Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AL 3404/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 5583/08 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 30. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin auch die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) ab 26.09.2008.
Die 1962 geborene Antragstellerin war vom 15.03.1993 bis 31.03.2008 als Sozialarbeiterin versicherungspflichtig beschäftigt. Vom 17.10.2006 bis 28.11.2006 und 08.02.2007 bis 04.03.2008 erhielt die Antragstellerin Krankengeld. Auf ihren Antrag auf Alg ab 01.04.2008 bewilligte die Antragsgegnerin der Klägerin ab 01.04.2008 Alg für die Dauer von 360 Kalendertagen (Bescheid vom 08.04.2008, Änderungsbescheid vom 17.04.2008).
Nachdem die Antragstellerin in dem nach Aktenlage erstatteten arbeitsamtsärztlichen Gutachten vom 25.03.2008 voraussichtlich länger als sechs Monate, aber nicht auf Dauer, für nur noch täglich weniger als drei Stunden als beruflich leistungsfähig beurteilt worden war, forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin unter Hinweis auf die Nahtlosigkeitsregelung des § 125 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch - (SGB III) mit Schreiben vom 14.05.2008 auf, innerhalb eines Monats Leistungen zur Rehabilitation zu beantragen. Mit Bescheid vom 16.06.2008 entzog die Antragsgegnerin das Alg ab 19.06.2008 ganz und begründete dies damit, die Antragstellerin sei trotz Belehrung über die Rechtsfolgen der Aufforderung, innerhalb eines Monats Leistungen zur Rehabilitation zu beantragen, nicht nachgekommen. Ebenfalls am 16.06.2008 ging bei der Antragsgegnerin der Antrag der Antragstellerin auf Leistungen zur Rehabilitation ein. Auf den Widerspruch der Antragstellerin gegen den Entziehungsbescheid erließ die Antragsgegnerin am 30.06.2008 einen Abhilfebescheid.
Mit Bescheid vom 27.08.2008 lehnte die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRB) den Antrag der Antragsstellerin auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation mit der Begründung ab, es sei nicht zu erwarten, dass die Erwerbsfähigkeit durch die beantragte Leistung wesentlich gebessert oder wieder hergestellt werden könne. Der Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation sei daher in einen Antrag auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung umzudeuten. Auf Anfrage der Antragsgegnerin teilte die DRB mit Schreiben vom 18.09.2008 mit, dass das Leistungsvermögen der Antragstellerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter drei Stunden eingeschätzt worden sei. Daraufhin hob die Antragsgegnerin die Bewilligung von Alg mit Bescheid vom 23.09.2008 mit Wirkung vom 26.09.2008 ganz auf. Die Antragstellerin, bei der von der Rentenversicherung volle Erwerbsminderung festgestellt worden sei, stehe der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung, sei deshalb nicht arbeitslos und habe daher keinen Anspruch auf Alg mehr.
Dagegen legte die Antragstellerin am 29.09.2008 Widerspruch ein und machte geltend, es gehe ihr mittlerweile wieder viel besser, was sie am 05.09.2008 auch der Antragsgegnerin mitgeteilt habe. Am 10.09.2008 habe sie einen Gesundheitsfragebogen ausgefüllt und beim Ärztlichen Dienst der Antragsgegnerin abgegeben. Sie habe deshalb auch keinen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung bei der Rentenversicherung gestellt. Im anschließend eingeholten arbeitsamtsärztlichen Gutachten nach Aktenlage vom 29.09.2008 wurde die bisherige Leistungsbeurteilung (täglich weniger als drei Stunden) bestätigt. Mit Widerspruchsbescheid vom 01.10.2008 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch der Antragstellerin zurück. Nachdem der Rentenversicherungsträger festgestellt habe, dass die Antragstellerin vermindert erwerbsfähig sei, was sich auch mit dem Ergebnis des arbeitsamtsärztlichen Gutachtens vom 29.09.2008 decke, entfalle der Anspruch auf Alg nach der Nahtlosigkeitsregelung des § 125 SGB III. Die Aufhebung der Leistungsbewilligung beruhe auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X).
Am 17.10.2008 erhob die Antragstellerin Klage (S 11 AL 3403/08) zum Sozialgericht Mannheim (SG) und beantragte gleichzeitig einstweiligen Rechtsschutz. Sie machte unter Vorlage des von ihr am 10.09.2008 beantworteten Gesundheitsfragebogens und der ärztlichen Bescheinigung ihrer Hausärztin und Internistin Dr. T. vom 06.10.2008 geltend, sie sei wieder vollschichtig arbeitsfähig. Ihre Depressionen hätten sich sehr gebessert und sie sei wieder recht stabil. Die Nebentätigkeit (Weltladen H.), die sie von Juli bis September 2008 ca. drei Stunden am Tag ausgeübt habe, bewältige sie problemlos. In der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung heißt es, die Antragstellerin sei vollschichtig arbeitsfähig mit der Einschränkung, ihren Beruf als Sozialarbeiterin nicht mehr ausüben zu können, da die psychische Belastung zu groß sei und genau dies zu der langfristigen Arbeitsunfähigkeit infolge einer Depression geführt habe. Ferner legte die Antragstellerin eine eidesstattliche Versicherung (ohne Datum) vor, wonach sie keine Rente beziehen wolle, da sie sich als vollzeitig arbeitsfähig einschätze. Ferner übersandte die Antragstellerin ihre Schreiben an die Antragsgegnerin vom 13.10.2008 und an die DRB vom 12.10.2008. In letzterem heißt es, sie wolle keinen Rentenantrag stellen, da sie unbedingt wieder arbeiten möchte.
Die Antragsgegnerin trat dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz entgegen und machte geltend, im vorliegenden Fall verbiete sich die Annahme eines unzumutbaren Nachteils. Der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung würde die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen, ohne das derzeit gesicherte Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit des klagebefangenen Bescheides vorlägen. Sowohl ihr Arzt als auch der zuständige Rentenversicherungsträger seien der Auffassung, dass die Antragstellerin derzeit nicht in der Lage sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt drei Stunden täglich tätig zu sein.
Mit Beschluss vom 30.10.2008 ordnete das SG die aufschiebende Wirkung der am 17.10.2008 erhobenen Klage gegen die angegriffenen Bescheide an. Dabei ging es davon aus, dass die von der Antragstellerin erhobene Klage voraussichtlich Erfolg haben werde, weil ernstliche Zweifel daran bestünden, ob die hier erforderlichen Voraussetzungen des § 48 SGB X gegeben seien. Weder könne gesagt werden, dass die Voraussetzungen der Nahtlosigkeitsregelung des § 125 SGB III nicht mehr gegeben seien, weil der Rentenversicherungsträger bei der Antragstellerin verminderte Erwerbsfähigkeit festgestellt habe, noch habe die Antragsgegnerin selbst geklärt, ob die Antragstellerin noch ausreichend arbeitsfähig sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.
Gegen den ihr am 05.11.2008 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 03.12.2008 Beschwerde eingelegt. Sie macht geltend, dass die Voraussetzungen für die Aufhebung der Leistungsbewilligung erfüllt seien, sei entgegen der Auffassung des SG nicht zweifelhaft. Der Rentenversicherungsträger habe im medizinische Leistungen zur Rehabilitation ablehnenden Bescheid vom 27.08.2008 zweifelsfrei festgestellt, dass die Antragstellerin vermindert erwerbsfähig sei. Es bleibe daher für die Anwendung des § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB III kein Raum mehr. Der abgelehnte Antrag auf Rehabilitationsleistungen gelte als Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, so dass der zuständige Rentenversicherungsträger damit auch über die Feststellung nach § 125 Abs. 1 Satz 2 SGB III entschieden habe. Die von der Antragstellerin vorgelegte ärztliche Bescheinigung und der Umstand, dass sie eine Nebentätigkeit von unter 15 Stunden pro Woche ausgeübt habe, würden hingegen keine ärztlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung begründen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 30. Oktober 2008 aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin abzulehnen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie macht geltend, sie habe Anspruch auf Alg, da sie voll arbeitsfähig sei. Dies habe ihre Hausärztin für den Zeitraum ab 01.09.2008 bestätigt. Wenn der Rentenversicherungsträger entschieden habe, dass ihr Leiden nicht rehabilitationsfähig sei, bedeutet dies nicht, dass sie nicht leistungsfähig sei und dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehe. Sowohl die Ärztin des Rentenversicherungsträgers als auch die der Antragsgegnerin hätten ihre Arbeitsfähigkeit nur nach Lage der Akten beurteilt, ohne sie je gesehen zu haben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten erster und zweiter Instanz und die Akten der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Die unter Beachtung der Vorschriften der §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig; ist insbesondere statthaft. Die Beschwerde ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen, weil auch in der Hauptsache die Berufung zulässig wäre, da der Beschwerdewert über 750 EUR beträgt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Die Beschwerde ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den angefochtenen Aufhebungsbescheid angeordnet.
Gemäß § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Zwar haben nach § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG Widerspruch und Klage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt jedoch für die Anfechtungsklage in Angelegenheiten der Bundesagentur für Arbeit bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung herabsetzen oder entziehen (§ 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG). Ein solcher Fall ist - wie bereits das SG zutreffend dargelegt hat - hier gegeben, da die Antragsgegnerin mit dem angefochtenen Bescheid vom 23.09.2008 (Widerspruchsbescheid vom 01.10.2008) das der Antragstellerin ab 01.04.2008 für 360 Tage bewilligte Alg ab 26.09.2008 aufgehoben und damit im Sinne des § 86 a Abs. 2 Nr. 2 SGG entzogen hat. Unter Entziehung der laufenden Leistung ist die ganze oder teilweise Beseitigung von Bescheiden über die Bewilligung von Leistungen zu verstehen (Meyer-Ladewig; SGG, 8. Aufl. § 86a RdNr. 14). Im vorliegenden Fall wurde mit dem angefochtenen Bescheid der Bewilligungsbescheid (Änderungsbescheid) vom 17.04.2008 für die Zeit ab 26.09.2008 beseitigt, so dass eine teilweise Entziehung der bewilligten Leistung vorliegt.
Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage aufgrund von § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG ist anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Verwaltungsakts und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen (Krodel, Der sozialgerichtliche Rechtsschutz in Anfechtungssachen, NZS 2001, 449, 453). Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt. Diese typisierend zu Lasten des Einzelnen ausgestaltete Interessenabwägung kann aber im Einzelfall auch zu Gunsten des Betroffenen ausfallen. Die konkreten gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens, dem konkreten Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung (Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 1. Aufl. 2005, RdNr. 195).
Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens sind die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur einstweiligen Anordnung entwickelten Grundsätze anzuwenden (Krodel aaO RdNr. 205). Danach sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die Eilentscheidung zu Gunsten des Antragstellers nicht erginge, die Klage später aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte Eilentscheidung erlassen würde, der Klage aber der Erfolg zu versagen wäre (st. Rspr des BVerfG; vgl. BVerfG NJW 2003, 2598, 2599 m.w.N.). Besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben sich zudem aus Art 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen, wenn es im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums während eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens geht. Ist während des Hauptsacheverfahrens das Existenzminimum nicht gedeckt, kann diese Beeinträchtigung nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden, selbst wenn die im Rechtsbehelfsverfahren erstrittenen Leistungen rückwirkend gewährt werden (BVerfG 12.05.2005 NVwZ 2005, 927, 928)
Im vorliegenden Fall ergibt die nach den oben dargestellten Grundsätzen vorzunehmende Abwägung, dass das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Bescheides vom 23.09.2008 das Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage gegen diesen Bescheid nicht überwiegt. Die Klage der Antragstellerin gegen den genannten Bescheid hat Aussicht auf Erfolg. Diese ergibt sich daraus, dass eine wesentliche Änderung der für die Bewilligung maßgeblichen Verhältnisse - die Antragsgegnerin hat ihre Entscheidung auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X gestützt - nicht nachgewiesen sein dürfte. Auf einen zur Aufhebung der Leistungsbewilligung berechtigenden Wegfall der objektiven Verfügbarkeit der Antragstellerin, was nach § 119 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 5 Nr. 1 SGB III Voraussetzung für einen Anspruch auf Alg ist, stützt die Antragsgegnerin ihre Entscheidung nicht. Dies entspricht der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit der Antragstellerin durch die Antragsgegnerin, die sich nach der Bewilligung von Alg nicht geändert hat. Sowohl vor der Bewilligung von Alg ab 01.04.2008 als auch im Rahmen der Aufhebung der Leistungsbewilligung ist in den entsprechenden arbeitsamtsärztlichen Gutachten vom 29.03.2008 und 29.09.2008 übereinstimmend von einem Leistungsvermögen von nur noch unter drei Stunden täglich ausgegangen worden. Diese Leistungsbeurteilung hält die Antragsgegnerin auch nach wie vor für richtig.
Die Antragsgegnerin stützt sich zur Begründung ihrer Auffassung, dass eine wesentliche Änderung der Verhältnisse gegenüber dem Zeitpunkt der Bewilligung eingetreten sei, darauf, dass der Rentenversicherungsträger am 27.08.2008 eine verminderte Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin festgestellt habe - der Bescheid ist dem Gericht nicht vorgelegt worden - und somit die Sperrwirkung des § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB III, der einen Anspruch auf Alg auch bei fehlender objektiver Verfügbarkeit vorsehe, entfallen sei. Dies dürfte die von der Antragsgegnerin getroffene Aufhebungsentscheidung jedoch nicht rechtfertigen. Die Nahtlosigkeitsregelung des § 125 Abs. 1 SGB III bewirkt eine Fiktion der objektiven Verfügbarkeit des Arbeitslosen, solange der zuständige Rentenversicherungsträger keine Erwerbsminderung festgestellt hat. Diese Vorschrift hindert die Arbeitsverwaltung daran, einen Leistungsanspruch mit der Begründung zu verneinen, der Arbeitslose sei wegen nicht nur vorübergehenden Einschränkungen der gesundheitlichen Leistungsfähigkeit objektiv nicht verfügbar. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Arbeitslose bei Bejahung einer Erwerbsminderung durch den Rentenversicherungsträger den Leistungsanspruch automatisch verliert. Vielmehr muss die Arbeitsverwaltung zunächst nach allgemeinen Grundsätzen ermitteln, ob der Arbeitslose mit seinem Restleistungsvermögen noch verfügbar ist.
Hier hat der Rentenversicherungsträger die Bewilligung von medizinischen Leistungen zur Rehabilitation mit der Begründung abgelehnt, dass nicht zu erwarten sei, dass die Erwerbsfähigkeit durch die beantragte Leistung wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden könne. Damit hat der Rentenversicherungsträger zwar nur über den Rehabilitationsantrag der Antragstellerin entschieden. Da er aber gleichzeitig auch festgestellt hat, dass das Leistungsvermögen der Antragstellerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter drei Stunden täglich betrage, hat er eine volle Erwerbsminderung der Antragstellerin festgestellt und somit eine Entscheidung nach § 125 Abs. 1 Satz 2 SGB III, die auch unabhängig von der Entscheidung über einen Rentenanspruch ergehen kann, getroffen. An diese Feststellung ist die Antragsgegnerin jedoch nicht gebunden. Vielmehr kann sie - und ist hierzu im Rahmen der ihr obliegenden Amtsermittlungspflicht auch gehalten - selbst aufklären, ob objektive Verfügbarkeit vorliegt. Hier musste sich der Antragsgegnerin die Notwendigkeit der Einholung eines Gutachtens aufgrund einer Untersuchung der Antragstellerin aufdrängen, nachdem ihr die Antragstellerin bereits am 05.09.2008 mitgeteilt hatte, dass sie keinen Rentenantrag stellen wolle und unbedingt wieder arbeiten möchte, was durch die ärztliche Bescheinigung über vollschichtige Arbeitsfähigkeit durch Dr. T. vom 06.10.1008 von der Klägerin belegt wurde. Das nur nach Aktenlage eingeholte Gutachten vom 29.09.2008 war unter diesen Umständen nicht ausreichend, die behauptete Gesundheitsbesserung auszuschließen.
Selbst wenn man lediglich einen nur offenen Verfahrensausgang annehmen würde, würde die dann vorzunehmende Abwägung zugunsten der Antragstellerin ausfallen. Die Folgen, die sich für die Antragsgegnerin ergeben, wenn dem Eilantrag stattgegeben wird, die Klage in der Hauptsache aber erfolglos bleibt, haben nicht das Gewicht wie die Folgen für die Antragstellerin, wenn der Eilantrag abgelehnt werden würde, die Klage in der Hauptsache aber Erfolg hätte. Die Antragsgegnerin muss zwar das Risiko tragen, dass sie das für den restlichen Bewilligungszeitraum (26.09.2008 bis 31.03.2009) gezahlte Alg eventuell nicht oder nur mit Schwierigkeiten zurück erhält. Die Antragstellerin wäre aber nach ihren eigenen glaubhaften Angaben völlig mittellos, so dass die Folgen für sie schwerer wiegen. Im übrigen hat die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren erklärt, sich ab Januar 2009 selbständig machen zu wollen und sämtliche Vorbereitungen hierfür bereits getroffen zu haben. Die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung der Leistungsbewilligung ab Januar 2009 könnten deshalb aus diesem Grund erfüllt sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin auch die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) ab 26.09.2008.
Die 1962 geborene Antragstellerin war vom 15.03.1993 bis 31.03.2008 als Sozialarbeiterin versicherungspflichtig beschäftigt. Vom 17.10.2006 bis 28.11.2006 und 08.02.2007 bis 04.03.2008 erhielt die Antragstellerin Krankengeld. Auf ihren Antrag auf Alg ab 01.04.2008 bewilligte die Antragsgegnerin der Klägerin ab 01.04.2008 Alg für die Dauer von 360 Kalendertagen (Bescheid vom 08.04.2008, Änderungsbescheid vom 17.04.2008).
Nachdem die Antragstellerin in dem nach Aktenlage erstatteten arbeitsamtsärztlichen Gutachten vom 25.03.2008 voraussichtlich länger als sechs Monate, aber nicht auf Dauer, für nur noch täglich weniger als drei Stunden als beruflich leistungsfähig beurteilt worden war, forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin unter Hinweis auf die Nahtlosigkeitsregelung des § 125 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch - (SGB III) mit Schreiben vom 14.05.2008 auf, innerhalb eines Monats Leistungen zur Rehabilitation zu beantragen. Mit Bescheid vom 16.06.2008 entzog die Antragsgegnerin das Alg ab 19.06.2008 ganz und begründete dies damit, die Antragstellerin sei trotz Belehrung über die Rechtsfolgen der Aufforderung, innerhalb eines Monats Leistungen zur Rehabilitation zu beantragen, nicht nachgekommen. Ebenfalls am 16.06.2008 ging bei der Antragsgegnerin der Antrag der Antragstellerin auf Leistungen zur Rehabilitation ein. Auf den Widerspruch der Antragstellerin gegen den Entziehungsbescheid erließ die Antragsgegnerin am 30.06.2008 einen Abhilfebescheid.
Mit Bescheid vom 27.08.2008 lehnte die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRB) den Antrag der Antragsstellerin auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation mit der Begründung ab, es sei nicht zu erwarten, dass die Erwerbsfähigkeit durch die beantragte Leistung wesentlich gebessert oder wieder hergestellt werden könne. Der Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation sei daher in einen Antrag auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung umzudeuten. Auf Anfrage der Antragsgegnerin teilte die DRB mit Schreiben vom 18.09.2008 mit, dass das Leistungsvermögen der Antragstellerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter drei Stunden eingeschätzt worden sei. Daraufhin hob die Antragsgegnerin die Bewilligung von Alg mit Bescheid vom 23.09.2008 mit Wirkung vom 26.09.2008 ganz auf. Die Antragstellerin, bei der von der Rentenversicherung volle Erwerbsminderung festgestellt worden sei, stehe der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung, sei deshalb nicht arbeitslos und habe daher keinen Anspruch auf Alg mehr.
Dagegen legte die Antragstellerin am 29.09.2008 Widerspruch ein und machte geltend, es gehe ihr mittlerweile wieder viel besser, was sie am 05.09.2008 auch der Antragsgegnerin mitgeteilt habe. Am 10.09.2008 habe sie einen Gesundheitsfragebogen ausgefüllt und beim Ärztlichen Dienst der Antragsgegnerin abgegeben. Sie habe deshalb auch keinen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung bei der Rentenversicherung gestellt. Im anschließend eingeholten arbeitsamtsärztlichen Gutachten nach Aktenlage vom 29.09.2008 wurde die bisherige Leistungsbeurteilung (täglich weniger als drei Stunden) bestätigt. Mit Widerspruchsbescheid vom 01.10.2008 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch der Antragstellerin zurück. Nachdem der Rentenversicherungsträger festgestellt habe, dass die Antragstellerin vermindert erwerbsfähig sei, was sich auch mit dem Ergebnis des arbeitsamtsärztlichen Gutachtens vom 29.09.2008 decke, entfalle der Anspruch auf Alg nach der Nahtlosigkeitsregelung des § 125 SGB III. Die Aufhebung der Leistungsbewilligung beruhe auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X).
Am 17.10.2008 erhob die Antragstellerin Klage (S 11 AL 3403/08) zum Sozialgericht Mannheim (SG) und beantragte gleichzeitig einstweiligen Rechtsschutz. Sie machte unter Vorlage des von ihr am 10.09.2008 beantworteten Gesundheitsfragebogens und der ärztlichen Bescheinigung ihrer Hausärztin und Internistin Dr. T. vom 06.10.2008 geltend, sie sei wieder vollschichtig arbeitsfähig. Ihre Depressionen hätten sich sehr gebessert und sie sei wieder recht stabil. Die Nebentätigkeit (Weltladen H.), die sie von Juli bis September 2008 ca. drei Stunden am Tag ausgeübt habe, bewältige sie problemlos. In der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung heißt es, die Antragstellerin sei vollschichtig arbeitsfähig mit der Einschränkung, ihren Beruf als Sozialarbeiterin nicht mehr ausüben zu können, da die psychische Belastung zu groß sei und genau dies zu der langfristigen Arbeitsunfähigkeit infolge einer Depression geführt habe. Ferner legte die Antragstellerin eine eidesstattliche Versicherung (ohne Datum) vor, wonach sie keine Rente beziehen wolle, da sie sich als vollzeitig arbeitsfähig einschätze. Ferner übersandte die Antragstellerin ihre Schreiben an die Antragsgegnerin vom 13.10.2008 und an die DRB vom 12.10.2008. In letzterem heißt es, sie wolle keinen Rentenantrag stellen, da sie unbedingt wieder arbeiten möchte.
Die Antragsgegnerin trat dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz entgegen und machte geltend, im vorliegenden Fall verbiete sich die Annahme eines unzumutbaren Nachteils. Der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung würde die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen, ohne das derzeit gesicherte Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit des klagebefangenen Bescheides vorlägen. Sowohl ihr Arzt als auch der zuständige Rentenversicherungsträger seien der Auffassung, dass die Antragstellerin derzeit nicht in der Lage sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt drei Stunden täglich tätig zu sein.
Mit Beschluss vom 30.10.2008 ordnete das SG die aufschiebende Wirkung der am 17.10.2008 erhobenen Klage gegen die angegriffenen Bescheide an. Dabei ging es davon aus, dass die von der Antragstellerin erhobene Klage voraussichtlich Erfolg haben werde, weil ernstliche Zweifel daran bestünden, ob die hier erforderlichen Voraussetzungen des § 48 SGB X gegeben seien. Weder könne gesagt werden, dass die Voraussetzungen der Nahtlosigkeitsregelung des § 125 SGB III nicht mehr gegeben seien, weil der Rentenversicherungsträger bei der Antragstellerin verminderte Erwerbsfähigkeit festgestellt habe, noch habe die Antragsgegnerin selbst geklärt, ob die Antragstellerin noch ausreichend arbeitsfähig sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.
Gegen den ihr am 05.11.2008 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 03.12.2008 Beschwerde eingelegt. Sie macht geltend, dass die Voraussetzungen für die Aufhebung der Leistungsbewilligung erfüllt seien, sei entgegen der Auffassung des SG nicht zweifelhaft. Der Rentenversicherungsträger habe im medizinische Leistungen zur Rehabilitation ablehnenden Bescheid vom 27.08.2008 zweifelsfrei festgestellt, dass die Antragstellerin vermindert erwerbsfähig sei. Es bleibe daher für die Anwendung des § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB III kein Raum mehr. Der abgelehnte Antrag auf Rehabilitationsleistungen gelte als Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, so dass der zuständige Rentenversicherungsträger damit auch über die Feststellung nach § 125 Abs. 1 Satz 2 SGB III entschieden habe. Die von der Antragstellerin vorgelegte ärztliche Bescheinigung und der Umstand, dass sie eine Nebentätigkeit von unter 15 Stunden pro Woche ausgeübt habe, würden hingegen keine ärztlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung begründen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 30. Oktober 2008 aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin abzulehnen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie macht geltend, sie habe Anspruch auf Alg, da sie voll arbeitsfähig sei. Dies habe ihre Hausärztin für den Zeitraum ab 01.09.2008 bestätigt. Wenn der Rentenversicherungsträger entschieden habe, dass ihr Leiden nicht rehabilitationsfähig sei, bedeutet dies nicht, dass sie nicht leistungsfähig sei und dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehe. Sowohl die Ärztin des Rentenversicherungsträgers als auch die der Antragsgegnerin hätten ihre Arbeitsfähigkeit nur nach Lage der Akten beurteilt, ohne sie je gesehen zu haben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten erster und zweiter Instanz und die Akten der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Die unter Beachtung der Vorschriften der §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig; ist insbesondere statthaft. Die Beschwerde ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen, weil auch in der Hauptsache die Berufung zulässig wäre, da der Beschwerdewert über 750 EUR beträgt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Die Beschwerde ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den angefochtenen Aufhebungsbescheid angeordnet.
Gemäß § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Zwar haben nach § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG Widerspruch und Klage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt jedoch für die Anfechtungsklage in Angelegenheiten der Bundesagentur für Arbeit bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung herabsetzen oder entziehen (§ 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG). Ein solcher Fall ist - wie bereits das SG zutreffend dargelegt hat - hier gegeben, da die Antragsgegnerin mit dem angefochtenen Bescheid vom 23.09.2008 (Widerspruchsbescheid vom 01.10.2008) das der Antragstellerin ab 01.04.2008 für 360 Tage bewilligte Alg ab 26.09.2008 aufgehoben und damit im Sinne des § 86 a Abs. 2 Nr. 2 SGG entzogen hat. Unter Entziehung der laufenden Leistung ist die ganze oder teilweise Beseitigung von Bescheiden über die Bewilligung von Leistungen zu verstehen (Meyer-Ladewig; SGG, 8. Aufl. § 86a RdNr. 14). Im vorliegenden Fall wurde mit dem angefochtenen Bescheid der Bewilligungsbescheid (Änderungsbescheid) vom 17.04.2008 für die Zeit ab 26.09.2008 beseitigt, so dass eine teilweise Entziehung der bewilligten Leistung vorliegt.
Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage aufgrund von § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG ist anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Verwaltungsakts und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen (Krodel, Der sozialgerichtliche Rechtsschutz in Anfechtungssachen, NZS 2001, 449, 453). Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt. Diese typisierend zu Lasten des Einzelnen ausgestaltete Interessenabwägung kann aber im Einzelfall auch zu Gunsten des Betroffenen ausfallen. Die konkreten gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens, dem konkreten Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung (Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 1. Aufl. 2005, RdNr. 195).
Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens sind die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur einstweiligen Anordnung entwickelten Grundsätze anzuwenden (Krodel aaO RdNr. 205). Danach sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die Eilentscheidung zu Gunsten des Antragstellers nicht erginge, die Klage später aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte Eilentscheidung erlassen würde, der Klage aber der Erfolg zu versagen wäre (st. Rspr des BVerfG; vgl. BVerfG NJW 2003, 2598, 2599 m.w.N.). Besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben sich zudem aus Art 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen, wenn es im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums während eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens geht. Ist während des Hauptsacheverfahrens das Existenzminimum nicht gedeckt, kann diese Beeinträchtigung nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden, selbst wenn die im Rechtsbehelfsverfahren erstrittenen Leistungen rückwirkend gewährt werden (BVerfG 12.05.2005 NVwZ 2005, 927, 928)
Im vorliegenden Fall ergibt die nach den oben dargestellten Grundsätzen vorzunehmende Abwägung, dass das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Bescheides vom 23.09.2008 das Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage gegen diesen Bescheid nicht überwiegt. Die Klage der Antragstellerin gegen den genannten Bescheid hat Aussicht auf Erfolg. Diese ergibt sich daraus, dass eine wesentliche Änderung der für die Bewilligung maßgeblichen Verhältnisse - die Antragsgegnerin hat ihre Entscheidung auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X gestützt - nicht nachgewiesen sein dürfte. Auf einen zur Aufhebung der Leistungsbewilligung berechtigenden Wegfall der objektiven Verfügbarkeit der Antragstellerin, was nach § 119 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 5 Nr. 1 SGB III Voraussetzung für einen Anspruch auf Alg ist, stützt die Antragsgegnerin ihre Entscheidung nicht. Dies entspricht der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit der Antragstellerin durch die Antragsgegnerin, die sich nach der Bewilligung von Alg nicht geändert hat. Sowohl vor der Bewilligung von Alg ab 01.04.2008 als auch im Rahmen der Aufhebung der Leistungsbewilligung ist in den entsprechenden arbeitsamtsärztlichen Gutachten vom 29.03.2008 und 29.09.2008 übereinstimmend von einem Leistungsvermögen von nur noch unter drei Stunden täglich ausgegangen worden. Diese Leistungsbeurteilung hält die Antragsgegnerin auch nach wie vor für richtig.
Die Antragsgegnerin stützt sich zur Begründung ihrer Auffassung, dass eine wesentliche Änderung der Verhältnisse gegenüber dem Zeitpunkt der Bewilligung eingetreten sei, darauf, dass der Rentenversicherungsträger am 27.08.2008 eine verminderte Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin festgestellt habe - der Bescheid ist dem Gericht nicht vorgelegt worden - und somit die Sperrwirkung des § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB III, der einen Anspruch auf Alg auch bei fehlender objektiver Verfügbarkeit vorsehe, entfallen sei. Dies dürfte die von der Antragsgegnerin getroffene Aufhebungsentscheidung jedoch nicht rechtfertigen. Die Nahtlosigkeitsregelung des § 125 Abs. 1 SGB III bewirkt eine Fiktion der objektiven Verfügbarkeit des Arbeitslosen, solange der zuständige Rentenversicherungsträger keine Erwerbsminderung festgestellt hat. Diese Vorschrift hindert die Arbeitsverwaltung daran, einen Leistungsanspruch mit der Begründung zu verneinen, der Arbeitslose sei wegen nicht nur vorübergehenden Einschränkungen der gesundheitlichen Leistungsfähigkeit objektiv nicht verfügbar. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Arbeitslose bei Bejahung einer Erwerbsminderung durch den Rentenversicherungsträger den Leistungsanspruch automatisch verliert. Vielmehr muss die Arbeitsverwaltung zunächst nach allgemeinen Grundsätzen ermitteln, ob der Arbeitslose mit seinem Restleistungsvermögen noch verfügbar ist.
Hier hat der Rentenversicherungsträger die Bewilligung von medizinischen Leistungen zur Rehabilitation mit der Begründung abgelehnt, dass nicht zu erwarten sei, dass die Erwerbsfähigkeit durch die beantragte Leistung wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden könne. Damit hat der Rentenversicherungsträger zwar nur über den Rehabilitationsantrag der Antragstellerin entschieden. Da er aber gleichzeitig auch festgestellt hat, dass das Leistungsvermögen der Antragstellerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter drei Stunden täglich betrage, hat er eine volle Erwerbsminderung der Antragstellerin festgestellt und somit eine Entscheidung nach § 125 Abs. 1 Satz 2 SGB III, die auch unabhängig von der Entscheidung über einen Rentenanspruch ergehen kann, getroffen. An diese Feststellung ist die Antragsgegnerin jedoch nicht gebunden. Vielmehr kann sie - und ist hierzu im Rahmen der ihr obliegenden Amtsermittlungspflicht auch gehalten - selbst aufklären, ob objektive Verfügbarkeit vorliegt. Hier musste sich der Antragsgegnerin die Notwendigkeit der Einholung eines Gutachtens aufgrund einer Untersuchung der Antragstellerin aufdrängen, nachdem ihr die Antragstellerin bereits am 05.09.2008 mitgeteilt hatte, dass sie keinen Rentenantrag stellen wolle und unbedingt wieder arbeiten möchte, was durch die ärztliche Bescheinigung über vollschichtige Arbeitsfähigkeit durch Dr. T. vom 06.10.1008 von der Klägerin belegt wurde. Das nur nach Aktenlage eingeholte Gutachten vom 29.09.2008 war unter diesen Umständen nicht ausreichend, die behauptete Gesundheitsbesserung auszuschließen.
Selbst wenn man lediglich einen nur offenen Verfahrensausgang annehmen würde, würde die dann vorzunehmende Abwägung zugunsten der Antragstellerin ausfallen. Die Folgen, die sich für die Antragsgegnerin ergeben, wenn dem Eilantrag stattgegeben wird, die Klage in der Hauptsache aber erfolglos bleibt, haben nicht das Gewicht wie die Folgen für die Antragstellerin, wenn der Eilantrag abgelehnt werden würde, die Klage in der Hauptsache aber Erfolg hätte. Die Antragsgegnerin muss zwar das Risiko tragen, dass sie das für den restlichen Bewilligungszeitraum (26.09.2008 bis 31.03.2009) gezahlte Alg eventuell nicht oder nur mit Schwierigkeiten zurück erhält. Die Antragstellerin wäre aber nach ihren eigenen glaubhaften Angaben völlig mittellos, so dass die Folgen für sie schwerer wiegen. Im übrigen hat die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren erklärt, sich ab Januar 2009 selbständig machen zu wollen und sämtliche Vorbereitungen hierfür bereits getroffen zu haben. Die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung der Leistungsbewilligung ab Januar 2009 könnten deshalb aus diesem Grund erfüllt sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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