L 11/2 J 1474/79

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 8 J 750/78
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 11/2 J 1474/79
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Mit der bindenden Entscheidung des Versicherungsträgers über die Nachentrichtung freiwilliger Beiträge wird das Wahlrecht des Versicherten gemäß Art. 2 § 51 a ArVNG verbraucht. Eine Rücknahme des Antrags ist jedenfalls dann nicht mehr zulässig, wenn der Berechtigte von dem Recht auf Beitragsnachentrichtung bereits Gebrauch gemacht hat.
Der Beratungs- und Betreuungsanspruch nach § 14 SGB I umfaßt nicht jede denkbare Auswirkung einer Nachentrichtung auf Leistungen einer Zusatzversorgungseinrichtung.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 2. Oktober 1979 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die Zeit von 1956 bis 1971 die Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen in der Klasse 100 zu gestatten und die bereits für diese Zeit entrichteten höheren Beiträge im Gesamtbetrag von 12.006,– DM an sie zurückzuzahlen.

Die 1913 geborene Klägerin war als selbständige Schneidermeisterin nach dem Handwerkerversicherungsgesetz bei der Beklagten pflichtversichert. Sie teilte mit Schreiben vom
13. Dezember 1971 unter Vorlage ihres Arbeitsvertrages der Beklagten mit, daß sie vom 1. Dezember 1971 an als Fachvorarbeiterin, Schneiderin und Ankleiderin bei den Städtischen Bühnen in F. beschäftigt sei. Die Beklagte stellte daraufhin gemäß § 2 Abs. 1 Ziff. 5 Handwerkerversicherungsgesetz fest, daß die Klägerin vom 1. Dezember 1971 an in der Handwerkerversicherung versicherungsfrei sei und daß künftig Beiträge zur Rentenversicherung der Arbeiter über die Allgemeine Ortskrankenkasse F. abzuführen seien.

Mit Formularantrag vom 13. Dezember 1975, der am 18. Dezember 1975 bei der Beklagten einging, beantragte die Klägerin die Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen nach Artikel 2 § 51 a Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz – ArVNG – für die Zeit von Juli 1956 bis Dezember 1961 in den Beitragsklassen 600 bzw. 800. Mit Schreiben vom 11. Juni 1976 wies die Beklagte darauf hin, daß dem Nachentrichtungsantrag in dieser Form nicht entsprochen werden könne, da das Nachentrichtungsrecht gemäß Artikel 2 § 51 a Abs. 2 ArVNG nur in der Weise ausgeübt werden könne, daß ein Beitrag für einen Monat erst dann entrichtet werden dürfe, wenn alle späteren Monate – zurückgerechnet ab Dezember 1972 – bereits mit Beiträgen belegt seien. Daraufhin beantragte die Klägerin am 31. August 1976 die Nachentrichtung für die Jahre 1956 bis 1971 für insgesamt 119 Monate in der Zeit von 1956 bis 1958 in der Klasse 600 und von 1959 bis 1971 jeweils in der Beitragsklasse 800. Mit Ergänzungsaufrechnungsbescheinigung vom 29. Dezember 1976 bestätigte die Beklagte, daß ein Betrag von 1.944,– DM für freiwillige Beiträge in der Beitragsklasse 600 gemäß Artikel 2 § 51 a Abs. 1 ArVNG verwendet worden sei, wovon 5 auf das Jahr 1956, 12 auf 1957 und einer auf 1958 entfielen.

Mit Bescheid vom 29. Dezember 1976 ließ die Beklagte die Nachentrichtung freiwilliger Beiträge gemäß Artikel 2 § 51 a Abs. 1 ArVNG für den restlichen Antragszeitraum in einer Gesamthöhe von 14.148,– DM zu und erklärte sich mit einer ratenweisen Teilzahlung bis zum 31. Mai 1978 einverstanden.

Nachdem die Klägerin Beitrage in Höhe von 14.076,– DM geleistet hatte, beantragte sie mit Schreiben vom 30. April 1978 die Nachentrichtung für den gesamten Zeitraum auf Mindestbeiträge der Klasse 100 abzuändern und ihr den überzahlten Betrag von 12.006,– DM zurückzuerstatten. Zur Begründung führte sie an, daß sie von der Zusatzversorgungskasse der Stadt F., eine Zusatzrente erhalte, die sich an der Höhe ihres Altersruhegeldes orientiere, so daß sie bei der Nachentrichtung von Beiträgen der Klasse 100 die gleiche Gesamtversorgung erreiche wie mit der ursprünglich beantragten Nachentrichtung. Mit Bescheid vom 8. Mai 1978 lehnte die Beklagte die Änderung der beantragten Nachentrichtung ab, da die bisher geleisteten Beiträge rechtswirksam entrichtet worden seien und nicht auf eine niedrigere Beitragsklasse abgeändert werden könnten. Auch für den noch nicht mit Beiträgen belegten Nachentrichtungszeitraum sei eine Änderung ebenfalls nicht möglich, da mit der einmal getroffenen Entscheidung das Wahlrecht verbraucht sei.

Die Beklagte half dem Widerspruch der Klägerin nicht ab und leitete ihn gemäß § 85 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz –SGG– am 9. Oktober 1978 dem Sozialgericht Frankfurt am Main als Klage zu. Die Klägerin machte geltend, sie wolle nicht erneut ihr Wahlrecht hinsichtlich der Nachentrichtung ausüben, sondern fechte ihre Erklärungen über die Höhe der nachzuentrichtenden Beiträge an. Denn die damaligen Erklärungen beruhten insofern auf einem Irrtum als von ihr nicht berücksichtigt worden sei, daß sie als Arbeiterin bzw. Angestellte im öffentlichen Dienst Mitglied der Zusatzversorgungskasse der Stadt F. gewesen sei. Sie habe nämlich erst Anfang des Jahres 1978 erfahren, weiche Leistungen die Zusatzversorgungskasse zu erbringen habe. Der Zweck der Nachentrichtung von Beiträgen habe darin bestanden, die im Alter zu erwartende Rente zu erhöhen. Dieser Zweck habe nicht erreicht werden können, weil die Zusatzversorgungskasse Leistungen nach dem Gesichtspunkt einer Gesamtversorgung gewähre. Bei Kenntnis dieses Sachverhaltes zur Zeit der Antragsstellung hätte sie niemals eine Nachentrichtung in den Beitragsklassen 600 oder 800 beantragt. Hinzu komme, daß die Beklagte die ihr nach § 14 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch, Allgemeiner Teil, –SGB– I obliegende Beratungspflicht dadurch verletzt habe, daß sie sie nicht darauf aufmerksam gemacht habe, daß die Nachentrichtung besonders hoher Beiträge unter Berücksichtigung der Leistungen der Zusatzversorgungskasse zu keiner Erhöhung der später zu erwartenden Gesamtversorgung führe. Die Beklagte meinte, die Klägerin habe das ihr im Rahmen des Artikels 2 § 51 a ArVNG eingeräumte Wahl- und Gestaltungsrecht verbraucht, so daß keine nachträgliche Änderung an der Beitragshöhe mehr vorgenommen werden könnte. Eine Anfechtung ihrer Willenserklärung gemäß § 119 Bürgerliches Gesetzbuch –BGB– scheitere daran, daß kein unbewußtes Auseinanderfallen von Wille und Erklärung vorliege. Sie habe auch ihre Beratungspficht nach § 14 SGB I nicht verletzt, da ihr im Zeitpunkt der Antragsstellung auf Nachentrichtung nicht bekannt gewesen sei, ob und inwieweit ein Zusatzversorgungsanspruch bestanden habe. Die Verpflichtung zur Auskunft und Beratung könne nicht soweit führen, daß sich ihre Bediensteten auch noch Kenntnis über alle denkbaren. Arten von Zusatzvesorgungseinrichtungen und deren Sondervorschriften verschaffen müßten.

Das Sozialgericht hob im Urteil vom 2. Oktober 1979 den Bescheid vom 8. Mai 1978 und die Bescheide vom 29. Dezember 1976 auf und verurteilte die Beklagte, der Klägerin auf ihre Anträge vom 13. Dezember 1975 und 31. August 1976 die Nachentrichtung in den Beitragsklassen 100 zu gestatten und die darüber hinaus bereits gezahlten Beiträge zurückzuzahlen. Das Sozialgericht stellte dabei darauf ab, daß die Beklagte ihre Beratungspflicht aus § 14 SGB I gegenüber der Klägerin dadurch verletzt habe, daß sie sie auf eine naheliegende Gestaltungsmöglichkeit nicht hingewiesen habe.

Ihr hätte aus dem in der Rentenakte der Klägerin befindlichen Arbeitsvertrag bekannt sein müssen, daß die Klägerin auch Mitglied der Zusatzversorgungskasse der Stadt F. gewesen sei.

Von den Bediensteten der Beklagten müsse die Kenntnis verlangt werden, weiche Folgen die Mitgliedschaft in der Zusatzversorgungskasse für den Rentenbezug des Versicherten habe. Als Folge der Verletzung der Beratungspflicht ergebe sich für die Klägerin ein Ersatzanspruch, der auf die Herstellung des ursprünglichen Zustandes gerichtet sei, so daß sie verlangen könne, so gestellt zu werden, als ob die Beklagte ihrer gesetzlichen Beratungs- und Fürsorgepflicht ordnungsgemäß nachgekommen wäre.

Gegen dieses der Beklagten am 23. November 1979 zugestellte Urteil richtet sich die am 13. Dezember 1979 eingegangene Berufung der Beklagten. Sie vertritt die Auffassung, daß eine Änderung bereits entrichteter Beiträge nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts grundsätzlich nicht zulässig sei. Auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch lasse sich entgegen der Auffassung des Sozialgerichts in diesem Fall nicht mit mangelnder Beratung begründen. Aus § 14 SGB I lasse sich lediglich ein Anspruch auf Beratung über Pflichten und. Rechte nach diesem Gesetzbuch herleiten. Zuständig für die Beratung seien die Leistungsträger, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen und die Pflichten zu erfüllen seien. Das bedeute, daß sich die Beratungspflicht des Rentenversicherungsträgers nur auf die im Zusammenhang mit seinen Leistungen und Forderungen stehenden Fragen erstrecke. Diese Pflicht könne nicht soweit gehen, daß der Rentenversicherungsträger über Art der Zusatzversorgungen, Kreis der versicherten Personen sowie die Anspruchsvoraussetzungen informiert sein müsse, zumal die Zusatzversorgung überhaupt nicht im Sozialgesetzbuch geregelt sei. Bei der Beurteilung der Frage, welche Beitragshöhe am günstigsten für die Klägerin gewesen wäre, sei nach den tatsächlichen Verhältnissen zur Zeit der Entscheidung über die Nachentrichtung auszugehen. Zu diesem Zeitpunkt sei aber noch nicht abzusehen gewesen, ob und in welcher Höhe ihr eine Zusatzversorgung zustehen würde. Es gehe zu weit, eine Hinweispflicht des Versicherungsträgers schon dann zu bejahen, wenn lediglich der Anstoß zu komplizierten Überlegungen gegeben werden könne, die Beratungspflicht sei darüber hinaus auf einen bestimmten, durch die sachliche Zuständigkeit des verpflichteten Leistungsträgers geprägten Leistungsbereich eingeschränkt. In Nachentrichtungsfällen seien lediglich Informationen über rentenrechtliche Auswirkungen der Nachentrichtung zu geben. Für Hinweise auf etwaige mittelbare Folgen, die sich aus dem Umfang der Beitragsleistung ergeben könnten, fehle ihr die Kompetenz. Die Beklagte, die ihre Rechtsauffassung, durch das Urteil des LSG Niedersachsen vom 10. März 1978 – L 1 An 191/77 – gestützt sieht, beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 2. Oktober 1979 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Sie macht geltend, die sich aus dem Zusammenspiel der Zusatzversorgung und der Nachversicherung ergebenden Gestaltungsmöglichkeiten hätten auch schon 1976 klar zutage gelegen. Die Beklagte habe durch die unterlassene Beratung ihre Pflicht zur "verständnisvollen Förderung” verletzt, denn man könne kaum behaupten, daß sie die erheblichen Nachversicherungsbeiträge auch dann entrichtet hätte, wenn ihr bekannt gewesen wäre, daß sie auf diese Weise lediglich die Leistung der Zusatzversorgungskasse schmälere, ohne sich selbst auch nur irgendeinen Vorteil zu verschaffen. Der Versicherungsträger müsse aber bei einem konkreten Anlaß den Versicherten auf solche Gestaltungsmöglichkeiten hinweisen, die klar zutage treten, also für den Versicherungsträger erkennbar geworden seien und zweckmäßigerweise von jedem vernünftigen Versicherten genutzt werden. Der Beklagten hätte bekannt sein müssen, daß es sich bei ihrer Nachversicherung um Existenzfragen gehandelt habe. Bei der für sie offensichtlichen Bedeutung der Angelegenheit habe es für die Beklagte um so näher gelegen, die Zweckmäßigkeit der Wahl der Beitragsklassen mit ihr zu erörtern. Dies habe die Beklagte jedoch pflichtwidrig unterlassen, so daß ein Anspruch auf Folgenbeseitigung bestehe, wie dies vom Sozialgericht Frankfurt am Main festgestellt worden sei. Schließlich ergebe sich aus einem nervenärztlichen Bericht des Klinikums der J.-Universität F. vom 11. Oktober 1979, daß die Klägerin auch aus persönlichen Gründen auf eine besondere Fürsorge seitens des Versicherungsträgers angewiesen gewesen sei. Weiterhin mache sie auch die Anfechtung ihrer auf die Nachentrichtung gerichteten Willenserklärungen geltend.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im übrigen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf den gesamten Inhalt der Gerichtsakten und der Rentenakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist zulässig; denn sie ist form- und fristgerecht erhoben worden.

In der Sache ist sie auch begründet. Entgegen der vom Sozialgericht vertretenen Auffassung, ist die Klägerin nicht berechtigt, ihre früher gemäß Artikel 2 § 51 a Abs. 1 ArVNG entrichteten freiwilligen Beiträge der Beitragsklassen 600 und 800 auf Beiträge der Klasse 100 herabzusetzen und die Erstattung des Differenzbetrages von der Beklagten zu verlangen. Die Beklagte hat im Zulassungsbescheid vom 29. Dezember 1976 das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 a Abs. 1 ArVNG zutreffend bejaht und die Berechtigung der Klägerin festgestellt, freiwillige Beiträge zur Arbeiterrentenversicherung in dem von ihr beantragten Umfange nachzuentrichten. Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin kein Rechtsmittel eingelegt, so daß dieser Verwaltungsakt zwischen den Beteiligten gemäß § 77 SGG in der Sache bindend geworden ist, d.h. daß das durch den Verwaltungsakt gestaltete Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten als bestehend zu behandeln ist. Die Bestandskraft des Zulassungsbescheides steht einer nachträglichen Änderung der Beitragsnachentrichtung zwingend entgegen. Da die Beiträge der Klägerin nicht zu Unrecht entrichtet worden sind, kann sie ihre Erstattung auch nicht nach § 26 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, viertes Buch – SGB IV – verlangen, der mit Wirkung vom 1. Juli 1977 § 1424 RVO abgelöst hat.

Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, daß das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung die nachträgliche Verschiebung, Heraufsetzung oder Herabsetzung bereits entrichteter Beiträge für unzulässig gehalten hat (vgl. BSG SozR Nr. 3 zu § 1407 RVO; BSG 35, 175; SozR Nr. 8 zu § 1418 RVO sowie SozR 5750 Artikel 2 § 51 a Nr. 24 ArVNG; zuletzt Urt. v. 22.2.1980 – 12 RK 12/79 – mit weit. Nachw.). Mit dieser Rechtsprechung hat das BSG einen den Versicherungsverhältnissen der gesetzlichen Rentenversicherung eigenen Wesenszug herausgestellt, wonach dieses Verhältnis grundsätzlich nachträglich nicht mehr geändert werden kann. Von dieser grundsätzlichen Regelung, die insbesondere in den Vorschriften der §§ 1418 Abs. 1 und 1407 Abs. 2 Satz 2 RVO zum Ausdruck kommt, ist auch der Gesetzgeber bei der Schaffung der Ausnahmevorschrift des Artikels 2 § 51 a ArVNG ausgegangen (vgl. BSG Urteil vom 30.11.1978 – 12 RK 43/76 –). Mit dem Eintritt der Bindungswirkung des die Nachentrichtung zulassenden Bescheides vom 29. Dezember 1976 konnte der Antrag von der Klägerin nicht mehr zurückgenommen werden. Eine Rücknahme ist jedenfalls dann nicht mehr zulässig, wenn der Berechtigte, wie die Klägerin, von dem Recht auf Beitragsnachentrichtung bereits Gebrauch gemacht hat (vgl. BSG in SozR 5750 Artikel 2 § 51 a ArVNG Nr. 17; Urt. v. 22.2.1980 – 12 RK 12/79). Mit der bindenden Festlegung der auf die einzelnen Nachentrichtungszeiträume entfallenden Beiträge war das Wahlrecht der Klägerin gemäß Artikel 2 § 51 a ArVNG verbraucht. Ihr Änderungsantrag erfolgte darüber hinaus erst am 30. April 1978, also nach Ablauf der Ausschlußfrist des Artikels 2 § 51 a Abs. 3 ArVNG am 31. Dezember 1975.

Auch die von der Klägerin gemäß § 119 BGB erklärte Anfechtung ihres ursprünglichen Antrags auf freiwillige Beitragsnachentrichtung vermag nicht durchzugreifen. Dem Vorbringen der Klägerin läßt sich insoweit allenfalls entnehmen, daß sie sich bei der im Jahre 1975 beantragten Beitragsnachentrichtung in ihren Erwartungen über die Höhe ihrer Gesamtversorgung geirrt hat. Ein derartiger einseitiger Irrtum über künftige Ereignisse ist, wie das Sozialgericht zutreffend ausführt, ein unbeachtlicher Motivirrtum, der weder im Zivilrecht noch im öffentlichen Recht die Anfechtung einer Willenserklärung begründen kann (vgl. BSG Urteil vom 19. Juni 1979 – 5 RJ 128/78 –).

Die ärztliche Bescheinigung des Klinikums der J.-Universität – Zentrum für Psychiatrie vom 25. Juni 1979 bezieht sich auf Behandlungen zwischen 1959 und 1973 und reicht ebensowenig wie der nervenärztliche Bericht der Klinik vom 11. Oktober 1979 aus, um Zweifel an der Willens- oder Geschäftsfähigkeit der Klägerin im Zeitpunkt der Nachentrichtung der Beiträge zu begründen.

Die Klägerin kann entgegen der Ansicht des Sozialgerichts den Anspruch auf Genehmigung der Nachentrichtung in der für sie günstigste Klasse und auf Rückzahlung der bisher darüber hinaus gezahlten Beiträge nicht mit Erfolg auf einen sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gegenüber der Beklagten stützen. Dieses von der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entwickelte Rechtsinstitut wird aus einer Verletzung der Betreuungspflicht des Versicherungsträgers hergeleitet, die als Nebenpflicht eines Sozialrechtsverhältnisses gegenüber dem Versicherten besteht (vgl. BSG Urteil vom 21.2.1980 – 5 RKn 19/78 –; Urteil vom 9.5.1979 – 9 RVO 20/78 –; Urteil vom 12.10.1979 – 12 RK 47/77 –; BSG in SozR 4100 § 44 Nr. 9; SozR 2200 § 1286 Nr. 3; sowie SozR 2200 § 1290 Nr. 11, jeweils mit weit. Nachw.). Ein solcher Anspruch würde eine Pflichtverletzung der Beklagten im Rahmen des mit der Klägerin bestehenden Sozialrechtsverhältnisses voraussetzen, das die Beklagte zur Auskunft und Belehrung sowie zur verständnisvollen Förderung – gegebenenfalls in Form besonderer sachdienlicher Hinweise – verpflichtete. Der Herstellungsanspruch ist dabei von einem Verschulden der Behörde unabhängig. Das Bundessozialgericht hat freilich eine spontane Betreuungspflicht des Versicherungsträgers verneint (vgl. SozR Nr. 12 zu § 242 BGB und BSG 42, 224, 227). Der Rentenversicherungsträger ist vielmehr zur Belehrung und Beratung des einzelnen Versicherten nur dann verpflichtet, wenn dieser sich mit einem entsprechenden Ersuchen an ihn wendet. Das Amtsermittlungsprinzip verpflichtet ihn von sich aus nur zur Aufklärung der Tatsachen, die für die beantragte Leistung bedeutsam sind (vgl. BSG in SozR 2200 § 381 RVG Nr. 18). Der Versicherungsträger muß allerdings bei einem konkreten Anlaß den Versicherten auf solche Gestaltungsmöglichkeiten hinweisen, die klar zutage treten, also für ihn erkennbar geworden sind und zweckmäßigerweise von jedem vernünftigen Versicherten genutzt werden. Dabei erwartet die Rechtsprechung, daß der Versicherungsträger die ihm anvertrauten Interessen des Versicherten behutsam wahrt und dem zu betreuenden Bürger zu den Rechten, insbesondere zu den Leistungen verhilft, die ihm nach den Gesetzen zustehen (vgl. BGG Urteil vom 25.4.1978 in BSGE 46, 124 ff. (126)). Im vorliegenden Fall haben sich die negativen Auswirkungen der Von der Klägerin gewählten Beitragshöhe für die Nachentrichtung nach Artikel 2 § 51 a Abs. 1 ArVNG nicht aus rentenrechtlichen Bestimmungen ergeben, sondern sie resultieren aus Besonderheiten der Berechnung der Leistungen der Zusatzversorgungskasse der Stadt F., deren Mitglied die Klägerin war. Der in § 14 SGBI normierte Beratungsanspruch, den die Klägerin als verletzt ansieht, ist nicht in dem Sinne universal, daß er sich auf das gesamte Sozialrecht erstreckt, sondern er beschränkt sich auf die im Sozialgesetzbuch geregelten Sozialleistungsbereiche, die das Recht der betrieblichen Altersversorgung nicht umfassen. Der Nachteil, der der Klägerin aus der Berechnung der Zusatzversorgung erwachsen ist, ist nach Ansicht des Senats nicht so naheliegend, daß er eine Beratungs- und Hinweispflicht der Beklagten begründen könnte. Zwar war der Beklagten bekannt, daß die Klägerin seit dem 1. Dezember 1971 bei den Städtischen Bühnen in F. beschäftigt war. Aus § 5 des vorliegenden Arbeitsvertrages konnte sie auch entnehmen, daß die Klägerin zum Zwecke der Alters-, Berufsunfähigkeits- und Erwerbsunfähigkeitsversorgung sowie der Versorgung der Hinterbliebenen nach Maßgabe der jeweils gültigen Fassung der Satzung bei der Zusatzversorgungskasse der Stadt F. versichert ist. Dies bedeutet jedoch nicht, daß sich die Beklagte mit Berechnungsmodalitäten dieser Zusatzversorgung vetraut machen mußte, um jede denkbare Auswirkung der von der Klägerin vorgenommenen Nachentrichtung auf diese Leistung zu erkennen. Dies gilt um so mehr, als der Beklagten der konkrete Versicherungsverlauf, den die Klägerin in dieser Zusatzversorgungseinrichtung zurückgelegt hatte, nicht bekannt sein konnte. Von sich aus war die Beklagte jedenfalls nicht verpflichtet, den Besonderheiten dieses Versicherungsverhältnisses nachzugehen. Denn die Klägerin ist auch mit keinem Auskunftsverlangen an die Beklagte herangetreten. Aus dem Nachentrichtungsantrag und dem in diesem Zusammenhang mit der Klägerin geführten Schriftwechsel ergeben sich keine konkreten Anhaltspunkte dafür, daß Zweifel in dieser Hinsicht aufgetreten wären. Der Beklagten mußte sich insbesondere nicht der Gedanke aufdrängen, daß die Wahl einer niedrigeren Beitragsklasse zu einer Besserstellung der Klägerin im Hinblick auf ihre Gesamtversorgung führen konnte. Eine derartige Kenntnis kann bei der Vielzahl der betrieblichen Altersversorgungssysteme auch von einem Rentenversicherungsträger nicht schlechthin erwartet werden. Der Senat verkennt zwar nicht, daß die von der Klägerin vorgenommene Nachentrichtung in den Beitragsklassen 600 und 800 durch die Besonderheit bei der Bemessung ihrer Zusatzversorgung zu einem unwirtschaftlichen Ergebnis geführt hat. Dies beruht jedoch nach den Umständen des Falles nicht auf der Verletzung von Betreuungs- und Fürsorgepflichten der Beklagten, die dieser aus dem Sozialrechtsverhältnis obliegen. Selbst wenn man entgegen der vom Senat vertretenen Auffassung – entsprechend der vom Sozialgericht vertretenen Rechtsmeinung den Kreis der Beratungspflichten der Beklagten auch auf die Beziehungen der Klägerin zur Zusatzversorgungskasse der Stadt F. erweitern und insoweit eine Verletzung der Informationspflicht annehmen wollte, könnte diesen einen Herstellungsanspruch nur insoweit begründen, als der Fehler noch nachträglich durch Vornahme einer Amtshandlung zu korrigieren ist. Diese Möglichkeit besteht nur dort, wo eine rückwirkende Korrektur ihrer Art nach überhaupt rechtlich möglich ist. Nicht verlangt werden können dagegen Verwaltungsentscheidungen, für die das Recht keine Grundlage bietet (vgl. BSG Urteil vom 12.10.1979 – 12 RK 47/77). Das Klagebegehren der Klägerin, ihr nachträglich die Entrichtung niedrigerer Beiträge zu gestatten und ihr den Differenzbetrag zurückzuzahlen, steht jedoch, wie bereits dargelegt, im Widerspruch zu den das Beitragsrecht der Sozialversicherung tragenden Grundsätzen. Diese schließen nämlich die nachträgliche Herabsetzung oder Erstattung wirksam entrichteter Beiträge aus. Dies bedeutet, daß im Bereich des Beitragsrechts eine Änderung wirksam entrichteter Beiträge auch im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs im Regelfall scheitern muß (vgl. hierzu BSG Urteil vom 12.10.1979 – 12 RK 47/77 – S. 10 und 11).

Auf die Berufung der Beklagten mußte deshalb das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Rechtskraft
Aus
Saved