L 3 U 387/80

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 8/3 U 239/78
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 387/80
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der nach § 550 Abs. 1 RVO versicherte Weg zum Ort der Tätigkeit beginnt nicht immer erst an der Außenhaustür, wenn er von der Wohnung in einem Wohn- und Geschäftshaus angetreten wird. Für den Versicherungsschutz ist entscheidend, ob sich der Unfall in einem Bereich des Wohn- und Geschäftshauses ereignet, der notwendigerweise von einer unbestimmten Vielzahl Personen eines, nicht näher bestimmbaren Personenkreises benutzt wird.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 5. Februar 1980 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß sie unter Aufhebung des Bescheides vom 27. Juni 1978 verurteilt wird, dem Kläger das Ereignis vom 29. November 1975 als Arbeitsunfall in gesetzlichem Umfange zu entschädigen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Entschädigung eines Unfalls als sog. Wegeunfall (§ 550 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung –RVO–).

Der im Jahre 1943 geborene und bei der Beklagten gegen Arbeitsunfall versicherte Kläger betreibt als Selbständiger in F., S., ein Friseurgeschäft. Unter dem 11. Dezember 1975 und dem 2. Dezember 1975 teilten seine Steuerbevollmächtigten sowie der Durchgangsarzt Prof. Dr. P. (F.) mit, daß der Kläger am 29. November 1975 vormittags auf dem Weg zu seinem Geschäft auf einer Treppe gestürzt sei und sich einen Fersenbeinbruch beiderseits zugezogen habe. Dazu berichtete Prof. Dr. P. unter dem 12. April 1976, daß Arbeitsunfähigkeit bis zum 19. April 1976 bestanden habe; ab dem 20. April 1976 müsse auf Grund vorläufiger Schätzung eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. angenommen werden. In der förmlichen Unfallanzeige vom 1. April 1976 sowie mündlich vor dem Versicherungsamt des Magistrats der Stadt F. am 23. November 1976 gab der Kläger an, daß er in einem Haus wohne, in dem sich nur seine abgeschlossene Wohnung im 4. Stock befinde. In den unteren Stockwerken seien verschiedene Gewerbebetriebe untergebracht, deren Zugang über die gleiche von ihm benutzte Treppe im Haus führe. Am Unfalltag, einem Samstag, sei er nach Verlassen seiner Wohnung zwischen dem 1. Stockwerk und dem Erdgeschoß gestürzt. Nach vorgenommener Ortsbesichtigung durch das Versicherungsamt lehnte die Beklagte mit dem Bescheid vom 27. Juni 1978 die Gewährung der Unfallentschädigung ab, da der Kläger keinen Arbeitsunfall erlitten habe. Unter Versicherungsschutz stehende Wege im Sinne von § 550 Abs. 1 RVO begännen erst nach dem Verlassen des häuslichen Wirkungskreises. Als Grenze des häuslichen Bereichs in einem Wohnhaus mit mehreren abgeschlossenen Wohnungen gelte nicht die Wohnungs-, sondern die Haustür (= Außentür). Die Haustreppe gehöre daher noch zum unversicherten Bereich.

Gegen diesen am gleichen Tage an ihn abgesandten Bescheid hat der Kläger bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) am 27. Juni 1978 Klage erhoben und geltend gemacht, daß er nicht in einem üblichen Wohnhaus, sondern in einem Wohn- und Geschäftshaus gestürzt sei. Der Sturz habe sich in einem Bereich ereignet, der wegen der dort untergebrachten gewerblichen Betriebe der Öffentlichkeit allgemein zugänglich sei. Es handelt sich um Firmen, die häufig wechselten und dort ihre Büro- oder Lagerräume hätten. Dadurch ergäben sich auch häufig Behinderungen im Treppenaufgang. Mit Urteil vom 5. Februar 1980 hat das SG den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Beklagte "verpflichtet, den Sturz des Klägers vom 29. November 1975 als Wegeunfall anzuerkennen und den Kläger in gesetzlichem Umfange zu entschädigen.” Zur Begründung hat es ausgeführt: Im Unterschied zu den bisher getroffenen Entscheidungen in der Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit handele es sich vorliegend um ein Wohn- und Geschäftshaus, das – jedenfalls im Unfallstellenbereich – von einer Vielzahl von Personen aus geschäftlichen Gründen und nicht als Bewohner benutzt werde. Durch eine solche weitgehende öffentliche Mitbenutzung werde der Einfluß des Klägers auf die Mitausgestaltung der Sicherheit des Treppenhauses ausgeschlossen, zumal er mietvertragsrechtlich noch nicht einmal verpflichtet sei, dasselbe zu putzen. Der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit stehe einer anderen Grenzziehung für den häuslichen Wirkungskreis, nämlich die Wohnungstür, nicht entgegen.

Gegen dieses ihr am 17. März 1980 zugestellte Urteil hat die Beklagte schriftlich bei dem Hessischen Landessozialgericht am 31. März 1980 Berufung eingelegt.

Es ist im Berufungsverfahren der frühere Inhaber der Firma T.-Reisebüro und Copierdienst E. B., der mit seinem Unternehmen zum Unfallzeitpunkt im Unfallhaus residierte und jetzt dort eine Gastwirtschaft betreibt, als Zeuge gehört worden. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 11. März 1981 verwiesen.

Die Beklagte bringt zur Begründung der Berufung vor: Das SG habe die von dem Reichsversicherungsamt entwickelte, aber später aufgegebene Rechtsprechung der individuellen Betrachtungsweise angewandt. Tragender Gesichtspunkt für die Außentür eines Wohnhauses als Grenze des unversicherten häuslichen Bereichs sei vielmehr der auch von dem Bundes Sozialgericht (BSG) gebilligte Grundsatz der Rechtssicherheit. Vorliegend mache es keinen Unterschied, ob es sich um ein Mehrfamilienwohnhaus mit abgeschlossenen Wohnungen oder einzelnen abgeschlossenen gewerblichen Betriebsräumen handele. Der Gefahrenbereich erfahre qualitativ keine Änderung. Im übrigen bestehe in dem Haus an Samstagen kein Publikumsverkehr.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 5. Februar 1980 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er wiederholt sein bisheriges Vorbringen und hält das angefochtene Urteil – auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme – für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Unfall- und Streitakten einschließlich ihrer Verweisungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher zulässig (§§ 143 ff., 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).

Sie ist jedoch unbegründet. Das auf die rechtzeitig erhobene Klage ergangene sozialgerichtliche Urteil konnte seinem Inhalte nach nicht aufgehoben werden, da das SG ihr dem Grunde nach zu Recht stattgegeben hat. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig. Der Kläger hat wegen des am Samstag, dem 29. November 1975, erlittenen Fersenbeinbruchs beiderseits Anspruch auf Gewährung der Unfallentschädigung in gesetzlichem Umfange, da er sich diese Frakturen bei einem Arbeitsunfall zugezogen hat. Als bei der Beklagten versicherter Unternehmer befand er sich auf einem mit einer in dem § 543 RVO (§ 49 der Satzung der Beklagten) genannten Tätigkeit zusammenhängenden Weg nach dem Ort der Tätigkeit (§ 550 Abs. 1 RVO).

Hierzu sieht der Senat auf Grund der Ermittlungen der Beklagten im Verwaltungsverfahren sowie der glaubhaften Angaben des Klägers und nach den Bekundungen des Zeugen B. folgenden Sachverhalt als erwiesen an: Der Kläger hatte am Unfalltag seinen Friseurbetrieb in F., S ... Zur gleichen Zeit wohnte er davon getrennt und als alleiniger Wohnungsmieter in einem viergeschossigen Wohnhaus in der B. in F ...

In diesem Haus hatten sich damals in den in den unteren Stock werken gelegenen und abgeschlossenen Wohnungen verschiedene Betriebe eingemietet. Dazu gehörten u.a. Unternehmungen wie die Gütegemeinschaft Aluminium, Fenster und Fassaden, der Bundesverband der Musikinstrumentenhersteller, der Metallbau Verband e.V., die EBM S. H., das Unternehmen des Zeugen B., die R.-Hotels (Reservierungszentrale, Marketing Büro) und die HPP H.-P. Partner KG (Bauleitung). Diese sowie der Kläger hatten lediglich über die gemeinsame Haustreppe Zugang zu den von ihnen angemieteten Räumlichkeiten. Es bestand ein erheblicher Publikumsverkehr zu den gewerblichen Betrieben. Außerdem wurden auch im November 1975 im 2. Stockwerk Bauarbeiten ausgeführt. Ferner ist erwiesen, daß die gewerblichen Unternehmen wiederholt als Mieter gewechselt haben. So residiert in dem Haus F., , aus der Zeit des Unfallgeschehens nur noch das Reisebüro und der von dem Zeugen B. weiterhin betriebene Copierdienst sowie im 1. Stockwerk das Foto- und Filmstudio D ... Jetzt arbeitet in dem Haus u.a. auch die HMI Organisation B. (Grundstücksmakler). Erst seit etwa 1979 wird das Wohn- und Geschäftshaus in einer Hälfte des 3. Stockwerks von einem weiteren, privaten Wohnungsmieter bewohnt. Der Publikumsverkehr fand und findet auch an Samstagen statt. Ferner waren jedenfalls zur Unfallzeit, an einzelnen Stockwerkspodesten zeitweilig Baumaterialien, Pakete und andere Gegenstände gelagert, so daß sich sehr häufig veränderte und unübersichtliche Situationen ergaben. Hierauf hatte der Kläger keinen Einfluß, zumal er entgegen der Feststellung des SG lediglich bis zum 3. Stockwerk hinunter zu putzen hatte. Soweit von dem Versicherungsamt unter dem 4. Januar 1977 mitgeteilt worden war, daß an Samstagen kein Publikumsverkehr geherrscht habe und das Treppenhaus frei von Behinderungen gewesen sei, steht dies nicht in Widerspruch zu den oben getroffenen Feststellungen. Der Zeuge B. hat im Ergebnis glaubhaft bekundet, daß zum Zeitpunkt der Besichtigung durch das Versicherungsamt solche Verhältnisse vorgelegen haben können, dies aber nicht den regelmäßigen Gegebenheiten entsprach. Schließlich ist erwiesen, daß das Wohn und Geschäftshaus erst sehr viel später eine elektrische Schließanlage erhalten hat und auch deswegen vom Hof aus über die gemeinsame Haustreppe zu den einzelnen Stockwerken ungehinderter Zutritt für eine unbestimmte und unbekannte Vielzahl von Personen bestand.

Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt beginnt in aller Regel der Versicherungsschutz auf dem Weg zum Ort der Tätigkeit beim Verlassen des privaten, häuslichen Wirkungskreises. Das ist im allgemeinen der Fall, wenn die Außenhaustür eines Wohnhauses durchschritten wird, wobei es keinen Unterschied macht, ob es sich um ein Ein- oder Mehrfamilienhaus handelt (vgl. BSG, Urteil vom 13. März 1956 – 2 RU – 124/54 – in E 2, 239; 30. September 1964 – 2 RU – 145/60 – in BG 1965, 114; 29. Januar 1965 – 2 RU – 21/64 – SozSich 1965, 167; 29. Februar 1968 – 2 RU – 99/65 – in BG 1968 322; 12. Oktober 1973 – 2 RU – 167/72 – in SozR Nr. 25 zu § 550 RVO; 11. Dezember 1973 – 2 RU 29/73 – in SozR Nr. 26 zu § 550 RVO; 27. Oktober 1976 – 2 RU – 33/76 – in ErsK 1977, 231; – 2 RU – 133/75 – in USK 76189 und 2 RU – 247/74 – in SozR 2200 § 550 RVO Nr. 22; Hess. LSG, Urteil vom 29. März 1972 – L 3/U – 142/71 – in SozSich 1973, 118; 14. Mai 1975 – L 3/U – 552/74 – in Breithaupt 1976, 20). Tragende Gesichtspunkte für diese Art der Abgrenzung des Versicherungsschutzes sind der Grundsatz der Rechtssicherheit und der bedeutsame Umstand, daß der häusliche Bereich nicht der Allgemeinheit zugänglich ist. Er ist dem Versicherten besser als anderen Personen bekannt; auch ist er mit seinen Gefahrenquellen selbst für diesen verantwortlich (vgl. Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm. 11 zu § 550 RVO m.w.Nachw.; Schulz in SozVers. 1957, 215). Diesen Erwägungen des BSG (a.a.O.) ist der Senat bisher auch für die den Mietern in einem Mehrfamilienhaus gemeinsam zur Verfügung stehenden Einrichtungen, etwa einem Treppenhaus, beigetreten (vg. Hess. LSG, a.a.O.). Andererseits ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß auch in der häuslichen und damit privaten Sphäre unter entsprechenden Bedingungen Unfälle als Arbeitsunfälle zu entschädigen sind, wenn wesentliche betriebliche Belange als eine annähernd gleichwertige Ursache gewertet werden können. Das ist etwa dann der Fall, wenn betriebliche Eile Ursache des Unfalls ist oder auf einem Weg innerhalb eines Wohn- und Geschäftshauses von den Wohnräumen zum Laden im privaten Bereich verwahrte betriebliche Gegenstände, z.B. eine Geldkassette, mitgeführt werden (vgl. BSG, Urteil vom 24. Mai 1960 – 2 RU 122/59 – in E 12, 165; 30. November 1972 – 2 RU – 24/71 in SozR Nr. 38 zu § 548 RVO; 24. April 1975 – 8 RU – 88/74 –; Hess. LSG, Urteil vom 8. März 1978 – L 3/U – 1231/77 –; Lauterbach, a.a.O., Anm. 13 zu § 550 RVO m.w.Nachw.). Daraus erhellt, daß dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit in Fällen dieser Art keine so überragende Bedeutung zukommt, wenn betriebliche Gründe eindeutig mitbestimmend und diese leicht nachzuweisen sind. In seiner Entscheidung vom 13. März 1956 hat der 2. Senat des BSG (a.a.O.) angedeutet, daß Besonderheiten, die von den üblichen in einem städtischen Mehrfamilienhaus herrschenden Verhältnissen abweichen, eine andere Beurteilung rechtfertigen können. Hingewiesen ist auf Umstände, wie die Errichtung von Wohnblocks, in denen ohne Verlassen der Außenhaustür Läden erreichbar sind und von Hochhäusern, die in den oberen Stockwerken Mietwohnungen enthalten während im Unterbau Behörden oder Firmen mit erheblichem Publikumsverkehr (u.U. mit Aufzug oder Rolltreppe) untergebracht sind (vgl. Schieckel, in SGb 1955, 151; Schulz, a.a.O.). Der Senat braucht darauf nicht näher einzugehen, weil nach der obigen Feststellung der hier zu beurteilende Sachverhalt jedenfalls für die Unfallzeit von besonderen Gegebenheiten gekennzeichnet ist. Diese liegen darin, daß der Kläger damals in dem viergeschossigen Haus der einzige Wohnungsmieter war und die Außenhaustür nur über einen Treppenaufgang erreichen konnte, der auch von den in den unteren Geschossen residierenden gewerblichen Unternehmen – mit Ausnahme des Reisebüros im Erdgeschoß – benutzt werden mußte. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme herrschte nicht nur an den ersten fünf Tagen der Woche, sondern auch an den Samstagen reger Publikumsverkehr, dessen Personenkreis nicht nur aus geschäftlich unterwegs befindlichen deutschen, sondern auch aus ausländischen Arbeitnehmern, die z.B. die Bauleitung der Firma HPP H.-P. Partner KG aufsuchten, bestand. Danach kann vorliegend nicht mehr die Rede davon sein, daß die Unfallstelle im Erdgeschoß des vom Kläger bewohnten Wohn- und Geschäftshauses dem eigenen häuslichen Wirkungskreis zuzurechnen ist. Das Treppenhaus ist im Unfallbereich einer unbestimmten und unbekannten Anzahl von Personen, die in dem Haus residierende Unternehmungen aufsuchen, und damit der Öffentlichkeit ganz allgemein zugänglich. Der Kläger hatte im Hinblick auf den Publikumsverkehr, die Bauarbeiten im 2. Stockwerk und die Fluktuation der gewerblichen Mieter keinen wesentlichen Einfluß darauf, das persönliche Wegerisiko mindestens ebenso gering halten zu können, wie dies im häuslichen Wirkungskreis möglich wäre. Von nicht geringer Bedeutung ist das Gebaren einzelner Unternehmen, die häufig Pakete und ähnliche Gegenstände im Treppenhaus abstellten, so daß oft veränderte Wegesituationen bestanden. Auch hierdurch ergab sich wiederholt eine nicht unerhebliche Gefahrensteigerung, da sich der Kläger häufig an die unterschiedliche Verhältnisse zu gewöhnen hatte. Alle diese Umstände rechtfertigen es, hier – jedenfalls für die Unfallzeit – ausnahm weise bereits ab dem Podest des 3. Stockwerks, bis zu dem der Kläger zu putzen hatte, die Grenze des privaten Bereichs anzunehmen.

Allerdings war die Urteilsformel zu berichtigen. Bei der von dem Kläger erhobenen Klage handelt es sich nicht um das Begehren, die Beklagte zur Anerkennung eines Sturzes als Wegeunfall und zur Entschädigung desselben zu verpflichten, sondern um eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs. 4 SGG. Ein Antrag auf Anerkennung eines bestimmten Ereignisses als Arbeits-(Wege-)Unfall hat nur die Feststellung einer einzelnen Anspruchsvoraussetzung zum Inhalt. Das ist grundsätzlich unzulässig (vgl. LSG Baden-Württemberg in Breithaupt 1973, 761). Es hätte, da nach dem Bericht des Prof. Dr. P. vom 12. April 1976 nach Wegfall der Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankenversicherung eine unfallbedingte MdE um 20 v.H. gegeben war und damit ein Anspruch auf Mindestleistungen bestand, genügt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Beklagte in der Form des Grundurteils nach § 130 SGG zu verurteilen, dem Kläger das Ereignis vom 29. November 1975 als Arbeitsunfall zu entschädigen (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 1961 – 2 RU – 155/60 in SozR Nr. 4 zu § 130 SGG).

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 193, 160 SGG.
Rechtskraft
Aus
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