L 5 B 413/08 AS ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 3 AS 631/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 B 413/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Beschwer-Erweiterung-Unzulässigkeit
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes von der Antragsgegnerin die Auszahlung eines an diese seitens des Rentenversicherungsträgers zu viel gezahlten Erstattungsbetrages.

Der Antragsteller bezog seit 1. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

Dem Antragsteller wurde seitens der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland rückwirkend ab 1. Juli 2004 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und mit Bescheid vom 23. August 2007 rückwirkend ab 1. Januar 2005 eine bis zum 30. Juni 2010 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt. Für die Zeit ab 1. Oktober 2007 zahlte die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland monatlich 738,48 EUR an den Antragsteller aus. Den Nachzahlungsbetrag behielt sie vorläufig ein, da noch Ansprüche anderer Stellen zu klären seien. Unter dem gleichen Datum forderte die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland die Antragsgegnerin auf, ihren Erstattungsanspruch zu beziffern.

Mit Schreiben vom 20. September 2007 bezifferte die Antragsgegnerin die Erstattungsforderung vom 1. Januar 2005 bis 30. September 2007 auf insgesamt 27.835,88 EUR, wovon der Rentenversicherungsträger letztlich 24.393,70 EUR erstattete (Schreiben vom 26. Oktober 2007 und 8. November 2007). Eine Kopie der Erstattungsforderung sandte sie dem Antragsteller zur Kenntnisnahme zu. Dieser legte daraufhin mit Schreiben vom 11. Oktober 2007 Widerspruch ein, da der Erstattungsbetrag nicht richtig berechnet sei. Die Antragsgegnerin hätte einen Betrag i.H.v. 4.766,24 EUR zuviel von der Deutschen Rentenversicherung gefordert und erhalten. Diesen Betrag korrigierte er mit Schreiben vom 14. November 2007 auf 1.340,82 EUR.

Den Widerspruch verwarf die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2008 als unzulässig. Das Schreiben vom 20. September 2007 stelle keinen Verwaltungsakt dar; es habe vielmehr der Information in einer Leistungsangelegenheit gedient.

Am 31. Juli 2008 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Stendal (SG) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt mit dem Begehren, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm die an den Rentenversicherungsträger zuviel gezahlten Betrag i.H.v. 1.340,82 EUR zu erstatten.

Diesen Antrag hat das SG auch als Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2008 gewertet. Mit Beschluss vom 9. September 2008 hat das SG den Antrag zurückgewiesen. Soweit der Antragsteller die Auszahlung eines angeblich zu hoch erstatteten Betrages von der Antragsgegnerin begehre, verkenne er, dass diese hierzu nicht verpflichtet werden könne. Er müsse sich vielmehr an seinen Rentenversicherungsträger wenden; die Leistungsbeziehung zum Rentenversicherungsträger sei als vorrangig anzusehen. Soweit das Begehren des Antragstellers dahingehend ausgelegt werden könne, dass er höhere Leistungen von der Antragsgegnerin für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis September 2007 begehre, bestehe kein Eilbedürfnis, da Geldansprüche für die Vergangenheit Streitgegenstand seien.

Gegen den ihm am 15. September 2008 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 23. September 2008 Beschwerde eingelegt. Nach nunmehriger Berechnung habe die Deutsche Rentenversicherung sogar 5.499,33 EUR zuviel an die Antragsgegnerin ausgezahlt. Er habe sich bereits an den Rentenversicherungsträger gewandt. Dort jedoch habe man ihn an die Antragsgegnerin verwiesen. Versuche, eine außergerichtliche Klärung herbeizuführen, seien erfolglos verblieben. Zudem weist er hinsichtlich des Anordnungsgrundes darauf hin, dass er das Geld benötige, da er kein Geld im Überfluss besitze.

Der Antragsteller beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen, den Beschluss des Sozialgerichts Stendal vom 9. September 2008 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm vorläufig 5.499,33 EUR zu zahlen.

Die Antragsgegnerin hat Gelegenheit erhalten, zur Beschwerde Stellung zu nehmen, davon jedoch keinen Gebrauch gemacht.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin sowie auf die Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen.

II.
Die Beschwerde des Antragstellers ist statthaft nach § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG), form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG) und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.

Das SG hat zu Recht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 9. September 2008 abgelehnt. Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsgrunds (also die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile), als auch eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs).

Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweg genommen werden. Der Beweismaßstab im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfordert im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht die volle richterliche Überzeugung. Dies erklärt sich mit dem Wesen dieses Verfahrens, das wegen der Dringlichkeit der Entscheidung regelmäßig keine eingehenden, unter Umständen langwierigen Ermittlungen zulässt. Deshalb kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung längstens für die Dauer des Klageverfahrens getroffen werden, die das Gericht in der Hauptsache nicht bindet.

Ein Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. § 86b Rn. 16b). Unter Anwendung dieser Maßstäbe ist die sozialgerichtliche Entscheidung nicht zu beanstanden.

Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch gegen die Antragsgegnerin auf Auszahlung etwaig zuviel vom Rentenversicherungsträger an diese gezahlter Erstattungsbeträge glaubhaft gemacht. Die Antragsgegnerin ist insoweit nicht passivlegitimiert. Der Antragsteller muss vielmehr seine Ansprüche dem Rentenversicherungträger gegenüber geltend machen. Dieser bewilligte ihm mit Bescheid vom 23. August 2007 ab 1. Januar 2005 eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI). Der Antragsteller hat auf Grund dessen einen Anspruch auf Auszahlung des im Bescheid bewilligten Nachzahlungsbetrages, soweit dieser nach § 107 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) nicht erloschen ist.

Danach gilt der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt, soweit ein Erstattungsanspruch besteht. Ob und in welcher Höhe ein solcher Erstattungsanspruch besteht, bleibt der Prüfung in einem Verfahren gegen den Rentenversicherungsträger vorbehalten. Sofern der Erstattungsanspruch nicht durch Erfüllung erloschen ist, besteht der Anspruch auf Auszahlung der Nachzahlbeträge. Diesen Anspruch kann der Antragsteller im Wege der Leistungsklage (nur) gegen die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland geltend machen (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 30. März 2004, B 1 KR 30/02 R, Rz. 12, juris, für die Krankenversicherung).

Das SG hat auch zu Recht einen Anordnungsgrund verneint, soweit es den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als ein Begehren höherer Leistungen für den Zeitraum vom Januar 2005 bis September 2007 ausgelegt hat. Eine Verpflichtung zur Bewilligung von Leistungen vor dem Zeitpunkt der Beantragung der einstweiligen Anordnung beim SG (31. Juli 2008) kommt grundsätzlich nicht in Betracht. Dies beruht auf dem auch für das Recht des SGB II geltenden Grundsatz, dass Hilfe zum Lebensunterhalt im Wege einer einstweiligen Anordnung nur zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage zu erfolgen hat und nicht rückwirkend zu bewilligen ist. Dies gilt nur dann nicht, wenn sich die Unterdeckung in der Vergangenheit auf die aktuelle Situation so auswirkt, dass immer noch eine Notlage vorliegt (LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 01.08.2005 – L 7 AS 2875/05 ER-B, zitiert nach juris), was beim Antragsteller nicht zutrifft. Soweit er darauf verweist, das Geld zu benötigen, da er kein Geld im Überfluss besitze, kann dieses eine Notlage im o.g. Sinne nicht rechtfertigen; der Antragsteller hat von der Antragsgegnerin letztlich bedarfsdeckend Leistungen erhalten. Seit Oktober 2007 deckt er seinen Bedarf durch die Erwerbsminderungsrente. Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Entscheidung ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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