Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 110/77
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 381/79
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Entscheidung über die Erstattungspflicht der Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens durch die Staatskasse muß durch Beschluß erfolgen. Es ist nicht zulässig, eine solche Entscheidung in der Urteilsformel oder in den Entscheidungsgründen zu treffen.
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 15. Januar 1979 insoweit aufgehoben, als es eine Entscheidung darüber getroffen hat, ob die dem Kläger durch die Einholung des Gutachtens von Prof. Dr. D. und Dr. W. entstandenen Kosten zu erstatten sind. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Entschädigung einer praktischen Erblindung beiderseits als Folge eines Ereignisses vom 21. September 1972.
Unter dem 29. September 1972 zeigte die Eisengroßhandlung S. & Co. in F. an, daß sich der im Jahre 1940 geborene Kläger am 21. September 1972 beim Reinigen von Blechen mit einem Lösungsmittel die Augen verletzt habe. Die Einwirkung beruhe nicht auf direkten Spritzern sondern indirekt auf Dämpfen. Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis von der AOK F., den Krankheitsbericht des Augenarztes Dr. F. (F.) und die Auskunft des kaufm. Angestellten M. von der Firma S. & Co. vom 4., 8. bzw. 19. November 1976 sowie die Rentenakten der Landesversicherungsanstalt Hessen (VI-xxxxx) mit verschiedenen Krankheitsberichten des Prof. Dr. D. (Zentrum der Augenheilkunde der Universität F.) und der Fachklinik für Augenerkrankungen S. in H. bei. In diesen Berichten bzw. Auskünften ist u.a. ausgeführt, daß der Kläger bereits am 18. März 1972 Karamba-Spritzer in das linke Auge erhalten habe und schon seit zwei Wochen schlechter sehe. Bei der stationären Behandlung vom 1. Dezember 1972 bis zum 10. April 1976 in der Fachklinik S. H. wurde die beiderseitige Erblindung auf einen Morbus Behcet zurückgeführt, die von dem Facharzt für Augenheilkunde W. von dieser Klinik unter dem 30. November 1976 nochmals bestätigt wurde. Wegen der Einzelheiten wird auf diese Berichte verwiesen. Sodann hörte die Beklagte Prof. Dr. S. (Leitender Arzt der Augenabteilung des St. V. und E.-Hospitals M.), der am 24. Februar 1977 ausführte, daß die Erblindung beiderseits ohne Zweifel auf einer unfallunabhängigen Behcet’schen Erkrankung beruhe. Hierauf gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27. April 1977 die Gewährung einer Entschädigung ab.
Gegen diesen an ihn am gleichen Tage abgesandten Bescheid hat der Kläger bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main – SG – am 29. April 1977 Klage erhoben und geltend gemacht, die Annahme einer Behcet’schen Erkrankung beruhe auf einer Verdachtsdiagnose und es bedürfe zur vollständigen Aufklärung des Sachverhalts eines weiteren Zusammenhangsgutachtens. Das SG hat ein solches Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz – SGG – von Prof. Dr. D. und Oberarzt Dr. W. unter dem 10. Februar 1978 eingeholt. In diesem Gutachten ist ausgeführt, daß bereits am 21. September 1972 ohne Anzeichen für Ätzungsfolgen Veränderungen an der Netz- und Aderhaut beider Augen bestanden hätten. Der gesamte Krankheitsverlauf sei typisch für eine unfallunabhängige recidivierende Netzhaut-Aderhautentzündung. Mit Urteil vom 15. Januar 1979 hat das SG sodann die Klage abgewiesen mit der Begründung, daß eine Einwirkung von außen auf die Augen nicht feststellbar sei, da sich zunächst Veränderungen an der Leder- oder Hornhaut hätten zeigen müssen. Daran fehle es hier aber. Dem Kläger seien auch nicht die Kosten des nach § 109 SGG erstellten Gutachtens von Prof. Dr. D. und Dr. W. zu erstatten, da es nicht zur Sachaufklärung beigetragen habe. Hierüber sei im Urteil mit zu entscheiden gewesen.
Gegen dieses ihm am 22. Februar 1979 zugestellte Urteil hat der Kläger bei dem SG schriftlich am 19. März 1979 Berufung eingelegt. Er bringt zu ihrer Begründung vor: Die Betrachtungsweise des SG sei eine ausschließlich physikalisch-schematische, ohne daß es dazu die erforderlichen Feststellungen getroffen habe. Es habe auch die Möglichkeit einer chemischen Reaktion im oder am Auge außer Acht gelassen. Schwere körperliche Arbeiten könnten geeignet sein, eine Netzhautablösung herbeizuführen. Ferner ergebe sich aus dem Gutachten des Prof. Dr. D. und des Dr. W., daß diese Sachverständigen durchaus eine Netzhautablösung als Folge einer Verätzung durch Reinigungsmittel für möglich halten. Lediglich der Ursachenzusammenhang zwischen dem Ereignis vom 21. September 1972 und des am selben Tage diagnostizierten Schubs im Bereich der Netzhaut-Aderhaut sei nicht festgestellt worden. Nach diesen Ausführungen müsse die Zusammenhangsfrage noch als offen angesehen werden, so daß ein weiteres Gutachten von Amts wegen einzuholen sei. Im übrigen seien ihm die Kosten des nach § 109 SGG erstatteten Gutachtens von Prof. Dr. D. und Dr. W. durch Übernahme auf die Staatskasse zu erstatten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 15. Januar 1979 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. April 1977 aufzuheben und diese zu verurteilen, ihm wegen praktischer Blindheit beiderseits als Folge des Arbeitsunfalls vom 21. September 1972 Vollrente ab einem von dem Gericht noch zu bestimmenden Termin zu gewähren.
Ferner beantragt er, die Kosten des nach § 109 SGG erstatteten Gutachtens von Prof. Dr. D. und Dr. W. vom 10. Februar 1978 auf die Staatskasse zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Unfall- und Streitakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher zulässig (§§ 151, 143, 145 SGG).
Während sie bezüglich der Kostenentscheidung zu § 109 SGG Erfolg hat, ist sie in der Hauptsache unbegründet. Das SG hat die zulässige Klage insoweit zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist nicht rechtswidrig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die gesetzlichen Unfallentschädigung, da seine praktische Erblindung beiderseits weder im Sinne der Entstehung noch der wesentlich mitwirkenden Verschlimmerung die Folge eines Arbeitsunfalles vom 21. September 1972 ist (§ 548 Reichsversicherungsordnung – RVO –).
Nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung besteht ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einem Ereignis, das von außen auf den Körper des Versicherten eingewirkt hat, und einer Gesundheitsstörung nur dann, wenn das Ereignis wesentlich zu deren Eintritt mitgewirkt hat. Im Falle der kausalen Konkurrenz einer äußeren Einwirkung mit einer bereits vorhandenen Krankheitsanlage ist dies auch dann der Fall, wenn beide Umstände in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolgs annähernd gleichwertig sind (vgl. BSG, Urteil vom 1. Dezember 1960 – 5 RK 166/59 – in E 13, 176; Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Auflage, Anm. 8 zu § 548 RVO). Für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs muß Wahrscheinlichkeit bestehen, d.h., bei vernünftiger Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechenden Umstände müssen die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen, daß die dagegen sprechenden billigerweise für die Bildung und Rechtfertigung der richterlichen Überzeugung außer Betracht zu bleiben haben (vgl. BSG, Urteil vom 2. Juni 1959 – 2 RU 158/56 – in SozR Nr. 20 zu § 542 RVO a.F.; Lauterbach a.a.O. Anm. 17 zu § 548 RVO). Von der Wahrscheinlichkeit ist die bloße Möglichkeit zu unterscheiden, die zur Annahme des ursächlichen Zusammenhangs in der Unfallversicherung nicht ausreicht.
Ein solcher ursächlicher Zusammenhang zwischen der praktischen Erblindung beiderseits und dem Ereignis vom 21. September 1972 ist nicht mit Wahrscheinlichkeit erweislich.
Zunächst stellt der Senat auf Grund der medizinischen Befundberichte der Fachklinik für Augenerkrankungen S. in H. und des Zentrums der Augenheilkunde der Universität F. sowie nach dem Gutachten von Prof. Dr. D. und Dr. W. fest, daß der Kläger an den Folgen einer Netz- und Aderhautentzündung beiderseits mit Netzhautablösung erblindet ist. Zwar kann, wie er zutreffend darlegt, eine geeignete äußere Einwirkung auf den Augapfel eine Netzhautablösung zur Folge haben (vgl. Gramberg-Danielsen und Hülsemeyer in Augenarzt und Gesetzliche Unfallversicherung, 1979, S. 50 ff. mit weit. Nachw.). Ein solches traumatisches Ereignis wird von ihm aber nicht behauptet und ist auch sonst nicht ersichtlich. Er führt die Erblindung vielmehr auf den Einfluß von zur Reinigung von Eisenblechen benutztem Karamba und Lösungsmitteln zurück, die ihm am 21. September 1972 in die Augen gespritzt sein sollen. Der Senat kann einen solchen – bisher nicht bewiesenen – Geschehensablauf als wahr unterstellen. Überwiegende medizinische Gründe machen es nicht wahrscheinlich, daß ein solches Geschehnis zur praktischen Erblindung geführt hat. Das folgt aus den Berichten des Dr. F., des Zentrums der Augenheilkunde in der Universität F. und der Fachklinik für Augenerkrankungen S. sowie den überzeugenden Gutachten des Prof. Dr. S. und des Prof. Dr. D. vom 24. Februar 1977 bzw. 10. Februar 1978. Die erhobenen Befunde, der Krankheitsverlauf und die eigenen Angaben des Klägers sprechen gegen einen solchen ursächlichen Zusammenhang. Gegenüber Dr. F. hatte er bereits am 20. März 1972 angegeben, auf dem linken Auge schon seit zwei Wochen schlechter zu sehen. Gefunden wurde von Dr. F. aber lediglich eine mäßige Schwellung und Rötung der Bindehaut. Verätzungen oder andere traumatische Verletzungen konnten von ihm nicht gesehen werden. Dr. F. äußerte auf Grund der Augenhintergrundspiegelung den Verdacht auf eine zentrale Netzhauterkrankung im Sinne einer Retinitis zentralis serosa. Der Befund am rechten Auge war dagegen vollkommen regelrecht. Im Zentrum der Augenheilkunde der Universität F. wurde nach den am 24. März 1972 erhobenen Befunden diese Diagnose des Dr. F. bestätigt. Bis zum 6. Juni 1972 konnte die Entzündung zur Abheilung gebracht werden. Bereits am 9. Juni 1972 suchte der Kläger erneut das Zentrum der Augenheilkunde auf, dieses Mal aber wegen einer Sehverschlechterung am rechten Auge. Es erfolgte die gleiche Behandlung wie früher am linken Auge, wobei eine deutliche Besserung erzielt werden konnte. Am 21. September 1972 konsultierte der Kläger wegen einer starken Sehverschlechterung am linken Auge das Zentrum der Augenheilkunde der Universität F. erneut. Dabei gab er an, daß diese Sehverschlechterung bereits am Vortage bestanden habe. Von einem Unfallereignis am 21. September 1972 berichtete er dagegen nichts. Auch wurden bei dieser Untersuchung keine traumatischen Veränderungen oder Verätzungen am Augapfel gefunden. Das ergibt sich aus der Krankenvorgeschichte zum Gutachten des Prof. Dr. D. und des Dr. W. vom 10. Februar 1978. Danach steht ferner fest, daß auch während der stationären Behandlung im Zentrum der Augenheilkunde vom 22. September bis zum 13. Oktober 1972 starke Recidive an beiden Augen auftraten, so daß die Heilbehandlung in der Fachklinik für Augenerkrankungen S. in R. vom 1. Dezember 1972 bis zum 10. April 1976 eingeleitet wurde. Auch dort konnten keine Befunde erhoben werden, die für eine traumatische Genese der Erblindung sprachen, zumal keine Anhaltspunkte für eine perforierende Verletzung erkennbar waren. Vielmehr wurde als Ursache eine unfallunabhängige Behcet’sche Erkrankung angenommen. Wenn nach alledem sowohl Prof. Dr. S. als auch Prof. Dr. D. und Dr. W. den Schluß gezogen haben, daß das Krankheitsbild und die Funktionseinbuße beider Augen mit Sicherheit nicht auf ein Unfallereignis vom 21. September 1972 zurückzuführen seien, so ist dies auch unter Beachtung der Lehre vom ursächlichen Zusammenhang nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zu beanstanden. Es ist unzutreffend, wenn der Kläger rügt, das SG habe in seinem Urteil für das Fehlen von Verletzungen an der Leder- und Hornhaut keine Feststellungen getroffen. Es hat insoweit in den Entscheidungsgründen auch auf die von der Beklagten beigezogenen Augenarztberichte und Gutachten verwiesen, in denen das Fehlen solcher Befunde ausdrücklich angeführt ist. Ebenso wenig trifft es zu, daß nach den Ausführungen von Prof. Dr. D. und Dr. W. die Zusammenhangsfrage noch offen sein soll. Sie ist von diesen Sachverständigen ebenso wie von Prof. Dr. S. und den Ärzten der Fachklinik für Augenerkrankungen S. in einem solchen Maße ausreichend beantwortet worden, daß auch nicht die von dem Kläger selbst nur als eine Möglichkeit in Betracht gezogene chemische Reaktion am oder im Augapfel zu erörtern war.
Allerdings war auf die Berufung des Klägers das Urteil des SG insoweit aufzuheben, als es in den Entscheidungsgründen ausgeführt hat, mit seinem Anspruch, die Beteiligten hätten sich keine Kosten zu erstatten, habe es zugleich auch die Übernahme der Kosten des Gutachtens des Prof. Dr. D. und des Dr. W. auf die Staatskasse abgelehnt. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist die Entscheidung über die Erstattungspflicht der Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens in einem Urteil nicht zulässig. Sie hat vielmehr durch Beschluss zu erfolgen, der grundsätzlich unabhängig von dem in der Sache ergehenden Urteil ergeht. Ebenso ist eine Einbeziehung der Entscheidung in dem Urteilstenor unstatthaft (vgl. Hess. LSG, Beschluss vom 17. August 1966 – L-3/B – 5/66 – in Breithaupt 1967, 622; Urteile vom 2. Februar 1977 – L-3/U – 674/76 – und vom 28. Juni 1978 – L-3/U – 140/78 –; so auch die herrschende Meinung: Bayr. LSG in Breithaupt 1959, 962; 1961, 1069; ZfS 1965, 348; LSG Niedersachsen in Breithaupt 1967, 258; Peters-Sautter-Wolff, Komm. zur Sozialgerichtsbarkeit, Anm. 7 b zu § 109 SGG; Brocke-Resse, Gebühren- und Kostenrecht der Sozialgerichtsbarkeit, S. 45; Meyer-Ladewig, Anm. 18 zu § 109 SGG mit weit. zahlr. Nachweisen). Zwar ist von dem früheren 8. Senat des Hess. Landessozialgerichts (Beschluss vom 13. Dezember 1963 – L 8/Vb – 2/62) und dem LSG Niedersachsen (Breithaupt 1958, 493) gegenteilig entschieden worden; doch sind diese Entscheidungen vereinzelt geblieben und müssen als überholt angesehen werden. Auch die neuerlich gegebene Begründung des SG, mangels einer besonderen Regelung im SGG sei das Recht der Zivilprozeßordnung – ZPO – anzuwenden und nach § 308 Abs. 2 ZPO müsse immer im Urteil auch über die Gerichtskosten entschieden werden, überzeugt nicht. Das SG verkennt, wie in dem ihm bekannten Beschluss des Senats vom 17. August 1966 (a.a.O.) ausgeführt ist, daß nach der spezielleren Regelung des SGG im Urteil nur über die Verteilung der Kosten der Beteiligten zu entscheiden ist, wozu die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens nicht gehören (vgl. auch LSG Berlin, Beschluss vom 22. Oktober 1968 – L 13/V (S) 12/68 –; Hess. Landessozialgericht, Urteil vom 29. Mai 1968 – L-5/V – 105/68 – in Breithaupt 1969, 270 ff. mit weit. Nachw.; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 15. Februar 1978 – L-9/Ko – 110/77 B-3). Nachdem der Senat wiederholt hierzu in diesem Sinne Stellung genommen hat, wie dem SG bekannt ist, erübrigen sich dazu weitere Ausführungen. Das SG wird noch durch gesonderten beschwerdefähigen Beschluss darüber zu befinden haben, ob und in welchem Umfange die dem Kläger durch die Einholung des Gutachtens von Prof. Dr. D. und Dr. W. entstandenen Kosten zu erstatten sind.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 193, 160 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Entschädigung einer praktischen Erblindung beiderseits als Folge eines Ereignisses vom 21. September 1972.
Unter dem 29. September 1972 zeigte die Eisengroßhandlung S. & Co. in F. an, daß sich der im Jahre 1940 geborene Kläger am 21. September 1972 beim Reinigen von Blechen mit einem Lösungsmittel die Augen verletzt habe. Die Einwirkung beruhe nicht auf direkten Spritzern sondern indirekt auf Dämpfen. Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis von der AOK F., den Krankheitsbericht des Augenarztes Dr. F. (F.) und die Auskunft des kaufm. Angestellten M. von der Firma S. & Co. vom 4., 8. bzw. 19. November 1976 sowie die Rentenakten der Landesversicherungsanstalt Hessen (VI-xxxxx) mit verschiedenen Krankheitsberichten des Prof. Dr. D. (Zentrum der Augenheilkunde der Universität F.) und der Fachklinik für Augenerkrankungen S. in H. bei. In diesen Berichten bzw. Auskünften ist u.a. ausgeführt, daß der Kläger bereits am 18. März 1972 Karamba-Spritzer in das linke Auge erhalten habe und schon seit zwei Wochen schlechter sehe. Bei der stationären Behandlung vom 1. Dezember 1972 bis zum 10. April 1976 in der Fachklinik S. H. wurde die beiderseitige Erblindung auf einen Morbus Behcet zurückgeführt, die von dem Facharzt für Augenheilkunde W. von dieser Klinik unter dem 30. November 1976 nochmals bestätigt wurde. Wegen der Einzelheiten wird auf diese Berichte verwiesen. Sodann hörte die Beklagte Prof. Dr. S. (Leitender Arzt der Augenabteilung des St. V. und E.-Hospitals M.), der am 24. Februar 1977 ausführte, daß die Erblindung beiderseits ohne Zweifel auf einer unfallunabhängigen Behcet’schen Erkrankung beruhe. Hierauf gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27. April 1977 die Gewährung einer Entschädigung ab.
Gegen diesen an ihn am gleichen Tage abgesandten Bescheid hat der Kläger bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main – SG – am 29. April 1977 Klage erhoben und geltend gemacht, die Annahme einer Behcet’schen Erkrankung beruhe auf einer Verdachtsdiagnose und es bedürfe zur vollständigen Aufklärung des Sachverhalts eines weiteren Zusammenhangsgutachtens. Das SG hat ein solches Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz – SGG – von Prof. Dr. D. und Oberarzt Dr. W. unter dem 10. Februar 1978 eingeholt. In diesem Gutachten ist ausgeführt, daß bereits am 21. September 1972 ohne Anzeichen für Ätzungsfolgen Veränderungen an der Netz- und Aderhaut beider Augen bestanden hätten. Der gesamte Krankheitsverlauf sei typisch für eine unfallunabhängige recidivierende Netzhaut-Aderhautentzündung. Mit Urteil vom 15. Januar 1979 hat das SG sodann die Klage abgewiesen mit der Begründung, daß eine Einwirkung von außen auf die Augen nicht feststellbar sei, da sich zunächst Veränderungen an der Leder- oder Hornhaut hätten zeigen müssen. Daran fehle es hier aber. Dem Kläger seien auch nicht die Kosten des nach § 109 SGG erstellten Gutachtens von Prof. Dr. D. und Dr. W. zu erstatten, da es nicht zur Sachaufklärung beigetragen habe. Hierüber sei im Urteil mit zu entscheiden gewesen.
Gegen dieses ihm am 22. Februar 1979 zugestellte Urteil hat der Kläger bei dem SG schriftlich am 19. März 1979 Berufung eingelegt. Er bringt zu ihrer Begründung vor: Die Betrachtungsweise des SG sei eine ausschließlich physikalisch-schematische, ohne daß es dazu die erforderlichen Feststellungen getroffen habe. Es habe auch die Möglichkeit einer chemischen Reaktion im oder am Auge außer Acht gelassen. Schwere körperliche Arbeiten könnten geeignet sein, eine Netzhautablösung herbeizuführen. Ferner ergebe sich aus dem Gutachten des Prof. Dr. D. und des Dr. W., daß diese Sachverständigen durchaus eine Netzhautablösung als Folge einer Verätzung durch Reinigungsmittel für möglich halten. Lediglich der Ursachenzusammenhang zwischen dem Ereignis vom 21. September 1972 und des am selben Tage diagnostizierten Schubs im Bereich der Netzhaut-Aderhaut sei nicht festgestellt worden. Nach diesen Ausführungen müsse die Zusammenhangsfrage noch als offen angesehen werden, so daß ein weiteres Gutachten von Amts wegen einzuholen sei. Im übrigen seien ihm die Kosten des nach § 109 SGG erstatteten Gutachtens von Prof. Dr. D. und Dr. W. durch Übernahme auf die Staatskasse zu erstatten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 15. Januar 1979 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. April 1977 aufzuheben und diese zu verurteilen, ihm wegen praktischer Blindheit beiderseits als Folge des Arbeitsunfalls vom 21. September 1972 Vollrente ab einem von dem Gericht noch zu bestimmenden Termin zu gewähren.
Ferner beantragt er, die Kosten des nach § 109 SGG erstatteten Gutachtens von Prof. Dr. D. und Dr. W. vom 10. Februar 1978 auf die Staatskasse zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Unfall- und Streitakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher zulässig (§§ 151, 143, 145 SGG).
Während sie bezüglich der Kostenentscheidung zu § 109 SGG Erfolg hat, ist sie in der Hauptsache unbegründet. Das SG hat die zulässige Klage insoweit zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist nicht rechtswidrig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die gesetzlichen Unfallentschädigung, da seine praktische Erblindung beiderseits weder im Sinne der Entstehung noch der wesentlich mitwirkenden Verschlimmerung die Folge eines Arbeitsunfalles vom 21. September 1972 ist (§ 548 Reichsversicherungsordnung – RVO –).
Nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung besteht ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einem Ereignis, das von außen auf den Körper des Versicherten eingewirkt hat, und einer Gesundheitsstörung nur dann, wenn das Ereignis wesentlich zu deren Eintritt mitgewirkt hat. Im Falle der kausalen Konkurrenz einer äußeren Einwirkung mit einer bereits vorhandenen Krankheitsanlage ist dies auch dann der Fall, wenn beide Umstände in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolgs annähernd gleichwertig sind (vgl. BSG, Urteil vom 1. Dezember 1960 – 5 RK 166/59 – in E 13, 176; Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Auflage, Anm. 8 zu § 548 RVO). Für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs muß Wahrscheinlichkeit bestehen, d.h., bei vernünftiger Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechenden Umstände müssen die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen, daß die dagegen sprechenden billigerweise für die Bildung und Rechtfertigung der richterlichen Überzeugung außer Betracht zu bleiben haben (vgl. BSG, Urteil vom 2. Juni 1959 – 2 RU 158/56 – in SozR Nr. 20 zu § 542 RVO a.F.; Lauterbach a.a.O. Anm. 17 zu § 548 RVO). Von der Wahrscheinlichkeit ist die bloße Möglichkeit zu unterscheiden, die zur Annahme des ursächlichen Zusammenhangs in der Unfallversicherung nicht ausreicht.
Ein solcher ursächlicher Zusammenhang zwischen der praktischen Erblindung beiderseits und dem Ereignis vom 21. September 1972 ist nicht mit Wahrscheinlichkeit erweislich.
Zunächst stellt der Senat auf Grund der medizinischen Befundberichte der Fachklinik für Augenerkrankungen S. in H. und des Zentrums der Augenheilkunde der Universität F. sowie nach dem Gutachten von Prof. Dr. D. und Dr. W. fest, daß der Kläger an den Folgen einer Netz- und Aderhautentzündung beiderseits mit Netzhautablösung erblindet ist. Zwar kann, wie er zutreffend darlegt, eine geeignete äußere Einwirkung auf den Augapfel eine Netzhautablösung zur Folge haben (vgl. Gramberg-Danielsen und Hülsemeyer in Augenarzt und Gesetzliche Unfallversicherung, 1979, S. 50 ff. mit weit. Nachw.). Ein solches traumatisches Ereignis wird von ihm aber nicht behauptet und ist auch sonst nicht ersichtlich. Er führt die Erblindung vielmehr auf den Einfluß von zur Reinigung von Eisenblechen benutztem Karamba und Lösungsmitteln zurück, die ihm am 21. September 1972 in die Augen gespritzt sein sollen. Der Senat kann einen solchen – bisher nicht bewiesenen – Geschehensablauf als wahr unterstellen. Überwiegende medizinische Gründe machen es nicht wahrscheinlich, daß ein solches Geschehnis zur praktischen Erblindung geführt hat. Das folgt aus den Berichten des Dr. F., des Zentrums der Augenheilkunde in der Universität F. und der Fachklinik für Augenerkrankungen S. sowie den überzeugenden Gutachten des Prof. Dr. S. und des Prof. Dr. D. vom 24. Februar 1977 bzw. 10. Februar 1978. Die erhobenen Befunde, der Krankheitsverlauf und die eigenen Angaben des Klägers sprechen gegen einen solchen ursächlichen Zusammenhang. Gegenüber Dr. F. hatte er bereits am 20. März 1972 angegeben, auf dem linken Auge schon seit zwei Wochen schlechter zu sehen. Gefunden wurde von Dr. F. aber lediglich eine mäßige Schwellung und Rötung der Bindehaut. Verätzungen oder andere traumatische Verletzungen konnten von ihm nicht gesehen werden. Dr. F. äußerte auf Grund der Augenhintergrundspiegelung den Verdacht auf eine zentrale Netzhauterkrankung im Sinne einer Retinitis zentralis serosa. Der Befund am rechten Auge war dagegen vollkommen regelrecht. Im Zentrum der Augenheilkunde der Universität F. wurde nach den am 24. März 1972 erhobenen Befunden diese Diagnose des Dr. F. bestätigt. Bis zum 6. Juni 1972 konnte die Entzündung zur Abheilung gebracht werden. Bereits am 9. Juni 1972 suchte der Kläger erneut das Zentrum der Augenheilkunde auf, dieses Mal aber wegen einer Sehverschlechterung am rechten Auge. Es erfolgte die gleiche Behandlung wie früher am linken Auge, wobei eine deutliche Besserung erzielt werden konnte. Am 21. September 1972 konsultierte der Kläger wegen einer starken Sehverschlechterung am linken Auge das Zentrum der Augenheilkunde der Universität F. erneut. Dabei gab er an, daß diese Sehverschlechterung bereits am Vortage bestanden habe. Von einem Unfallereignis am 21. September 1972 berichtete er dagegen nichts. Auch wurden bei dieser Untersuchung keine traumatischen Veränderungen oder Verätzungen am Augapfel gefunden. Das ergibt sich aus der Krankenvorgeschichte zum Gutachten des Prof. Dr. D. und des Dr. W. vom 10. Februar 1978. Danach steht ferner fest, daß auch während der stationären Behandlung im Zentrum der Augenheilkunde vom 22. September bis zum 13. Oktober 1972 starke Recidive an beiden Augen auftraten, so daß die Heilbehandlung in der Fachklinik für Augenerkrankungen S. in R. vom 1. Dezember 1972 bis zum 10. April 1976 eingeleitet wurde. Auch dort konnten keine Befunde erhoben werden, die für eine traumatische Genese der Erblindung sprachen, zumal keine Anhaltspunkte für eine perforierende Verletzung erkennbar waren. Vielmehr wurde als Ursache eine unfallunabhängige Behcet’sche Erkrankung angenommen. Wenn nach alledem sowohl Prof. Dr. S. als auch Prof. Dr. D. und Dr. W. den Schluß gezogen haben, daß das Krankheitsbild und die Funktionseinbuße beider Augen mit Sicherheit nicht auf ein Unfallereignis vom 21. September 1972 zurückzuführen seien, so ist dies auch unter Beachtung der Lehre vom ursächlichen Zusammenhang nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zu beanstanden. Es ist unzutreffend, wenn der Kläger rügt, das SG habe in seinem Urteil für das Fehlen von Verletzungen an der Leder- und Hornhaut keine Feststellungen getroffen. Es hat insoweit in den Entscheidungsgründen auch auf die von der Beklagten beigezogenen Augenarztberichte und Gutachten verwiesen, in denen das Fehlen solcher Befunde ausdrücklich angeführt ist. Ebenso wenig trifft es zu, daß nach den Ausführungen von Prof. Dr. D. und Dr. W. die Zusammenhangsfrage noch offen sein soll. Sie ist von diesen Sachverständigen ebenso wie von Prof. Dr. S. und den Ärzten der Fachklinik für Augenerkrankungen S. in einem solchen Maße ausreichend beantwortet worden, daß auch nicht die von dem Kläger selbst nur als eine Möglichkeit in Betracht gezogene chemische Reaktion am oder im Augapfel zu erörtern war.
Allerdings war auf die Berufung des Klägers das Urteil des SG insoweit aufzuheben, als es in den Entscheidungsgründen ausgeführt hat, mit seinem Anspruch, die Beteiligten hätten sich keine Kosten zu erstatten, habe es zugleich auch die Übernahme der Kosten des Gutachtens des Prof. Dr. D. und des Dr. W. auf die Staatskasse abgelehnt. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist die Entscheidung über die Erstattungspflicht der Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens in einem Urteil nicht zulässig. Sie hat vielmehr durch Beschluss zu erfolgen, der grundsätzlich unabhängig von dem in der Sache ergehenden Urteil ergeht. Ebenso ist eine Einbeziehung der Entscheidung in dem Urteilstenor unstatthaft (vgl. Hess. LSG, Beschluss vom 17. August 1966 – L-3/B – 5/66 – in Breithaupt 1967, 622; Urteile vom 2. Februar 1977 – L-3/U – 674/76 – und vom 28. Juni 1978 – L-3/U – 140/78 –; so auch die herrschende Meinung: Bayr. LSG in Breithaupt 1959, 962; 1961, 1069; ZfS 1965, 348; LSG Niedersachsen in Breithaupt 1967, 258; Peters-Sautter-Wolff, Komm. zur Sozialgerichtsbarkeit, Anm. 7 b zu § 109 SGG; Brocke-Resse, Gebühren- und Kostenrecht der Sozialgerichtsbarkeit, S. 45; Meyer-Ladewig, Anm. 18 zu § 109 SGG mit weit. zahlr. Nachweisen). Zwar ist von dem früheren 8. Senat des Hess. Landessozialgerichts (Beschluss vom 13. Dezember 1963 – L 8/Vb – 2/62) und dem LSG Niedersachsen (Breithaupt 1958, 493) gegenteilig entschieden worden; doch sind diese Entscheidungen vereinzelt geblieben und müssen als überholt angesehen werden. Auch die neuerlich gegebene Begründung des SG, mangels einer besonderen Regelung im SGG sei das Recht der Zivilprozeßordnung – ZPO – anzuwenden und nach § 308 Abs. 2 ZPO müsse immer im Urteil auch über die Gerichtskosten entschieden werden, überzeugt nicht. Das SG verkennt, wie in dem ihm bekannten Beschluss des Senats vom 17. August 1966 (a.a.O.) ausgeführt ist, daß nach der spezielleren Regelung des SGG im Urteil nur über die Verteilung der Kosten der Beteiligten zu entscheiden ist, wozu die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens nicht gehören (vgl. auch LSG Berlin, Beschluss vom 22. Oktober 1968 – L 13/V (S) 12/68 –; Hess. Landessozialgericht, Urteil vom 29. Mai 1968 – L-5/V – 105/68 – in Breithaupt 1969, 270 ff. mit weit. Nachw.; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 15. Februar 1978 – L-9/Ko – 110/77 B-3). Nachdem der Senat wiederholt hierzu in diesem Sinne Stellung genommen hat, wie dem SG bekannt ist, erübrigen sich dazu weitere Ausführungen. Das SG wird noch durch gesonderten beschwerdefähigen Beschluss darüber zu befinden haben, ob und in welchem Umfange die dem Kläger durch die Einholung des Gutachtens von Prof. Dr. D. und Dr. W. entstandenen Kosten zu erstatten sind.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 193, 160 SGG.
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