L 4 KR 210/09 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 14 KR 5048/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 210/09 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Dem Antragsteller wird für die Rechtsverteidigung im Beschwerdeverfahren L 4 KR 210/09 Prozesskostenhilfe ohne Anordnung von Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwältin ... bewilligt.

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 3. Dezember 2008 aufgehoben und der Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der 1937 geborene Antragsteller bezieht Altersrente von der Deutschen Rentenversicherung Bund sowie von der Schweizerischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (AHV/IV). Seinen Angaben nach bestehen bei ihm nach Schlaganfällen 1998 und 1999 Halbseitenlähmungen rechts und links sowie eine Verengung der Halsschlagadern, eine Einschränkung der Nierenfunktion, eine Hypotonie und eine Hyperlipidämie. Für den Antragsteller ist eine Betreuerin mit den Aufgabenkreisen Vermögensvorsorge, Aufenthaltsbestimmung, Entscheidung über unterbringungsähnliche Maßnahmen und Sorge für die Gesundheit bestellt (Bestellung des Amtsgerichts S. vom 21. April 1998 - XVII 4/98 -). Der Antragsteller ist stationär in einem Pflegeheim untergebracht und erhält vom Landkreis L. unter Anrechnung der Rentenzahlungen Leistungen zur Pflege nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB XII). Das Landratsamt L. teilte dem Antragsteller nach Inkrafttreten des SGB XII mit Bescheid vom 17. Januar 2005 u.a. mit, Leistungen nach dem Recht der Krankenkassen würden auf der Grundlage des § 264 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) entsprechend dem SGB V von den Krankenkassen in ihrem (dem Landratsamt) Auftrag erbracht.

Die V. S. ÖKK B. lehnte das Aufnahmegesuch des Antragstellers in die schweizerische Krankenversicherung ab. Der Antragsteller erhob hiergegen Einsprache, woraufhin ihn die V. S. ÖKK aufforderte, weitere Angaben zum Bezug von Leistungen der Sozialhilfe und zu Versicherungsmöglichkeiten in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung zu machen (Schreiben vom 8. Mai 2008).

Das Landratsamt L. teilte dem Antragsteller mit, nach bundesdeutscher Rechtsauffassung unterliege er der Schweizer Versicherungspflicht nach dem Bundesgesetz über die Krankenversicherung der Schweiz (KVG), wobei die Schweizer Stellen und auch die von ihm gewählte Krankenkasse nicht gewillt seien, dieser Versicherungspflicht nachzukommen. In Anbetracht der nicht einfachen Rechtslage erhalte er zunächst einen Krankenschein, um seine medizinische Versorgung aufrechtzuerhalten. Die Schweiz berufe sich darauf, dass nach Art. 114 der EG Verordnung (EGVO) 574/72 im Falle von Streitigkeiten oder unterschiedlichen Rechtsauffassungen der Träger des Wohnorts, die vom Betroffenen frei gewählte Krankenkasse, vorläufige Leistungen zu gewähren habe. Es sei nicht möglich, weitere Krankenscheine auszustellen. Eine direkte Hilfe zur Gesundheit sei rechtlich ausgeschlossen. Der Antragsteller wurde aufgefordert, sich an eine Krankenkasse seiner Wahl zu wenden (Schreiben vom 3. Juni 2008). Die Betreuerin bat die Antragsgegnerin, die Aufnahme des Antragstellers bei ihr zu prüfen (Schreiben vom 6. Juni 2008). Im Rahmen der Ermittlungen der Antragsgegnerin bestätigte die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK), dass der Antragsteller bei ihr vom 1. Juli 1987 bis 31. März 1988, 1. Oktober 1988 bis 30. Juni 1989 und 28. November 1990 bis 12. August 1991 pflichtversichert sowie vom 1. April bis 30. September 1988, 1. Juli 1989 bis 27. November 1990 und 13. August 1991 bis 15. August 1993 freiwillig versichert gewesen sei. Die Antragsgegnerin teilte der Betreuerin des Antragstellers mit, die Vorversicherungszeit für die Aufnahme in die Krankenversicherung der Rentner (KVdR) sei nicht erfüllt, da ausgehend von einer erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit am 11. August 1952 in der Zeit vom Beginn der zweiten Berufshälfte am 16. Mai 1975 bis zum Tag der Rentenantragstellung am 20. Februar 1998 nur eine Vorversicherungszeit von sieben Jahren, zehn Monaten und 15 Tagen statt der erforderlichen Vorversicherungszeit von zwölf Jahren, sieben Monaten und 15 Tagen nachgewiesen sei. Sie wies auch darauf hin, dass auf Grund der Beschäftigung des Antragstellers vom 1. Juli 1989 bis 31. August 1990 in der Schweiz die Schweizer Krankenkasse verpflichtet sei, ihm den erforderlichen Krankenversicherungsschutz zu gewähren, sowie weiter, dass für eine Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V die DAK zuständig sei (Schreiben vom 16. Juli 2008).

Der Antragsteller machte gegenüber der Antragsgegnerin geltend, dass sie nach Art. 114 EGVO 574/72 als die von ihm gewählte Krankenkasse vorleistungspflichtig sei. Da er bei ihr nicht pflichtversichert sein könne, werde nur die Vorleistungsverpflichtung geltend gemacht (Schreiben vom 5. und 23. September sowie vom 17. Oktober 2008). Sie übersandte das Schreiben der ÖKK vom 9. Oktober 2008, worin diese erneut bestätigte, dass eine Aufnahme zur Zeit nicht möglich sei, und die Betreuerin bat, sich wegen der Übernahme von Leistungen gemäß Art. 114 EGVO 574/72 vorerst an den deutschen Versicherungsträger zu wenden. Die Antragsgegnerin verwies auf ihr Schreiben vom 16. Juli 2008 (Schreiben vom 5. und 24. September 2008).

Der Antragsteller beantragte am 13. Oktober 2008 beim Sozialgericht Freiburg (SG), die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm "ab sofort und auf der Grundlage des EU-Rechts vorläufige Leistungen zu gewähren, als ob er Mitglied wäre". Wegen des Bezugs der Schweizer Rente bestehe Versicherungspflicht nach dem KVG. Er könne sich auf diese Versicherungspflicht auf Grund von Regelungen der EU (EGVO 1408/71) berufen, da die Schweiz sich diesen Regelungen angeschlossen habe. Die Antragsgegnerin habe nach Art. 28 EGVO 1408/71 Leistungen zu gewähren und der Schweizer Krankenkasse in Rechnung zu stellen. Im Streitfall, dass die verpflichtete Krankenkasse (hier die Schweizer Krankenkasse) ihre Einstandspflicht verweigere und den Betroffenen zu Unrecht auf den Krankenversicherungsschutz seines Wohnsitzlandes verweise, bestimme Art. 114 EGVO 574/72, dass der Träger des Wohnorts Leistungen zu erbringen habe, was gemäß Anhang 3 der EGVO 574/72 die vom Betroffenen gewählte Krankenkasse, hier die Antragsgegnerin, sei. Auf Sozialhilfe brauche er sich nicht verweisen zu lassen. Über die Betreuung nach § 264 SGB V würde er faktisch auf das Niveau der Sozialhilfe herabgesetzt und müsste hinnehmen, dass bei dem Ende der Sozialhilfeunterstützung sein Versicherungsschutz unmittelbar wieder gefährdet wäre. Wegen der bei ihm bestehenden Erkrankungen müsse er ständig behandelt werden und sei auf Medikamente und Krankengymnastik angewiesen. Er mache nur Vorleistungen des übergeordneten Europäischen Gemeinschaftsrechts geltend.

Die Antragsgegnerin trat dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung entgegen. Sie verwies darauf, dass dem Antragsteller kein Zugang zu der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung möglich sei. Es fehlten sowohl die Voraussetzungen einer Versicherungspflicht in der KVdR wegen fehlender Vorversicherungszeiten als auch die Voraussetzungen einer Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V wegen des Bezugs von Leistungen nach dem SGB XII (§ 5 Abs. 8a SGB V) sowie wegen des anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall auf Grund der Versicherungspflicht nach dem KVG in Verbindung mit Art. 28 EGVO 1408/71. Ein Antrag zur Durchführung einer Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V, für die im Übrigen nicht sie, sondern die DAK, bei der der Antragsteller zuletzt gesetzlich krankenversichert gewesen sei, zuständig sei, liege bislang nicht vor. Sowohl der Landkreis L. als auch die Betreuerin des Antragstellers hätten nach Inkrafttreten der bilateralen Verträge zum 1. Juni 2002 auf eine Pflichtversicherung nach dem KVG in der Schweiz hinwirken können. Die durch das Landratsamt L. zum 31. August 2007 erfolgte Abmeldung der Betreuung nach § 264 SGB V sei willkürlich und rechtswidrig und führe erst für den Antragsteller zu der jetzt vorliegenden Härtesituationen. Die Versorgung des Antragstellers sei wegen der bestehenden Ansprüche im Rahmen des § 264 SGB V sichergestellt. Sie (die Antragsgegnerin) werde bei einem Antrag auf Krankenbehandlung den Leistungsträger nach dem SGB XII auffordern, seinen Verpflichtungen nach § 264 Abs. 5 und 7 SGB V nachzukommen.

Mit Beschluss vom 3. Dezember 2008 verpflichtete das SG die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig, dem Antragsteller bis auf weiteres vorläufige Leistungen der Krankenversicherung (Drittes Kapitel des SGB V) zu gewähren. Der Antragsteller habe Anspruch auf Leistungen der Krankenversicherung in Deutschland. Bei den ihm nach deutschem Recht zustehenden Ansprüchen nach § 264 Abs. 1 SGB V handle es sich nicht um einen "Anspruch auf Leistungen bei Krankheit" im Sinne von Art. 28 EGVO 1408/71, weil sie keine Leistung der Krankenversicherung seien, sondern Leistungen der Sozialhilfe. § 264 Abs. 1 SGB V sei lediglich eine Vorschrift über die (rein tatsächliche) Durchführung der Krankenbehandlung zu Lasten des Sozialhilfe- bzw. Grundsicherungsträgers. Die Voraussetzungen des Art. 114 EGVO 574/72 seien erfüllt, weil der Streit der Versicherungsträger sich auf die Bestimmung der anwendbaren nationalen Rechtsordnung richte und der Anspruch gegen den Schweizerischen Sozialleistungsträger als solcher bestehe. Demgemäß habe die Antragsgegnerin nach Anhang 3 der EGVO 574/72 als Träger des Wohnorts vorläufige Leistungen der Krankenversicherung zu erbringen. Die besondere Eilbedürftigkeit ergebe sich aus den glaubhaft gemachten Folgen der Schlaganfälle, die ständiger ärztlicher Behandlung bedürften. Der Anordnungsgrund entfalle nicht mit dem Angebot der Antragsgegnerin, Krankenbehandlung zu Lasten des Grundsicherungsträgers nach § 264 SGB V durchzuführen, weil die Annahme dieses Angebots dem Antragsteller im Vergleich zu den ihm zustehenden vorläufigen Leistungen der Krankenversicherung in Anbetracht der Dauererkrankung nicht zumutbar sei. Die Durchführung der Krankenbehandlung nach § 264 SGB V sei an das durchgehenden Bestehen von Hilfebedürftigkeit im Sinne der grundsicherungsrechtlichen Vorschriften gebunden und könne daher jederzeit entfallen. Wesentlich sei insoweit, dass die grundsicherungsrechtliche Hilfebedürftigkeit bereits beim Zufluss jedes Einkommens, das den Bedarf, wenn auch nur ganz geringfügig, übersteige, entfalle. Der Wegfall der Hilfebedürftigkeit sei damit nicht notwendigerweise mit dem Erwerb finanzieller Mittel verbunden, die den Betreffenden zur Tragung von Krankenbehandlungskosten oder zum Abschluss einer Krankenversicherung befähigen würden. Die Inanspruchnahme von Leistungen gemäß § 264 SGB V berge daher die ständige Gefahr des ersatzlosen Wegfalls der Leistungsvoraussetzungen.

Gegen den ihr am 5. Dezember 2008 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 2. Januar 2009 beim SG Beschwerde eingelegt. Zwar könne sie den Ausführungen des SG, dass es sich bei den dem Antragsteller nach § 264 SGB V zustehenden Ansprüchen nicht um einen "Anspruch auf Leistungen bei Krankheit" im Sinne von Art. 28 EGVO 1408/71 handle, folgen. Der Leistungsrahmen bzw. die Art und der Umfang der Leistungen der deutschen Krankenversicherung bei der Betreuung nach § 264 SGB V und bei der Beauftragung durch den Schweizer Krankenversicherer mit dem Formular E 121 unterscheide sich allerdings in keiner Weise. Die Leistungen seien inhaltlich identisch und würden jeweils als Sachleistungen auf Grund der Vorlage einer entsprechenden Krankenversichertenkarte erbracht. Die Krankenbehandlung sei sichergestellt und es bedürfe grundsätzlich nicht der einstweiligen Anordnung. Ein Anwendungsfall des Art. 114 EGVO 574/72 sei nicht gegeben. Es bestehe kein Zuständigkeitsstreit zwischen den in Art. 114 EGVO 574/72 genannten Trägern, sondern zwischen dem SGB XII-Leistungsträger und der Schweizer Krankenkasse. Zwischen dem deutschen und dem Schweizer Träger der Krankenversicherung sei unstreitig, dass ein Zugang zu einer eigenständigen Versicherung auf deutscher Seite nicht möglich sei. Der SGB XII-Leistungsträger gehöre nicht zu den Trägern im Sinne der EGVO 1408/71 und 574/72. Die Regelung des Art. 114 EGVO 574/72 greife erst ein, wenn die Leistungen des SGB XII-Leistungsträgers entfielen und damit der Anspruch nach § 264 Abs. 2 SGB V nicht mehr gegeben wäre. Bei einem unterstellten Streit zwischen dem deutschen und dem Schweizer Krankenversicherungsträger wäre im Übrigen die DAK zuständiger Träger, bei welcher der Antragsteller zuletzt gesetzlich krankenversichert gewesen sei. Bei entsprechendem Antrag und Nachweis des Leistungsbezugs nach den Dritten bis Neunten Kapiteln des SGB XII werde sie den Antragsteller mit einer Krankenversichertenkarte auf Basis des § 264 Abs. 2 SGB V versorgen.

Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 3. Dezember 2008 aufzuheben und den Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin gehe zutreffend davon aus, dass er in der Schweiz (einem anderen vergleichbaren Mitgliedstaat der EU) gesetzlich krankenversichert sei. Deshalb könne sie keine Leistungen nach § 264 SGB V mehr anbieten, weil für eine Regelung nach dieser Vorschrift nur Raum sei, wenn keine gesetzliche Krankenversicherung bestehe. Das Angebot, ihm zunächst nur vorläufige Leistungen der Sozialhilfe anzubieten, hieße, sich seiner auf der Grundlage des Europäischen Gemeinschaftsrechts erworbenen Ansprüche zu verschließen. Auch bliebe er Risiken ausgesetzt (z. B. Erstattung von Aufwendungen, wenn er zu irgendeinem Zeitpunkt zu Vermögen gelangen sollte), die normale Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu befürchten hätten. Die Schweizer Krankenkasse und die Schweizer Behörden hätten ihn ausdrücklich auf die Anwendung des Art. 114 EGVO 574/72 verwiesen und angedeutet, dass die eingetretene subsidiäre Schweizer Verpflichtung aus Art. 28 EGVO 1408/71 nicht greifen könne, weil er für seine ärztliche Versorgung in seinem Wohnland Deutschland Krankenhilfe von einem Sozialhilfeträger beanspruchen könne. Deshalb sei ihm nicht anzuraten, seine Ansprüche in der Schweiz, die er durchsetzen wolle, geltend zu machen, wenn er Leistungen nach § 264 SGB V erhalte. Die Antragsgegnerin habe keinerlei Vor- oder Nachteile, wenn sie ihre vorläufigen Leistungen gemäß dem angefochtenen Beschluss des SG zunächst nach den Grundsätzen des Europarechts anbieten würde. Als in der Schweiz versicherter Unionsbürger müssten für ihn zunächst die bestehenden und höherwertigen vorrangigen Ansprüche in der Schweiz vorgestreckt werden, bevor er vorschnell in die Sozialhilfe zurückverwiesen werden könne. Die Antragsgegnerin müsse den Koordinierungsauftrag als Träger des Wohnorts annehmen und für ihn vorläufig tätig werden. Andernfalls hätte er trotz seiner auf dem Gebiet des Gemeinschaftsrechts erworbenen und bestehenden Ansprüche keinerlei subjektiven Rechte aus den EGVOen.

II.

1. Dem Antragsteller ist zur Rechtsverteidigung nach § 73a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) Prozesskostenhilfe zu bewilligen, weil er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann. Da die Antragsgegnerin Beschwerde eingelegt hat, ist für den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht zu prüfen, ob die Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint (§§ 73a SGG, 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

2. Die gemäß § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig. Sie ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG in der seit 1. April 2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 29 Buchst. b) des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 - SGGArbGÄndG - (BGBl. I, S. 444) ausgeschlossen. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 SGG ist auf Grund des derzeitigen Sach- und Streitstands nicht erkennbar. Denn es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin die Leistungen für den Antragsteller nur einen Zeitraum von weniger als einem Jahr zu erbringen hätte.

3. Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet. Der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung ist zurückzuweisen.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist Voraussetzung, dass ein dem Antragsteller zustehendes Recht oder rechtlich geschütztes Interesse vorliegen muss (Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, sodass dem Antragsteller schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein. Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds überwiegend wahrscheinlich sind. Auch wenn man aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstands davon ausgeht, dass ein Anordnungsanspruch zu bejahen wäre (3.1.), fehlt es jedenfalls an dem Anordnungsgrund (3.2), weil der Antragsteller zumutbar auf die Übernahme der Krankenbehandlung durch die Antragsgegnerin nach § 264 Abs. 2 SGB V, die die Antragsgegnerin auch angeboten hat, verwiesen werden kann.

3.1. Ein Anspruch des Antragstellers auf Gewährung von Leistungen der Krankenbehandlung durch die Antragsgegnerin kann sich nicht aus einer Mitgliedschaft des Antragstellers bei der Antragsgegnerin ergeben. Denn der Antragsteller ist nicht Mitglied der Antragsgegnerin, weil er weder versicherungspflichtig nach § 5 SGB V noch versicherungsberechtigt nach § 9 SGB V ist.

3.1.1. Der Antragsteller erfüllt keine der in § 5 Abs. 1 SGB V genannten Voraussetzungen für eine Pflichtmitgliedschaft in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung. Insbesondere erfüllt der Antragsteller nicht die Voraussetzungen für den Zugang in die KVdR nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V, weil die erforderliche Vorversicherungszeit nicht vorliegt. Dies ergibt sich aus dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 16. Juli 2008. Davon, dass er die Vorversicherungszeit nicht erfüllt, geht auch der Antragsteller selbst aus (Schreiben der Betreuerin vom 17. Oktober 2008). Des Weiteren erfüllt der Antragsteller auch nicht die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V sind (seit 1. April 2007) versicherungspflichtig Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und a) zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder b) bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in Absatz 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 (SGB V) genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten. Nach § 5 Abs. 8a Satz 1 SGB V ist nach Absatz 1 Nr. 13 nicht versicherungspflichtig, wer nach Absatz 1 Nr. 1 bis 12 versicherungspflichtig, freiwilliges Mitglied oder nach § 10 SGB X versichert ist. Nach Satz 2 dieser Bestimmung gilt Satz 1 entsprechend u.a. für Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des SGB XII. Eine Versicherungspflicht nach den Nrn. 1 bis 12 besteht nicht. Aufgrund des übereinstimmenden Vortrags der Beteiligten und mangels anderer Anhaltspunkte in den vorliegenden Akten erfüllt der Antragsteller auch nicht die Voraussetzungen für den Zugang zur freiwilligen Versicherung, sodass er auch nicht versicherungsberechtigt nach § 9 SGB V ist, und er ist auch nicht als Familienangehöriger mitversichert. Ferner erhält der Antragsteller Leistungen der Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII, sodass einer Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V entgegensteht. Schließlich könnte der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V auch ein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall entgegenstehen. Als eine solche anderweitige Absicherung könnte zum einen eine Versicherungspflicht im Ausland (hier in der Schweiz) in Betracht kommen (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 23. Januar 2008 - L 4 KR 4439/07 ER-B -), wobei insoweit aber zu berücksichtigen wäre, dass es dem Antragsteller bislang nicht gelungen ist, einen Krankenversicherungsschutz in der Schweiz zu erhalten. Zum anderen könnte als anderweitige Absicherung die Übernahme der Krankenbehandlung nach § 264 SGB V für nicht Versicherungspflichtige angesehen werden (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 8. Mai 2008 - L 4 KR 958/08 ER-B -).

3.1.2. Leistungen der Krankenbehandlung kann der Antragsteller von der Antragsgegnerin auf Grund der Übernahme der Krankenbehandlung für nicht Versicherungspflichtige nach § 264 Abs. 2 SGB V erhalten. Nach § 264 Abs. 2 SGB V wird die Krankenbehandlung u.a. von Empfängern von Leistungen nach dem Dritten bis Neunten Kapitel des SGB XII, die nicht versichert sind, von der Krankenkasse übernommen (Satz 1). Satz 1 gilt nicht für Empfänger, die voraussichtlich nicht mindestens einen Monat ununterbrochen Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen, für Personen, die ausschließlich Leistungen nach § 11 Abs. 5 Satz 3 und § 33 SGB XII beziehen sowie für die in § 24 SGB XII genannten Personen (Satz 2).

Die Voraussetzungen des Satzes 1 sind gegeben. Der Antragsteller erhält, wie sich aus dem zum Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren eingereichten Bescheid des Landratsamts L. vom 4. August 2008 ergibt, Leistungen nach dem Siebten Kapitel des SGB XII, die er voraussichtlich auch ununterbrochen beziehen wird. Weder aus den vorliegenden Akten noch aus dem Vortrag der Beteiligten ergibt sich, dass der Antragsteller, der in einem Pflegeheim untergebracht ist, in absehbarer Zeit nicht mehr bedürftig im Sinne des SGB XII sein oder seine Pflegebedürftigkeit entfallen wird. Der Antragsteller ist auch nicht versicherungspflichtig nach dem SGB V, weil er keine der in § 5 Abs. 1 SGB V genannten Voraussetzungen für eine Pflichtmitgliedschaft in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung erfüllt (s. oben 3.1.1.) Die Ausschlussgründe für die Übernahme der Krankenbehandlung nach § 264 Abs. 2 Satz 2 SGB V liegen nicht vor, weil der Antragsteller nicht zu den in Satz 2 genannten Personen gehört und nicht ausschließlich die in Satz 2 genannten Leistungen bezieht.

3.1.3. Ob der Antragsteller auch vorläufige Leistungen nach Art. 114 EGVO 574/72 - unterstellt, diese Vorschrift findet im Verhältnis zur Schweiz auf Grund des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen) Anwendung - hat, ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend zu klären. Nach dieser Vorschrift bezieht, im Fall von Streitigkeiten zwischen den Trägern oder den zuständigen Behörden von zwei oder mehr Mitgliedstaaten über die nach Titel II der Verordnung anzuwendenden Rechtsvorschriften oder über die Bestimmung des Trägers, der Leistungen zu gewähren hat, eine Person, die, wenn solche Streitigkeiten nicht bestünden, Leistungen beanspruchen könnte, vorläufige Leistungen nach den vom Träger des Wohnorts anzuwendenden Rechtsvorschriften oder, wenn die betreffende Person nicht im Gebiet eines der beteiligten Mitgliedstaaten wohnt, nach den Rechtsvorschriften des Trägers, bei dem der Antrag zuerst gestellt wurde. Es bestehen Streitigkeiten zwischen Leistungsträgern, wer die Krankenversicherung durchzuführen hat, entweder die Schweizer Krankenversicherung wegen einer Versicherungspflicht nach dem KVG aufgrund des Bezugs der Schweizer Altersrente oder die deutsche Krankenversicherung. Auch wenn der Antragsteller nicht Mitglied einer deutschen gesetzlichen Krankenkasse werden, sondern allenfalls die Übernahme der Krankenbehandlung nach § 264 Abs. 2 SGB V durch eine deutsche gesetzlichen Krankenkasse erfolgen kann, könnte die Antragsgegnerin als der Leistungsträger des Wohnorts im Sinne des Art. 114 EGVO 574/72 anzusehen sein, der die vorläufige Leistungen zu erbringen hat. Hierfür könnte sprechen, dass die Antragsgegnerin die Übernahme der Krankenbehandlung nach § 264 Abs. 2 SGB V im Auftrag des Sozialhilfeträgers durchführen muss. Mit der Regelung in § 264 Abs. 2 SGB V wollte der Gesetzgeber die betroffenen Hilfeempfänger nicht mitgliedschaftsrechtlich, wohl aber leistungsrechtlich und verfahrensmäßig den Mitgliedern in der gesetzlichen Krankenversicherung gleichstellen, weshalb sie auch eine Krankenversichertenkarte erhalten (Bundestags-Drucksache 15/1525, S. 141). Absatz 2 enthält insofern eine zwingende Leistungsverpflichtung der Krankenkassen (Wille in jurisPK-SGB V, § 264 SGB V Rdnr. 24), die Krankenbehandlung im Auftrag des Sozialhilfeträgers (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 1 KR 30/07 R -) zu übernehmen. Die leistungsrechtliche Gleichstellung bedeutet, dass die Sozialhilfeempfänger ihre Ansprüche auf Hilfe bei Krankheit gegenüber der von ihnen gewählten Krankenkasse unmittelbar geltend machen können, nicht aber gegenüber dem Sozialhilfeträger (vgl. BSG, a.a.O.). Die sozialhilferechtliche Krankheitshilfe nach § 48 Satz 1 SGB XII ist gegenüber den Regelungen zur Krankenbehandlung nach § 264 SGB V nachrangig; dies ist in § 48 Satz 2 SGB XII klargestellt.

Soweit sich der Antragsteller auf das Freizügigkeitsrecht der Unionsbürger nach Art. 18 EG Vertrag berufen sollte, wäre allerdings zu berücksichtigen, dass Anhang I Art. 24 Freizügigkeitsabkommens über die Rechtsstellung der Nichterwerbstätigen kein Gleichbehandlungsgebot enthält. 3.2. Aufgrund der leistungs- und verfahrensrechtlichen Gleichstellung ist es jedenfalls bis zur rechtskräftigen Entscheidung in einer - allerdings derzeit noch nicht anhängigen - Hauptsache dem Antragsteller zumutbar, ihn auf die - von der Antragsgegnerin angebotene - Übernahme der Krankenbehandlung durch die Antragsgegnerin nach § 264 Abs. 2 SGB V zu verweisen. Zweck der begehrten Regelungsanordnung kann allein sein, dass dem Antragsteller vorläufig Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in der Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung stehen, bis seine Versicherungspflicht in der Schweiz geklärt ist. Dies erfolgt jedenfalls leistungs- und verfahrensrechtlich durch die Übernahme der Krankenbehandlung nach § 264 Abs. 2 SGB V.

Zwar ist der Einwand des Antragstellers zutreffend, dass die Übernahme der Krankenbehandlung nach § 264 Abs. 2 SGB V mit dem Wegfall der Leistungen nach dem Dritten bis Neunten Kapitel des SGB XII entfällt. Dass dies in absehbarer Zeit der Fall sein wird, ist allerdings nicht ersichtlich und wird auch vom Antragsteller selbst nicht behauptet. Im Übrigen führte der (mehr als einmonatige) Wegfall der Leistungen nach dem Dritten bis Neunten Kapitel des SGB XII dazu, dass eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall nicht mehr bestünde sowie die Voraussetzungen des § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V entfielen, sodass nunmehr die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V vorlägen.

Es sind auf Grund des derzeitigen Sach- und Streitstands keine Nachteile erkennbar, die dem Antragsteller durch die Übernahme der Krankenbehandlung nach § 264 Abs. 2 SGB V bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren entstehen könnten. Es ließe sich nicht feststellen, dass auf den Antragsteller nach rechtskräftiger Entscheidung in einer - derzeit beim SG noch nicht anhängigen - Hauptsache Erstattungsforderungen wegen der vorläufig erbrachten Leistungen zukommen könnten. Letztlich geht auch der Anspruch auf Leistungen der Antragsgegnerin aufgrund der Übernahme der Krankenbehandlung nach § 264 Abs. 2 SGB V nicht weiter als der Anspruch auf vorläufige Leistungen zur Krankenbehandlung nach Art. 114 EGVO 574/72. Auch nach der Auffassung des Antragstellers ist die Antragsgegnerin nicht der Leistungsträger, der die entstehenden Aufwendungen für Leistungen der Krankenbehandlung endgültig zu tragen hat. Dies ist seiner Auffassung nach der Schweizer Krankenversicherungsträger, der der Antragsgegnerin die Aufwendungen für die vorläufigen Leistungen, die die Antragsgegnerin dem Antragsteller gewährt, erstatten muss. Bei der Durchführung der Krankenversicherung durch die Antragsgegnerin auf Kosten des Sozialhilfeträgers ergibt sich letztendlich nichts anderes, nur dass die Antragsgegnerin ihre Aufwendungen gegenüber dem Sozialhilfeträger geltend machen muss.

Der Antragsteller hat schließlich auch nicht behauptet, dass ihm in der Vergangenheit Leistungen der Krankenbehandlung nicht zur Verfügung gestanden haben oder er für Leistungen der Krankenbehandlung Zahlungen - abgesehen von gesetzlich vorgesehenen Zuzahlungen - hätten leisten müssen. Der Senat geht deshalb davon aus, dass angesichts der Unklarheiten des rechtlich zuständigen Leistungsträgers die notwendige Krankenbehandlung kostenfrei erfolgt ist. Soweit in der dem SG vorgelegten eidesstattlichen Versicherung vom 24. September 2008 ein Anruf einer behandelnden Ärztin mit der Frage, ob Medikamente auf Privatrezepte zu verschreiben seien, angegeben wird, lässt sich hieraus anderes nicht entnehmen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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