschallungsfirmen nicht seine Technik, sondern sein Wissen und seine Erfahrung. Die Verträge mit den Auftraggebern seien zivilrechtlich Werkverträge. Zur Akquirierung sei er werbend am Markt tätig. Er unterliege nicht einem arbeitnehmertypischen Wettbewerbsverbot und habe im Gegensatz zu Arbeitnehmern auch keine weiteren Nebenpflichten oder Nebenaufgaben. Die Arbeitspflicht sei nicht höchstpersönlich. Er trage das Risiko, bei Qualitätsmängeln das Honorar einzubüßen. Schließlich nehme er die Vor- und Nachbereitung, welche einen gewichtigen Zeitanteil der Auftragsausführung ausmache, mit eigenem technischem Gerät vor. Dazu gehöre gelegentlich die Vorbesichtigung und Dokumentation der Produktionsorte und deren Produktionsbedingungen. Die Nachbereitung umfasse gelegentlich die Erstellung von Erfahrungsberichten und Fehlerprotokollen.

In seiner Funktion als selbständiger Subunternehmer sei er frei in der Art und Weise der Auftragserfüllung. Er müsse eigenverantwortlich ohne Zeit und Reihenfolgenvorgaben gewährleisten, dass zur Probe- oder Produktionsbeginn Ton, Kameras und Technik einsatzbereit seien. Soweit er als Slowmotionoperator tätig werde, sei er programmgestaltend und weisungsunabhängig tätig. Dabei würden selbständig Ausschnitte für den Langsamlauf ausgewählt und eingespielt.

Ein Indiz für persönliche Unabhängigkeit sei die fehlende wirtschaftliche Abhängigkeit von den Auftraggebern. Er verfüge als sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigter bereits über ein überdurchschnittliches Einkommen und sei damit wirtschaftlich frei und persönlich unabhängig von seinen Auftraggebern.

Mit Bescheid vom 28. November 2002 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit des Klägers als Ton- und Bildingenieur bei den Beigeladenen im Rahmen einer abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Der Kläger sei Beschäftigter nach § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV), weil er von Arbeitgebern persönlich abhängig sei. Persönliche Abhängigkeit erfordere Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitsgebers in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsleistung. Umgekehrt seien Kennzeichen der selbständigen Tätigkeit die im Wesentlichen freie Einteilung der Arbeitszeit und die freie Gestaltung der Arbeitsleistung. Darüber hinaus trage der Selbständige in der Regel auch ein erhebliches eigenes Unternehmerrisiko, dem auf der anderen Seite größere Erwerbschancen als bei einer abhängigen Beschäftigung gegenüber stünden. Entscheidend sei das Gesamtbild nach Maßgabe der den Einzelfall bestimmenden Verhältnisse. Der Kläger sei in die Arbeitsorganisation der Auftraggeber eingebunden. Diese erteilten Weisungen, die Zeit, Dauer und Ort der zu beurteilenden Tätigkeit sowie Art und Weise der Durchführung beträfen.

Den Widerspruch des Klägers hiergegen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Dezember 2004 zurück. Sie führte darin ergänzend aus, dass Künstler und Angehörige verwandter Berufe, die aufgrund von Honorarverträgen tätig seien und im allgemeinen als freie Mitarbeiter bezeichnet würden, dann als abhängig beschäftigt anzusehen seien, wenn sie nicht zu den programmgestaltenden Mitarbeitern gehörten. Ein programmgestaltender Mitarbeiter bringe typischerweise seine eigene Auffassung, seine Fachkenntnisse und seine individuelle künstlerische Befähigung und Aussagekraft in die Sendung ein. Erst durch sein Arrangement und seine Persönlichkeit werde der Inhalt der Sendung weitgehend bestimmt. Es könne unterschieden werden zwischen einem vorbereitenden Teil, einem journalistisch-schöpferischen oder künstlerischen Teil und einem technischen Teil der Aufführung. Überwiege die gestalterische Freiheit und werde die Gesamttätigkeit vorwiegend durch den schöpferischen Eigenanteil bestimmt, sei eine selbständige Tätigkeit anzunehmen. Bild- und Toningenieure in der Film- und Fernsehproduktion gehörten in der Regel nicht zu den programmgestaltenden Mitarbeitern in diesem Sinne. Die angeführte fehlende wirtschaftliche Abhängigkeit sei für die Abgrenzung bei § 7 Abs. 1 SGB IV unerheblich. Maßgeblich sei nur die persönliche Abhängigkeit, die sich durch die Eingliederung in den Arbeitsablauf des Unternehmens ergebe. Auch spiele keine Rolle, dass keine Regelungen über Urlaubsansprüche und Lohnfortzahlungen getroffen worden seien. Solche Regelungen gehörten nicht zu den Voraussetzungen für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses sondern seien Folge eines solchen. Auch der Umstand, dass die Vergütung lediglich bei Erfolg der Arbeit erfolge, sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kein zwingender Grund für einen Ausschluss einer persönlichen Abhängigkeit. Das Risiko des Einkommens trügen auch Arbeitnehmer bei Stücklohn-, Akkord- oder Heimarbeit. Unternehmerrisiko hingegen bedeute den Einsatz eigenen Kapitals, das auch mit der Gefahr eines Verlustes verbunden sei. Der Kläger setze jedoch ausschließlich die eigene Arbeitskraft ein und sei funktionsgerecht dienend in einer fremden Arbeitsorganisation tätig.

Hiergegen richtet sich die Klage des Klägers vor dem Sozialgericht Berlin, zu deren Begründung er sein außergerichtliches Vorbringen wiederholt hat. Er werde von seinen Auftraggebern aufgrund seines technischen, organisatorischen und künstlerischen Know-hows als Bild- und Tonspezialist gebucht und nicht als weisungsgebundene Aushilfskraft. Er unterliege keinen arbeitsrechtlichen Weisungen sondern sei nur verpflichtet, sich an den Rahmen des arbeitsteiligen Zusammenwirkens mit den anderen Produktionsspezialisten der von ihm gemeinsam mit dem Auftraggeber und anderen Subunternehmen erarbeiteten Koordinationsplanung zu halten. Vorgegeben seien zwar Produktionsort und Produktionszeit, er könne jedoch einen Auftrag unter anderem deshalb ablehnen. Die Produktionsorte wechselten ständig. Vorgegeben würden lediglich die Ziele. Jedenfalls hinsichtlich seiner Tätigkeit als Slowmotionoperator sei er auch programmgestaltend tätig, da er eigenständig in künstlerischer Freiheit Bildsequenzen erstelle und diese den verantwortlichen Regisseuren zur Auswahl anbiete. Auch das Aussteuern von Audiosignalen sei eine programmgestaltende Tätigkeit, was sich unter anderem aus ihrer urheberrechtlichen Anerkennung ergebe. Auch das Finanzamt Berlin-Mitte/Tiergarten werte die Nebentätigkeiten als Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit.

Die Beklagte hat darauf hingewiesen, sich für ihre Beurteilung auf den Abgrenzungskatalog im Bereich Theater, Orchester, Rundfunk und Fernsehanbieter, Film- und Fernsehproduktion tätige Personen vom 5. Juli 2005 orientiert zu haben. Nach diesem Abgrenzungskatalog sei unter anderem bei Tonmeistern mit eigenem Equipment von Selbständigkeit auszugehen.

Die Beigeladene zu 2) hat vorgetragen, der Kläger sei nur projekt- oder auftragbezogen eingesetzt worden und nicht in ihren Betrieb eingegliedert. Er müsse die Aufträge eigenverantwortlich durchführen und hafte für seine Arbeit, insbesondere bei Mängeln. Jeder Ton- und Bildingenieur arbeite mit den technischen Mitteln seines Auftraggebers. Er setze aber nicht nur technisch die Vorstellungen des Auftraggebers um, vielmehr bringe er sich - wie der Regisseur oder Redakteur - auch kreativ und programmgestaltend in das Gesamtprogramm ein und nehme einen wesentlichen Einfluss auf den Inhalt der Produktion. Gerade wegen seiner hohen gestalterischen Fähigkeiten biete sie dem Kläger Aufgaben an und passe ihre Termine seiner Verfügbarkeit an.

Im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 29. November 2007 hat der Kläger die Klage zurückgenommen, soweit er zunächst auch Feststellung der Sozialversicherungsfreiheit der Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) begehrt hat. Die Beklagte hat den Bescheid vom 28. November 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Dezember 2004 aufgehoben, soweit dort festgestellt ist, dass der Kläger seine Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübt.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom selben Tag der Klage im übrigen stattgegeben und den Bescheid der Beklagten vom 28. November 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Dezember 2004 aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger seine Tätigkeit für die Beigeladene zu 2) seit Juli 2001 nicht im Rahmen eines abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Nach § 7 a SGB IV könnten die Beteiligten eines Tätigkeitsverhältnisses schriftlich bei der Beklagten einen Antrag auf Entscheidung stellen, ob eine Beschäftigung nach § 7 SGB IV vorliege. Einen entsprechenden Antrag habe der Kläger gestellt. Die Kammer sei wegen der besonderen Umstände des Einzelfalles zu der Überzeugung gelangt, dass die gegen eine abhängige Beschäftigung sprechenden Merkmale überwögen. Zwar spreche für eine abhängige Beschäftigung, dass die Tätigkeit nicht als programmgestaltend wie die eines Regisseurs, Moderators, Kommentators, Wissenschaftlers oder Künstlers angesehen werden könne, sondern dass es sich um eine fernsehtypische Mitarbeit handele, die in der Regel ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis begründe (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 3. Dezember 1998 - B 7 AL 108/07 - und auf BVerfG, Beschluss vom 13. Januar 1982 - 1 BvR 848/77 -, BVerfGE 59, 231). Allein durch die Bearbeitung der Bild- und Tonsequenzen gestalte der Kläger das jeweilige Programm nicht mit, zumal im Bildbereich letztlich die Auswahl der gesendeten Bilder dem jeweiligen Regisseur obliege. Letzteres begründe auch eine gewisse Weisungsgebundenheit. Insofern sei auch zu berücksichtigen, dass der Kläger hinsichtlich seiner Tätigkeit als Toningenieur im Wesentlichen weisungsfrei und in der Regel nicht der Leitung eines Tonregisseurs unterstanden habe, sondern diese Aufgaben selbst mit übernommen habe. Für eine Selbständigkeit spreche das Fehlen einer festen Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen zu 2). Maßgeblich sei dabei, dass der Kläger für die Beigeladene zu 2) nur nebenberuflich und auch nur sehr unregelmäßig tätig gewesen sei. Es existiere kein Rahmenvertrag oder eine sonstige vertragliche Bindung über einen längeren Zeitraum. Der Kläger sei auch nicht regelmäßig in einem bestimmten Umfang beauftragt worden. Die Arrangements seien vielmehr zeitlich sehr begrenzt und unregelmäßig erfolgt. Der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt, dass er frei habe entscheiden können, ob er einen Auftrag annehme unter Berücksichtung von wirtschaftlichen, beruflichen und familiären Belangen. Er trage das Ausfallrisiko wegen Erkrankung oder geänderter Dispositionen des Auftraggebers. Arbeitnehmeruntypisch sei auch die Tatsache, dass der Kläger für eine Mehrzahl von Auftraggebern nebenberuflich tätig sei. Er trage auch das Risiko einer möglichen Haftung bzw. Honorarminderung. Schließlich habe der Kläger auch Subunternehmer bzw. Arbeitnehmer für sich einsetzen können, auch wenn dies konkret bei Aufträgen für die Beigeladene zu 2) nicht der Fall gewesen sei.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Kein Indiz sei es, wenn die nebenberufliche Tätigkeit für eine Mehrzahl von Auftraggebern ausgeübt werde. Es entspreche der heutigen Lebenswirklichkeit, dass Arbeitnehmer mehrere Nebentätigkeiten ausübten. Von dieser Möglichkeit gehe auch das Gesetz selbst aus. Anderenfalls wären die Regelungen der §§ 8 Abs. 2 Satz 1 und 22 Abs. 2 SGB IV entbehrlich. Für eine Selbständigkeit könne auch nicht angeführt werden, dass es dem Kläger freistehe immer neue Vertragsverhältnisse einzugehen. Innerhalb des abgeschlossenen Vertrages bzw. übernommenen Auftrages sei der Kläger gebunden gewesen und habe seine Arbeitskraft im vereinbarten Umfang zur Verfügung stellen müssen (Bezugnahme auf LSG Berlin, Urteil vom 26. November 1986 - L 9 KR 8/85 - Breithaupt 1987, 345). Gemäß dem Abgrenzungskatalog sei nur ein Tonmeister mit eigenem Equipment als selbständiger freier Mitarbeiter anzusehen. Es könne auch nicht von einem künstlerischen bzw. journalistisch-schöpferischen Eigenanteil ausgegangen werden. Auch das Sozialgericht sei zutreffend von einer Weisungsbindung gegenüber der Beigeladenen zu 2) bzw. einer von dieser vorgesetzten Person wie dem Regisseur ausgegangen. Eine Eingliederung in die Betriebsabläufe des Auftraggebers sei für das Gelingen der Produktion unumgänglich. Die häufig wechselnden Produktionsorte, die kurze Dauer oder die Mehrzahl von Auftraggebern stünden einer Eingliederung in die Betriebsabläufe nicht entgegen. Bei einem angestellten Maler, der von seinem Arbeitgeber zu verschiedenen Baustellen geschickt werde, sei auch nicht von einer selbständigen Tätigkeit auszugehen, selbst wenn er für mehrere Malerbetriebe tätig sei. Der Kläger selbst trage insoweit vor, dass es eine Koordinierungsplanung zwischen Auftraggebern und den Subunternehmern gebe. Von einem freien Aushandeln des Honorars könne nicht die Rede sein, da das Produktionsbudget einseitig von der Beigeladenen zu 2) festgelegt werde. Ein nennenswertes unternehmerisches Risiko sei nicht festzustellen. Weder setze er seine Privatwohnung als Betriebsstätte ein, noch beschäftige er selbst eigene Subunternehmer bzw. Arbeitnehmer. Auch räume ihm die Beigeladene zudem das Recht auf Mängelbeseitigung ein. Bei Leistungsmängeln müsse er somit nicht unmittelbar einen Entgeltverlust fürchten. Hauptmerkmal für die Abgrenzung müsse das Vorliegen programmgestaltender Tätigkeit sein (Bezugnahme auf LSG Nordrhein-Westfahlen, Urteil vom 8. August 2007 - L 11 (8) R 35/06). Der Kläger sei jedoch nur Mitarbeiter und nicht Programmgestalter.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. November 2007 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger und Berufungsbeklagte für die Beigeladene zu 2) über Juni 2001 hinaus im Rahmen eines abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses tätig gewesen ist.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er weist erneut darauf hin Werkverträge abzuschließen. Auch wenn selten die Möglichkeit zur Mängelbeseitigung bestehe, zeige dies, dass er einen bestimmten Erfolg schulde, insbesondere da er für Mängelbeseitigungsleistungen - anders als Angestellte - nicht entlohnt werde. Er sei - um den Vergleich der Beklagten aufzugreifen - nicht mehr in den Betriebsablauf eingegliedert wie ein Malerbetrieb als Subunternehmer gegenüber dem Generalunternehmer.

Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen. Der Verwaltungsvorgang der Beklagten lag zur Beratung vor. Alle Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg. Der Senat nimmt zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Urteil Bezug (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -)

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch 6. Buch - SGB VI -; § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch 3. Buch). Unter anderem Angestellte sind nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch 5. Buch - SGB V -, in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig. Dieser folgt die Pflichtversicherung in der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch 11. Buch). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, sowie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG-Urteile vom 8. August 1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr. 4 Seite 14 und vom 8. Dezember 1994, 11 RAr 49/94, SozR 3-4100 § 168 Nr. 18 Seite 45) (so insgesamt weitgehend wörtlich BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 0/04 R - Juris).

Speziell für Fernsehmitarbeiter hat sich das BSG die Abgrenzung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zu Eigen gemacht (BSG, Urteil vom 3. Dezember 1998 - B 7 AL 108/97 R - SozR 3-4100 § 104 Nr. 16 S. 73 f mit Bezugnahme auf BAGE 78, 343, 352 f). Hinsichtlich der nicht programmgestaltenden, aber rundfunk- und fernsehtypischen Mitarbeit an Sendungen hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mehrfach ausgesprochen, dass sich derartige Arbeiten in der Regel nur im Rahmen von Arbeitsverhältnissen durchführen lassen (vgl. BAG NZA 1998, 1277, 1278 m.w.N.). Denn diese Mitarbeiter sind weitgehend weisungsgebunden; sie können nicht im Wesentlichen frei ihre Arbeit gestalten, was sich auch aus der Art der zu verrichtenden Tätigkeit ergibt. Das dürfte - so das BSG - auch für Tontechniker gelten, die zum betriebstechnischen Personal gehören und eine eher untergeordnete Tätigkeit ausüben, die keinen nennenswerten eigenen Gestaltungsspielraum zulasse.

Das Sozialgericht hat hier zutreffend dargelegt, weshalb von einem Überwiegen der Indizien einer selbständigen Tätigkeit auszugehen ist. Das Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung, wobei klarzustellen ist, dass die rechtliche Bewertung sich nur auf einen spezifischen Einzelfall, nämlich die konkreten Beschäftigung des Klägers bei der Beigeladenen zu 2) bezieht. Sie ist somit kaum verallgemeinerungsfähig.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Argument des weitgehenden Fehlens eines Unternehmerrisikos mangels Kapitaleinsatzes kein durchschlagendes Argument für abhängige Beschäftigung. Nicht jedes fehlen eigener Produktionsmittel ("Equipment") lässt eine Tätigkeit als abhängig erscheinen. Der Kläger und die Beigeladene zu 2) haben zutreffend auf die Besonderheiten speziell bei der Übertragung von Fernsehsendungen hingewiesen. Um Kompatibilitätsprobleme zu vermeiden, stellt der Auftraggeber die wesentliche Technik selbst zur Verfügung. Es gibt jedoch auch in anderen Wirtschaftsbereichen, Konstellationen in welchem dieses Kriterium zurücktritt hinter das der Inanspruchnahme fachspezifischer Kompetenz. Als Beispiele mögen die Dienst- bzw. Werkleistungen des Lotsen (vgl. § 13 Abs. 1 SGB IV und speziell für die Abgrenzung der so genannten freien Beruf wie Rechtsanwalt und Seelotse nur gegenüber dem Gewerberecht: Bayerisches LSG, Urteil vom 14. Dezember 2001 - L 4 KR 147/99 -), des Partyausrichters, des Einkauf- bzw. Stylingberaters, des Werkskantinenbetreibers und des so genannten Mietkochs dienen. Diese Freiberufler bzw. Gewerbetreibenden bedienen sich ausschließlich oder überwiegend der Einrichtungen der Auftraggeber.

Für eine selbständige Tätigkeit spricht im konkreten Fall, dass ein Großteil der Auftragstätigkeiten entgegen der Auffassung der Beklagten - und teilweise auch des Sozialgerichts - durchaus als produktionsgestaltend im Sinne der oben skizzierten Abgrenzung anzusehen sind und nicht lediglich als Mitarbeit. Soweit der Kläger eigenständig Bilder auswählt, übernimmt er die Tätigkeit eines Regisseurs, auch wenn nicht er sondern die Bildregie entscheidet, ob eine Zeitlupenwiederholung gesendet wird. Gerade bei Sportübertragungen spielt die Auswahl der Kameraposition für die Zeitlupenwiederholung eine nicht unbedeutende Bedeutung, was dem Senat aus eigener Anschauung bekannt ist und er als offenkundig ansieht. Für den Bereich der Tonwiedergabe ist auch das Sozialgericht zutreffend von der gestaltenden Tätigkeit eines (Ton-)Regisseurs ausgegangen.

Für ein gewisses Unternehmerrisiko auch ohne Kapitaleinsatz spricht, dass zur Überzeugung des Senats im Einzelnen Auftragsverhältnisse zwischen der Beigeladenen zu 2) und dem Kläger Werkverträge und nicht Dienstverträge sind. Der Kläger schuldet nicht (nur) die Leistungen seiner fachspezifischen und gestaltenden Dienste. Er schuldet vielmehr den tatsächlichen Erfolg der "Lieferung" des sendefähigen Materials.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es schließlich auch nicht völlig unbeachtlich, ob und in wieweit der Auftragnehmer in tatsächlicher Weise vom Auftraggeber abhängig ist. Die soziale Schutzbedürftigkeit darf nach Auffassung des Senats durchaus ein Kriterium sein, das allerdings nur von untergeordneter Bedeutung sein kann. Die Annahme einer Beschäftigung ist dem Grunde nach nicht abhängig von der individuellen Schutzbedürftigkeit der betroffenen Person. Der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung und ihre Natur als eine Einrichtung des öffentlichen Rechts haben für die Beschäftigung insofern Bedeutung, als sie es ausschließen, über die rechtliche Einordnung allein nach dem Willen der Vertragsparteien und ihren Vereinbarungen zu entscheiden. Als Merkmal der Beschäftigung ist das Ziel der Sozialversicherung, die sozial Schwächeren vor den Wechselfällen des Lebens zu schützen, nicht geeignet. Das gilt auch für die wirtschaftliche Abhängigkeit. Ebenso wenig kann eine Beschäftigung im Sinne des Sozialversicherungsrechts mit dem Hinweis auf eine fehlende rechtliche Schutzbedürftigkeit und damit verneint werden, dass die Berufung auf die Versicherungspflicht der Beschäftigung im Verhältnis der Vertragsparteien zueinander treuwidrig ist. Auch dies würde dem Charakter einer öffentlich-rechtlichen Pflichtversicherung widersprechen (so zutreffend wörtlich BSG, Urteil vom 25. Januar 2002 - B 12 KR 17/00 R - SozVers 2001, 329-333 mit Bezugnahme auf frühere Entscheidungen). Allerdings ist Anknüpfungspunkt für die gesetzliche Freistellung von der Sozialversicherungspflicht nach §§ 1 Satz 4 SGB VI, 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB V für Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft die gesetzlich vermutete fehlende Schutzbedürftigkeit (BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 - B 12 KR 23/06 R - Rdnr. 30). Je freier ein sogenannter freier Mitarbeiter tatsächlich ist, desto eher kann mangels Eingliederung von nichtabhängiger Beschäftigung ausgegangen werden. Der Umstand, dass es sich nur um eine (kurzfristige) Nebenbeschäftigung handelt, ist an sich zwar irrelevant, kann jedoch durchaus Kriterium für die fehlende enge Einbeziehung in den Betrieb des Auftraggebers sein. Der Kläger hier ist kein Tagelöhner oder Scheinselbständiger und muss auch nicht zur Sicherung der Existenz ständig mehrere Beschäftigungsverhältnisse eingehen.

Da maßgeblich ist, dass die Merkmale für eine selbständige Beschäftigung überwiegen, ist es im Ergebnis irrelevant, dass auch gewichtige Umstände für die Abhängigkeit des Klägers sprechen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil ein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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